Die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen Schilddrüsenerkrankungen und Krampfanfällen besteht, ist komplex und Gegenstand fortlaufender Forschung. Viele Betroffene berichten von einem zeitlichen Zusammenhang zwischen der Diagnose einer Schilddrüsenerkrankung und dem Auftreten von Krampfanfällen, was zu der Annahme führt, dass eine Verbindung bestehen könnte. Dieser Artikel beleuchtet die aktuelle wissenschaftliche Erkenntnislage zu diesem Thema und geht auf mögliche Mechanismen ein, die eine solche Verbindung erklären könnten.
Schilddrüsenerkrankungen und ihre Auswirkungen
Schilddrüsenerkrankungen, insbesondere die Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) und die Hashimoto-Thyreoiditis, können vielfältige Auswirkungen auf den Körper haben. Hashimoto-Thyreoiditis ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die Schilddrüse angreift, was zu einer chronischen Entzündung und letztendlich zu einer Unterfunktion der Schilddrüse führt. Die Schilddrüse produziert Hormone, die eine wichtige Rolle im Stoffwechsel und in der Funktion verschiedener Organe spielen. Eine Unterfunktion kann sich in diversen klinischen Symptomen äußern.
Krampfanfälle und Epilepsie
Krampfanfälle sind ein Symptom, das verschiedene Ursachen haben kann. Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte Krampfanfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle können generalisiert (den ganzen Körper betreffend) oder fokal (auf einen bestimmten Bereich des Gehirns beschränkt) sein. Die Diagnose von Epilepsie erfordert eine sorgfältige Anamnese und neurologische Untersuchung, um andere mögliche Ursachen für die Anfälle auszuschließen.
Der vermutete Zusammenhang
Im Rahmen einiger endokriner Erkrankungen können ebenfalls sowohl generalisierte konvulsive und nicht-konvulsive als auch fokale Anfälle, selten auch non-konvulsive Staten auftreten. So wurden - meist fokale - Anfälle bei Diabetes mellitus, vorwiegend im Rahmen hypo- , seltener auch bei hyperglykämischen Zuständen beschrieben. Weitere mit Anfällen assoziierte endokrine Erkrankungen sind Hyper- und Hypothyreose sowie Hashimoto Thyreoiditis, akut intermittierende Porphyrien und Hypoparathyreoidismus.
Einige Fallberichte und Studien deuten auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Schilddrüsenerkrankungen und dem Auftreten von Krampfanfällen hin. Es gibt Berichte über Patienten, bei denen nach der Diagnose einer Hashimoto-Thyreoiditis Krampfanfälle auftraten. Auch in der Veterinärmedizin gibt es Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Hypothyreose und Krampfanfällen bei Hunden.
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Fallbeispiel Hund
Ein Beispiel aus der Tierheilkunde illustriert diesen potenziellen Zusammenhang: Ein Dogo Canario entwickelte im Alter von einem Jahr epileptische Anfälle. Die Anfallsfrequenz und -intensität nahmen im Laufe der Zeit zu. Nachdem festgestellt wurde, dass der Hund an einer Schilddrüsenunterfunktion litt, wurde er mit Forthyron behandelt. Die anfängliche Verschlimmerung der Anfälle unter der Therapie unterstreicht die Komplexität der Wechselwirkungen.
Mögliche Mechanismen
Die genauen Mechanismen, die einen Zusammenhang zwischen Schilddrüsenerkrankungen und Krampfanfällen erklären könnten, sind noch nicht vollständig verstanden. Es gibt jedoch verschiedene Theorien:
- Hormonelle Einflüsse: Schilddrüsenhormone beeinflussen die neuronale Erregbarkeit und können somit die Anfälligkeit für Krampfanfälle beeinflussen. Eine Hypothyreose kann zu einer veränderten neuronalen Funktion führen, die Krampfanfälle begünstigt.
- Autoimmunprozesse: Bei Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto-Thyreoiditis können Autoantikörper nicht nur die Schilddrüse angreifen, sondern auch andere Gewebe im Körper, einschließlich des Gehirns. Diese Autoantikörper könnten die neuronale Funktion beeinträchtigen und Krampfanfälle auslösen.
- Euthyroid-Sick-Syndrom: Dieses Syndrom beschreibt eine Situation, in der die Schilddrüsenhormonwerte aufgrund einer anderen Erkrankung oder Behandlung verändert sind, ohne dass tatsächlich eine Schilddrüsenerkrankung vorliegt. Es ist wichtig, dieses Syndrom von einer schilddrüsenbedingten Erkrankung zu unterscheiden, da die Behandlung unterschiedlich sein kann.
Diagnostische Abklärung
Bei Patienten mit Krampfanfällen und Verdacht auf eine Schilddrüsenerkrankung ist eine umfassende diagnostische Abklärung erforderlich. Diese sollte folgende Punkte umfassen:
- Anamnese und körperliche Untersuchung: Erhebung der Krankengeschichte und Durchführung einer gründlichen körperlichen Untersuchung.
- Neurologische Untersuchung: Beurteilung der neurologischen Funktion, um die Art und den Ursprung der Krampfanfälle zu bestimmen.
- Schilddrüsenfunktionsdiagnostik: Messung der Schilddrüsenhormonwerte (TSH, fT3, fT4) im Blut, um eine Hypo- oder Hyperthyreose festzustellen. Es ist eine kombinierte Messung des TT4- und des cTSH-Basalwertes zu empfehlen.
- Bildgebende Verfahren: In einigen Fällen können bildgebende Verfahren wie MRT oder CT des Gehirns erforderlich sein, um andere Ursachen für die Krampfanfälle auszuschließen.
- EEG (Elektroenzephalographie): Messung der Hirnströme, um epileptiforme Aktivität festzustellen.
Therapie
Die Therapie von Krampfanfällen in Verbindung mit Schilddrüsenerkrankungen zielt darauf ab, sowohl die Anfälle zu kontrollieren als auch die Schilddrüsenfunktion zu normalisieren. Dies kann folgende Maßnahmen umfassen:
- Antiepileptische Medikamente: Medikamente zur Kontrolle der Krampfanfälle.
- Schilddrüsenhormonsubstitution: Bei Hypothyreose die Gabe von Schilddrüsenhormonen, um den Hormonmangel auszugleichen.Wichtig ist, dass die Therapie überdacht und angepasst werden sollte.
Besonderheiten in der Tiermedizin
Auch in der Tiermedizin, insbesondere bei Hunden, wurde ein Zusammenhang zwischen Hypothyreose und neurologischen Symptomen, einschließlich Krampfanfällen, festgestellt. Die neurologischen Manifestationen der Hypothyreose können vielfältig sein und sich in diversen klinischen Symptomen äußern. Neben Krampfanfällen können auch Ganganomalien, vestibuläre Symptome und Fazialisparese/-paralyse auftreten. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung der Hypothyreose können dazu beitragen, neurologische Komplikationen zu vermeiden oder zu lindern.
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Medikamente und ihre Auswirkungen
Es ist wichtig zu beachten, dass bestimmte Medikamente die Schilddrüsenfunktion beeinflussen und die Interpretation der Schilddrüsenhormonwerte erschweren können. Antikonvulsiva wie Phenobarbital können die Schilddrüsenhormonkonzentrationen beeinflussen, selbst bei normaler Schilddrüsenfunktion. Daher sollte die Schilddrüsenfunktionsdiagnostik idealerweise vor Beginn einer solchen Therapie stattfinden, um Fehlinterpretationen zu vermeiden.
Forschungsergebnisse
Einige Studien haben die Schilddrüsenhormonkonzentrationen bei Hunden mit idiopathischer Epilepsie (IE) untersucht. Es wurde festgestellt, dass Hunde mit IE niedrigere T4-Werte aufweisen können als gesunde Hunde, unabhängig davon, ob sie Antikonvulsiva erhalten oder nicht. Eine Studie untersuchte die Schilddrüsenhormonwerte bei Hunden mit idiopathischer Epilepsie, Hunden, die Antikonvulsiva erhielten, und Hunden mit sekundärer Epilepsie. Dabei zeigte sich, dass die Gesamtthyroxinkonzentrationen umso höher waren, je höher die Phenobarbital-Konzentrationen im Blut waren. Es bestand jedoch keine Korrelation zwischen der Anfallsfrequenz bzw. der vollständigen Anfallsanamnese oder dem vorherrschenden Anfallstyp.
Differenzialdiagnose
Bei der Abklärung von Krampfanfällen ist es wichtig, das Euthyroid-Sick-Syndrom von einer tatsächlichen Hypothyreose zu unterscheiden. Das Euthyroid-Sick-Syndrom ist eine nicht-thyreoidale Erkrankung, die die Schilddrüsenhormonwerte beeinflussen kann. Es ist definiert als Euthyroid Sick Syndrome.
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