Epilepsie, Corona-Impfung und Risiko: Eine umfassende Betrachtung

Die Frage nach dem Risiko einer Corona-Impfung für Menschen mit Epilepsie ist ein wichtiges Thema, das viele Betroffene und ihre Angehörigen beschäftigt. Dieser Artikel beleuchtet die aktuelle Datenlage, um eine differenzierte und fundierte Entscheidungsgrundlage zu bieten. Dabei werden sowohl die potenziellen Risiken als auch die Vorteile einer Impfung gegen COVID-19 für Epilepsiepatienten berücksichtigt.

Epilepsie und COVID-19: Eine besondere Risikogruppe?

Epilepsiepatienten sind durch eine COVID-19-Erkrankung nach aktuellem Kenntnisstand nicht stärker gefährdet als Gesunde. Allerdings können mit Epilepsie assoziierte Komorbiditäten wie das Down-Syndrom oder geistige Behinderung mit einer erheblich erhöhten Hospitalisierungsrate und Mortalität einhergehen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) stuft Epilepsie nicht als generelle Kontraindikation für Impfungen ein. Ein Anspruch auf bevorzugte Impfung besteht also nicht, es sei denn, es liegen Komorbiditäten oder Grunderkrankungen vor, die eine bevorzugte Impfung gestatten.

Corona-Impfung und Epilepsie: Was sagen die Daten?

Millionen Menschen haben sich gegen das Coronavirus impfen lassen und nur leichte Nebenwirkungen verspürt. Seit Dezember 2020 sind Impfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 verfügbar, die zum Teil nach vorliegenden Studiendaten einen bemerkenswert hohen Schutz vor einer schweren Coronavirus-Erkrankung (COVID-19) ermöglichen. Es gibt aktuell keine Hinweise darauf, dass für Epilepsiepatienten ein besonders hohes Risiko bei einer Impfung gegen das Coronavirus besteht. Nach allem verfügbaren Wissen ist für Epilepsiepatienten wie für die Allgemeinbevölkerung das Risiko bei einer Erkrankung an COVID-19 wesentlich höher als ein mögliches Risiko bei Durchführung der Impfung.

Krampfanfälle als mögliche Nebenwirkung

In dem aktuellen Sicherheitsbericht geht das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) auch auf Krampfanfälle ein, die in zeitlichem Zusammenhang mit Coronaimpfungen gemeldet wurden. Dem PEI wurden nach Impfung mit einem Covid-19-Impfstoff bisher insgesamt 1169 Verdachtsfallmeldungen eines Krampfanfalls berichtet. Krampfanfälle nach Impfungen gehören laut PEI zu den Ereignissen von besonderem medizinischen Interesse (Adverse Event of Special Interest), die für die Überwachung der Sicherheit von Vakzinen sehr relevant sind.

Von den verbleibenden Ereignissen wurden 741 Fälle nach Impfung mit Comirnaty und 131 Fälle nach Impfung mit Spikevax gemeldet. Dies entspricht einer Melderate von 0,5 Fällen pro 100.000 Comirnaty-Impfungen und 0,4 Fällen pro 100.000 Spikevax-Impfungen. 113 Meldungen erfolgten nach Impfung mit Vaxzevria und 38 Meldungen nach Impfung mit Jcovden. Dies entspricht einer Melderate von 0,9 Fällen pro 100.000 Vaxzevria-Impfungen und 1 Fall pro 100.000 Jcovden-Impfungen.

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Einzelfall: Sinusvenenthrombose und Epilepsie nach Impfung

Ein konkretes Beispiel zeigt, wie komplex die Zusammenhänge sein können: Bei einem Patienten traten nach einer Impfung mit einem vektor-basierten Impfstoff stärkste Kopfschmerzen, Übelkeit und Schweißausbrüche auf. Noch am selben Tag kam es zu zwei tonisch-klonischen epileptischen Anfällen. Im Krankenhaus wurde eine Sinusvenenthrombose diagnostiziert. Der Patient entwickelte eine strukturelle Epilepsie und Depression. Außergerichtlich wurden die epileptischen Anfälle als Folge der Sinusvenenthrombose und die Depression als Impfschaden nach Covid-19 Impfung anerkannt.

Erhöhtes Risiko für Krampfanfälle nach COVID-19-Infektion

Interessanterweise gibt es Hinweise darauf, dass nach einer COVID-19-Infektion häufiger Krampfanfälle oder eine Epilepsie auftreten als nach einer Grippe. Dies kam in einer Analyse von elektronischen Krankenakten heraus. Kinder waren häufiger betroffen als Erwachsene und ambulante Patienten häufiger als hospitalisierte Patienten. Eine mögliche Erklärung liefert die Verzögerung, mit der die Krampfanfälle und Epilepsien auftraten.

Was ist bei der Impfung von Epilepsiepatienten zu beachten?

Grundsätzlich sollten Menschen mit Epilepsie alle von der STIKO (Ständige Impfkommission) empfohlenen Impfungen erhalten. Es gibt jedoch einige Punkte, die vor und nach der Impfung beachtet werden sollten:

  • Immunsuppression: Ausnahmen von der generellen Impfempfehlung können möglicherweise bei einer bestehenden Immunschwäche oder bei einer Behandlung, die die Immunantwort vermindert, bestehen. Wenn Sie immunsuppressiv behandelt werden, so besprechen Sie mit Ihrem Arzt vor der Impfung, ob diese dennoch für Sie sinnvoll ist.
  • Fieber: Es gibt Epilepsien, bei denen fieberhafte Infekte das Anfallsrisiko erhöhen. Wenn bei Ihnen früher im Rahmen von Infekten oder Impfungen epileptische Anfälle ausgelöst wurden, so besprechen Sie mit Ihrem sie betreuenden Arzt, ob Sie für drei Tage prophylaktisch ein fiebersenkendes Medikament bei Durchführung einer Impfung einnehmen sollten (z.B. Paracetamol) oder ob Sie vorübergehend die antikonvulsive Medikation erhöhen sollten.
  • Allergien: Ferner enthalten die Coronavirus-Impfstoffe Inhaltsstoffe, gegen die eine Allergie bestehen kann. Wenn bei Ihnen Allergien bekannt sind, so besprechen Sie mit dem die Impfung durchführenden Arzt, ob bei Ihnen bekannte Allergene im Impfstoff enthalten sind und ob ggf. ein Impfstoff gewählt werden kann, der diese nicht enthält.
  • Medikamenten-Wechselwirkungen: Beispielsweise können hepatische Enzyminduktoren wie Carbamazepin und Phenytoin die Konzentration von Remdesivir, das häufig in der Behandlung von schwer kranken COVID-19-Patient*innen eingesetzt wird, signifikant reduzieren.
  • Lieferschwierigkeiten bei Epilepsie-Medikamenten: Viele Betroffene wissen aus eigener Erfahrung, dass es schon vor Beginn der Corona-Epidemie gehäuft Lieferschwierigkeiten für Epilepsie-Medikamente gab. Es ist vorstellbar, dass diese Probleme in den nächsten Wochen und Monaten zunehmen könnten.

Was tun bei Anfallshäufung nach der Impfung?

Wie bei jeder fiebrigen Erkrankung besteht bei einigen Menschen mit Epilepsie die Gefahr, dass Anfälle vermehrt auftreten. Deshalb sollte hohes Fieber frühzeitig medikamentös gesenkt werden, z.B. mit Paracetamol. Wenn beim einzelnen Patienten eine deutliche Anfallszunahme durch Fieber bekannt ist, sollte besonders gewissenhaft auf die Infektionsprophylaxe geachtet werden.

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