Die Diagnose Demenz stellt Betroffene und ihre Angehörigen vor erhebliche Herausforderungen. Der Alltag wird beschwerlicher, und viele vormals selbstverständliche Aktivitäten werden zu einer Hürde. In diesem Kontext spielt die Ergotherapie eine entscheidende Rolle, um Menschen mit Demenz zu unterstützen und ihre Lebensqualität zu verbessern. Ergotherapie bietet vielfältige Ansätze, um die Fähigkeiten der Betroffenen länger zu erhalten und zu fördern, was zu einer höheren Lebensqualität und Selbstständigkeit führt. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte der Ergotherapie bei Demenz, insbesondere im Hinblick auf aktivierende Spiele und Aktivitäten.
Was ist Ergotherapie?
Ergotherapie ist ein medizinisches Fachgebiet, das darauf abzielt, Menschen aller Altersgruppen dabei zu unterstützen, ihre Handlungsfähigkeit im Alltag zu verbessern oder zu erhalten. Das Ziel der Ergotherapie ist es, die Selbstständigkeit der Patienten im täglichen Leben zu fördern und ihnen so eine aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Dies geschieht durch spezifische Übungen, den Einsatz von Hilfsmitteln sowie durch Anpassungen der Umwelt.
In der Ergotherapie kommen verschiedene Methoden und Techniken zum Einsatz, die individuell auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Patienten abgestimmt werden. Dazu gehören:
- Aktivitätstherapie: Diese Methode fokussiert sich auf die alltäglichen Aktivitäten der Patienten, wie z.B. Ankleiden, Essen oder Hygiene.
- Kognitive Therapie: Sie zielt darauf ab, geistige Fähigkeiten wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Problemlösungsfähigkeiten zu trainieren und zu erhalten.
- Sensorische Integration: Bei dieser Methode werden die Sinne der Patienten gezielt stimuliert, um ihre Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeiten zu verbessern.
Ergotherapeuten unterstützen auch in psychischen und sozialen Belangen.
Ergotherapie bei Demenz: Spezielle Angebote und Ziele
Für Menschen mit Demenz bietet die Ergotherapie zahlreiche spezielle Angebote, die darauf abzielen, ihre Lebensqualität zu verbessern und den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Ergotherapeuten helfen Menschen mit Demenz, ihre täglichen Aktivitäten so lange wie möglich selbstständig zu erledigen. Speziell für Menschen mit Demenz entwickelte Gedächtnisübungen helfen, kognitive Fähigkeiten zu erhalten und zu fördern. Bewegung ist ein wichtiger Aspekt in der Ergotherapie. Durch gezielte Bewegungsübungen oder auch durch Tanztherapie können motorische Fähigkeiten trainiert und erhalten werden. Die gezielte Stimulation der Sinne kann helfen, die Wahrnehmungsfähigkeiten von Menschen mit Demenz zu verbessern. Ergotherapeuten beziehen auch die Angehörigen in die Therapie mit ein. Sie bieten Beratung und Unterstützung im Umgang mit der Krankheit und geben Tipps für den Alltag.
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Aktivierende Spiele und Aktivitäten in der Ergotherapie
Menschen, die an Demenz erkrankt sind, haben Probleme, ihre alltäglichen Aufgaben zu meistern. Sie machen „Fehler“, weil sie Dinge nicht mehr genau wissen oder Handlungen nicht mehr ausführen können. Zur Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz gehört deshalb unbedingt auch die gezielte Beschäftigung mit Spielen oder anderen Tätigkeiten. Es sollte nicht das Ziel sein, Menschen mit Demenz durch die Beschäftigung herauszufordern und sie vor schwierige Aufgaben zu stellen. Demenz lässt sich nicht „wegtrainieren“. Deshalb muss ein Demenzerkrankter auch nichts unter Beweis stellen.
Das Stadium der Demenz ist ausschlaggebend dafür, welche Aufgaben und Spiele man der betroffenen Person zumuten kann. Gedächtnisübungen können zum Beispiel bei einer leichten Demenz noch sinnvoll sein und Spaß bereiten.
Allgemeine Prinzipien für die Auswahl von Aktivitäten
- Beachten Sie das Stadium der Demenz: Überforderung bewirkt negative Reaktionen.
- Gehen Sie auf persönliche Vorlieben und Abneigungen ein: Die Beschäftigung sollte Spaß machen.
- Respektieren Sie die Entscheidung des Demenzerkrankten: Lassen Sie es zu, wenn der Erkrankte nicht selbst aktiv werden möchte, sondern lieber beobachtet.
- Tolerieren Sie „Fehler“: Schimpfen Sie auf keinen Fall, wenn etwas nicht funktioniert.
Beispiele für aktivierende Spiele und Aktivitäten
- Kreative Tätigkeiten: Der Umgang mit unterschiedlichen Materialien aus der Natur oder dem Bastelladen kann Demenzerkrankten viel Freude bereiten. Man muss sich dafür nicht unbedingt spannende Bastelideen ausdenken, sondern kann auch einfach so etwas Raum für die kreative Betätigung schaffen. Nehmen Sie den Wechsel der Jahreszeiten als Anlass, um passende Dekoration zu basteln. Bringen Sie dafür ein paar Dinge aus der Natur mit (Tannenzapfen, Blumen, Kastanien usw.). So stellen Sie beim Basteln einen Bezug zur Außenwelt her und fördern gleichzeitig die biografische Erinnerung.
- Musikhören und Singen: Bekannte Schlager aus der Jugendzeit stimulieren fröhliche Erinnerungen und können die Stimmung aufhellen. Bekannte Lieder zu singen, dazu zu musizieren oder den Takt zu schlagen funktioniert selbst dann, wenn der Betroffene nicht mehr sprechen kann. Außerdem stellt sich beim Tanzen und gemeinsamen Singen schnell ein Gemeinschaftsgefühl ein. Der Isolation und dem Rückzug wird so Einhalt geboten. Menschen mit Demenz entwickeln keinen neuen Musikgeschmack, sondern mögen oft besonders gerne die Musik, die sie in ihrer Jugend am liebsten gehört haben. Das weckt oft lebendige Erinnerungen.
- Erinnerungsalben: Wenn sich Menschen mit Demenz an Beziehungen mit lieben Menschen oder lebensgeschichtliche Ereignisse erinnern, trägt dies zu ihrem Wohlbefinden bei und sie fühlen sich wieder stärker in ihrer Identität. Besonders gut funktioniert das Wecken von Erinnerungen mit Erinnerungsalben. Darin sammelt man Fotos und andere Erinnerungsstücke aus dem Leben der demenzerkrankten Person. Stellen Sie als Pflegender oder Angehöriger konkrete Fragen zur Kindheit oder Jugend des Demenzerkrankten. Zum Beispiel zu wichtigen historischen Ereignissen aus dieser Zeit. Mehrere kleine Erinnerungsalben sind meistens sinnvoller als ein großes, das eher überfordert.
- Vorlesen: Gerade bei fortschreitender Demenz fällt es vielen Betroffenen schwer, noch selbst zu lesen. Zuhören fördert die Durchblutung im Gehirn. Vorlesen kann für Menschen mit Demenz genauso aktivierend sein wie Kopfrechnen für einen gesunden Menschen. Manche Demenzerkrankte lesen selbst, andere lassen sich lieber vorlesen. In beiden Fällen eignen sich Bücher mit kurzen, einfachen und vor allem positiven Geschichten. Es gibt etliche Bücher, die speziell für Demenzerkrankte geschrieben werden.
- Bewegung: Bewegung regt den Kreislauf an, fördert Sinneserfahrungen und bringt Freude. Deshalb sind Spaziergänge und Ausflüge immer eine sinnvolle Beschäftigung. Chaotische, laute Umgebungen sind ungeeignet, weil sie zu Verwirrung und Stress führen. Ideal sind hingegen Orte, die dem Demenzerkrankten immer schon gefallen haben oder einen biografischen Bezug bieten.
- Spiele: Es gibt Spiele, die speziell für Demenzerkrankte entwickelt wurden. Sie sollen gezielt motorische Fähigkeiten trainieren oder den Spaß am Raten und am Gedächtnistraining bei Demenz wecken. Daneben können Sie Ihren demenzerkrankten Angehörigen aber auch mit herkömmlichen Spielen herausfordern und beschäftigen. Am besten eignen sich dazu Spiele, die von Kindheit an vertraut sind, wie Würfelspiele oder Mensch ärgere Dich nicht. Achten Sie darauf, dass das Spielen nicht zu Leistungsdruck führt. Variieren Sie die Spielregeln lieber, als zu konsequent auf deren Einhaltung zu achten und Ihren demenzerkrankten Spielpartner damit zu verunsichern. Neben Lego- und Duplo-Steinen, die Kreativität und Konzentrationsfähigkeit fördern, gibt es eine Vielzahl weiterer Spiele und Spielzeuge, die speziell für Demenzerkrankte geeignet sind. Dazu zählen beispielsweise einfache Puzzles mit großen Teilen, die das visuelle Erkennen unterstützen, sowie Gedächtnisspiele, die auf Bilder statt Text setzen, um die Erinnerungsfähigkeit anzusprechen.
Die Tovertafel: Interaktive Spiele für Menschen mit Demenz
Ein innovatives Hilfsmittel, das in der Ergotherapie bei Demenz eingesetzt wird, ist die Tovertafel. Die Tovertafel ist ein Kasten, der an der Zimmerdecke, beispielsweise über einem Tisch oder einer freien Bodenfläche, aufgehängt wird. Ein Beamer projiziert verschiedene Spiele auf die Unterlage. Die farbenfrohen Projektionen reagieren auf Hand- und Armbewegungen und die Beteiligten können mit dem Licht spielen. Aktuell stehen 20 verschiedene Spiele zur Verfügung, die vor allem in Gruppen gespielt werden können.
Die Tovertafel wurde speziell für Menschen in der mittleren und späten Phase einer Demenz entwickelt. Untersuchungen haben bereits gezeigt, dass die interaktiven Spiele es ermöglichen, Apathie zu durchbrechen, Unruhe und angespanntes Verhalten zu reduzieren. Mittels sensorischer und auditiver Reize stimuliert die Tovertafel dabei körperliche, mentale Aktivität und positive Emotionen und fördert die soziale Interaktion in der Gruppe und leistet einen Beitrag zur Lebensqualität.
Weitere Aspekte der Ergotherapie bei Demenz
Das Pool Activity Level (PAL) System
Die Bestimmung des richtigen Aktivitätsniveaus ist entscheidend für die Bereitstellung guter Pflege für Menschen mit kognitiven Einschränkungen, wie Demenz. Das Pool Activity Level (PAL) ist ein Instrument, das Pflegekräften hilft, das Aktivitätsniveau einer Person zu bewerten und anschließend passende Aktivitäten anzubieten. Das PAL-System bietet Pflegekräften und pflegenden Angehörigen auf diese Weise eine strukturierte Methode, um den Aktivitätenbedarf und das kognitive Niveau von Menschen mit Demenz zu bewerten. Es wurde im Vereinigten Königreich von Jackie Pool entwickelt und bereits 2008 wissenschaftlich validiert.
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Das PAL-System hilft Pflegekräften zu erkennen, welches Aktivitätsniveau am besten für eine Person geeignet ist, basierend auf deren aktuellen kognitiven und physischen Fähigkeiten. Durch das Anbieten von Aktivitäten, die den Fähigkeiten entsprechen, können Menschen mit Demenz länger ihre Fähigkeiten und ein Gefühl der Selbstständigkeit bewahren. Angemessene Aktivitäten können helfen, kognitive Funktionen zu stimulieren, was das Fortschreiten der Demenz verlangsamen kann. Das PAL-System bietet die Flexibilität, Aktivitäten anzupassen, wenn die Krankheit fortschreitet.
Eine Pool Activity Level (PAL) Bewertung besteht aus der Bewertung und Klassifizierung der kognitiven und funktionellen Fähigkeiten einer Person mit Demenz in einem der vier definierten Aktivitätsniveaus:
- Exploratory (erkundend): Auf diesem Niveau können Personen einfachere Aufgaben mit etwas Anleitung und Anregung durchführen.
- Sensory (sinnlich): Dieses Niveau ist für Individuen, deren Interaktion hauptsächlich sinnlich ist.
Basierend auf der Bewertung werden Aktivitäten an das Niveau angepasst, das am besten zur Person passt. Das System sieht eine fortlaufende Bewertung vor, bei der die Reaktionen der Person auf Aktivitäten überwacht werden.
Ergotherapeutische Übungen für den Alltag
Ergotherapeutische Übungen sind darauf ausgerichtet, alltägliche Fähigkeiten zu erhalten und zu verbessern.
- Übungen zur Förderung der Feinmotorik: Aktivitäten wie Perlen auffädeln, Knöpfe schließen oder Puzzles legen fördern die Feinmotorik. Diese Übungen helfen, die Geschicklichkeit der Hände zu erhalten, was für viele Alltagsaktivitäten entscheidend ist.
- Aktivitäten zur Verbesserung der Grobmotorik: Ballspiele, leichte Gymnastik oder Gartenarbeit können die Grobmotorik und Koordination verbessern. Diese Übungen tragen zur Erhaltung der Mobilität und Selbstständigkeit bei.
- Kognitive Übungen für geistige Fitness: Gedächtnisspiele, Kreuzworträtsel oder einfache Rechenaufgaben stimulieren die kognitiven Fähigkeiten. Regelmäßige geistige Aktivität kann das Risiko kognitiver Einschränkungen reduzieren.
- Alltagsaktivitäten als therapeutische Maßnahmen: Tägliche Routinen wie Kochen, Wäsche falten oder Tisch decken können als therapeutische Übungen genutzt werden.
Spezielle ergotherapeutische Techniken in der Altenpflege
- Das Bobath-Konzept: Es fördert natürliche Bewegungsmuster und kann bei neurologischen Erkrankungen wie Schlaganfall hilfreich sein. Es zielt darauf ab, gesunde Bewegungsabläufe zu reaktivieren und zu festigen.
- Sensorische Integrationstherapie: Sie hilft älteren Menschen, Sinneseindrücke besser zu verarbeiten und einzuordnen.
Häufigkeit und Durchführung von Übungen
Die Häufigkeit der ergotherapeutischen Behandlungen hängt von individuellen Bedürfnissen ab, typischerweise finden sie 1-3 Mal pro Woche statt. Einfache ergotherapeutische Übungen können auch zu Hause durchgeführt werden, indem Alltagsaktivitäten wie Geschirr abtrocknen, Wäsche falten oder leichte Gartenarbeit als Übungen dienen.
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