Ein Schlaganfall ist ein einschneidendes Ereignis, das oft mit langfristigen gesundheitlichen Folgen verbunden ist. Neben den bekannten Risikofaktoren spielen auch Infektionen, insbesondere Erkältungen, eine nicht zu unterschätzende Rolle. Dieser Artikel beleuchtet die Risiken, die von Erkältungen im Zusammenhang mit Schlaganfällen ausgehen, und zeigt die komplexen Zusammenhänge zwischen Infektionen, Immunsystem und Gefäßerkrankungen auf.
Schlaganfall: Ursachen und Immunreaktionen
Jährlich erleiden in Deutschland etwa 250.000 Menschen einen Schlaganfall. Die häufigste Form ist der ischämische Schlaganfall, bei dem eine Durchblutungsstörung im Gehirn auftritt. Auslöser sind oft Blutgerinnsel (Thromben) oder arteriosklerotische Plaques, die Hirnarterien verstopfen und so die Sauerstoffversorgung der Nervenzellen unterbrechen. Je nach betroffenem Hirnareal kommt es zu neurologischen Ausfällen wie Sprach- oder Sehstörungen und Lähmungen.
Ein Schlaganfall löst im Gehirn eine komplexe Immunreaktion aus. Mikroglia, die Immunzellen des Gehirns, werden aktiviert und setzen Entzündungsprozesse in Gang, die weitere Immunzellen anlocken. Diese Entzündungsreaktion kann das Hirngewebe zusätzlich schädigen, bleibt aber lebenslang bestehen. Interessanterweise ist diese Entzündung nicht nur schädlich, sondern kann auch Regenerationsprozesse anstoßen und die neuronale Plastizität fördern.
Das Inflammasom: Ein Schlüsselspieler der Immunabwehr
Das Inflammasom, ein Multi-Proteinkomplex des angeborenen Immunsystems, spielt eine wichtige Rolle bei Entzündungsreaktionen nach einem Schlaganfall. Es detektiert Entzündungssignale und setzt eine Kaskade von Prozessen in Gang, die zur Ausschüttung von entzündungsfördernden Zytokinen wie Interleukin 1 (IL-1) führen. Diese Zytokine verstärken die Entzündung und stoßen weitere Immunreaktionen an.
Der Einfluss von Infektionen auf das Schlaganfallrisiko
Studien zeigen, dass akute Atemwegsinfektionen wie Erkältungen das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle erhöhen können. Eine Studie der London School of Hygiene and Tropical Diseases ergab, dass das Herzinfarktrisiko in den ersten drei Tagen nach einer schweren Atemwegsinfektion um den Faktor 3,75 erhöht ist, das Schlaganfallrisiko sogar um den Faktor 4,07. Innerhalb der ersten Woche treten Herzinfarkte und Schlaganfälle doppelt so häufig auf wie ohne Erkältung.
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Eine weitere Studie in Neurology (2014) ergab, dass jedes zehnte Kind, das einen Schlaganfall erlitt, in den drei Tagen zuvor eine Erkältung oder eine andere Atemwegsinfektion hatte. Dies deutet darauf hin, dass Infektionen, insbesondere Atemwegsinfektionen, bei prädisponierten Personen einen Schlaganfall auslösen können.
Warum erhöhen Infektionen das Schlaganfallrisiko?
Infektionen und andere akute Entzündungen können das Blutgerinnungssystem aktivieren und so das Risiko für Thrombosen und Embolien erhöhen, die wiederum Schlaganfälle verursachen können. Kleine Blutgerinnsel können über den Blutfluss ins Gehirn gelangen und dort Blutgefäße verschließen, was zu einer unzureichenden Durchblutung und Sauerstoffversorgung des Gehirns führt.
Das Schlaganfallrisiko ist besonders nach akuten Infektionen der Atem- und Harnwege erhöht. Infektionen und andere Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus und Rauchen wirken zusammen und erhöhen das Schlaganfallrisiko.
Fallbeispiel: Heinz' Odyssee
Der Fall von Heinz, einem 70-jährigen Mann ohne typische Risikofaktoren, verdeutlicht die Komplexität der Zusammenhänge zwischen Infektionen und Schlaganfällen. Heinz entwickelte nach einer Erkältung mit Halsschmerzen, Müdigkeit und Fieber eine Sepsis, die durch einen Scharlach-Erreger ausgelöst wurde. In Kombination mit einer leichten Verengung der Halsschlagader führte die Sepsis zu einem Schlaganfall.
Heinz' Fall zeigt, wie eine Infektion eine Kaskade von Ereignissen auslösen kann, die letztendlich zu einem Schlaganfall führen. Die rechtzeitige Einlieferung ins Krankenhaus aufgrund der Schlaganfall-Symptome rettete Heinz das Leben, da die lebensgefährliche Sepsis erkannt und behandelt werden konnte.
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Die Rolle des Immunsystems nach einem Schlaganfall
Ein Schlaganfall führt zu einer starken Immunreaktion im gesamten Körper. Das Immunsystem ist nach einem Schlaganfall geschwächt, was es dem Körper erschwert, Infektionen zu bekämpfen. Dies kann zu viralen Infekten wie Grippe, aber auch zu Harnwegsinfekten, Lungenentzündungen, Entzündungen im Bauchraum oder infizierten Wunden führen.
Umgekehrt haben Sepsis-Überlebende häufig einen schlechteren allgemeinen Gesundheitszustand, einen höheren Pflegebedarf und oft neue Begleiterkrankungen. Sowohl für den Schlaganfall als auch die Sepsis gilt: Es zählt jede Minute!
Thromboinflammation: Ein neuer Ansatz zur Schlaganfallbehandlung
Die Forschung hat gezeigt, dass der ischämische Schlaganfall als eine "thrombo-inflammatorische" Erkrankung betrachtet werden kann, bei der das Gerinnungs- und das Immunsystem eng miteinander verknüpft sind. Nach einem Schlaganfall lagern sich Blutplättchen an das geschädigte Gewebe im Gehirn an, und lösliche Gerinnungsfaktoren werden aktiviert, was das Risiko für die Bildung eines erneuten Gerinnsels erhöht.
Das Kallikrein-Kinin-System, das durch Faktor XII angestoßen wird, spielt ebenfalls eine wichtige Rolle bei Entzündungsprozessen nach einem Schlaganfall. Es führt zur Bildung von Bradykinin, einem Peptidhormon, das weitere Entzündungsprozesse in Gang setzt und zur Öffnung der Blut-Hirn-Schranke und zur Ödembildung führt.
Die Hemmung verschiedener Komponenten des Kallikrein-Kinin-Systems in der akuten Phase des Schlaganfalls hat in Studien mit Mäusen zu einer erheblichen Verbesserung des Ausgangs geführt, ohne dass die Tiere verstärkt zu Blutungen neigten.
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Prävention und Behandlung von Schlaganfällen im Zusammenhang mit Infektionen
Um das Risiko für Schlaganfälle im Zusammenhang mit Infektionen zu minimieren, ist es wichtig, Infektionen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Personen mit Gefäßrisikofaktoren sowie Patienten, die bereits einen Schlaganfall hatten, sollten sich jährlich gegen die Influenzagrippe impfen lassen. Auch das Corona-Virus kann die Entstehung von Hirninfarkten begünstigen, weshalb auch hier eine Impfung in Betracht gezogen werden sollte.
Darüber hinaus ist es empfehlenswert, die erwähnten Risikofaktoren für einen Schlaganfall möglichst zu senken. Mit ausreichender, regelmäßiger Bewegung und einer gesunden Ernährung kann einem Schlaganfall gezielt vorgebeugt werden.
Die Behandlung von Schlaganfällen umfasst im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: die systemische Thrombolyse, bei der ein Medikament zur Auflösung des Blutgerinnsels verabreicht wird, und die mechanische Entfernung des Thrombus. Allerdings können nur etwa 20 Prozent aller Schlaganfallpatienten mit diesen Therapien behandelt werden, da die systemische Thrombolyse spätestens 4,5 Stunden nach Symptombeginn erfolgen muss und mit einem erhöhten Risiko für Hirnblutungen einhergeht.
Immunologische Mechanismen als Zukunft der Schlaganfallbehandlung
Die Forschung konzentriert sich zunehmend auf immunologische Mechanismen als vielversprechenden Ansatz zur Schlaganfallbehandlung. Im Gegensatz zu herkömmlichen Therapien ist das Zeitfenster für die Intervention wesentlich länger, und die Entzündungsprozesse sind für jeden Schlaganfallpatienten relevant.
Zukünftige Forschungsansätze zielen darauf ab, die Migration von Immunzellen ins Gehirn gezielt zu beeinflussen und die schädlichen Immunzellen in solche umzuwandeln, die Regenerationsprozesse fördern. Durch genetische Manipulation oder bestimmte Wirkstoffe könnten T-Zellen, die schädliche Zytokine produzieren, in solche umgewandelt werden, die regenerationsfördernde Substanzen herstellen.
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