Demenz ist ein Syndrom, das durch den Verlust von Nervenzellen im Gehirn gekennzeichnet ist und zu einer erworbenen Störung der Gedächtnisfunktionen führt. Die Alzheimer-Demenz ist die bekannteste Form und betrifft etwa zwei Drittel der Betroffenen. Rund 20 Prozent leiden an einer vaskulären Demenz, die durch Schlaganfälle oder Durchblutungsstörungen verursacht wird. Im Verlauf der Erkrankung gehen weitere geistige und körperliche Fähigkeiten wie Sprache, Orientierung, Lernen, Erinnerungs-, Denk- und Urteilsvermögen verloren. Auch das Verhalten der Betroffenen verändert sich; sie können aggressiv, depressiv, unruhig oder apathisch werden. Bewegungen verlangsamen sich, und die Koordination ist gestört.
Eine angemessene Ernährung für Menschen mit Demenz sollte eine ausreichende Menge an Energie, Nährstoffen und Flüssigkeit sicherstellen und Gewichtsabnahme, Austrocknung und Mangelernährung verhindern. Wichtig ist, dass die Freude am Essen erhalten bleibt.
Auswirkungen der Demenz auf das Ernährungsverhalten
Mit der nachlassenden Gedächtnisleistung verändern sich bei Demenzkranken sowohl geistige als auch körperliche und soziale Fähigkeiten, die für die Nahrungsaufnahme nötig sind.
- Vergessen des Essens und Trinkens: Betroffene vergessen, dass sie bereits gegessen oder getrunken haben, oder erkennen Lebensmittel nicht mehr als solche.
- Verändertes Hunger- und Sättigungsgefühl: Demenz kann das Hunger- und Sättigungsgefühl beeinträchtigen. Betroffene haben oft keinen Appetit oder essen übermäßig, ohne ein Sättigungsgefühl zu entwickeln.
- Geschmacksveränderungen: Der Geschmackssinn ändert sich häufig, was dazu führen kann, dass Betroffene die Lust am Essen verlieren. Geschmacksrichtungen wie süß, salzig, sauer oder bitter können mitunter nicht richtig unterschieden werden.
- Schluckstörungen (Dysphagie): Eine Demenz kann zu einer Schluckstörung führen, da die kognitiven und motorischen Fähigkeiten, die für das sichere Schlucken erforderlich sind, beeinträchtigt werden.
- Erhöhter Bewegungsdrang: Menschen mit Demenz haben mitunter einen erhöhten Bewegungsdrang, was den Energiebedarf immens steigern kann.
Herausforderungen in der Ernährung von Menschen mit Demenz
Die Ernährung von Menschen mit Demenz stellt Angehörige und Pflegekräfte vor besondere Herausforderungen.
- Mangelernährung: Aufgrund der veränderten Essgewohnheiten und der Vergesslichkeit besteht ein hohes Risiko für Mangelernährung.
- Gewichtsverlust oder -zunahme: Je nachdem, ob Betroffene zu wenig oder zu viel essen, kann es zu ungewolltem Gewichtsverlust oder -zunahme kommen.
- Dehydration: Viele Menschen mit Demenz vergessen zu trinken oder verspüren kein Durstgefühl mehr, was zu Dehydration führen kann.
- Schluckbeschwerden: Schluckstörungen können die Nahrungsaufnahme zusätzlich erschweren und das Risiko einer Aspirationspneumonie erhöhen.
- Verhaltensänderungen: Verhaltensänderungen wie Unruhe, Aggressivität oder Apathie können die Essenssituation zusätzlich belasten.
Strategien für eine bedarfsgerechte Ernährung
Um den besonderen Bedürfnissen von Menschen mit Demenz gerecht zu werden, sind folgende Strategien hilfreich:
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- Individuelle Ess- und Trinkbiografie: Für die Zeit, in der Demenzkranke ihre Wünsche nicht mehr sprachlich äußern können, sollte rechtzeitig eine Ess- und Trink-Biographie erstellt werden. Dort können Vorlieben, Rituale und Gewohnheiten rund ums Essen und die Mahlzeit festgehalten werden.
- Vertraute Speisen: Vertraute Speisen von früher, die mit schönen Erinnerungen verbunden sind, wecken gute Gefühle, geben Orientierung und fördern den Appetit.
- Anpassung der Speisen: Da Demenz die Geruchs- und Geschmackswahrnehmung beeinträchtigt, bevorzugen Betroffene oft süße Speisen und lehnen Saures ab. Ungewöhnlich, aber beliebt: selbst Fleischküchlein und Gemüsesuppe dürfen dann gezuckert werden.
- Kleine, häufige Mahlzeiten: Unruhige Demenzkranke stehen beim Essen ständig auf oder sind den ganzen Tag oder nachts auf Wanderschaft. Dadurch erhöht sich ihr Bedarf an Nährstoffen und Energie. Betroffene sollten mehrere kalorienreiche Speisen oder Getränke in kleinen Portionen über den Tag verteilt zu sich nehmen.
- Anreicherung der Speisen: Zum Anreichern mit Kalorien eignen sich Pflanzenöl, Nuss- oder Mandelmus ohne Stücke, Eier, Sahne oder Butter. Apotheken bieten hochkalorische Kost als Trinknahrung, Suppen oder Pudding an. Auch auf den Eiweißgehalt des Essens sollte geachtet werden, da es sonst zu Muskelabbau kommen kann.
- Fingerfood: Demente mit Lauftendenzen können beim so genannten „eat by walking“ das Essen als Fingerfood mit auf den Weg nehmen.
- Hilfestellung beim Essen: So lange wie möglich sollten Demente mithelfen dürfen. Manchen hilft es, wenn sie kleine Impulse erhalten, man ihnen die Hand führt oder die Bewegung vormacht.
- Positive Essumgebung: Eine ruhige, strukturierte und einladende Essumgebung kann für Menschen mit Demenz hilfreich sein, um Ablenkung und Überforderung zu vermeiden und den Essprozess zu erleichtern.
- „Eat by walking“: „Eat by walking“ kann insbesondere bei starkem Bewegungsdrang die Nahrungsaufnahme unterstützen. Das Prinzip „Eat by walking“ meint Mahlzeiten oder einzelne Lebensmittel, die mit auf den Weg gegeben werden. Das können Obst- oder Gemüsestücke, kleine Brote oder herzhafte Speisen wie Gemüse-Fleisch-Bällchen sein.
Tipps für die Speisenauswahl und Zubereitung
- Bekannte und regionale Gerichte auswählen
- Kräftig gewürzte Speisen (nicht sauer, besser süß) bevorzugen
- Energiereiche Zutaten und/oder Speisen verwenden
- Fettreiche und süße Speisen anbieten (z. B. Tomatensoße mit Zucker/Süßstoff; Pudding mit Sahne)
- Auf appetitanregende Düfte/Getränke achten
- Essen muss schmecken
Tipps für die Flüssigkeitsaufnahme im fortgeschrittenen Stadium der Demenz
- Das Getränk sollte süß und farbig sein (Zucker/Süßstoff einsetzen, Bananen-/ Pfirsichsaft)
- Milchmixgetränke kommen gut an und liefern wertvolle Inhaltsstoffe
- Auf die Temperatur achten: nicht zu kalt, gerne warm
- Saure Säfte schmecken evtl. nicht
Fingerfood-Ideen
- Gemüse: Gurken (frisch oder süß-sauer eingelegt), Möhren, Kohlrabi, Kürbis, Blumenkohl, Champignons, Paprika, Radieschen, Rettich, Tomaten (mit Käse überbacken), Zucchinischeiben, Selleriescheiben, Cocktailtomaten
- Obst: Ananasstücke, Apfelschnitze, Aprikosen (entsteint), Bananen, Birnenschnitze, Erdbeeren, Pfirsichspalten (frisch), Pflaumen (entsteint), Renekloden, Weintrauben, Mandarinenspalten, Orangenspalten
- Brot: Alle Sorten belegt, geviertelt oder geachtelt, mundgerechte Schnittchen, Mini-Brötchen, Käsesticks, Kräcker, Toast geviertelt, Käse-Pumpernickel
- Backwaren: Mini-Biskuitrolle, Streuselkuchen, Apfelkuchen, Dresdner Stollen, Mini-Amerikaner, Schnecken aus Hefeteig, Hefekleingebäck, kleine Blätterteigtaschen, Käsegebäck, Waffeln
- Fleischgerichte: Fleischwurst, Blutwurst, Mini-Cabanossi, Bockwurst, Wellwurst, Grützwurst, geräucherte Mettenden, Spargelröllchen, Schweinesülze, gebratenes Kotelett (kalt in Stücke geschnitten), Leberklößchen, Markklößchen
Die Rolle der Kommunikation beim Essen
Empathie und Wissen spielen bei der Betreuung von Menschen mit Demenz eine zentrale Rolle. Über die Kommunikation können demenziell erkrankte Menschen auf das Essen eingestimmt werden, sodass die Nahrungsaufnahme erleichtert werden kann.
Folgende Hilfestellungen empfehlen sich bei der Kommunikation:
- Beim Reden und bei Unterhaltungen Blickkontakt herstellen
- Immer namentlich ansprechen
- Langsam und deutlich reden
- Wichtige Informationen wiederholen
- Ironie sollte vermieden werden, da Erkrankte diese häufig nicht mehr verstehen
- Diskussionen meiden
- Lob und Bestätigung - Kritik vermeiden
- Demenziell Erkrankte benötigen Zeit für ihre Antworten. Also Zeit lassen!
- Geschlossene Fragen stellen, die mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden können (Beispiel: Möchtest du einen Kaffee trinken?)
- Anschuldigungen oder Vorwürfe (sind oft der Hilflosigkeit und Frustration geschuldet) überhören und geschickt das Thema wechseln
- Falsch weggeräumte Dinge (z. B. Milch im Backofen) stillschweigend an den richtigen Ort räumen. Erklärungen machen keinen Sinn.
Tipps zum Essverhalten und der Umgebung
- Essen hält Leib und Seele zusammen
- Die Essumgebung und das Ambiente können so gestaltet werden, dass auch die Seele der demenziell veränderten Menschen satt wird
- Mit Reizeinflüssen, wie etwa Radio, Fernseher, klapperndes Geschirr oder lauten Unterhaltungen vorsichtig umgehen
- Tischdekorationen können Menschen mit Demenz verwirren, weshalb darauf so gut es geht verzichtet werden sollte
- Für das Essen sind tiefe Teller mit einem farbigen Rand geeignet, damit die demenziell erkrankten Menschen das Essen leicht finden können
- Dominante Personen, die wiederholt mit einer harschen Wortwahl die Sitznachbarn ärgern, können den Appetit einer ganzen Gruppe demenziell veränderter Menschen verderben
Ernährung zur Vorbeugung von Demenz
Obwohl es kein einzelnes Lebensmittel gibt, mit dem sich das Demenzrisiko einfach "wegessen" lässt, gibt es Hinweise darauf, dass eine ausgewogene Ernährung das Risiko für Demenzerkrankungen wie Alzheimer senken kann.
- Mittelmeerküche: Ein bewährtes Vorbild ist die traditionelle Mittelmeerküche mit viel Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, fettem Seefisch und Olivenöl.
- Polyphenole: Polyphenole (natürliche Stoffe, die Pflanzen ihre Farbe geben) sind in Obst, Gemüse und kaltgepresstem Olivenöl enthalten.
- Omega-3-Fettsäuren: Omega-3-Fettsäuren aus fettem Seefisch wie Thunfisch, Dorade oder Sardelle unterstützen die Zellgesundheit. Sie sind auch in Walnüssen, Chiasamen, Leinsamen und Avocados enthalten.
- Nüsse: Nüsse sind wertvoll, weil sie wichtige pflanzliche Proteine, viele Mineralstoffe und Vitamine liefern.
- MIND-Diät: Die so genannte MIND-Diät kombiniert Elemente der Mittelmeerküche und der DASH-Diät (Dietary Approaches to Stop Hypertension) und soll besonders gut für die Hirngesundheit sein.
Lebensmittel, die der Hirngesundheit schaden können
Aktuelle Studien zeigen, dass der Konsum von stark verarbeiteten Lebensmitteln das Risiko für Demenz erhöhen kann.
- Stark verarbeitete Lebensmittel: Dazu zählen unter anderem Fast Food, Fertigpizza, Dosenravioli, Instantsuppen oder Mikrowellengerichte.
Tipps für eine hirngesunde Ernährung
- So oft wie möglich frisch kochen und industriell hergestellte Produkte meiden
- Obst und Gemüse liefern Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe, die Entzündungen entgegenwirken
- Gesunde Fette aus Oliven- oder Rapsöl, Nüssen und fettem Seefisch stärken die Zellmembranen im Gehirn
- Nüsse liefern pflanzliches Eiweiß, gesunde Fette und viele Mineralstoffe - eine kleine Handvoll pro Tag ist ideal
- Polyphenole aus Olivenöl, Heidelbeeren oder rotem Traubensaft wirken gegen sogenannten „oxidativen Stress“
- Trinken Sie ausreichend Wasser oder ungesüßten Tee
Feste Essenszeiten und Unterstützung von außen
Um zu verhindern, dass Menschen mit Demenz das Essen einfach vergessen, sollten Sie feste Essenszeiten einhalten. Vor allem für alleine lebende Menschen mit Demenz kann auch Unterstützung von außen hilfreich sein. Ein „Essen auf Rädern“ beziehungsweise ein "Fahrbarer Mittagstisch" kann ebenfalls wenigstens einmal am Tag für Regelmäßigkeit sorgen. Wenn ihnen das Alleine-Essen keinen Spaß macht, kann zum Beispiel ein ehrenamtlicher Besuchsdienst angefragt werden, der wenigstens ab und zu gemeinsam mit ihnen isst.
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Umgang mit Nahrungsverweigerung
Im Laufe einer Demenz kann es aus unterschiedlichen Gründen zur Nahrungsverweigerung kommen. Zwingen Sie bitte niemals einen Menschen mit Demenz zum Essen! Lebensmittel und Getränke sollten immer wieder ohne Druck angeboten werden. Ob und wann eine künstliche Ernährung, eine PEG-Magensonde (perkutane endoskopische Gastrostomie) sinnvoll ist, muss von Fall zu Fall entschieden werden. Bei der Entscheidung dafür oder dagegen ist der mutmaßliche Wille des Menschen mit Demenz zu beachten.
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