Ketogene Ernährung in der Demenzforschung: Ein vielversprechender Ansatz?

Die Alzheimer-Demenz stellt eine wachsende Herausforderung für die alternde Bevölkerung dar. Da es bisher keine durchschlagenden medikamentösen Therapien gibt, rückt die Prävention und frühzeitige Intervention immer stärker in den Fokus. In diesem Zusammenhang gewinnt die Erforschung der Auswirkungen der Ernährung auf die Gehirnfunktion zunehmend an Bedeutung. Insbesondere die ketogene Ernährung steht im Fokus der aktuellen Forschung, da sie vielversprechende Ergebnisse in Bezug auf die Verzögerung des kognitiven Abbaus und die Verbesserung der Gedächtnisleistung gezeigt hat.

Grundlagen der ketogenen Ernährung

Die ketogene Ernährung ist eine fettreiche, kohlenhydratarme und proteinmoderate Ernährungsform. Sie zeichnet sich durch einen hohen Anteil an Fetten (ca. 70-80%), einen moderaten Anteil an Proteinen (ca. 20-25%) und einen sehr geringen Anteil an Kohlenhydraten (ca. 5-10%) aus. Durch die Reduktion der Kohlenhydratzufuhr wird der Körper in einen Stoffwechselzustand versetzt, der als Ketose bezeichnet wird.

Ketose: Alternative Energieversorgung des Gehirns

In der Ketose greift der Körper auf Fettreserven zurück, um Energie zu gewinnen. Dabei werden in der Leber Ketonkörper gebildet, die als alternative Energiequelle für das Gehirn dienen können. Zu den wichtigsten Ketonkörpern gehören Acetoacetat, Beta-Hydroxybutyrat (BHB) und Aceton.

BHB: Ein Schlüsselmolekül für die Gedächtnisleistung?

Eine Studie der University of California in Davis, USA, hat gezeigt, dass das Molekül Beta-Hydroxybutyrat (BHB) eine entscheidende Rolle bei der Verhinderung des frühen Gedächtnisverlustes im Zusammenhang mit Alzheimer spielt. In dieser Studie wurde festgestellt, dass Mäuse, die eine ketogene Diät erhielten, einen signifikanten Anstieg der biochemischen Pfade aufwiesen, die mit der Gedächtnisbildung zusammenhängen.

Ketogene Ernährung in der Demenzforschung: Aktuelle Erkenntnisse

Die Forschung zur ketogenen Ernährung bei Demenz steht noch am Anfang, aber die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend.

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Verbesserte Gedächtnisleistung bei Mäusen

Eine Studie der University of California in Davis, USA, zeigte, dass eine ketogene Diät die frühen Stadien des Alzheimer-bedingten Gedächtnisverlustes bei Mäusen deutlich verzögert. Die Forscher fanden heraus, dass das Molekül Beta-Hydroxybutyrat (BHB) eine entscheidende Rolle dabei spielt, den frühen Gedächtnisverlust zu verhindern.

Schutzwirkung von Ketonkörpern auf Entzündungszellen im Gehirn

Forscher des Instituts für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Universität zu Lübeck haben den Wirkmechanismus von Ketonkörpern entschlüsselt. Sie fanden heraus, dass eine ketogene Diät und die entstehenden Ketonkörper auf die Entzündungszellen, Monozyten und Makrophagen, im Gehirn einwirken. Dabei binden Ketonkörper an einen Rezeptor mit dem Namen HCA2, der sich auf Entzündungszellen befindet. Die Aktivierung des HCA2-Rezeptors schützt das Gehirn, indem vermutlich entzündungshemmende Faktoren gebildet werden.

Verbesserte Alltagshandlungen und Lebensqualität bei Alzheimer-Patienten

Eine randomisierte Crossover-Studie aus dem Jahr 2019 konnte zeigen, dass Alzheimer-Patienten im Frühstadium bereits nach 12 Wochen ketogener Ernährungsweise (im direkten Vergleich zu einer herkömmlichen fettarmen Diät) Alltagshandlungen besser ausführen konnten und dass auch ihre Lebensqualität signifikant verbessert war. Auch die kognitiven Fähigkeiten verbesserten sich bei Patienten nach der ketogenen Diät.

Stabilisierung des Blutzuckerspiegels

Ein wichtiger Vorteil der ketogenen Diät liegt in der Stabilisierung des Blutzuckerspiegels. Ein Zuviel an Zucker im Blut ist auf Dauer nicht gut für unser Gehirn. Eine Studie mit gesunden Nicht-Diabetikern zeigte, dass ein höherer Blutzuckerspiegel, gemessen über den Langzeitblutzuckerwert HBA1c, direkt mit einer schlechteren Lern- und Gedächtnisleistung korreliert.

Ketogene Ernährung und Alzheimer Demenz

Ein therapeutischer Nutzen einer kohlenhydratreduzierten Ernährungsweise scheint insofern sinnvoll, da das Gehirn von Alzheimer-Patienten interessanterweise trotz seiner pathologischen Störung der Glukoseverwertung weiterhin in der Lage ist, Ketone uneingeschränkt als Energiequelle zu verstoffwechseln. Somit ließe sich der Energiemangel, der ursächliche Risikofaktor der Alzheimer Demenz, bei diesen Patienten eliminieren. Diese Ernährungsform wird schon lange in der Behandlung der Epilepsie eingesetzt.

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Die Studienlage über die Wirkung von ketogenen Ernährungsformen bei Alzheimer-Patienten ist zwar noch recht dünn, aber vielversprechend.

Die bislang veröffentlichten Pilotstudien an Alzheimer- Erkrankten berichten über positive Auswirkungen einer ketogenen Ernährungsform auf die Krankheit. Insbesondere die Ergebnisse einer ersten randomisierten Crossover-Studie aus diesem Jahr sind mehr als verheißungsvoll.

In dieser neuen Studie konnte gezeigt werden, dass Alzheimer-Patienten im Frühstadium bereits nach 12 Wochen ketogener Ernährungsweise (im direkten Vergleich zu einer herkömmlichen fettarmen Diät) Alltagshandlungen besser ausführen konnten, und dass auch ihre Lebensqualität signifikant verbessert war. Genau diese beiden Parameter sind für Menschen mit Demenz von enorm großer Bedeutung. Auch die kognitiven Fähigkeiten verbesserten sich bei Patienten nach der ketogenen Diät. Wichtig war auch, dass in all den Studien keine nennenswerten unerwünschten Wirkungen auftraten. Besonders zufrieden waren die Autoren weiterhin mit der Tatsache, dass die Umstellung auf die ketogene Ernährung problemlos verlief und sehr gut vertragen und auch eingehalten wurde.

Kokosöl und MCT-Öl als Ketogen-Booster

Eine Ernährung, die nicht ganz so drastisch kohlenhydrat-reduziert ist, dafür aber mit Kokosöl oder MCT-Öl (MCT = Middle Chain Triglycerides, übersetzt mittelkettige Triglyzeride/Fette) ergänzt wird, kann unter bestimmten Bedingungen ebenfalls zur Ketonbildung führen. Die darin enthaltenen mittelkettigen Fettsäuren bestehen aus 6 bis 12 Kohlenstoffatomen und gehen aufgrund ihrer kürzeren Struktur nicht den Umweg über die Lymphe. Sie gelangen nach ihrer Aufnahme im Darm unabhängig von Gallensäuren und fettspaltenden Enzymen mit dem Blut der Pfortader (Sammelvene des Blutes der Bauchorgane) direkt zur Leber, wo sie über ß-Oxidation schnell in Ketone umgewandelt werden. Kokosöl enthält ca. 16% ketogene mittelkettige Fettsäuren, dagegen besteht MCT-Öl ausschließlich aus Fetten, die Fettsäuren mittlerer Kettenlänge enthalten. Zu beachten ist allerdings, dass die Nahrungsmittelfette niemals alleinig aus diesen Fetten bestehen und ihre Verzehrmenge auch individuell abgestimmt werden sollte, am besten durch einen versierten Ernährungstherapeuten, da es sich bei Kokosöl wie auch bei MCT-Öl um gesättigte Fette handelt.

Fallbeispiel: Dr. Mary Newport und ihr Ehemann Steve

Eine therapeutische Wirkung dieser mittelkettigen Fette auf Alzheimer wurde erstmals eindrucksvoll durch die amerikanische Ärztin Dr. Mary Newport gezeigt. Sie behandelte ihren an einer frühen Form von Alzheimer erkrankten Ehemann Steve zunächst mit Kokosöl (35 ml täglich). Nachdem dies bereits nach kurzer Zeit positive Wirkungen im Uhrentest zeigte, steigerte sie die Dosis mit MCT-Öl schrittweise zu einer 4:3-Mischung (MCT zu Kokosöl), bis schließlich 165 ml/Tag, aufgeteilt in 3 bis 4 Portionen, erreicht waren. Das überraschende Ergebnis war, dass es bereits nach wenigen Wochen zu einer enormen Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten kam. Darüber hinaus verbesserte Steve Newport allmählich sein Erinnerungsvermögen, sein Wortfindungsvermögen, seine soziale Teilhabe und sein Gangbild. Auch in der Magnetresonanztomographie wurde über einen langen Zeitraum keine weitere Hirnatrophie festgestellt.

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Weitere Studien mit ketogenen Ölen und Keton-Präparaten

Dass dies kein Einzelfall ist, zeigen auch einige weitere Studien an Alzheimer-Patienten in frühen und fortgeschrittenen Stadien. In fast all diesen Studien war schon kurze Zeit nach der Gabe von ketogenen Ölen oder Keton-Präparaten ein Anstieg der kognitiven Funktionen, der Verarbeitungsgeschwindigkeit und/oder der Gedächtnisleistung der Demenzpatienten feststellbar.

Andere Ernährungsansätze zur Demenzprävention

Neben der ketogenen Ernährung gibt es auch andere Ernährungsansätze, die in der Demenzprävention eine Rolle spielen können.

Mittelmeerdiät

Die Mittelmeerdiät ist reich an pflanzlichen Lebensmitteln wie Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten. Sie enthält gesunde Fette aus Olivenöl und Fisch und ist arm an rotem Fleisch und stark verarbeiteten Lebensmitteln. Ein hoher Gemüsekonsum und eine hohe Zufuhr von Vitamin A und Beta-Carotin verbunden mit mäßigem Alkoholkonsum stehen dabei unter anderem mit einer geringen Bildung der sogenannten Beta-Amyloid-Ablagerungen in der Hirnrinde in Verbindung.

MIND-Diät

Die MIND-Diät (Mediterranean-DASH Intervention for Neurodegenerative Delay) ist eine Kombination aus der Mittelmeerdiät und der DASH-Diät (Dietary Approaches to Stop Hypertension). Sie legt den Fokus noch mehr auf Lebensmitteln wie Olivenöl, Beeren, Blattgemüse und fettem Seefisch, deren anti-entzündlichen Eigenschaften die Nervenzellen vor dem Absterben bewahren sollen.

Pflanzliche Ernährung und das Ornish-Programm

Dean Ornish, ein Pionier der Lebensstilmedizin, hat gezeigt, dass mit seinem Programm aus vollwertiger, pflanzlicher, fettarmer Ernährung, täglichem Walking und Meditation Verengungen an den Herzkranzgefäßen zurückgehen können und auch bei fortgeschrittenem Prostatakrebs eine Rückbildung des Tumors möglich ist. Eine Studie mit Patienten, die an beginnender Demenz litten, zeigte eine deutliche Verbesserung der Gehirnfunktion in der Interventionsgruppe, die das Ornish-Programm befolgte.

Weitere wichtige Nährstoffe und Lebensmittel

Neben den genannten Ernährungsformen gibt es auch einzelne Nährstoffe und Lebensmittel, die eine positive Wirkung auf die Gehirnfunktion haben können:

  • Anthozyane: Enthalten in Blaubeeren, anderen dunklen Beeren und Obst. Sie zeigen in vitro eine Schutzwirkung auf Nervenzellen im Alzheimer-Modell.
  • Omega-3-Fettsäuren: Enthalten in fettem Seefisch, Nüssen und pflanzlichen Ölen. Sie können die kognitive Leistung verbessern und das Risiko einer Demenz reduzieren.
  • Gewürze: Rosmarin, Salbei, Zitronenmelisse und Kurkuma können die kognitive Funktion günstig beeinflussen.
  • Grünblättriges Gemüse: Eine Hauptquelle für Folsäure, die zu einer Absenkung von erhöhtem Homocystein im Blut führt und dies konsekutiv das Demenzrisiko senkt.
  • Kreuzblütler: Gemüsesorten wie Brokkoli, Kohl, Rosenkohl, Blumenkohl, Rucola oder Grünkohl können mit einem geringeren Demenzrisiko verbunden sein.
  • Kaffee und Tee: Das regelmäßige Trinken von Kaffee und grünem Tee kann mit einer Schutzwirkung auf die Demenz verbunden sein.

Herausforderungen und Kritik

Trotz der vielversprechenden Ergebnisse gibt es auch Herausforderungen und Kritikpunkte im Zusammenhang mit der ketogenen Ernährung bei Demenz:

  • Eingeschränkte Studienlage: Die Studienlage zur ketogenen Ernährung bei Demenz ist noch begrenzt. Es bedarf weiterer, größerer Studien, um die Wirksamkeit und Sicherheit dieser Ernährungsform zu bestätigen.
  • Mögliche Nebenwirkungen: Eine ketogene Ernährung kann zu Nebenwirkungen wie Verstopfung, Müdigkeit und erhöhtem Cholesterinspiegel führen.
  • Appetitverlust und Mangelernährung: Die ketogene Diät kann zu Appetitverlust führen, was bei älteren Menschen mit Demenz zu Mangelernährung führen kann.
  • Schwierige Umsetzung: Die ketogene Ernährung erfordert eine strenge Einhaltung und kann für manche Menschen schwierig umzusetzen sein.

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