Polyneuropathie und Ernährung: Ein umfassender Leitfaden zur Unterstützung der Nervenfunktion

Die Polyneuropathie (PNP) ist eine weit verbreitete Erkrankung des peripheren Nervensystems, die durch Schäden an den Nerven verursacht wird. Häufige Ursachen sind Diabetes mellitus und übermäßiger Alkoholkonsum. Sind die Nerven erst einmal geschädigt, ist eine vollständige Heilung selten möglich. Allerdings kann das Fortschreiten der Erkrankung durch eine geeignete Behandlung und eine gezielte Ernährung verlangsamt werden.

Ganzheitliche Behandlung durch gesunde Ernährung

Um die Symptome der Polyneuropathie nachhaltig zu lindern, werden oft ganzheitliche Behandlungsmethoden eingesetzt. Eine gesunde und ausgewogene Ernährung ist ein wichtiger Bestandteil dieser ganzheitlichen Maßnahmen. Insbesondere bei Diabetikern kann eine geeignete Ernährung nicht nur die Beschwerden der Polyneuropathie verbessern, sondern auch zur Regulierung des Blutzuckerspiegels beitragen. Durch eine bewusste Ernährung können Betroffene oft den Bedarf an Schmerzmitteln reduzieren, die häufig mit starken Nebenwirkungen verbunden sind.

Die Bedeutung der Ernährung bei Polyneuropathie

Die Ernährung spielt eine entscheidende Rolle bei der Behandlung und dem Management der Polyneuropathie. Eine ausgewogene Ernährung kann dazu beitragen, die Nervenfunktion zu unterstützen, Entzündungen zu reduzieren und die allgemeine Gesundheit zu verbessern. Im Folgenden werden die wichtigsten Aspekte einer geeigneten Ernährung bei Polyneuropathie detailliert erläutert.

1. Ballaststoffreiche Ernährung

Bei diabetischer Polyneuropathie ist eine ballaststoffreiche Ernährung von großer Bedeutung. Etwa die Hälfte des Energiebedarfs sollte durch Kohlenhydrate gedeckt werden, wobei darauf zu achten ist, dass diese einen niedrigen glykämischen Index aufweisen. Der glykämische Index gibt an, wie schnell und stark ein Lebensmittel den Blutzuckerspiegel ansteigen lässt. Ballaststoffe haben einen niedrigen glykämischen Index und sorgen dafür, dass Kohlenhydrate langsamer ins Blut gelangen. Gute Ballaststoffquellen sind Vollkornprodukte, Nüsse, Obst und Gemüse. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, täglich mindestens 30 Gramm Ballaststoffe zu sich zu nehmen. Bei diabetischer Polyneuropathie wird sogar eine tägliche Aufnahme von 40 Gramm Ballaststoffen empfohlen.

Studien haben gezeigt, dass unlösliche Ballaststoffe das Risiko für Typ-2-Diabetes und entzündliche Erkrankungen senken können. Eine ballaststoffreiche Ernährung liefert zudem wichtige Mineralstoffe, Vitamine und Proteine und fördert ein gesundes Darmmikrobiom. Darmbakterien verstoffwechseln langkettige Kohlenhydrate zu kurzkettigen Fettsäuren, wie Butter- oder Propionsäure, die entzündungshemmende Eigenschaften aufweisen. Aktuelle Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Propionsäure Nervenzellen schützen und deren Regeneration unterstützen kann.

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2. Gesunde Fettsäuren

Gesunde Fettsäuren sind für die Nervenfunktion unerlässlich. Alpha-Liponsäure, eine schwefelhaltige Fettsäure, die in jeder Körperzelle vorkommt, liefert Energie und wirkt als Antioxidans. Sie wird häufig zur Behandlung der peripheren Nervendegeneration eingesetzt und ist in Brokkoli, Spinat und Tomaten enthalten. Omega-3-Fettsäuren haben entzündungshemmende Eigenschaften und dienen als Nahrung für das Nervensystem, wodurch Nervensignale besser übertragen werden können. Sie sind in fettreichen Fischen wie Hering, Makrele und Lachs sowie in Chia- und Leinsamen enthalten.

3. Natürliche Fette bevorzugen

Natürliche Fette sind sowohl bei Polyneuropathie als auch bei Diabetes von Vorteil. Pflanzliche Fette sollten tierischen Fetten vorgezogen werden. Besonders empfehlenswert sind Öle wie Olivenöl, Rapsöl oder Sonnenblumenöl. Diese Öle helfen, Kohlenhydrate einzusparen, was sich positiv auf den Blutzuckerspiegel auswirkt. Kaltgepresste Öle, wie kaltgepresstes Olivenöl, sind besonders wertvoll. Verarbeitete und gehärtete Fette enthalten oft unerwünschte Zusätze und sollten vermieden werden. Butter kann als Alternative zu Margarine und industriell gehärteten Fetten verwendet werden, da sie reiner und somit gesünder ist, auch wenn es sich um ein tierisches Fett handelt. Bei erhöhtem Cholesterinspiegel sollte der Konsum tierischer Fette jedoch stark eingeschränkt werden.

4. Ernährung mit B-Vitaminen

Vitamine des B-Komplexes, insbesondere Vitamin B1 (Thiamin) und Vitamin B12 (Cobalamin), sind bei Polyneuropathie unerlässlich. Bei alkoholbedingter Polyneuropathie tritt häufig eine Mangelernährung auf, die zu einem Defizit an B-Vitaminen und anderen essenziellen Nährstoffen führt. Dieser Mangel kann die Symptome verstärken und das Fortschreiten der Polyneuropathie beschleunigen. Auch bei diabetischer Polyneuropathie ist eine ausreichende Zufuhr von B-Vitaminen entscheidend.

B-Vitamine sind in Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Spinat und anderem Gemüse enthalten. Fisch, Fleisch, Eier und Milch sind reich an Vitamin B12. Veganer haben oft einen Mangel an Vitamin B12 und sollten dieses Vitamin als Nahrungsergänzungsmittel einnehmen. In geringen Mengen ist Vitamin B12 auch in Hülsenfrüchten enthalten. Bei diabetischer Polyneuropathie sollten magere Milchprodukte wie Magerquark, Frischkäse oder Joghurt bevorzugt werden. Mageres Fleisch, wie Geflügel, ist ebenfalls wertvoller als fettes Schweinefleisch oder Wurstwaren.

5. Zu vermeidende Lebensmittel

Bestimmte Lebensmittel können die Beschwerden bei Polyneuropathie verstärken und das Fortschreiten der Erkrankung begünstigen. Unabhängig davon, ob es sich um eine diabetische oder eine andere Form der Polyneuropathie handelt, stellen zuckerhaltige Getränke wie Cola und Limonaden eine Gefahr für den Blutzuckerspiegel dar. Stattdessen sollten Betroffene Mineralwasser, ungesüßte Kräutertees oder Saftschorlen wählen. Auch Weißmehlprodukte und Fertiggerichte wirken sich negativ auf die Erkrankung aus, da sie oft versteckte Fette, Zucker und Geschmacksverstärker enthalten. Bei alkoholtoxischer Polyneuropathie ist Alkohol strikt zu vermeiden. Auch bei anderen Formen der Polyneuropathie ist Alkoholkonsum schädlich.

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Weitere unterstützende Maßnahmen

Neben einer angepassten Ernährung gibt es weitere Maßnahmen, die zur Linderung der Symptome und zur Verbesserung der Lebensqualität bei Polyneuropathie beitragen können.

Bewegungstherapie

Gezielte Bewegung und Physiotherapie sind wichtige Bestandteile der Behandlung von Polyneuropathie. Studien haben gezeigt, dass Bewegung die Taubheit in Händen und Füßen verringern, die Gangunsicherheit reduzieren und das Sturzrisiko senken kann. Durch spezifische Übungen kann das Gehirn trainiert werden, die vorhandenen Nervensignale besser zu verarbeiten und die Bewegungssteuerung zu verbessern.

Mikronährstoffe und Nahrungsergänzungsmittel

Eine ausgewogene Mikronährstoffzufuhr ist für eine gesunde Nervenfunktion unerlässlich. Nahrungsergänzungsmittel, insbesondere der Vitamin-B-Komplex, können hilfreich sein, sollten aber nur in Absprache mit einem Arzt eingenommen werden. Omega-3-Fettsäuren sind besonders für Diabetiker mit Polyneuropathie relevant, da sie möglicherweise die Symptome verbessern und den Krankheitsverlauf verlangsamen können.

Durchblutungsfördernde Maßnahmen

Verschiedene Methoden zur Verbesserung der Durchblutung und Stimulation der Nervenrezeptoren können bei Polyneuropathie hilfreich sein, darunter Trockenbürsten, Wassertreten, Teilbäder, Lehmpackungen und Kaltanwendungen wie Eisbäder oder Kaltlufttherapie. Saunabesuche können schmerzlindernd wirken und das vegetative Nervensystem beeinflussen, erfordern jedoch eine gewisse Belastbarkeit und ausreichende Durchblutung.

Pflanzliche Mittel

Pflanzliche Stoffe wie Antioxidantien aus Acai-Beeren, Noni-Bäumen und Aronia können einen schützenden Effekt im Stoffwechsel bieten. Phytotherapeutisch werden auch Zitterpappel-, Weiden-, Eschen-, Goldruten- und Teufelskrallen-Extrakte verwendet. Weidenrinde enthält Salicylsäure mit entzündungshemmenden Eigenschaften und kann als Tee genutzt werden. Zimt und Curcumin zeigen ebenfalls vorteilhafte Effekte bei Chemotherapie-induzierter Polyneuropathie (CIPN).

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Akupunktur

Akupunktur, ein wichtiger Bestandteil der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), wird bei Polyneuropathie zur Regulierung von Energie und Blutzirkulation eingesetzt. Es gibt zwei Hauptmethoden: die Entfernung pathogener Faktoren und die Balance-Methode, die auf der Behandlung über korrespondierende Körperpunkte basiert.

Elektrotherapie

Elektrotherapien wie Zellenbäder oder die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) können helfen, die Übererregbarkeit der Nerven zu regulieren und Schmerzen zu lindern.

Medikamentöse Behandlung

Die medikamentöse Behandlung ist ein wichtiger Bestandteil der Therapie von Polyneuropathie. Sie umfasst verschiedene Medikamentengruppen, die auf das Zentralnervensystem wirken, um Nervenschmerzen zu lindern. Dazu gehören Antiepileptika wie Gabapentin und Pregabalin, Antidepressiva wie Duloxetin und in einigen Fällen Opioide oder Cannabis-Präparate.

Fallstricke und Kontroversen

Es gibt einige Ernährungsempfehlungen, die bei Polyneuropathie kritisch zu hinterfragen sind.

Vitamin D

Obwohl ein Mangel an Vitamin D mit einem erhöhten Risiko für Polyneuropathie in Verbindung gebracht wird, haben Studien zur Behandlung von Polyneuropathie mit hochdosiertem Vitamin D keine eindeutigen positiven Ergebnisse gezeigt. Es ist ratsam, den Vitamin-D-Spiegel regelmäßig überprüfen zu lassen und einen Mangel auszugleichen, jedoch ohne übermäßige Mengen einzunehmen.

Alpha-Liponsäure

Die Alpha-Liponsäure wird oft als Nahrungsergänzungsmittel bei Polyneuropathie empfohlen. In wissenschaftlichen Studien wurde jedoch nur bei diabetischer Polyneuropathie eine starke Wirkung beobachtet, und dies auch nur bei intravenöser Verabreichung.

Kupfer

Ein Kupfermangel kann in seltenen Fällen eine Polyneuropathie verursachen, insbesondere nach Operationen am Magen-Darm-Trakt oder bei bestimmten Erkrankungen des Verdauungssystems. Eine übermäßige Zinkaufnahme kann ebenfalls zu einem Kupfermangel führen. Es ist wichtig, auf eine ausgewogene Ernährung zu achten und gegebenenfalls den Kupferspiegel überprüfen zu lassen.

Kreatin

Kreatin wird oft als Nahrungsergänzungsmittel für Sportler eingesetzt. Studien haben jedoch gezeigt, dass Kreatin bei Polyneuropathie keinen zusätzlichen Nutzen bringt, auch wenn es in Kombination mit Krafttraining eingesetzt wird.

Vegane und glutenfreie Ernährung

Vegane Ernährung kann zu einem Mangel an B-Vitaminen führen, während eine glutenfreie Ernährung nur bei Menschen mit Zöliakie oder diagnostizierter Glutenunverträglichkeit sinnvoll ist. In anderen Fällen kann eine unnötige glutenfreie Ernährung sogar zu einem Vitamin-B-Mangel führen und eine Polyneuropathie verursachen.

Salz

Obwohl eine salzarme Ernährung oft empfohlen wird, gibt es Hinweise darauf, dass ein moderater Salzkonsum bei Polyneuropathie nicht schädlich sein könnte. Tierversuche und epidemiologische Studien deuten sogar auf einen möglichen Schutz durch eine ausreichende Salzzufuhr hin.

Heilfasten

Heilfasten kann bei Typ-2-Diabetes helfen, den Blutzuckerspiegel zu regulieren und Gewicht zu verlieren. Es gibt auch Hinweise darauf, dass Heilfasten positive Auswirkungen auf das Nervensystem haben könnte. Allerdings gibt es noch keine ausreichenden wissenschaftlichen Studien, die die Wirksamkeit von Heilfasten bei Polyneuropathie belegen. Heilfasten sollte nur unter ärztlicher Aufsicht und bei normalem Gewicht durchgeführt werden, um Mangelerscheinungen zu vermeiden.

Kaffee

Es gibt keine Belege dafür, dass Kaffee schädlich für Menschen mit Polyneuropathie ist. In moderaten Mengen kann Kaffee sogar gesundheitsfördernd sein und bei diabetischer Polyneuropathie helfen, den Blutzuckerspiegel zu senken.

Acetyl-L-Carnitin

Für Acetyl-L-Carnitin wurden bei bestimmten Chemotherapien positive Wirkungen beobachtet, insbesondere bei Chemotherapien mit Platinderivaten. Bei anderen Chemotherapien, wie Taxanen, wurde keine positive Wirkung festgestellt.

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