Demenz ist eine Herausforderung, die nicht nur das Gedächtnis, sondern auch das Essverhalten der Betroffenen beeinflusst. Eine angepasste Ernährung kann jedoch dazu beitragen, die Lebensqualität zu verbessern und den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Bedeutung der Ernährung bei Demenz, gibt praktische Tipps und stellt geeignete Rezepte vor.
Die Bedeutung der Ernährung bei Demenz
„Demenz“ bedeutet übersetzt „weg vom Geist“ oder „abnehmender Geist“ - eine Beschreibung, die Menschen mit Demenz oft nicht gerecht wird. Ernährung spielt eine zentrale Rolle im Leben von Demenzbetroffenen, da sie bis zuletzt Menschen voller Geist, Seele und Gefühl sind. Es ist wichtig, dieses Wissen an Pflegekräfte und Angehörige weiterzugeben.
Warum ist Ernährung so wichtig?
Eine vollwertige Ernährung ist für Demenzkranke besonders wichtig, da ihr Energiebedarf durch unbewussten Bewegungsdrang oder innere Unruhe, die häufig im mittleren Stadium auftritt, erhöht sein kann. Eine ausreichende Nahrungsaufnahme hilft, Gewichtsverlust vorzubeugen und den Körper zu unterstützen.
Die Rolle der Ernährung im Krankheitsverlauf
Im Krankheitsverlauf verändert sich das Essverhalten der Betroffenen auf vielfältige Weise. Einige verspüren weniger Hunger oder können nicht mehr selbstständig essen. Die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz sind sehr individuell und variieren je nach Krankheitsphase:
- Frühphase: Selbstständige Ernährung ist meist problemlos möglich.
- Mittleres Stadium: Betroffene verlieren zunehmend geistige Fähigkeiten, vergessen das Essen und Trinken oder haben Schwierigkeiten mit Besteck. Unterstützung und feste Essenszeiten sind wichtig.
- Spätphase: Erkennungs-, Sprach- und Gehvermögen gehen verloren, oft begleitet von Unruhe und Aggressivität. Selbstständige Versorgung ist ohne Hilfe nicht mehr möglich. Kau- und Schluckstörungen können auftreten, was zu Mangelernährung führen kann.
Allgemeine Ernährungstipps für Menschen mit Demenz
Um Mahlzeiten attraktiv zu machen und die Zufriedenheit der Betroffenen zu steigern, können Sie sich an folgenden Punkten orientieren:
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- Bekannte Gerichte kochen: Bereiten Sie bekannte und regionale Gerichte zu, die Ihr Angehöriger aus der Vergangenheit kennt und gerne isst. Achten Sie dabei auf energiereiche Zutaten, um Gewichtsverlust entgegenzuwirken.
- Selbstständigkeit fördern: Ermöglichen Sie dem Betroffenen die selbstständige Nahrungsaufnahme, zum Beispiel mit Fingerfood.
- Konsistenz anpassen: Achten Sie auf die passende Konsistenz der Speisen, um ein Verschlucken zu verhindern, insbesondere bei Kau- und Schluckstörungen.
- Sinne anregen: Versuchen Sie, alle Sinne des Betroffenen anzuregen. Gerüche wie frischer Kaffee oder Brötchen können die Nahrungsaufnahme positiv beeinflussen.
Praktische Tipps für den Umgang mit verändertem Essverhalten
Demenz verändert nicht nur die Gedächtnisleistung, sondern auch das Essverhalten. Pflegedienste und Angehörige sollten den richtigen Umgang mit Demenzerkrankten kennen und verstehen:
- Abwechslungsreiche Mahlzeiten: Setzen Sie auf abwechslungsreiche und nährstoffreiche (Zwischen-)Mahlzeiten, beispielsweise durch Fingerfood und das Konzept „Eat by Walking“.
- Bunte Gläser: Verwenden Sie bunte Gläser, um Demenzbetroffene zum Trinken anzuregen, da farblose Gläser schlechter wahrgenommen werden.
- Feste Trinkrituale: Integrieren Sie das Trinken in den Tagesablauf, zum Beispiel zu allen Mahlzeiten oder beim Zuprosten.
- Vertrautes Essen: Setzen Sie auf Gerichte aus der Kindheit und vermeiden Sie „Neues“, da dies Älteren eher unbekannt erscheint.
- Süßer Geschmack: Das Geschmacksempfinden kann sich verändern. Häufig entwickeln Betroffene eine Vorliebe für süße Speisen und Getränke. Um das Essen und Trinken zu erleichtern, sollten Speisen und Getränke süß schmecken, auch wenn es nicht der Norm entspricht.
- Gemeinsames Essen: Das gemeinsame Essen erinnert an früher und sorgt dafür, dass Senioren mit größerem Appetit zuschlagen. Achten Sie jedoch auf die individuellen Vorlieben, da introvertierte Senioren in größerer Gesellschaft unruhig werden können.
Essen und Trinken bei Demenz: Weitere Aspekte
- Visuelle und auditive Wahrnehmung: Bei Demenz verändern sich häufig die visuelle und auditive Wahrnehmung. Lebensmittel und Getränke werden möglicherweise nicht mehr als solche erkannt oder Speisen als giftig betrachtet. Menschen mit Demenz können empfindlicher auf Geräusche reagieren und sich leichter ablenken lassen.
- Gedächtnisleistung: Der fortschreitende Verlust der Gedächtnisleistung betrifft besonders das Kurzzeitgedächtnis. Mit zunehmendem Fortschreiten der Krankheit kann auch das Langzeitgedächtnis beeinträchtigt werden, was zu Orientierungslosigkeit führen kann.
- Soziale Fähigkeiten: Die Veränderung sozialer Fähigkeiten kann das Essverhalten erheblich beeinflussen. Gemeinsames Essen in Gesellschaft kann unangenehm oder überfordernd sein.
- Hunger- und Sättigungsgefühl: Oft beeinträchtigt eine Demenz das Hunger- und Sättigungsgefühl. Betroffene haben keinen Appetit oder essen übermäßig, ohne das Gefühl von Sättigung zu erleben.
- Geschmackssinn: Der Geschmackssinn ändert sich häufig. Geschmacksrichtungen wie süß, salzig, sauer oder bitter können mitunter nicht richtig unterschieden werden.
- Schluckstörung (Dysphagie): Eine Demenz kann zu einer Schluckstörung führen, da die kognitiven und motorischen Fähigkeiten, die für das sichere Schlucken erforderlich sind, beeinträchtigt werden.
- Bewegungsdrang: Menschen mit Demenz haben mitunter einen erhöhten Bewegungsdrang, was den Energiebedarf immens steigern kann.
- Mangelernährung: Unter Mangelernährung versteht man eine ungewollte Gewichtsabnahme (quantitative Mangelernährung) oder eine einseitige Ernährung, die zu einer Unterversorgung mit lebenswichtigen Nährstoffen führt (qualitative Mangelernährung).
- Flüssigkeitsmangel: Flüssigkeitsmangel ist ein häufiges Problem, da Betroffene manchmal vergessen zu trinken oder kein Durstgefühl mehr verspüren können.
Geeignete Lebensmittel und Nährstoffe
Eine ausgewogene Ernährung kann das Gehirn unterstützen und das Risiko für Alzheimer reduzieren. Bestimmte Lebensmittel und Nährstoffe sind besonders wichtig:
- Flüssigkeit: Nichts braucht unser Gehirn so sehr wie Wasser. Reicht die Flüssigkeit nicht aus, schrumpfen die Gehirnzellen und funktionieren nicht mehr richtig.
- Glukose: Unser Gehirn braucht 120 bis 140 Gramm Glukose pro Tag, um ausreichend mit Energie versorgt zu werden. Gute Energielieferanten sind Haferflocken, die den Blutzuckerspiegel langsam steigen lassen.
- Aminosäuren: Für den internen Informationsaustausch benötigt unser Gehirn reichlich Aminosäuren, die es aus Eiweiß (z.B. Eiern, Quark, Kichererbsen, Sojabohnen) bekommt.
- Omega-3-Fettsäuren: Fisch liefert reichlich Omega-3-Fettsäuren, die entzündungshemmend wirken und die Wände unserer Zellen geschmeidig halten.
- Antioxidantien: Obstsorten wie Beeren sind reich an Antioxidantien, die unsere grauen Zellen vor Stress schützen.
- Flavonoide: Flavonoide stecken in vielen Obst- und Gemüsesorten (z.B. Beeren, Äpfel, Paprika, Zwiebeln) und schützen die Gehirnfunktion. Auch Kakao, grüner und schwarzer Tee enthalten diese sekundären Pflanzenstoffe.
- B-Vitamine: Nüsse, Haferflocken, Beeren und Kichererbsen versorgen uns mit B-Vitaminen, die für die Gehirnfunktion wichtig sind.
Brainfood-Beispiele
- Nüsse: Reich an ungesättigten Fettsäuren und B-Vitaminen. Walnüsse liefern Omega-3-Fettsäuren, Eiweiß und die Vitamine B1, B2, B6 und E.
- Haferflocken: Lassen den Blutzuckerspiegel langsam steigen und beugen Nervosität, Stress und Konzentrationsproblemen vor.
- Beeren: Reich an Antioxidantien, die unsere grauen Zellen vor Stress schützen.
- Kichererbsen und Sojabohnen: Liefern neben Eiweiß reichlich B-Vitamine, Eisen, Magnesium und Zink.
- Fetter Seefisch: Enthält Omega-3-Fettsäuren, die entzündungshemmend wirken und die Zellgesundheit unterstützen.
Die MIND-Diät als Vorbild
Die sogenannte MIND-Diät (Mediterranean-DASH Intervention for Neurodegenerative Delay) kombiniert Elemente der mediterranen Ernährung und der DASH-Diät (Dietary Approaches to Stop Hypertension). Sie legt den Fokus auf Lebensmittel, die besonders förderlich für die Gehirngesundheit sind:
- Grünes Blattgemüse (Spinat, Grünkohl)
- Andere Gemüsesorten
- Nüsse
- Beeren
- Hülsenfrüchte
- Vollkornprodukte
- Fisch
- Geflügel
- Olivenöl
- Wein (in Maßen)
Gleichzeitig sollten stark verarbeitete Lebensmittel, rotes Fleisch, Süßigkeiten und frittierte Speisen reduziert werden.
Was man vermeiden sollte
Ungesunde Nahrungsmittel, die Herzinfarkte oder Schlaganfälle begünstigen, fördern auch Durchblutungsstörungen im Gehirn. Daher sollte man möglichst frühzeitig auf eine gefäßgesunde Ernährung achten.
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Stark verarbeitete Lebensmittel
Aktuelle Studien zeigen, dass der Konsum von stark verarbeiteten Lebensmitteln das Risiko für Demenz erhöhen kann. Dazu zählen Fast Food, Fertigpizza, Dosenravioli, Instantsuppen oder Mikrowellengerichte.
Warum sind stark verarbeitete Lebensmittel schädlich?
- Übergewicht: Häufiger Konsum führt zu Übergewicht, was Erkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes begünstigen kann.
- Gestörte Darmflora: Essen mit vielen gesättigten Fetten, Salz und wenig Ballaststoffen kann die mikrobielle Vielfalt im Darm verändern.
- Geschädigte Nervenzellen: Manche Stoffe wie künstliche Aromen oder andere Zusatzstoffe können Nervenzellen schädigen.
Empfehlungen
Kochen Sie so oft wie möglich frisch und meiden Sie industriell hergestellte Produkte.
Rezepte und Mahlzeitenplanung
Hochkalorische Rezepte für Senioren
Wenn Senioren kaum Appetit verspüren, Mahlzeiten vergessen oder immer die gleichen Lebensmittel zu sich nehmen, ist es notwendig, hochkalorische Rezepte bereitzustellen. Lieblingsgerichte können mit hochwertigen Pflanzenölen wie Leinöl oder Olivenöl angereichert werden. Ebenso ist es wichtig, nährstoffdichte Lebensmittel wie Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Fisch und reichhaltige Milchprodukte für die Mahlzeiten zu bevorzugen.
Beispielrezept: Grießpudding mit Trinknahrung
Zutaten:
- 200 ml hochkalorische Trinknahrung
- 50 ml Sahne
- 40 g Grieß
- 1 EL Zucker
Zubereitung:
- Trinknahrung und Sahne in einem Topf unter Rühren erwärmen.
- Grieß und Zucker hinzufügen und rühren, bis der Pudding eine cremige Konsistenz hat.
- Den Topf vom Herd nehmen und den Pudding in 4 Förmchen füllen.
Pürierte Kost bei Kau- und Schluckstörungen
Menschen ohne Zähne genießen am besten püriertes Essen mit gutem Geschmack und feinen Aromen. Verwenden Sie saisonales und frisches Gemüse sowie Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Fisch und Saaten. Je bunter die Zusammensetzung ist, umso vollwertiger wird der Brei. Braten Sie die Zutaten kurz an, um ihnen Geschmack zu verleihen und dünsten Sie diese anschließend gar. Würzen Sie mit frischen Kräutern statt mit Salz und pürieren Sie das Essen homogen.
Leichtes Abendessen für Senioren
Verzichten Sie bei bestehenden Verdauungsproblemen auf scharfe Gewürze, blähende und gärende Lebensmittel sowie Alkohol. Reichern Sie aber Ihren Speiseplan mit Ballaststoffen an und achten Sie auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr.
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Tipps zur Rezeptauswahl
Bei der Auswahl von Rezepten für Menschen mit Demenz sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden:
- Einfache Zubereitung: Die Rezepte sollten einfach zuzubereiten sein, um Angehörige und Pflegekräfte nicht zu überfordern.
- Bekannte Zutaten: Verwenden Sie Zutaten, die der Betroffene kennt und mag.
- Anpassbare Konsistenz: Die Konsistenz der Speisen sollte an die individuellen Bedürfnisse angepasst werden können.
- Nährstoffreich: Achten Sie auf eine ausgewogene Zusammensetzung mit allen wichtigen Nährstoffen.
Die Rolle der Angehörigen und Pflegekräfte
Die Unterstützung durch Angehörige und Pflegekräfte ist entscheidend für eine gelungene Ernährung bei Demenz. Sie können:
- Die Essumgebung gestalten: Eine ruhige, strukturierte und einladende Essumgebung kann helfen, Ablenkung und Überforderung zu vermeiden und den Essprozess zu erleichtern.
- Hilfsmittel nutzen: Geeignete Ess- und Trinkhilfen können das selbstständige Essen und Trinken erleichtern.
- Motivation fördern: Ermutigen Sie den Betroffenen zum Essen und Trinken, ohne Druck auszuüben.
- Auf Vorlieben eingehen: Berücksichtigen Sie die individuellen Vorlieben und Abneigungen des Betroffenen.
- Professionelle Hilfe suchen: Bei Bedarf können Sie sich von einem Arzt oder Ernährungsberater beraten lassen.
Weitere unterstützende Maßnahmen
Neben der Ernährung gibt es weitere Maßnahmen, die das Wohlbefinden von Menschen mit Demenz verbessern können:
- Bewegung: Regelmäßige Bewegung fördert die Durchblutung des Gehirns und kann kognitive Funktionen verbessern.
- Geistige Aktivität: Fordern Sie das Gehirn durch Gedächtnisspiele, Lesen oder andere Aktivitäten heraus.
- Soziale Kontakte: Pflegen Sie soziale Kontakte, um Einsamkeit und Isolation vorzubeugen.
- Ausreichend Schlaf: Sorgen Sie für ausreichend gesunden Schlaf, da dieser wichtig für die Regeneration des Gehirns ist.