Die ergotherapeutische Behandlung von neurologischen Patienten erfordert spezialisierte Kenntnisse und Fähigkeiten. Die Weiterbildung zum Fachtherapeuten Neurologie in der Ergotherapie bietet Ergotherapeuten die Möglichkeit, sich in diesem Bereich zu spezialisieren und ihre Kompetenzen zu erweitern. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte dieser Ausbildung, von den Inhalten und Zielen bis hin zu den Zugangsvoraussetzungen und Karrieremöglichkeiten.
Bedeutung der Fortbildung in der Ergotherapie
Eine erstklassige und zeitgemäße Therapie anzubieten, ist das Ziel aller Ergotherapeuten. Der Gesetzgeber unterstreicht die Bedeutung von Fortbildungen durch die Fortbildungsverpflichtung nach § 125 Abs. 2 SGB V. Nutzen Sie die vielfältige staatliche Förderung für Ihre Weiterbildung, wie Gutscheine, Prämien, Stipendien und Freistellungen. Nutzen Sie die Vorteile der Mitgliedschaft beim DVE. Als Mitglied erhalten Sie vom Verband Unterstützung in allen Bereichen der Ergotherapie. Dazu haben Sie als Mitglied Zugang zu vielen wichtigen Informationen.
Ziele der Ausbildung zum Fachtherapeuten Neurologie
Die Ausbildung zum Fachtherapeuten Neurologie in der Ergotherapie zielt darauf ab, Ergotherapeuten zu Experten in der Behandlung von Patienten mit neurologischen Erkrankungen zu qualifizieren. Dazu gehört der Erwerb von fundiertem Wissen über neurologische Krankheitsbilder, Assessments und spezifische Therapieansätze.
Inhalte der Ausbildung
Die Ausbildung zum Fachtherapeuten Neurologie in der Ergotherapie umfasst in der Regel folgende Inhalte:
Neurologische Grundlagen
- Anatomie und Physiologie des Nervensystems: Vermittlung von Kenntnissen über den Aufbau und die Funktionsweise des Nervensystems.
- Neurologische Krankheitsbilder: Detaillierte Auseinandersetzung mit verschiedenen neurologischen Erkrankungen wie Schlaganfall,Multiple Sklerose, Morbus Parkinson, Demenz und Schädel-Hirn-Trauma.
- Neuropsychologie: Einführung in die Grundlagen der Neuropsychologie und deren Bedeutung für die ergotherapeutische Behandlung.
Assessments und Befunderhebung
- Standardisierte Testverfahren: Kennenlernen und Anwendung verschiedener standardisierter Testverfahren zur Erfassung von motorischen, sensorischen, kognitiven und psychischen Funktionen.
- ICF-basierte Befunderhebung: Durchführung einer umfassenden Befunderhebung unter Berücksichtigung der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF).
- Analyse von Alltagsaktivitäten: Beobachtung und Analyse von Alltagsaktivitäten zur Identifizierung von Schwierigkeiten und Ressourcen des Patienten.
Therapieansätze und Behandlungsmethoden
- Neurokognitive Rehabilitation: Anwendung des Konzepts der neurokognitiven Rehabilitation nach Perfetti, bei dem die Aktivierung kognitiver Prozesse zur Wiederherstellung verloren gegangener Funktionen im Vordergrund steht.
- Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation (PNF): Erlernen und Anwenden der PNF-Technik zur Förderung von Bewegungsmustern und Verbesserung der neuromuskulären Kontrolle.
- Kognitives Training: Durchführung von kognitivem Training zur Verbesserung von Aufmerksamkeit, Gedächtnis,Exekutivfunktionen und anderen kognitiven Leistungen.
- Sensorische Integrationstherapie: Anwendung der sensorischen Integrationstherapie zur Behandlung von sensorischen Verarbeitungsstörungen.
- Handtherapie: Spezielle Behandlungstechniken für Patienten mit neurologisch bedingtenHandfunktionsstörungen.
- Alltagsorientiertes Training: Durchführung von alltagsorientiertem Training zur Verbesserung der Selbstständigkeit undHandlungsfähigkeit im Alltag.
Spezifische Therapieansätze und Konzepte:
PNF (Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation):
Lesen Sie auch: Karriere als Fachtherapeut Neurologie Logopädie
- Das Üben von sinnvollen Aktivitäten steht im Vordergrund dieser Kurse.
- Da Patienten in der heutigen Zeit nicht mehr solange bettlägerig sind und PNF auch Anwendung bei ambulanten Patienten, sowie im häuslichen und sportlichen Umfeld findet, ist die Behandlung in liegender Positionen nicht mehr zeitgemäß.
- Technischer Fortschritt ermöglicht frühe Belastungen auch mit modernen Hilfsmitteln, die physiologische Bewegungsabläufe fördern. Die Therapiemethoden sind darauf abgezielt diese zu unterstützen.
- Die Rolle der Propriozeptoren als Feedbackrezeptoren, die auf Druck und Zug reagieren, sowohl zum Schutz der Körperstrukturen als auch um die automatische und unbewusste Haltungskontrolle des Organismus zu gewährleisten, bestimmt die methodische Vorgehensweisen dieser Therapie.
- Die Hände des Therapeuten werden nur, wenn nötig, dort wo nötig eingesetzt, um das Gehirn Rückmeldung zu erteilen wie eine Bewegung erfolgen kann.
Kognitives Training:
- Auf der Grundlage eines kognitiven Befundes (inkl. normierter kognitiver Testverfahren, Beachtung Heilmittel-Richtlinien und ICF) führen Fachtherapeut*innen für Kognitives Training das Kognitive Training symptomorientiert, ressourcenorientiert oder allgemein geistig aktivierend als Einzel- oder Gruppentraining durch.
- Das Kognitive Training nach der Stengel-Methode hat in klinischen Studien seine Wirksamkeit nachgewiesen und bessert eine Vielzahl von Hirnleistungen, wirkt schmerzlindernd und anti-depressiv.
- Es wird eingesetzt in Neurologie, Psychiatrie und Psychosomatik, Innerer Medizin und Geriatrie, Kinderheilkunde, (Neuro- bzw. Lern-)Psychologie und beruflicher Rehabilitation.
- Sozial-kommunikatives Kognitives Training von Dr. med.
- Das therapeutische Konzept des symptomorientierten Kognitiven Trainings / Hirnleistungstrainings z.B.
- Grundlagen des Kognitiven Trainings bei neurologischen (z. B. M. Parkinson, MS, Schlaganfall, Demenz usw.) und psychischen Erkrankungen (Depressionen, Psychosen, Suchterkrankungen), in der Psychosomatik und in Therapie und Rehabilitation anderer Bereiche z.B.
- Grundlagen des Kognitiven Trainings in therapeutischen Praxen (z. B.
- Möglichkeiten der kognitiven Rehabilitation bei unterschiedlichen kognitiven Störungen, Hirnleistungsstörungen, Gedächtnisstörungen z.B.
- Kognitives Training von Dr. med.
- Kognitiv-orientierte Sprachtherapie z.B.
- Kognitives Training von Dr. med.
- Kognitives Training von Dr. med.
Weitere wichtige Inhalte
- Evidenzbasierte Praxis: Kritische Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Studien und derenRelevanz für die ergotherapeutische Behandlung.
- Qualitätssicherung: Entwicklung und Implementierung von Maßnahmen zur Qualitätssicherung in der ergotherapeutischen Praxis.
- Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Förderung der Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen imGesundheitswesen.
- Gesetzliche Rahmenbedingungen: Kenntnisse über relevante Gesetze und Richtlinien im Bereich derNeurologie und Rehabilitation.
Zugangsvoraussetzungen
Die Zugangsvoraussetzungen für die Ausbildung zum Fachtherapeuten Neurologie in der Ergotherapie können je nach Anbieter variieren. In der Regel wird jedoch eine abgeschlossene Ausbildung als Ergotherapeut vorausgesetzt. Einige Anbieter fordern zusätzlich einemindestens einjährige Berufstätigkeit in Vollzeit (38,5 Std.) oder eine entsprechende Teilzeittätigkeit.
Zielgruppe:
Die Ausbildung ist besonders geeignet für Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Logopäden, Neuropsychologen und Ärzte. Andere Berufsgruppen können auf Anfrage zugelassen werden.
Struktur und Dauer der Ausbildung
Die Ausbildung zum Fachtherapeuten Neurologie in der Ergotherapie ist in der Regel modular aufgebaut und umfasst sowohl theoretische als auch praktischeAnteile. Die Dauer der Ausbildung kann je nach Anbieter variieren, liegt aber meist zwischen einem und drei Jahren.
Beispielhafter Aufbau einer Weiterbildung zum Fachtherapeuten Neurorehabilitation:
- Die Module sind einzeln buchbar oder im Gesamtpaket als Weiterbildung.
- Die Inhalte basieren auf dem neuesten Stand der Neurowissenschaften.
- Alle Seminare beinhalten fundierte theoretische Ausführungen, praktische Übungen in Vorführung und Selbsterfahrung, Workshops, Patientenbeispiele in aussagekräftigen Videos sowie Angebote für Eigentrainingsprogramme.
- Der Teilnehmer erhält ein umfassend angelegtes Skript, so dass die spätere Aufarbeitung der Inhalte nachvollziehbar und eindeutig ist.
- Hinweise auf adäquate Fachliteratur und professionelle Links für Internetrecherchen sind in den Ausführungen enthalten.
- Im dreitägigen Praxisworkshop werden die jeweiligen Übungen gefilmt und der Teilnehmer kann die Videosequenzen für seinen persönlichen Bedarf verwenden.
- Große inhaltliche Relevanz besitzt neben Ideenfindungen und Anregungen für gezielte Behandlungsdurchführungen auch die Vermittlung von validen, reliablen und praktikablen Assessmentverfahren nach ICF-Kriterien.
- Das Zertifikat „Fachtherapeut Neurorehabilitation” beinhaltet den Besuch aller Fortbildungen der “Bausteinreihe Neurorehabilitation“ im maximalen Zeitrahmen von drei Jahren inklusive dem Ablegen von schriftlichen Wissens- nachweisen für die Module 01 bis 06.
- Die einzelnen Wissensnachweise (halbstündig mit 6 offenen Fragen) können in den jeweiligen Folgemodulen absolviert werden, die Bewertung erfolgt mit „bestanden“ oder „nicht bestanden“.
- Der Teilnehmer erhält im Vorfeld die Lernschwerpunkte für alle Wissensnachweise vom jeweiligen Institut.
- Im Modul 07 „Aus der Praxis - für die Praxis” wird der Teilnehmer in seiner praktischen Handlings bei den jeweiligen Übungen bewertet.
- Bei nicht bestandenen Nachweisen sind maximal 2 „Nachprüfungen“ möglich, dann muss das Modul wiederholt werden.
- Die Entscheidung über das Erlangen des Zertifikates “Fachtherapeut Neurorehabilitation” muss bis spätestens nach dem Besuch des 2. Moduls erfolgen.
Neurokognitive Rehabilitation nach Perfetti
Die neurokognitive Rehabilitation basiert auf dem Konzept des Begründers Prof. Carlo Perfetti. Dabei wird die Aktivierung kognitiver Prozesse (Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Sprache, Lernfähigkeit und Imagination) zur Wiederherstellung verloren gegangener Funktionen als wesentlich erachtet. Aktuelle neurowissenschaftliche Erkenntnisse bilden die Grundlage des Therapiekonzeptes der neurokognitiven Rehabilitation, auf der Basis des Konzepts von Prof. Carlo Perfetti. Die neurokognitive Sichtweise betrachtet Rehabilitation als einen Lernprozess unter pathologi- schen Bedingungen. Es wird davon ausgegangen, dass die Qualität der Wiederherstellung der Bewegungsfähigkeit durch die Aktivierung kognitiver Prozesse beeinflussbar ist.
Lesen Sie auch: Neurologie vs. Psychiatrie
Module der neurokognitiven Rehabilitation
Die Weiterbildung umfasst in der Regel mehrere Module, die sich mit verschiedenen Aspekten der neurokognitiven Rehabilitation befassen.
Beispielhafte Module:
- Modul 1: Vertiefung der theoretischen Grundlagen des Konzeptes der neurokognitiven Rehabilitation für die Behandlung von Hemiplegiepatienten. Moderne Therapieinstrumente, wie die motorische Imagination werden anhand von wissenschaftlichen Studien erläutert und in ihre praktische Anwendung dargestellt. Neben theoretischen Inhalten sind praxisbezogene Elemente der Selbsterfahrung, Analyse von Patientenvideos und die Behandlung eines Demonstrationspatienten wesentliche Be- standteile der Weiterbildung.
- Modul 2: Die Behandlung von Patienten sowohl mit rechts- als auch linkshemisphärischen Läsionen stellt für Therapeuten eine besondere Herausforderung dar. Symptome wie Neglect und Apraxie schränken Patienten nicht nur stark in ihrer Handlungsfähigkeit ein, sondern nehmen Einfluss auf ihren Lernprozess. Neben theoretischen Inhalten sind praxisbezogene Elemente der Selbsterfahrung, Analyse von Patientenvideos und die Behandlung eines Demonstrationspatienten wesentliche Bestandteile der Weiterbildung.
- Modul 3: Die Wiederherstellung von Gelenkfunktionen und einem physiologischen Zusammenspiel der Muskulatur stellt unabhängig vom Auslöser und Verletzungsort, eine große Herausforderung für die Rehabilitation dar. Die neurokognitive Sichtweise der Rehabilitation von Verletzungen und Erkrankungen der Muskeln und Gelenke, geht von einer reaktiven Veränderung des zentralen Nervensystems (ZNS) aus, wenn eine schnelle Wiederherstellung auf Struktur,- und Funktionsebene nicht möglich ist. Es wird angenommen, dass Patienten mit orthopädi- schen Verletzungen und Erkrankungen Schwierigkeiten haben, ihr betroffenes Gelenk zu spüren und physiologisch zu bewegen. Neben theoretischen Inhalten sind praxisbezogene Elemente der Selbsterfahrung, Analyse von Patientenvideos und die gemeinsame Arbeit mit Fallbeispielen wesentliche Bestandteile der Weiterbildung.
- Modul 4: In der „klassischen Handtherapie“ kommen bisher kaum therapeutische Maßnahmen zum Einsatz, welche die Wahrnehmungs- und Funktionsfähigkeit des Patienten in direktem Zusammenhang mit der kortikalen Repräsentation der Hand im zentralen Nervensystem (ZNS) betrachten. Neben theoretischen Inhalten sind praxisbezogene Elemente der Selbsterfahrung, Analyse von Patientenvideos und die Behandlung eines Demonstrationspatienten wesentliche Bestandteile der Weiterbildung.
- Modul 5 (Praxismodul): Das Praxismodul im Rahmen der Weiterbildung umfasst insgesamt 5 Tage (50 Unterrichtseinheiten) und besteht aus zwei Teilen à 2,5 Tagen (je 25 Unterrichtseinheiten). In der Kleingruppe werden die Befunderhebung, Behandlungsplanung und die Durchführung nach den Prinzipien der neurokognitiven Rehabilitation erarbeitet. Die Anleitung und Lernbegleitung erfolgt durch Ergotherapeuten mit langjähriger Praxiserfahrung in der Anwendung der neuro- kognitiven Rehabilitation. Beobachtung, Planung, Durchführung und Evaluation von Befunderhebung und Behandlung bei max.
- Modul 6: Die Qualitätssicherung des Therapieprozesses gewinnt in der therapeutischen Arbeit zunehmend an Bedeutung. Auch im Rahmen der neurokognitiven Rehabilitation sollen Patienten von einer qualitativ hochwertigen Behandlung profitieren. In diesem Kontext wird die Rolle der evidenzbasierten Praxis und der ICF näher beleuchtet und diskutiert. Neben theoretischen Inhalten stehen praktische Übungen zur Evidenzrecherche und die Anwendung der ICF an Fallbeispielen in Kleingruppen im Vordergrund.
Um den Titel „Fachtherapeut für NeuroKognitive Rehabilitation“ führen zu dürfen, ist eine Teilnahme bzw. Anerkennung aller Module schriftlich nachzuweisen. Die Teilnehmer erstellen für die Anerkennung als Fachtherapeut für NeuroKognitive Rehabilitation eine schriftliche Fallarbeit über die Behandlung eines frei gewählten Patienten. Die Fallarbeit wird von einer unabhängigen Prüfungskommission nach festgelegten Standards auf ihre inhaltliche Korrektheit sowie formalen Kriterien geprüft und bewertet.
*Für die Weiterbildung zum Fachtherapeut für NeuroKognitive Rehabilitation ist eine Anerkennung von bereits absolvierten Kurse äquivalent für die Module des Fachtherapeuten nach individueller Prüfung möglich.
Dozententeam:
Die Weiterbildung wird in der Regel von einem interdisziplinären Dozententeam geleitet, bestehend aus Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Logopäden, Neuropsychologen und Ärzten.
- Johanna Ismaier, Ergotherapeutin, Bc. of Health in OT Health (NL), Handtherapeutin DAHTH, Gesundheitspsychologin Msc. ab Nov./Dez. 2019)
- Stefanie Jung, Ergotherapeutin, Bc. of Health in OT (NL)
- Hanne Karow, Ergotherapeutin, Fachtherapeutin für NeuroKognitive Rehabilitation (VFCR)®
- Birgit Rauchfuß, Ergotherapeutin (Bachelor of Sc. Ergotherapeutin Birgit Rauchfuß (B.Sc.
Karrieremöglichkeiten
Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung zum Fachtherapeuten Neurologie in der Ergotherapie eröffnen sich vielfältige Karrieremöglichkeiten. Fachtherapeuten können inKrankenhäusern,Rehabilitationszentren, neurologischen Praxen oder in derambulanten Versorgung tätig sein. Sie können auch selbstständig arbeiten und eine eigene Praxis eröffnen.
Lesen Sie auch: Expertise in Neurologie: Universitätsklinik Heidelberg
tags: #fachtherapeut #neurologie #ergotherapie #ausbildung