Die Wissenschaft der Farbe im Gehirn: Wie Farben unsere Wahrnehmung und Leistung beeinflussen

Farben sind allgegenwärtig in unserem Leben. Einige Töne beruhigen uns, andere versetzen uns in Alarmbereitschaft. Wir haben persönliche Farbpräferenzen, die unsere Kleidungswahl und die Gestaltung unserer Wohnräume beeinflussen. Doch wie wirken Farben tatsächlich auf uns? Die Farbpsychologie, ein Forschungsgebiet, das sich seit Jahren mit dieser Frage beschäftigt, hat interessante Erkenntnisse darüber gewonnen, wie Farben unsere Stimmung, Leistung und Produktivität beeinflussen können.

Die Wirkung von Farben auf Stimmung und Leistung

Bestimmten Farben wird nachgesagt, dass sie unser Gehirn stimulieren. Eine Studie der Universität von Arizona und der Harvard Medical School legt nahe, dass blaues Licht unsere Leistungsfähigkeit steigert. Die Forschenden führen dies auf das Photorezeptorsystem unseres Gehirns zurück, welches mit unserem zirkadianen Rhythmus verbunden ist. Unser Gehirn assoziiert die Farbe Blau mit Helligkeit und Tageslicht, was es stimuliert und seine Ressourcen optimiert.

Eine weitere Studie der University of British Columbia in Kanada untersuchte die Wirkungen der Farben Blau und Rot genauer. Die Ergebnisse zeigten, dass Rot die Leistungsfähigkeit bei detailorientierten Tätigkeiten wie dem Erinnerungsvermögen und dem Korrekturlesen von Texten verbessern kann. Blau hingegen sorgt für bessere Ergebnisse bei kreativen Aktivitäten wie Brainstormings und der Entwicklung neuer Lösungen. Diese unterschiedlichen Wirkungen lassen sich dadurch erklären, dass wir Rot mit Stoppschildern und dem Korrigieren von Klausuren assoziieren, was uns in Alarmbereitschaft versetzt. Blau hingegen verbinden wir mit der Weite des Himmels und dem Meer, was unser Gehirn wach, aber entspannt genug macht, um kreativ und leistungsfähig zu sein.

Wer also seine volle Gehirnpower für eine große Aufgabe benötigt, kann sich mit der Farbe Blau motivieren und seine kognitive Leistung verbessern. Allerdings sollte man blaues Licht vermeiden, wenn man schlafen möchte, da es das Gehirn stimuliert und den Ruhemodus stört.

Die subjektive und objektive Wahrnehmung von Farbe

Farbe ist eher eine Sinneswahrnehmung als eine physikalische Eigenschaft. Keine zwei Menschen erleben Farbe auf die gleiche Weise. Was wir als „Farbe“ bezeichnen, ist das Ergebnis einer Wechselwirkung zwischen einer Lichtquelle, einem Objekt und einem Betrachter. Die Reise der Farbwahrnehmung beginnt mit einer Lichtquelle. Licht ist der Stimulus, der es uns ermöglicht, Farben zu sehen. Wenn Licht auf ein Objekt trifft, werden einige seiner Wellenlängen absorbiert, während andere reflektiert werden. Durch diese Wechselwirkung zwischen Licht und Materie entsteht die Farbe, die wir wahrnehmen.

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In unseren Augen gibt es zwei Arten von Photorezeptoren in der Netzhaut: Stäbchen und Zapfen. Die Stäbchen sind für unser Sehen bei schwachem Licht verantwortlich und tragen nicht zum Farbsehen bei, während die Zapfen uns helfen, Farben in gut beleuchteten Umgebungen zu erkennen. Es gibt drei Arten von Zapfen: rot, grün und blau. Im präfrontalen Kortex unseres Gehirns vermischen sich unsere Erinnerungen und Emotionen mit verschiedenen Sinnesreizen und beeinflussen schließlich unsere Wahrnehmung einer bestimmten Farbe. Dieser Prozess ist mitverantwortlich für die „Farbkonstanz“, d. h. unsere Fähigkeit, Farben unabhängig von der Lichtquelle relativ gleich wahrzunehmen.

Die Variabilität der menschlichen Wahrnehmung stellt eine Herausforderung für die Wirtschaft dar. Die Fähigkeit, Farben trotz unseres subjektiven Farbsehens genau und objektiv zu kommunizieren, stellt sicher, dass die Produkte den Qualitätsstandards und den Erwartungen der Kunden entsprechen. Genaue, konsistente Farben in der Produktion sind ohne Geräte wie Spektralphotometer, die Farben messen, äußerst schwierig zu erreichen.

Neuronale Grundlagen der Farbwahrnehmung

Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik und der Universität Tübingen haben mithilfe bildgebender Verfahren gezeigt, dass die Gehirnaktivität beim Farbensehen bei verschiedenen Personen ähnlich ist. Die Forscher nutzten die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT), um die Gehirnaktivität der Teilnehmenden sichtbar zu machen. Diese Aktivitätsmuster ähnelten sich bei allen Testpersonen deutlich, was darauf hindeutet, dass das menschliche Gehirn Farben auf vergleichbare Weise verarbeitet.

Die Forscher stellten fest, dass im visuellen Kortex für jede Farbe eine eigene räumliche Karte des Sehfelds besteht. Diese Karten unterscheiden sich zwar von Hirnareal zu Hirnareal, zeigen aber bei allen Menschen das gleiche Grundmuster. Für ihre Studie kalibrierten die Forschenden die Messdaten der Teilnehmenden zunächst mit standardisierten Schwarz-Weiß-Mustern, um eine Vergleichsbasis zu schaffen. Danach testeten sie, wie sich die Gehirnaktivität veränderte, wenn Farben gezeigt wurden. Die Muster aus einer ersten Versuchsgruppe nutzten sie, um bei einer zweiten Gruppe allein anhand der Messdaten zu erkennen, welche Farben betrachtet wurden.

„Im Sehzentrum unseres Gehirns sind Karten unseres Blickfelds abgelegt, sogenannte Field Maps. Sie bilden die räumliche Struktur des Gesehenen ab und koordinieren die weitere Verarbeitung mit höheren Hirnarealen. Wenn Licht auf die Netzhaut fällt, werden die Informationen nicht zufällig weitergeleitet. Jeder Punkt hat hier einen genauen Positionswert, und diese räumliche Ordnung wird über die Sehnerven der Netzhaut in die höheren Verarbeitungsebenen des Gehirns übertragen. So entsteht im visuellen Kortex, der Sehrinde unseres Gehirns, ein geordnetes Abbild und ein entsprechendes Aktivitätsmuster, das wir mithilfe von fMRT bewerten konnten“, erklärt Erstautor der Studie, Michael Bannert, das Ergebnis.

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Bisher war bekannt, dass einzelne Bereiche des Sehzentrums im Gehirn bestimmte Aufgaben übernehmen, wie das Erkennen von Gesichtern, Farben oder Bewegung. „Es war bislang jedoch unklar, ob individuelle Farben einen typischen neuronalen Code haben, der bei allen Menschen allgemeingültig ist“, sagt Andreas Bartels. „Wir sehen bei den Daten klare Gemeinsamkeiten zwischen den Versuchspersonen. So konnten wir feststellen, dass Farbverzerrungen, also Abweichungen in der Farbcodierung bei allen Menschen ähnlich sind. Lichtintensität und Farbwert sind nämlich nicht in allen Bereichen unseres Sehens gleich. Wir deuten diesen Hinweis auf grundlegend vergleichbare Organisationsprinzipien im Sehsystem des Menschen.“

Synästhesie: Die Verschmelzung der Sinne

Hinweise darauf, wie unser Gehirn die Umgebung abspeichert, konnten Wissenschaftler aus der Erforschung der Synästhesie gewinnen. Menschen, die Synästhesien erleben, sehen zum Beispiel Buchstaben oder Zahlen immer in Zusammenhang mit einer bestimmten Farbe. Australische Wissenschaftler haben untersucht, wieviel Bewusstsein notwendig ist, damit die Synästhesie erlebt werden kann. Sie fanden heraus, dass das Gehirn Bedeutung und Ding schon zusammen speichert, bevor wir es bewusst merken. Anders dagegen verhält es sich mit Merkmalen wie Farbe und Gestalt. Diese kommen erst im bewussten Zustand zusammen.

Die Rolle des visuellen Kortex bei der Farbwahrnehmung

Forschende des Ernst Strüngmann Institute for Neuroscience haben untersucht, ob die Farbe Rot Hirnwellen in einem bestimmten Bereich stärker auslöst als andere Farben. Im Zentrum der Untersuchungen stand der frühe visuelle Kortex, auch bekannt als V1. Es ist das größte visuelle Areal im Gehirn und das erste, das Input von der Netzhaut erhält. Dort entstehen Hirnwellen (Oszillationen) auf einer bestimmten Frequenz, dem sogenannten Gamma-Band (30-80 Hz), wenn dieser Bereich von starken und räumlich homogenen Bildern angeregt wird. Aber nicht alle Bilder erzeugen diesen Effekt in gleichem Maße.

Die Wissenschaftler gingen der Frage nach, ob Rot wirklich etwas Besonderes ist, also ob diese Farbe stärkere Gamma-Oszillationen auslöst als ein Grün mit vergleichbarer Farbstärke. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Farbe Rot nicht besonders stark ist, was die Intensität der von ihr ausgelösten Gamma-Oszillationen betrifft. Vielmehr lösen Rot und Grün bei gleichem absolutem L-M-Zapfenkontrast gleich starke Gamma-Oszillationen im frühen visuellen Kortex aus. Darüber hinaus können farbinduzierte Gamma-Wellen bei sorgfältiger Behandlung im menschlichen MEG gemessen werden.

Das Leib-Seele-Problem und die Farbwahrnehmung

Kann ein farbenblinder Mensch je verstehen, was eine Farbe ist? Die Frage führt in das komplizierteste Problem der Hirnforschung, das "Leib-Seele-Problem": Wie kann aus Hirnzellen unsere Psyche entstehen? Das Gedankenexperiment mit Mary, der Neurobiologin, die alles über das Farbsehen weiß, aber noch nie eine Farbe gesehen hat, zeigt, dass uns neurobiologische Erkenntnisse keine umfassenden Rückschlüsse auf Bewusstseinsprozesse erlauben.

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