Farben sind ein integraler Bestandteil unserer Wahrnehmung der Welt. Sie beeinflussen unsere Emotionen, unser Verhalten und unsere Entscheidungen. Doch wie genau verarbeitet unser Gehirn Farben? Und welche Rolle spielen die verschiedenen Gehirnhälften dabei? Dieser Artikel untersucht die komplexen Mechanismen der Farbwahrnehmung im Gehirn, wobei der Schwerpunkt auf den Beiträgen der einzelnen Gehirnhälften liegt.
Die neuronalen Grundlagen der Farbwahrnehmung
Die Farbwahrnehmung beginnt in den Augen, genauer gesagt in der Netzhaut. Die Netzhaut enthält zwei Arten von Photorezeptoren: Stäbchen und Zapfen. Die Stäbchen sind für das Sehen bei schwachem Licht verantwortlich und ermöglichen es uns, Helligkeitsunterschiede wahrzunehmen. Die Zapfen hingegen sind für die Farbwahrnehmung zuständig. Es gibt drei Arten von Zapfen, die jeweils für unterschiedliche Wellenlängen des Lichts empfindlich sind: Rot, Grün und Blau.
Wenn Licht auf die Netzhaut trifft, werden die Zapfen aktiviert und senden elektrische Impulse an das Gehirn. Die Kombination der Signale von den drei Zapfenarten ermöglicht es uns, ein breites Spektrum an Farben wahrzunehmen. Trifft Sonnenlicht auf ein Prisma, wird es zerlegt und weitet sich zu einem Lichtbündel auf, dem sogenannten Spektrum des Sonnenlichts. Licht aus dem linken Bereich des Lichtbündels wird als "rotes" Licht bezeichnet.
Die Verarbeitung von Farbinformationen erfolgt in verschiedenen Bereichen des Gehirns, insbesondere im visuellen Kortex. Die Forscher nutzten die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT), um die Gehirnaktivität der Teilnehmenden sichtbar zu machen. Diese Aktivitätsmuster ähnelten sich bei allen Testpersonen deutlich, was darauf hinweist, dass das menschliche Gehirn Farben auf vergleichbare Weise verarbeitet. Die Forscher stellten fest, dass im visuellen Kortex für jede Farbe eine eigene räumliche Karte des Sehfelds besteht. Diese Karten unterscheiden sich zwar von Hirnareal zu Hirnareal, zeigen aber bei allen Menschen das gleiche Grundmuster. Für ihre im Journal of Neuroscience veröffentlichte Studie hat das von den Neurowissenschaftlern Michael Bannert und Andreas Bartels geleitete Team ein computergestütztes Auswertungsverfahren eingesetzt, mit dem sie anhand der fMRT-Aufnahmen der Testpersonen verlässliche Aussagen treffen konnten, welche Farben und Helligkeiten gesehen werden. Für die Studie kalibrierten die Forschenden die Messdaten der Teilnehmenden zunächst mit standardisierten Schwarz-Weiß-Mustern, um eine Vergleichsbasis zu schaffen. Danach testeten sie, wie sich die Gehirnaktivität veränderte, wenn Farben gezeigt wurden. Die Muster aus einer ersten Versuchsgruppe nutzten sie, um bei einer zweiten Gruppe allein anhand der Messdaten zu erkennen, welche Farben betrachtet wurden. „Im Sehzentrum unseres Gehirns sind Karten unseres Blickfelds abgelegt, sogenannte Field Maps. Sie bilden die räumliche Struktur des Gesehenen ab und koordinieren die weitere Verarbeitung mit höheren Hirnarealen. Wenn Licht auf die Netzhaut fällt, werden die Informationen nicht zufällig weitergeleitet. Jeder Punkt hat hier einen genauen Positionswert, und diese räumliche Ordnung wird über die Sehnerven der Netzhaut in die höheren Verarbeitungsebenen des Gehirns übertragen. Bisher war bekannt, dass einzelne Bereiche des Sehzentrums im Gehirn bestimmte Aufgaben übernehmen, wie das Erkennen von Gesichtern, Farben oder Bewegung. „Es war bislang jedoch unklar, ob individuelle Farben einen typischen neuronalen Code haben, der bei allen Menschen allgemeingültig ist“, sagt Andreas Bartels. „Wir sehen bei den Daten klare Gemeinsamkeiten zwischen den Versuchspersonen. So konnten wir feststellen, dass Farbverzerrungen, also Abweichungen in der Farbcodierung bei allen Menschen ähnlich sind. Lichtintensität und Farbwert sind nämlich nicht in allen Bereichen unseres Sehens gleich. Wir deuten diesen Hinweis auf grundlegend vergleichbare Organisationsprinzipien im Sehsystem des Menschen.
Die unterschiedlichen Rollen der Gehirnhälften
Es ist bekannt, dass die rechte und die linke Gehirnhälfte unterschiedliche Funktionen besitzen. Die linke Gehirnhälfte ist in der Regel für Sprache, Logik und analytisches Denken zuständig, während die rechte Gehirnhälfte für räumliches Denken, Kreativität und emotionale Verarbeitung zuständig ist.
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Auch bei der Farbwahrnehmung spielen die beiden Gehirnhälften unterschiedliche Rollen. Die Hirnforschung fand heraus, dass das reche Auge Farben anders wahrnimmt als das linke. Das liegt daran, dass das, was im rechten Gesichtsfeld passiert, in der linken Gehirnhälfte verarbeitet wird, also dort, wo das Sprachzentrum liegt. Während die einen zwar behaupten, dass die Sprache nur das ausdrückt, was das Gehirn auch sieht, so behaupten die anderen, dass auch umgekehrt die Sprache die Wahrnehmung beeinflusst. Beim Farben-Sehen fanden Studien folgendes heraus: Nur das, was die linke Gehirnhälfte wahrnimmt, wird auch durch die Sprache beeinflusst, alles andere nicht. Tests ergaben, dass zum Beispiel sehr ähnliche Farben, die aber sprachlich verschiedenen Kategorien angehörten, im rechten Teil des Gesichtsfeldes - und damit der linken Gehirnhälfte - schneller unterschieden wurden als im linken Teil, der mit der rechten Gehirnhälfte - dem räumlichen Sehzentrum - verbunden ist. Anscheinend verstärkte die sprachliche Differenz den Unterschied in der Wahrnehmung. Diese Schlussfolgerung legt auch ein weiteres Experiment nahe: Ist das Sprachzentrum beim Farbtest mit einer zusätzlichen Aufgabe beschäftigt, so steht einem keine Hirnkapazität mehr zur Verfügung und die erleichterte Unterscheidung der Farben funktioniert nicht mehr.
Der Einfluss der Sprache auf die Farbwahrnehmung
Eine interessante Entdeckung ist, dass die Sprache die Farbwahrnehmung beeinflussen kann. Wissenschaftler um Anna Franklin von der University of Surrey im britischen Guildford konnten nun erstmals zeigen, dass der Wechsel von der rechten zur linken Hemisphäre genau dann stattfindet, wenn die Kinder die Namen für verschiedene Farben sicher beherrschen. Die Forscher hatten 37 zwei- bis fünfjährige Kinder in einem Experiment getestet. Auf einem Computerbildschirm sahen die jungen Probanden vor einem grünen oder blauen Hintergrund blaue oder grüne Punkte aufblitzen, die sich im Farbton mehr oder weniger stark vom Hintergrund unterschieden. Per Kamera beobachteten die Forscher die Augenbewegungen der Kinder - und konnten so nachvollziehen, wie schnell die Kleinen einen der Klekse entdeckten. Punkte in einer anderen Farbkategorie als der Hintergrund wurden dabei deutlich schneller entdeckt als Punkte der gleichen Kategorie, unabhängig davon, ob die Kinder die Namen der Farben bereits kannten oder nicht. Allerdings zeigte sich dieser Effekt bei Kindern, die die Farbbegriffe bereits beherrschten, nur bei Punkten in der rechten Hälfte des Bildschirms.
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die linke Gehirnhälfte, die für Sprache zuständig ist, eine Rolle bei der Kategorisierung von Farben spielt. Wenn wir die Namen für Farben lernen, entwickeln wir eine Art "mentales Lexikon" von Farben, das uns hilft, Farben schnell und effizient zu unterscheiden.
Kategoriale Farbwahrnehmung und Gehirnhälften
Normalerweise können Menschen Farbtöne aus verschiedenen Kategorien - wie Blau und Grün - besser und schneller unterscheiden als zwei Farbtöne der gleichen Kategorie, zum Beispiel zwei unterschiedliche Blautöne. Diese sogenannte kategoriale Farbwahrnehmung findet bei Erwachsenen in der linken Gehirnhälfte statt, während sie bei kleinen Kindern der rechten Gehirnhälfte zugeordnet wird.
Individuelle Unterschiede in der Farbwahrnehmung
Obwohl das Gehirn Farben im Allgemeinen auf ähnliche Weise verarbeitet, gibt es auch individuelle Unterschiede in der Farbwahrnehmung. Diese Unterschiede können auf genetische Faktoren, Erfahrungen und sogar das Geschlecht zurückzuführen sein.
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Die "Kleid"-Illusion
Ein bekanntes Beispiel für individuelle Unterschiede in der Farbwahrnehmung ist die "Kleid"-Illusion. Vor einiger Zeit tauchte ein Bild von einem Kleid im Internet auf, das Anlass zu hitzigen Diskussionen lieferte. Manch einer sah das Kleid in den Farben Weiß und Gold, anderen wiederum erschien es blau und schwarz.
Um die Verwirrung über das Kleid aufzulösen: Es ist blau. Doch die verschiedenen Wahrnehmungen liegen, vereinfacht ausgedrückt, an dem Licht, das den Gegenstand erhellt. Die Informationen über die Lichtquelle wirft unser visuelles System eigentlich weg und filtert nur die Informationen über den Gegenstand heraus, so Jay Neitz, Neurowissenschaftler an der University of Washington.
Geschlechtsunterschiede in der Farbwahrnehmung
Neben der persönlichen Wahrnehmung scheint es auch Unterschiede in der Wahrnehmung zwischen den Geschlechtern zu geben: Männer sehen anders als Frauen. Eine Forschergruppe der City University of New York fanden heraus, dass Männer zum einen dieselben Farbtöne bläulicher sehen und zum anderen schwache Kontraste und schnelle Bewegungen besser erkennen können. Dazu untersuchte das Forscherteam 50 normalsichtige Freiwillige zwischen 16 und 38 Jahren. Den Probanden wurde ein Lichtpunkt in einer bestimmten Farbe gezeigt, den sie zuerst beschreiben und des weiteren anhand einer Vergleichsfarbe einordnen mussten. Die Männer nahmen die Farben über das gesamte Spektrum hinweg leicht bläulicher wahr als die Frauen, das heißt ihre Welt erscheint in wärmeren Tönen. Wie erklärt man einem Tauben ein Geräusch? Wie beschreibt man einem Blinden eine Farbe?
Was die Kontraste und Bewegungen betrifft, so fanden die Forscher heraus, dass die Männer bei den Tests besser abschnitten als ihre weiblichen. Im ersten Schritt sahen die Probanden Streifen, die entweder senkrecht oder waagrecht angeordnet waren. Die Teilnehmenden mussten angeben, in welche Richtung die Streifen zeigten. Je enger die Dichte wurde, desto schlechter sahen Frauen die Ausrichtung der Streifen. Männer konnten die feinen Kontraste also besser erkennen. Auch bei schnellen Wechseln hatten die Männer weniger Probleme zu erkennen, wohin die Streifen zeigten. Das Wissenschaftsteam macht das Hormon Testosteron dafür verantwortlich, weil dies bei Ungeborenen die Bildung von Gehirnzellen im Sehzentrum und von Nervenverbindungen fördere. Da bekanntlich der Mann mehr von diesem Hormon besitzt, könnte dies der Grund für das bessere Kontrast- und Bewegungssehen sein.
Farbkonstanz: Eine bemerkenswerte Fähigkeit des Gehirns
Eine bemerkenswerte Fähigkeit des Gehirns ist die Farbkonstanz. Die Farbkonstanz ermöglicht es uns, die Farbe von Objekten unter verschiedenen Beleuchtungsbedingungen als konstant wahrzunehmen. Zum Beispiel wissen wir, dass eine Banane gelb ist, auch wenn sie im Schatten dunkler erscheint oder im Sonnenlicht heller.
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Die Bedeutung von Farbe in unserem Leben
Farben spielen eine wichtige Rolle in unserem Leben. Sie beeinflussen unsere Emotionen, unser Verhalten und unsere Entscheidungen. So wird Schwarz in fast allen Kulturen mit dem Bösen und dem Tod verbunden. Untersuchungen beim Eishockey ergaben, dass die Anzahl der gegen sie ausgesprochenen Penaltys bei Mannschaften, die schwarze Trikots trugen, am höchsten war. Das könne zum einen an der Voreingenommenheit der Schiedsrichter liegen, also an einer sozialen Wahrnehmung, oder an der Selbstwahrnehmung, etwa an einer gesteigerten Aggressivität der Spieler selbst.
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