Feindiagnostik bei auffälligem Kleinhirn: Ursachen und Vorgehensweise

Die Feindiagnostik des Kleinhirns während der Schwangerschaft ist ein wichtiger Bestandteil der pränatalen Versorgung. Sie dient dazu, mögliche Entwicklungsstörungen oder Fehlbildungen frühzeitig zu erkennen. Wenn bei einer Ultraschalluntersuchung Auffälligkeiten am Kleinhirn festgestellt werden, kann dies bei werdenden Eltern große Sorgen auslösen. Dieser Artikel soll die Ursachen für solche Auffälligkeiten beleuchten und die Vorgehensweise bei der weiteren Abklärung erläutern.

Bedeutung der Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft

Ultraschalluntersuchungen sind ein fester Bestandteil der Schwangerschaftsvorsorge. Sie ermöglichen die Überwachung der kindlichen Entwicklung im Mutterleib und können Hinweise auf Fehlbildungen und Behinderungen liefern. Die Mutterschaftsrichtlinien sehen drei Basis-Ultraschalluntersuchungen vor:

  • Erste Ultraschalluntersuchung (9.-12. SSW): Bestätigung der Schwangerschaft, Feststellung der Lage der Eizelle und Schätzung des Geburtstermins.
  • Zweite Ultraschalluntersuchung (19.-22. SSW): Beurteilung der Organentwicklung, Vermessung des Kindes und Überprüfung auf bestimmte Auffälligkeiten. Hier wird auch das Kleinhirn beurteilt.
  • Dritte Ultraschalluntersuchung (29.-32. SSW): Kontrolle des Wachstums, der Lage und der Herzaktivität des Kindes.

Auffälligkeiten am Kleinhirn: Mögliche Ursachen

Wenn bei einer Ultraschalluntersuchung das Kleinhirn nicht dargestellt werden kann oder Auffälligkeiten aufweist, ist dies zunächst ein Grund zur Besorgnis. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass solche Befunde nicht immer eine schwerwiegende Ursache haben müssen. Mögliche Gründe für ein auffälliges Kleinhirn können sein:

  • Früher Zeitpunkt der Untersuchung: In frühen Schwangerschaftswochen kann es schwierig sein, das Kleinhirn ausreichend darzustellen, da die Ultraschallgeräte in manchen Praxen nicht optimal sind. Einige Ärzte führen die zweite große Ultraschalluntersuchung daher erst ab der 22. SSW durch.
  • Messungenauigkeiten: Ultraschallmessungen sind nicht immer exakt. Es kann zu Abweichungen kommen, insbesondere wenn das Kind ungünstig liegt. So kann es vorkommen, dass bei zwei Messungen am selben Tag unterschiedliche Ergebnisse erzielt werden.
  • Normale Wachstumsvariationen: Das Wachstum einzelner Körperteile kann in Schüben erfolgen. Es ist möglich, dass das Kleinhirn vorübergehend etwas langsamer wächst als andere Bereiche des Gehirns.
  • Zerebrale Entwicklungsstörungen: In einigen Fällen können Auffälligkeiten am Kleinhirn auf eine zerebrale Entwicklungsstörung hindeuten. Da die Gehirnentwicklung zum Zeitpunkt des Zweittrimesterscreenings noch nicht abgeschlossen ist, können sich solche Störungen erst später zeigen.
  • Destruktive Prozesse: Infektionen, Blutungen oder andere ungeklärte Prozesse im Schwangerschaftsverlauf können zu Schädigungen des Kleinhirns führen.
  • Mikrozephalie: Ein vermindertes Schädelwachstum, das meist Folge eines beeinträchtigten zerebralen Wachstums ist, kann sich auch auf das Kleinhirn auswirken. Ursachen hierfür können strukturelle Hirnfehlbildungen, fetale Infektionen, Teratogene, Syndrome und genetische Auffälligkeiten sein.
  • Fehlende oder reduzierte Gyrierung: Die Gyri und Sulci des Hirnmantels bilden sich erst im Verlauf des späten 2. Trimenon vollständig aus. Eine mangelhafte Ausbildung kann ein Hinweis auf eine Lissenzephalie sein.
  • Zerebelläre Läsionen: Infektionen wie Zytomegalie (CMV) können zu zerebellären Läsionen, kortikalen Abnormitäten, Kalzifikationen und gelegentlich Einblutungen führen.
  • Intrakranielle Blutungen: Blutungen im Bereich der Fossa posterior können ebenfalls auf ein Blutungsgeschehen hinweisen.

Vorgehensweise bei auffälligem Kleinhirn

Wenn bei einer Ultraschalluntersuchung Auffälligkeiten am Kleinhirn festgestellt werden, sind weitere Untersuchungen erforderlich, um die Ursache abzuklären und das Risiko für das Kind besser einschätzen zu können. Die Vorgehensweise umfasst in der Regel folgende Schritte:

  1. Feindiagnostik: Eine detaillierte Ultraschalluntersuchung (Feindiagnostik) in einem spezialisierten Zentrum für Pränatalmedizin ist der nächste Schritt. Hier werden hochauflösende Ultraschallgeräte und spezielle Untersuchungstechniken eingesetzt, um die zerebralen Strukturen genauer zu beurteilen. Ggf. kann ein transvaginalem Zugang sowie Analyse weiterer Schnittebenen erfolgen.
  2. Neurosonogramm: Bei der spezialisierten Feindiagnostik der zerebralen Strukturen erfolgt die weitere Abklärung durch ein Neurosonogramm (Paladini et al. 2021).
  3. MRT-Untersuchung: In speziellen Fällen kann eine MRT-Untersuchung des fetalen Gehirns sinnvoll sein, um die zerebralen Strukturen noch detaillierter darzustellen. Dies ist insbesondere bei komplexen zerebralen Fehlbildungen oder speziellen Fragestellungen wie Blutungen oder Migrationsstörungen indiziert.
  4. Genetische Beratung und Abklärung: Eine genetische Beratung kann helfen, mögliche genetische Ursachen für die Auffälligkeiten zu identifizieren und das Wiederholungsrisiko in zukünftigen Schwangerschaften abzuschätzen. Ggf. erfolgt eine Chromosomenanalyse.
  5. Amniozentese: Eine Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese) kann durchgeführt werden, um Chromosomenstörungen oder Infektionen auszuschließen.
  6. Engmaschige Überwachung: Regelmäßige Ultraschallkontrollen sind wichtig, um das Wachstum und die Entwicklung des Kleinhirns zu überwachen und den weiteren Verlauf zu beurteilen.

Zerebrale Entwicklungsstörungen im Detail

Da die Gehirnentwicklung zum Zeitpunkt des Zweittrimesterscreenings noch nicht abgeschlossen ist, ist eine aufmerksame Kontrolle der zerebralen Entwicklung im 3. Trimenon notwendig. Die Basisdiagnostik erfolgt durch Untersuchung der beiden axialen Ebenen (transventrikulär und transzerebellär) mit Darstellung der Mittellinie, des Cavum septi pellucidi, der Thalami, der Seitenventrikel (Norm < 10,0 mm), des Kleinhirns und der Cisterna magna (Norm < 10,0 mm). Die Schädelform, Gehirnstruktur und Biometrie müssen überprüft werden.

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Ventrikulomegalie

Eine Ventrikulomegalie (Hinterhorn des Seitenventrikels ≥ 10,0 mm) kann hinweisend sein auf zerebrale und extrazerebrale Fehlbildungen, syndromale, chromosomale und genetisch bedingte Störungen, Infektionen sowie einen zerebralen Insult und Einblutungen (Fox et al. 2018).

Mikrozephalie

Pränatal gibt es keine einheitliche Definition der Mikrozephalie. Der Verdacht auf eine Mikrozephalie liegt vor, wenn der Kopfumfang unterhalb der 3. Perzentile oder mehr als 2 Standardabweichungen unterhalb des Mittelwerts (< −2 SD) für das Gestationsalter liegt. Eine Mikrozephalie gilt als gesichert, wenn der Kopfumfang mehr als 3 Standardabweichungen unterhalb des Mittelwerts (< −3 SD) für das Gestationsalter liegt. Das verminderte Schädelwachstum ist meist Folge eines beeinträchtigten zerebralen Wachstums, bedingt z. B. durch strukturelle Hirnfehlbildungen (z. B. Holoprosenzephalie, Gyrierungsstörungen), fetale Infektionen (v. a. Zytomegalieinfektion), Teratogene, Syndrome und genetische Auffälligkeiten (Oliveira et al. 2016).

Lissenzephalie

Die Gyri und Sulci des Hirnmantels bilden sich erst im Verlauf des späten 2. Trimenon vollständig aus. Spätestens mit 27 + 6 SSW können alle Sulci, insbesondere die der Hirnkonvexität, sonografisch nachgewiesen werden. Erste Hinweise auf eine Lissenzephalie (fehlende oder reduzierte Gyrierung, verbreiterter Subarachnoidalraum) kann die mangelhafte Ausbildung der prominenten Sylvischen Fissur (Sulcus lateralis) jedoch schon im mittleren 2. Trimenon geben (Fong et al. 2007).

Arachnoidalzysten

Hier liegt eine Ansammlung von liquorähnlicher Flüssigkeit zwischen den Blättern der Arachnoidalmembranen vor. Sie sind meist interhemisphärisch, suprasellär, an der Schädelbasis oder in der Cisterna magna hinter dem Kleinhirn lokalisiert. Sonografisch zeigt sich eine abgegrenzte, echoleere, asymmetrische Raumforderung, die das umgebende Gewebe verdrängt. Es besteht keine Verbindung zu den Ventrikeln. Sie wird meist erst im 3. Trimenon diagnostiziert.

Aneurysma der V. Galeni

Unter einem Aneurysma der V. Galeni wird ein Spektrum von arteriovenösen Malformationen zusammengefasst. Im Farb- und gepulsten Doppler zeigt sich ein turbulenter venöser und/oder arterieller Blutfluss. Es kann sich hierbei um AV-Fisteln, eine AV-Malformation mit Ektasie der V. Galeni und Varizen der V. Galeni handeln.

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Zerebrale Läsionen nach CMV-Infektion

Typische zerebrale Läsionen nach einer CMV-Infektion sind periventrikuläre echogene Bezirke und Pseudozysten, Ventrikulomegalie sowie intraventrikuläre Synechien. Im Verlauf kann ein Mikrozephalus, bedingt durch eine infektionsbedingte Hirnatrophie, resultieren. Daneben ist die Entwicklung von zerebellären Läsionen, kortikalen Abnormitäten, Kalzifikationen und gelegentlich Einblutungen möglich (Khalil et al. 2020).

Intrakranielle Blutung

Ein intrakranielles Blutungsgeschehen ereignet sich meist im Bereich der Seitenventrikel. Primär erscheinen helle, echogene, intraventrikuläre Formationen (ähnlich dem Plexus choroideus), die im Verlauf inhomogen mit zentralem, echoarmem Bezirk zur Darstellung kommen. Häufig entwickelt sich eine Ventrikulomegalie. Eine diffuse Verdichtung im Bereich der Hirnsubstanz, v. a. im Bereich der Fossa posterior, kann ebenfalls Hinweis auf ein Blutungsgeschehen sein (Ghi et al. 2003; Pilu et al. 2013).

Periventrikuläre Leukomalazie

Eine periventrikuläre Leukomalazie kann sich durch periventrikuläre echogene Bezirke manifestieren. Nach einigen (> 2) Wochen kann es zur Ausbildung multipler kleiner Zysten nahe der Hinterhörner der Seitenventrikel kommen, die sich sonografisch als kleinere echoarme/-leere Areale darstellen.

Zerebrale Tumoren

Diese sonografisch als inhomogene Raumforderung imponierenden Tumoren sind selten. In ca. 60 % handelt es sich um Teratome, des Weiteren können neuroepitheliale Tumoren, Lipome und Kraniopharyngeome vorliegen. Häufig kommt es zur Entwicklung einer Makrozephalie, Ventrikelerweiterung, intrakraniellen Kalzifikationen und Einblutungen sowie gelegentlich zur Entwicklung eines Hydrops bedingt durch ein AV-Shunting.

Beratung und Unterstützung

Die Zeit nach einem auffälligen Befund in der Pränataldiagnostik ist für werdende Eltern oft sehr belastend. Es ist wichtig, sich in dieser Situation professionelle Hilfe und Unterstützung zu suchen. Neben den behandelnden Ärzten stehen auch psychologische Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen zur Verfügung. Eine umfassende Beratung kann helfen, die Situation besser zu verstehen, die richtigen Entscheidungen zu treffen und mit den Ängsten und Sorgen umzugehen.

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