Fernsehkonsum und seine Auswirkungen auf das Gehirn von Kindern: Aktuelle Studien im Überblick

Der Fernseher ist aus vielen Kinderzimmern nicht mehr wegzudenken. Doch wie wirkt sich der Konsum von Fernsehsendungen und anderen Bildschirmmedien auf die Entwicklung des kindlichen Gehirns aus? Diese Frage ist Gegenstand zahlreicher Studien, die sowohl positive als auch negative Auswirkungen des Fernsehens aufzeigen.

Negative Auswirkungen des Fernsehkonsums

Auswirkungen auf schulische Leistungen und kognitive Fähigkeiten

Studien zeigen, dass Kinder, die viel fernsehen, im späteren Leben oft schlechtere Schulabschlüsse erreichen. Ein früher und häufiger Fernsehkonsum kann die Lernerfolge beeinträchtigen. Robert Hancox von der University of Otago in Neuseeland begleitete über Jahrzehnte etwa 1.000 Probanden der Geburtsjahrgänge 1972 und 1973. Er stellte fest, dass ein hoher Fernsehkonsum in der Kindheit mit schlechteren Bildungsabschlüssen im späteren Leben verbunden ist.

Dina Borzekowski von der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health in Baltimore fand heraus, dass Kinder mit einem eigenen Fernsehgerät nicht nur mehr fernsehen, sondern auch in Mathe-, Lese- und Verständnistests schlechter abschneiden als Gleichaltrige ohne eigenes TV-Gerät. Auch deutsche Wissenschaftler kamen bereits 2004 zu dem Schluss, dass Computerspiele und Fernsehkonsum Kinder - insbesondere Jungen - weniger intelligent machen.

Körperliche Inaktivität und Gesundheit

Experten sind sich einig, dass ein zu früher und zu häufiger Fernsehkonsum einen negativen Einfluss auf die Gesundheit von Kindern hat. Der passive Fernsehkonsum führt zu körperlicher Inaktivität. Die American Academy of Pediatrics macht ihn zumindest mitverantwortlich für Übergewicht und die Zunahme von Typ-2-Diabetes mellitus bei Kindern.

Kinder, die viel fernsehen, neigen eher zu Aggressionen. US-Kinder haben bis zum Ende der Grundschule durchschnittlich 8.000 Morde im Fernsehen gesehen.

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Veränderungen in der Sinneswahrnehmung

Kinder, die bereits als Babys und Kleinkinder Zeit vor dem Fernseher verbringen oder Videos ansehen, können später eine veränderte Wahrnehmung ihrer Umwelt entwickeln. Sie zeigen möglicherweise weniger Interesse an Aktivitäten, benötigen stärkere Anreize, um zu reagieren, oder sind schnell von lauten Geräuschen oder hellem Licht überwältigt. Eine amerikanische Studie ergab, dass Kinder, die bis zum zweiten Geburtstag häufiger fernsahen, eher eine untypische Art der Sinnesverarbeitung entwickelten.

Die Studie wertete Daten aus den Jahren 2011 bis 2014 aus und untersuchte, wie viel Zeit Babys und Kleinkinder im Alter von 12, 18 und 24 Monaten vor dem Fernseher verbrachten oder DVDs schauten. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass jede Bildschirmexposition im Alter von 12 Monaten mit einer um 105 % höheren Wahrscheinlichkeit verbunden war, „starke“ sensorische Verhaltensweisen zu zeigen. Im Alter von 18 Monaten erhöhte jede zusätzliche Stunde täglicher Bildschirmzeit die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind nach starken Sinnesreizen suchte, um 23 %.

Verhaltensauffälligkeiten und kognitive Defizite

Kinder mit hohem Medienkonsum schneiden in Tests auf körperliche und kognitive Fähigkeiten oft schlechter ab und zeigen häufiger Verhaltensauffälligkeiten. Eine Kohortenstudie von Psychologen und Pädiatern um Dr. Sheri Madigan von der Universität in Calgary, Kanada, ergab, dass Kinder mit hoher Bildschirmnutzung im Alter von zwei Jahren eine signifikant langsamere Entwicklung mit drei und fünf Jahren zeigten.

Die Forscher vermuten, dass zu viel Zeit vor dem Bildschirm die Entwicklung von Kindern beeinträchtigt, weil sie weniger Zeit für Bewegung und Interaktion mit den Eltern haben.

Positive Auswirkungen des Fernsehkonsums

Verbesserung der visuellen Informationsverarbeitung und der motorischen Lernfähigkeit

Entgegen der landläufigen Meinung hat Dr. Matthias Nürnberger von der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Jena in einer prospektiven Studie herausgefunden, dass exzessiver Fernsehkonsum die visuelle Informationsverarbeitung und die motorische Lernfähigkeit verbessern kann.

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In seiner Studie ließ er 74 junge Erwachsene im Alter von 20 bis 30 Jahren fünf Tage lang entweder exzessiv fernsehen (acht Stunden pro Tag) oder gar nicht fernsehen. Beide Gruppen absolvierten einen Kurs im Tippen auf der Tastatur im 10-Finger-System. Die Ergebnisse zeigten, dass die TV-Gruppe bei allen Tests besser abschnitt als die Kontrollgruppe. Die Effekte ließen sich direkt im Gehirn nachweisen.

Stimulation und Vernetzung im Gehirn

Die TV-Gruppe zeigte eine erhöhte Fähigkeit zur kurzfristigen visuellen Wahrnehmung und eine verstärkte Verbindung zwischen visuellen und motorischen Lernnetzwerken im Gehirn. Funktionelle MRT-Aufnahmen zeigten eine Volumenzunahme im linken entorhinalen Kortex, der zur Verarbeitung visueller Informationen beiträgt.

Empfehlungen für einen maßvollen Fernsehkonsum

Zeitliche Begrenzung und altersgerechte Inhalte

Das Deutsche Grüne Kreuz e.V. empfiehlt einen gemäßigten Konsum von Filmen oder Computerspielen von bis zu einer Stunde täglich. Hausaufgaben sollten nicht vor dem Fernseher gemacht werden, da Bilder und Ton ablenken und das Gehirn sich die Inhalte des Lernstoffes nicht lange merken kann. Es ist wichtig, dass Eltern wissen, was sich ihr Kind im Fernsehen anschaut und welche Videospiele es spielt. Sie sollten darauf achten, dass die Sendungen und Spiele dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes entsprechen.

Gemeinsame Mediennutzung und Gespräche über das Gesehene

Eltern sollten die Bildschirmzeit gemeinsam mit ihren Kindern verbringen und mit ihnen über das Gesehene reden. Dies kann dazu beitragen, negative Auswirkungen zu vermeiden und die Medienkompetenz des Kindes zu fördern.

Ausreichend Bewegung und soziale Kontakte

Eine vielseitige Freizeitgestaltung mit ausreichend Bewegung und sozialen Kontakten ist wichtig, um das Sitzen vor dem Bildschirm auszugleichen. Kinder sollten die Möglichkeit haben, draußen zu spielen und sich mit Freunden zu treffen.

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Vorbildfunktion der Eltern

Eltern sollten ihre eigene Mediennutzung im Blick behalten und ihrem Kind als Vorbild dienen. Eine intensive Beschäftigung der Eltern mit Medien kann die Eltern-Kind-Kommunikation beeinträchtigen.

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