Fernsehen und seine Auswirkungen auf Gehirnzellen: Was Studien zeigen

Einführung

Die Frage, ob Fernsehen schädlich für das Gehirn ist, wird seit langem diskutiert. Während einige Studien negative Auswirkungen aufzeigen, deuten andere darauf hin, dass exzessiver TV-Konsum sogar positive Effekte haben kann. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte dieses Themas und fasst die Ergebnisse aktueller Forschung zusammen.

Auswirkungen von Fernsehen auf das Gehirnvolumen

Eine Studie aus Chicago

Eine Studie, die auf dem internationalen Alzheimerkongress in Chicago vorgestellt wurde, untersuchte den Zusammenhang zwischen Fernsehkonsum und dem Hirnvolumen. Das Team um Dr. Tina Hoang vom Northern California Institute for Research and Education konzentrierte sich auf knapp 700 Teilnehmer der CARDIA-Studie, die sich 25 Jahre nach Beginn einer strukturellen Hirn-MRT unterzogen hatten. Die Teilnehmer waren zu Beginn der Studie zwischen 18 und 30 Jahre alt und zum Zeitpunkt der MRT-Analyse 50 Jahre alt.

Ergebnisse der Studie

Im Schnitt hatten die Teilnehmer über die vergangenen zwei Dekaden hinweg 2,3 Stunden täglich ferngesehen, 15 % sogar vier oder mehr Stunden. Die Ergebnisse zeigten einen signifikanten Zusammenhang zwischen hohem Fernsehkonsum und geringerem Gesamthirnvolumen, geringerem Volumen der grauen Substanz und einem reduzierten Volumen im Frontalhirn. Dieser Zusammenhang blieb auch dann bestehen, wenn vaskuläre Risikofaktoren wie Nikotin- und Alkoholkonsum, Adipositas, Hypertonie, Depression sowie die körperliche Aktivität in die Analyse einbezogen wurden.

Interpretation der Ergebnisse

Dr. Hoang sprach von einer geringeren kognitiven Reserve bei Personen mit hohem Fernsehkonsum, die sie auf ihren sedentären Lebensstil zurückführte. Es wurde jedoch nicht untersucht, ob sich viel Zeit vor dem Computerbildschirm mit kognitiv anspruchsvolleren Tätigkeiten ebenfalls negativ auf die Hirnzellen auswirkt. Ein weiteres Manko der Studie ist, dass keine Bildgebungsdaten vom Studienbeginn vorliegen.

Fernsehen und kognitive Fähigkeiten

Strittige Fragen

Es ist umstritten, ob seichte Fernsehprogramme das Gehirn zersetzen oder ob es eher am passiven In-den-Bildschirm-Starren liegt, wenn nach langjährigem Fernsehkonsum die kognitiven Fähigkeiten nachlassen.

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Langzeitstudien aus den USA

Drei Langzeitstudien aus den USA haben untersucht, was mit unserem Gehirn passiert, wenn wir über einen langen Zeitraum viel fernsehen. Dabei hat sich gezeigt, dass hoher Fernsehkonsum zu schlechteren kognitiven Fähigkeiten führt. Die Menschen, die über einen langen Zeitraum viel ferngesehen hatten, konnten beispielsweise schlechter Aufgaben lösen, die das Gehirn anstrengen.

Graue Substanz und Hirnfunktionen

Die Graue Substanz im Gehirn steht für diejenigen Areale, in denen höhere Funktionen ausgeführt werden, wie z.B. das Treffen von Entscheidungen. Je mehr Graue Hirnsubstanz vorhanden ist, desto besser können bestimmte Aufgaben gelöst werden. Vor allem Binge-Watching kann eine negative Auswirkung auf unsere Hirnfunktionen haben.

Bewegung und Gehirn

Die Forschenden sehen auch einen Zusammenhang zwischen langem Sitzen beim Fernsehen und dem Nachlassen von Hirnfunktionen. Bewegung ist nicht nur für die körperliche Fitness wichtig, sondern fordert und fördert gleichzeitig auch unser Gehirn. Tätigkeiten, die wir im Sitzen ausführen, wie Lesen oder Computer- und Brettspiele spielen, halten sie für weniger schädlich, weil das Hirn dabei gefordert werde. Fernsehen hingegen gilt als nicht-stimulierend für unsere kognitiven Funktionen.

Fernsehen und motorisches Lernen

Studie aus Jena

Eine Studie aus Jena zeigt, dass exzessiver TV-Konsum das motorische Lernen fördern kann. Ein Forscherteam des Universitätsklinikums Jena brachte 74 junge Erwachsene im Alter zwischen 20 und 30 Jahren für 5 Tage in einem Hostal unter, wo sie in zwei Gruppen eingeteilt wurden. Die eine wurde angehalten, fünf Tage lang acht Stunden täglich vor dem Fernseher zu sitzen, die andere sollte hingegen komplett darauf verzichten.

Ergebnisse der Studie

Nach den fünf Tagen zeigten die TV-Nutzer deutlich bessere Ergebnisse beim motorischen Lernen. Sie waren schneller und machten weniger Fehler beim Tippen. Auch in einem weiteren Test zur visuellen Informationsverarbeitung schnitten die exzessiven TV-Konsumenten deutlich besser ab. Die Lernerfolge ließen sich auch im Gehirn per funktionellem MRT nachweisen.

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Interpretation der Ergebnisse

Ausdauerndes Fernsehen macht also nicht zwangsläufig dumm. Es kann sogar das visuell-motorische Lernen unterstützen. Allerdings wies Studienleiter Matthias Nürnberger darauf hin, dass es auf die Menge der konsumierten TV-Einheiten ankommt. Wer das viele Stunden am Tag betreibt, vernachlässigt die Bewegung und seine sozialen Kontakte, was aus medizinischer wie aus hirnphysiologischer Sicht ein großer Nachteil sei.

Fernsehen und die Verarbeitung von Emotionen

Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU)

Eine Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) hat untersucht, warum uns bestimmte Filme besonders gefallen - und offenbart Unterschiede in den Gehirnen. Die Forscher analysierten Daten von 257 Personen, die Auskunft über ihre bevorzugten Filmgenres gaben und zusätzlich mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) auf ihre Gehirnaktivitäten hin untersucht wurden.

Ergebnisse der Studie

Besonders starke Reaktionen in beiden Hirnarealen (Nucleus accumbens und Amygdala) zeigten sich bei Fans von Actionfilmen. Eine ähnliche Aktivität wurde bei Fans von Comedy-Filmen beobachtet. Anders hingegen bei Anhängern von Krimis, Thrillern und Dokumentationen: Hier reagierten beide Bereiche im Gehirn deutlich weniger als bei den anderen Gruppen auf die emotionalen Reize.

Interpretation der Ergebnisse

Es scheint so, dass Menschen sich die Filmgenres aussuchen, die ihr Gehirn optimal stimulieren. Wer gerne Actionfilme oder Komödien schaut, könnte also ein stärkeres Bedürfnis nach intensiven emotionalen Erlebnissen haben.

Fernsehen und Gedächtnisverlust im Alter

Studie der Mayo Clinic

Wissenschaftler der Mayo Clinic, Rochester, entdeckten, dass Menschen, die viel fernsehen, im Vergleich zu Wenigguckern ein höheres Risiko haben, im Alter Gedächtnisverlust zu entwickeln.

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Ergebnisse der Studie

Die Forscher untersuchten knapp 200 Personen zwischen 70 und 89 Jahren. Dabei stellte sich heraus, dass die bekannten Maßnahmen zum Gehirntraining wie lesen und kreativ arbeiten das Risiko für einen Gedächtnisabbau um 30 bis 40 Prozent senkten. Diejenigen Studienteilnehmer, die angegeben hatten, nicht so häufig fernzusehen, brachten es sogar auf 50 Prozent.

Fernsehen und Gewaltbereitschaft

Zusammenhang zwischen Medienkonsum und Gewalt

Tausende von wissenschaftlichen Untersuchungen beschäftigen sich mit der Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen Medien und Gewalt gibt. Doch eine eindeutige Antwort gibt es nicht. Die Gewaltbereitschaft von Jugendlichen lässt sich eben nicht monokausal auf Medienkonsum zurückführen. Soziales Umfeld, individuelle psychische Konflikte, allgemeine Zukunftschancen und -ängste, gesellschaftliche Werthaltungen, Angebote zur Sinnfindung: All das prägt Jugendliche mindestens genauso wie Medienkonsum.

UNESCO-Studie

Eine weltweite Studie der UNESCO sieht keinen zwingenden Zusammenhang zwischen Gewaltbereitschaft und Medien: "Unter bestimmten Umständen können Medien Gewalttätigkeit nach sich ziehen. Immer dann, wenn am Modell gelernt wird, wenn die Identifikation mit diesen so genannten Aggressoren in dem jeweiligen Film stattfindet, kann es durchaus sein, dass Gewalt einen Nachahmungseffekt nach sich zieht. Das kann, aber das muss nicht sein. In der überwiegenden Zahl der Fälle ist es glücklicherweise nicht der Fall. Aber immer da, wo im Alltag Gewalt zu einem festen Bestandteil geworden ist, ist die Gefahr hoch, dass Kinder aus diesem Milieu Gewalt auch tatsächlich nachahmungsmäßig anwenden."

Fernsehen und Sucht

Fernsehsucht

Fernsehsucht ist ein Problem, bei dem Betroffene wissen, wie schädlich ist, was sie machen, aber nicht davon ablassen können. Typische Probleme der Süchtigen sind, dass alle zwischenmenschlichen Beziehungen den Bach runtergegangen sind, weil sie nur noch fernsehen wollen.

Internetsucht

Übermäßige Internet-Nutzung führt zu Wirklichkeitsverlust, finanziellem Ruin und sozialer Isolation. Im Netz selbst wird schon das Gegengift gegen die Sucht angeboten: Der Verein "Hilfe zur Selbsthilfe für Online-Süchtige" H.S.O. kann als erste Anlaufstelle aufgesucht werden, sinnvoll therapiert wird dann aber eher offline.

Bewegungsmangel durch Fernsehen

Studie aus Australien

Eine Studie mit 8800 Männern und Frauen fand heraus, dass jede täglich vor dem Fernsehgerät verbrachte Stunde die generelle Sterblichkeit um elf Prozent steigerte. Die Gefahr, einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu erliegen, stieg sogar um 18 Prozent. Selbst die Krebsmortalität nahm zu - allerdings nur geringfügig um neun Prozent. Der Grund für die Gefährdung sei nicht ein schlechtes oder zu aufregendes Programm, sondern schlicht die andauernde Bewegungslosigkeit.

Fernsehfreie Zeit macht schlank

Es lohnt sich also, jeden Tag für mindestens eine halbe Stunde auf den Fernseher zu verzichten und sich zu bewegen. Das belegt auch eine US-Studie von Wissenschaftlern der University of Vermont in Burlington. In ihrer Untersuchung halbierten die Forscher den Fernsehkonsum ihrer übergewichtigen Probanden von fünf auf zweieinhalb Stunden täglich. Dadurch verbrauchten sie im Schnitt täglich 119 Kalorien mehr als vorher.

Auswirkungen von Stress auf Nervenzellen

Stress tötet Nervenzellen

Eine einzige Stress-Situation reicht aus, um neue Nervenzellen im Gehirn absterben zu lassen. So kann eine Depression entstehen. In Tests mit Ratten wurde nachgewiesen, dass der Zellverlust im Hippokampus stattfindet - einem Bereich des Gehirns, der für die Verarbeitung des Gelernten, das Gedächtnis und die Gefühle zuständig ist.

Forschungsergebnisse

Die Forscher haben bewiesen, dass bei jungen Ratten der Stress einer Begegnung mit älteren aggressiven Ratten, die Entstehung neuer Nervenzellen im Gehirn nicht stoppte. Verhindert wurde jedoch, dass die Zellen überlebten. Damit verblieben weniger neue Neuronen für die Verarbeitung von Gefühlen und Emotionen.

Fernsehen und Kinder

Fernsehkonsum bei Säuglingen und Kindern

In den USA sehen 40 Prozent der Säuglinge ab einem Alter von drei Monaten regelmäßig fern, DVDs oder Videoaufzeichnungen. Dieses Verhältnis steigt ab dem Alter von zwei Jahren auf 90 Prozent. In Europa haben, abhängig vom jeweiligen Land und vom sozialen Umfeld, bereits ein bis zwei Drittel der Kinder einen Fernseher in ihrem Zimmer (75 Prozent in den benachteiligten Milieus in Großbritannien).

Aufmerksamkeitsstörungen

Das Fernsehen während der psychischen Entwicklung des Kindes kann schwere Aufmerksamkeitsstörungen verursachen. Die vorzeitige Aufmerksamkeitsgewinnung durch industrielle Technologien ist eine Hauptursache der Aufmerksamkeitsdefizit-Störung (ADS), ein juveniles Krankheitsbild, das in den Vereinigten Staaten zu einer wahren Plage geworden ist.

Pharmakologie des Geistes

Die Techniken zur Aufmerksamkeitsgewinnung ermöglichen die Entwicklung wie auch die Zerstörung von Aufmerksamkeit. Es gibt keine Gesellschaft ohne Techniken der Aufmerksamkeitsentwicklung und -gewinnung.

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