Warum schrumpeln unsere Finger im Wasser? Eine umfassende Untersuchung

Jeder kennt das Phänomen: Nach einem längeren Bad, beim Abwaschen oder Schwimmen sehen unsere Finger und Zehen runzelig aus. Die Haut ist wellig und insbesondere die Fingerkuppen erinnern an kleine Trockenfrüchte. Doch warum passiert das und welcher Zweck steckt dahinter? Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen und möglichen Funktionen schrumpeliger Finger, basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und aktuellen Forschungsergebnissen.

Die verbreitete Theorie: Aufquellen der Haut

Die gängigste Erklärung für schrumpelige Finger besagt, dass die oberste Hautschicht, die sogenannte Hornhaut, Wasser aufnimmt. Die Hornzellen binden das Wasser und quellen dadurch auf. Da die Haut an Händen und Füßen im Vergleich zum Rest des Körpers anders aufgebaut ist, äußert sich das Aufquellen besonders an Fingern und Zehen. An diesen Stellen gibt es keine Haare oder Härchen, dafür aber mehr Rezeptoren für Berührungen. Zudem sind die oberen Hautschichten eng mit der Unterhaut verbunden, was eine freie Ausdehnung verhindert und das typische Wellenmuster verursacht.

Die Rolle des Nervensystems: Eine aktive Reaktion

Jüngere Untersuchungen haben jedoch eine andere Erklärung für die Schrumpelhaut gefunden: das Nervensystem. Neurologen haben festgestellt, dass bei Menschen mit Nervenschädigungen die Finger auch nach längerem Kontakt mit Wasser nicht schrumpelig werden. Dies deutet darauf hin, dass es sich nicht nur um ein passives Aufquellen der Haut handelt, sondern um eine aktive Reaktion des Körpers.

Das sympathische Nervensystem, ein Teil des vegetativen Nervensystems, steuert Körperfunktionen wie die Verengung von Blutgefäßen. Bei längerem Kontakt der Haut mit Wasser reagiert das sympathische Nervensystem und sorgt dafür, dass sich die winzigen Blutgefäße in Fingern und Zehen zusammenziehen. Durch die Kontraktion der Blutgefäße wird die Haut nach innen gezogen, was zum Schrumpeln und zur Faltenbildung führt.

Der evolutionäre Vorteil: Bessere Griffigkeit

Warum aber hat sich diese Reaktion im Laufe der Evolution entwickelt? Eine Theorie besagt, dass schrumpelige Finger und Zehen einen Vorteil beim Greifen von nassen Gegenständen bieten. Wissenschaftler der Newcastle Universität fanden heraus, dass sich mit schrumpeligen Fingern feuchte Gegenstände schneller greifen und transportieren lassen als mit trockenen Fingern. Die Falten in der Haut könnten wie ein Profil auf Autoreifen wirken, indem sie das Wasser ableiten und die Haftfähigkeit verbessern.

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Ein Experiment, bei dem Probanden Glasmurmeln und Bleigewichte mit trockenen und schrumpeligen Fingern transportieren sollten, bestätigte diese Theorie. Feuchte Gegenstände konnten mit schrumpeligen Fingern deutlich schneller bewegt werden. Dies deutet darauf hin, dass die Schrumpelhaut einen klaren Vorteil bietet, wenn es darum geht, mit feuchten Gegenständen zu hantieren.

Weitere Forschung und offene Fragen

Obwohl die Forschung bereits einige Erkenntnisse über die Ursachen und Funktionen schrumpeliger Finger geliefert hat, bleiben noch Fragen offen. So ist beispielsweise unklar, warum unsere Finger nicht ständig schrumpelig sind, da dies die Handhabung trockener Gegenstände nicht beeinträchtigen würde. Möglicherweise ist bei Schrumpelfingern die Sensitivität geringer oder die Anfälligkeit für Verletzungen größer.

Auch die genauen Mechanismen, wie die Falten das Wasser ableiten und die Griffigkeit verbessern, müssen noch weiter untersucht werden. Es ist möglich, dass sich auch Hauteigenschaften wie Flexibilität oder Haftfähigkeit verändern.

Aquagene palmoplantare Keratodermie: Wenn Schrumpelfinger zum Problem werden

Es ist wichtig, die normale Reaktion der Haut auf Wasserkontakt von der aquagenen palmoplantaren Keratodermie abzugrenzen. Bei dieser Erkrankung bilden sich bereits nach wenigen Minuten im Wasser Falten, Papeln und/oder Ödeme an den Händen. Einige Betroffene berichten zudem von Kribbeln oder Schmerzen.

Eine Assoziation zwischen aquagener palmoplantarer Keratodermie und zystischer Fibrose (CF) ist seit längerem bekannt. Eine Studie hat gezeigt, dass das Phänomen der "Waschfrauenhände" diagnostisch genutzt werden kann, um CF zu erkennen. Wenn Patienten von einer solchen Reaktion auf Wasser berichten, sollte man daher hellhörig werden.

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Schrumpelige Finger bei Tieren

Interessanterweise bekommen nicht nur Menschen schrumpelige Finger. Auch Makaken in Japan, die gerne in heißen Quellen baden, zeigen dieses Phänomen. Dies deutet darauf hin, dass die Schrumpelreaktion möglicherweise bei verschiedenen Arten einen ähnlichen Zweck erfüllt.

Fazit

Schrumpelige Finger sind ein faszinierendes Phänomen, das auf einer komplexen Interaktion zwischen Haut und Nervensystem beruht. Während die gängigste Erklärung das Aufquellen der Haut als Ursache ansieht, deuten neuere Forschungsergebnisse auf eine aktive Reaktion des Nervensystems hin. Die Schrumpelhaut könnte einen evolutionären Vorteil bieten, indem sie die Griffigkeit bei nassen Gegenständen verbessert. Obwohl bereits viele Erkenntnisse gewonnen wurden, bleiben noch Fragen offen, die zukünftige Forschung beantworten muss.

Zusammenfassung der wichtigsten Punkte

  • Schrumpelige Finger entstehen durch eine Kombination aus Aufquellen der Haut und einer aktiven Reaktion des Nervensystems.
  • Das sympathische Nervensystem verengt die Blutgefäße in Fingern und Zehen, was zum Schrumpeln der Haut führt.
  • Schrumpelige Finger könnten einen evolutionären Vorteil bieten, indem sie die Griffigkeit bei nassen Gegenständen verbessern.
  • Aquagene palmoplantare Keratodermie ist eine Erkrankung, bei der sich die Haut bereits nach kurzer Zeit im Wasser stark runzelt.
  • Schrumpelige Finger kommen auch bei Tieren vor, was auf eine ähnliche Funktion hindeutet.

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