Im Alltag sind unsere Hände ständigen Verletzungsgefahren ausgesetzt, insbesondere durch scharfe Gegenstände. Schnittverletzungen an den Fingern können dabei nicht nur oberflächlich sein, sondern auch tieferliegende Strukturen wie Sehnen, Nerven und Gefäße beeinträchtigen. Ein Taubheitsgefühl nach einem Schnitt in den Finger kann verschiedene Ursachen haben, die eine umgehende Diagnose und Behandlung erfordern.
Ursachen für Taubheitsgefühl nach einem Schnitt
Verletzung von Nerven
Am Finger verlaufen die Nerven seitlich an der Innenfläche, vor den Gefäßen. Bei einer Schnittverletzung in diesem Bereich kann es zu einer direkten Schädigung der Nerven kommen. Eine Nervenverletzung sollte angenommen werden, wenn nach einer Schnittverletzung eine massive Blutung auftritt.
Neurombildung
Ein unangenehmes "Elektrisieren" oder stromschlagartige Missempfindungen, die von der Wunde ausgehen, können auf eine Neurombildung hindeuten. Dabei wachsen Nervenfasern unkontrolliert in die Wundumgebung ein, was zu einer erheblichen Funktionsbeeinträchtigung bis hin zur völligen Gebrauchsunfähigkeit der Hand führen kann.
Kompression des Nervus medianus: Karpaltunnelsyndrom
Das Karpaltunnelsyndrom ist eine der häufigsten Ursachen für Taubheitsgefühle in den Fingern. Es entsteht durch die Einengung des Mittelarmnervs (Nervus medianus) im Karpaltunnel, einem engen Durchgang im Bereich des Handgelenks. Die Einengung kann durch verschiedene Faktoren verursacht werden, wie z.B. hormonelle Umstellungen (Schwangerschaft), Diabetes mellitus oder chronische Polyarthritis.
Kompression des Nervus ulnaris: Sulcus-ulnaris-Syndrom
Auch der Ellennerv (Nervus ulnaris) kann im Bereich des Ellenbogens eingeklemmt werden (Sulcus-ulnaris-Syndrom). Dies kann zu Kribbeln und Taubheitsgefühlen am kleinen Finger und Ringfinger führen.
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Andere Ursachen
Weitere mögliche Ursachen für Taubheitsgefühle in den Fingern sind:
- Einklemmung von Nerven: Nerven können an verschiedenen Stellen des Arms eingeklemmt werden, z. B. am Halsansatz zwischen den Skalenusmuskeln oder an der Brust durch den Musculus pectoralis minor.
- Verrenkungen oder Gefäßkrämpfe: Eine Ellenbogenverrenkung oder Durchblutungsstörungen infolge von Gefäßkrämpfen (Raynaud-Syndrom) können ebenfalls Taubheitsgefühle auslösen.
- Nährstoffmängel: Ein Mangel an bestimmten Mikronährstoffen wie Magnesium, Vitamin B12 oder ein Überschuss an Kalium kann zu Kribbeln und Taubheitsgefühlen führen.
Symptome
- Taubheitsgefühl oder verminderte Empfindung im Finger
- Kribbeln oder "Elektrisieren" im Finger
- Schmerzen im Finger oder in der Hand
- Schwäche oder Schwierigkeiten bei der Bewegung des Fingers
- Fehlende Schweißproduktion der Haut hinter der Wunde
Diagnose
Bei Verdacht auf eine Nervenverletzung sollte keine Zeit verschwendet und umgehend ein Arzt aufgesucht werden.
Ärztliche Untersuchung
Der Arzt wird die Wunde untersuchen, die Funktion der Hand und der Finger überprüfen und nach möglichen Ursachen für das Taubheitsgefühl suchen.
Neurologische Untersuchung
Bei Verdacht auf eine Nervenkompression kann eine neurologische Untersuchung durchgeführt werden, um die Nervenleitgeschwindigkeit zu messen (Elektroneurografie). Dabei werden Elektroden an der Haut angebracht und schwache Stromimpulse durch den Arm geschickt, um die Reaktion der Muskeln zu messen.
Bildgebende Verfahren
In einigen Fällen können bildgebende Verfahren wie Ultraschall oder MRT eingesetzt werden, um die Nerven und das umliegende Gewebe genauer zu beurteilen.
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Selbsttests
Ein Selbsttest, der einen ersten Hinweis auf das Karpaltunnelsyndrom geben kann, ist der Hoffmann-Tinel-Test. Dabei klopft man bei ausgestreckter Hand auf die Innenseite des Handgelenks. Schmerzen oder Kribbeln können ein Anzeichen für ein Karpaltunnelsyndrom sein. Ein anderer Test besteht darin, die Handinnenflächen oder Handrücken zusammenzulegen. Treten dabei Gefühlsstörungen in den Fingern auf, kann dies ebenfalls auf ein Karpaltunnelsyndrom hindeuten.
Behandlung
Die Behandlung richtet sich nach der Ursache des Taubheitsgefühls.
Sofortmaßnahmen nach der Verletzung
- Reinigung der Wunde: Die Wunde sollte gründlich mit klarem, lauwarmem Wasser gereinigt werden, um Schmutz und Keime zu entfernen.
- Stillen der Blutung: Die Blutung kann mit einer sterilen Kompresse oder einem sauberen Tuch gestillt werden, indem man es leicht auf die Wunde drückt.
- Schutz der Wunde: Die Wunde sollte mit einem Pflaster oder Verband abgedeckt werden, um sie vor Schmutz und Keimen zu schützen.
Konservative Behandlung
- Wundrevision: Innerhalb eines schmalen Zeitfensters von bis zu 14 Tagen kann eine Wundrevision erforderlich sein, um die Verletzung der Nerven festzustellen und zu behandeln.
- Handgelenksschiene: Bei einem Karpaltunnelsyndrom kann das Tragen einer Handgelenksschiene, insbesondere nachts, helfen, das Handgelenk in einer neutralen Position zu halten und den Druck auf den Nerv zu reduzieren.
- Entzündungshemmende Medikamente: Entzündungshemmende Medikamente können helfen, Schwellungen und Entzündungen im Bereich des Nervs zu reduzieren.
- Physiotherapie: Physiotherapeutische Maßnahmen wie Tapen, Koordinations- und Dehnungsübungen können die Beschwerden lindern.
- Infiltration: Eine Infiltration des Karpaltunnels mit einem lokal wirkenden Schmerzmittel oder Kortison kann schmerzlindernd, entzündungshemmend und abschwellend wirken.
- Nährstoffergänzung: Bei einem nachgewiesenen Nährstoffmangel kann die Einnahme von entsprechenden Präparaten sinnvoll sein.
Operative Behandlung
- Nervennaht: In der Regel gelingt es innerhalb der ersten 10-14 Tage, den Nerven nach ausreichender Kürzung durch eine spannungsfreie Direktnaht zu nähen.
- Karpaltunnelspaltung (Neurolyse): Bei einem Karpaltunnelsyndrom kann eine operative Spaltung des Karpalbandes erforderlich sein, um den Druck auf den Nerv zu reduzieren. Der Eingriff kann entweder offen oder endoskopisch durchgeführt werden.
- Nervenrekonstruktion: Bei komplexen Nervenverletzungen kann eine umfassendere Rekonstruktion erforderlich sein, um die Funktion des Nervs wiederherzustellen.
- Nerventransplantation: Falls ein längerer Nervendefekt vorliegt, kann eine Nerventransplantation erforderlich sein.
Wann ist ein Arztbesuch erforderlich?
Ein Arzt sollte aufgesucht werden, wenn:
- die Wunde sehr stark blutet oder sich die Blutung nicht stoppen lässt
- die Wunde einen Zentimeter groß oder länger ist und die Wundränder auseinanderklaffen
- sich der Finger taub anfühlt oder schlechter bewegen lässt
- die Wunde stark gerötet ist, eitert oder anschwillt
- die letzte Tetanus-Impfung mehr als 10 Jahre zurückliegt
Heilungsverlauf
Die Heilungsdauer hängt von der Art und Schwere der Verletzung ab. Oberflächliche Schnittwunden heilen in der Regel innerhalb weniger Tage von selbst ab. Tiefe Schnittwunden, die genäht werden müssen, benötigen mehr Zeit für die Heilung. Auch eine Nervenverletzung kann den Heilungsprozess verlängern.
Was kann man selbst tun, um die Heilung zu fördern?
- Ruhe: Der betroffene Finger sollte ausreichend Ruhe bekommen und nicht unnötig belastet werden.
- Kühlung: Kühlung kann helfen, Schwellungen und Schmerzen zu reduzieren.
- Hochlagern: Das Hochlagern des Fingers kann ebenfalls helfen, Schwellungen zu reduzieren.
- Bewegung: Nach Anweisung des Arztes oder Physiotherapeuten sollten gezielte Bewegungsübungen durchgeführt werden, um die Beweglichkeit des Fingers zu verbessern.
- Wundpflege: Die Wunde sollte sauber und trocken gehalten werden.
Mögliche Komplikationen
- Infektion: Eine Wundinfektion kann den Heilungsprozess verzögern und weitere Komplikationen verursachen.
- Nervenkompression: Eine Nervenkompression kann zu chronischen Schmerzen, Taubheitsgefühlen und Funktionsstörungen führen.
- Narbenbildung: Narben können zu Bewegungseinschränkungen und ästhetischen Problemen führen.
- Komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS): In seltenen Fällen kann es nach einer Verletzung zu einem CRPS kommen, einer chronischen Schmerzerkrankung, die mitSensibilitätsstörungen, Schwellungen und Bewegungseinschränkungen einhergeht.
Vorbeugung
- Sicherheitsmaßnahmen beachten: Beim Hantieren mit scharfen Gegenständen sollten stets die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen beachtet werden.
- Konzentration: Der Umgang mit scharfen Gegenständen sollte immer konzentriert und ohne Ablenkung erfolgen.
- Schutzkleidung: Bei Arbeiten, bei denen ein erhöhtes Verletzungsrisiko besteht, sollten schützende Arbeits- oder Gartenhandschuhe getragen werden.
- Barfußlaufen vermeiden: Barfußlaufen, besonders in der Nähe von Scherben, sollte vermieden werden.
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