Fragen, die dein Gehirn zerstören: Eine psychologische Untersuchung

Was wir sehen, hören und erleben, ist das, was wir als Wahrheit wahrnehmen. Doch unser Gehirn nimmt nur einen Bruchteil der Realität wahr und filtert selektiv Informationen heraus. Aus dieser Auswahl konstruiert unsere Kognition ein zusammenhängendes Gesamtbild. Die sensorischen Informationen, die unser Gehirn in jeder Sekunde erreichen (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen), umfassen etwa 11 Millionen Bits, was ungefähr 1,4 Megabyte entspricht. Im Vergleich dazu verarbeitet unser Bewusstsein nur 40 bis 50 Bits in derselben Zeitspanne. Der Rest der Informationen, sofern er überhaupt verarbeitet wird, gelangt ins Unterbewusstsein. Diese selektive Wahrnehmung dient als Schutzmechanismus, kann aber auch zu Täuschungen und Fehlinterpretationen führen.

Selektive Wahrnehmung: Ein Filter unseres Gehirns

Selektive Wahrnehmung ist ein psychologisches Phänomen, bei dem wir unbewusst bestimmte Informationen, Aspekte und Faktoren auswählen und andere ausblenden. Diese Filterfunktion unseres Gehirns ist ständig aktiv. Studien zeigen, dass etwa ein Viertel des Gehirns damit beschäftigt ist, visuelle Informationen zu selektieren. Dieses Phänomen wird auch als "Aufmerksamkeitsblindheit" bezeichnet. Im Alltag bedeutet dies, dass wir Entscheidungen auf der Grundlage unvollständiger Informationen treffen, weil wir relevante Details übersehen haben.

Wusstest du, dass das Gehirn unnötige Informationen automatisch ignoriert? Ein einfaches Beispiel ist unsere Nase, die sich permanent in unserem Sichtfeld befindet, aber vom Gehirn ausgeblendet wird, da sie für die Wahrnehmung der Umgebung irrelevant ist.

Die Anekdote des Königs Krösus: Eine Parabel der Selbsttäuschung

Die potenziell fatalen Auswirkungen der selektiven Wahrnehmung werden in der Anekdote des lydischen Königs Krösus deutlich. Im Jahr 541 v. Chr. befragte Krösus das Orakel von Delphi, ob er gegen die Perser in den Krieg ziehen solle. Das Orakel prophezeite: "Wenn du das tust, wirst du ein mächtiges Reich zerstören." Krösus interpretierte diese Aussage als Garantie für seinen Sieg und zog voller Hochmut in den Krieg, den er jedoch verlor. Er hörte nur das, was er hören wollte.

Subjektivität der Wahrnehmung

Wir sehen die Welt nicht, wie sie ist, sondern wie wir sind. Unsere subjektive Interpretation der Realität beeinflusst unsere Wahrnehmung maßgeblich.

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Framing: Die Kunst der Manipulation

Framing gehört zu den Strategien, die selektive Wahrnehmung beeinflussen und zur Manipulation eingesetzt werden können. Durch unterschiedliche Formulierungen kann die Wahrnehmung gelenkt und ein gewünschter Effekt erzielt werden. Ein Beispiel: "Für den Urlaub ist 80 Prozent Sonnenschein gemeldet" klingt positiver als "Es besteht eine 20-prozentige Regenwahrscheinlichkeit".

Auch akute Gefühle spielen bei der selektiven Wahrnehmung eine Rolle. Wer wütend ist, nimmt verstärkt Dinge wahr, die ihn noch mehr aufregen. Wir sehen, was wir erwarten, was zur selbsterfüllenden Prophezeiung führen kann.

Bestimmte Worte oder Reize können Assoziationen auslösen und so die Wahrnehmung oder das Kaufverhalten steuern. Ein bekanntes Beispiel ist das Spiel mit den Farben: "Welche Farbe hat Schnee? - Weiß. Welche Farbe hat der Schwan? - Weiß. Welche Farbe haben Wolken? - Weiß. Was trinkt die Kuh? - Milch."

Der Gorilla-Test: Ein eindrucksvolles Beispiel

Das psychologische Phänomen der selektiven Wahrnehmung lässt sich am besten anhand eigener Erfahrung nachvollziehen. Der "Monkey Business Illusion"-Test von Psychologie-Professor Daniel Simons ist ein legendäres Beispiel. In diesem Video werden die Zuschauer aufgefordert, die Anzahl der Ballwechsel zwischen den Spielern zu zählen. Überraschenderweise übersieht mehr als die Hälfte der Teilnehmer einen Gorilla, der mitten im Geschehen durchläuft. Die Probanden sind so auf die Ballspieler konzentriert, dass sie alles andere ausblenden.

Dieser Test ist mittlerweile so bekannt, dass er seltener funktioniert, da viele Teilnehmer das Unerwartete erwarten. Doch selbst wenn man den Gorilla bemerkt, übersieht man möglicherweise noch wichtigere Details. Nur etwa 17 Prozent der Probanden bemerken andere Veränderungen im Video, selbst wenn sie den Gorilla bereits kennen.

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Die Notwendigkeit und die Gefahren der selektiven Wahrnehmung

Das Gehirn benötigt selektive Wahrnehmung, um die Reizüberflutung zu bewältigen. Sie macht uns jedoch auch anfällig für Manipulation und Fehler.

Können wir die selektive Wahrnehmung umgehen?

Es ist kaum möglich, die selektive Wahrnehmung vollständig zu umgehen. Der Glaube, dass wir durch große Aufmerksamkeit und sorgfältige Beobachtung Täuschungen entgehen können, ist ein Irrtum. Wie das Experiment von Daniel Simons zeigt, verpassen wir umso eher andere Informationen und übersehen Offensichtliches, je mehr wir uns auf eine Sache konzentrieren.

Ein Test des britischen Psychologen Richard Wiseman bestätigt dies. Probanden sollten alle Fotos in einer Zeitung zählen. Bereits auf der zweiten Seite befand sich jedoch eine fette Überschrift mit dem Titel "In dieser Zeitung sind 43 Fotos abgebildet". Fast niemand bemerkte die Überschrift und blätterte die gesamte Zeitung durch.

Strategien zur Abmilderung der selektiven Wahrnehmung

Obwohl wir die selektive Wahrnehmung nicht vollständig umgehen können, können wir ihre Auswirkungen abmildern. Kritisches Denken, Selbstreflexion der eigenen Ansichten, das Einholen von Rat bei Familie, Freunden und unabhängigen Dritten sowie das aktive Hinterfragen der eigenen Wahrnehmung können helfen.

Wir sind alle manipulierbar und lassen uns leicht blenden. Psychologische Experimente beweisen dies immer wieder. Ein Beispiel ist die Aufgabe, das Ergebnis von 1x2x3x4x5x6x7x8 in fünf Sekunden zu berechnen. Die korrekte Antwort ist 40.320, aber die meisten Menschen unterschätzen das Ergebnis aufgrund der begrenzten Zeit.

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Die Hirnforschung: Rätsel des Bewusstseins und der Gedanken

Die Hirnforschung beschäftigt sich mit Fragen wie: Wie entsteht Bewusstsein? Wie funktionieren Wahrnehmung, Denken und Fühlen? Wie treffen wir Entscheidungen? Was bestimmt unser Verhalten? Diese Fragen sind nicht nur von wissenschaftlichem Interesse, sondern auch relevant für unser gesellschaftliches Zusammenleben und unsere Arbeitsorganisation.

Der Reduktionismus, ein wissenschaftlicher Ansatz, versucht, allgemeine Erklärungen auf grundlegendere Prinzipien zurückzuführen. Demnach gäbe es irgendwann eine "Theorie für Alles", die jeden denkbaren Sachverhalt erklärt.

Trotz Fortschritten in der Hirnforschung, wie beispielsweise Gehirn-Computer-Schnittstellen, die gelähmten Patienten die Kommunikation ermöglichen, sind Anwendungen wie das "Gedankenlesen" noch in einem sehr frühen Stadium. Die "Sprache der Neuronen" ist noch nicht verstanden.

Der 4E-Ansatz: Ein ganzheitliches Verständnis von Kognition

Die Kognitionswissenschaften plädieren für einen 4E-Ansatz, der Kognition als verkörpert (embodied), eingebettet (embedded), in Interaktion mit der Welt (enacted) und erweitert (extended) betrachtet. Demnach sind wir keine reinen Gehirne, sondern haben einen ganzen Körper, der in einer bestimmten Situation für eine bestimmte Interaktion agiert.

Dieser Ansatz berücksichtigt auch die subjektive Komponente der Wahrnehmung und erfordert eine Methodik, die subjektiven Sachverhalten gerecht wird. Die Phänomenologie versucht, genau dies zu leisten, indem sie die Phänomene, das, was uns erscheint, für grundlegend hält.

Die Grenzen der Hirnforschung

Die Hirnforschung kann Psychologie oder Philosophie weder ablösen noch ersetzen. Sie kann zwar Vorgänge des Nervensystems beschreiben, aber nicht das Wesen der psychologischen Vorgänge oder das Bewusstsein entschlüsseln.

Die Frage, ob das neuronale Korrelat des Bewusstseins eher im vorderen oder hinteren Teil der Großhirnrinde zu finden ist, ist Gegenstand hitziger Debatten. Es wird deutlich, dass die Hirnforschung Psychologie oder Philosophie weder ablösen noch ersetzen kann.

Negative Gedanken: Ursachen und Auswirkungen

Negative Gedanken sind ein alltägliches Phänomen, das jedoch bei manchen Menschen chronisch werden kann. Ständiges Grübeln und Sorgen können die Psyche und den Körper belasten und zu körperlichen Symptomen wie Schlafstörungen, Schwindel oder chronischen Schmerzen führen. Anhaltende negative Gedanken können außerdem zu seelischem Stress führen, der langfristig das Immunsystem schwächt und das Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen erhöht.

Die Rolle von Glaubensansätzen

Negative Glaubensansätze, die tief in uns verankert sind und unsere Wahrnehmung und Haltung zum Leben prägen, sind ein kritischer Faktor. Wer beispielsweise glaubt, dass Beziehungen nur verletzen, gefährdet den Aufbau und die Aufrechterhaltung einer Beziehung.

Optimismus vs. Pessimismus

Ob wir eher zu den Optimisten oder zu den Pessimisten zählen, hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter genetische Veranlagungen und frühkindliche Prägungen durch Lebenserfahrungen und Bezugspersonen wie unsere Eltern.

Negative Gedanken als Symptom einer Erkrankung

Negative Gedanken können auch auf eine Erkrankung hindeuten. Menschen mit Depressionen neigen beispielsweise eher zu negativen Gedanken, die sich um Schuld, Hoffnungslosigkeit und Wertlosigkeit drehen. Im Rahmen einer Depression erlebt der Betroffene kognitive Verzerrungen und sieht alles wie durch eine dunkle Brille.

Wann sollte man einen Psychotherapeuten aufsuchen?

Eine Psychotherapie ist sinnvoll, wenn negative Gedanken die Lebensqualität nachhaltig und dauerhaft beeinträchtigen. Wer eine längere psychische Krise durchmacht, ständig Sorgen oder Ängste hat oder stets erschöpft ist, sollte einen Psychiater oder Psychotherapeuten aufsuchen.

Strategien zur Bewältigung negativer Gedanken

Negative Gedanken können zunächst selbst erforscht werden. Nicht selten steckt hinter ihnen ein geringes Selbstbewusstsein. Selbstbewusst zu leben bedeutet, Vertrauen in sich selbst zu haben. Kleine Projekte können helfen, das Selbstbewusstsein zu stärken.

Wenn es nicht gelingt, die negativen Gedanken "abzustellen", ist eine Psychotherapie ratsam. Im Rahmen einer Psychotherapie werden die negativen Gedanken näher betrachtet und Strategien entwickelt, um die negative Gedankenspirale zu unterbrechen.

Grübeln stoppen

Grübeln ist ein sinnloses Kreisen um die immer gleichen negativen Themen, ohne dass es eine Lösung gäbe. Folgende Strategien sind beim Grübeln hilfreich: für Ablenkung sorgen, Stoppsignale nutzen, Gedanken aufschreiben oder sich bewusst eine "Grübelzeit" einplanen.

Positives Denken fördern

In einem ersten Schritt können wir hinterfragen, ob die negativen Gedanken wirklich zutreffen und ob eine außenstehende, neutrale Person den negativen Gedanken zustimmen würde. Die bewusste Umformulierung in positive Gedanken ist eine besonders gute Übung.

Therapien gegen negative Gedanken

Psychotherapeuten greifen in ihrer Arbeit auf die Schematherapie oder die kognitive Verhaltenstherapie zurück. Dabei gehen sie davon aus, dass sich Frustrationen und nicht erfüllte Grundbedürfnisse aus der Kindheit in Form von festen Denkmustern abbilden, die Psychotherapeuten wieder ändern können.

Achtsamkeit und Akzeptanz

Achtsamkeit kann helfen, sich für positive Glaubensansätze zu öffnen. Gelingt die Befreiung von den negativen Gedanken nicht allein, kann dies ein Anzeichen einer Depression oder von bestehenden Ängsten sein.

Akzeptanz bedeutet, eine Situation anzunehmen, auch wenn sie unangenehm ist. Im Umgang mit schlechtem Wetter während der Ernte bedeutet dies beispielsweise, die Gegebenheit zu akzeptieren und proaktiv Handlungsalternativen zu entwickeln.

Manipulation erkennen und abwehren

Manipulation ist ein allgegenwärtiges Phänomen, das in allen Lebenslagen vorkommt. In den letzten Jahren hat die Manipulation in den Sozialen Medien enorm zugenommen. Es werden Lügen verbreitet, um Menschen zu beeinflussen.

Um sich vor Einflussnahme in sozialen Medien zu schützen, sollte man sehr genau prüfen, aus welcher Quelle die Information stammt. Manipulation funktioniert häufig so, dass bewährte soziale Prinzipien ausgenutzt werden, um uns zu einem Verhalten zu bewegen.

Scham und Psychotherapie

Menschen mit Bindungsverletzungen und Entwicklungstrauma tragen oft tiefe Schamgefühle und Schuldgefühle in sich. Scham ist eine wichtige und gesunde Emotion, die unser soziales Zusammenleben sichert. Toxische Scham kann jedoch dazu führen, dass Menschen nicht mehr leben wollen.

In der Psychotherapie ist es wichtig, die Schutzfunktion der Scham anzuerkennen und sie Schritt für Schritt zu reframen. Die Klient*innen müssen sich "umprogrammieren" und die toxische Beschämung hinter sich lassen.

Der Einfluss von Narzissmus auf das Gehirn

Eine enge Verbindung zu einem narzisstisch gestörten Menschen kann das Gehirn schädigen. Der Dauerstress und die ständige narzisstische Achterbahnfahrt führen zu einer Konditionierung des Gehirns. Die Amygdala ist ständig in Alarmbereitschaft und die Cortisolausschüttung greift die Nervenzellen im Hippocampus an.

Die gute Nachricht ist, dass sich das Gehirn normalerweise auch wieder erholen kann. Resilienztraining kann helfen, sich vor den Auswirkungen narzisstischen Missbrauchs zu schützen.

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