Pestizide und Parkinson: Ein komplexer Zusammenhang

Die Parkinson-Krankheit, auch bekannt als Schüttellähmung, ist eine fortschreitende neurologische Erkrankung, die vor allem ältere Menschen betrifft. In den letzten Jahren hat die Forschung zunehmend den Zusammenhang zwischen Pestiziden und dem erhöhten Risiko, an Parkinson zu erkranken, in den Fokus gerückt. Dieser Artikel beleuchtet die aktuelle Studienlage, die Anerkennung von Parkinson als Berufskrankheit bei Landwirten und die potenziellen Gefahren für die Allgemeinbevölkerung.

Der Fall eines Landwirts: Parkinson als Folge der beruflichen Tätigkeit

Hubert Roßkothen, ein Landwirt aus Oberbayern, ist einer von vielen Betroffenen, bei denen die Parkinson-Diagnose im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit steht. Nach jahrelangen unerklärlichen Schmerzen, Schlafstörungen und Depressionen erhielt er 2020 die Diagnose Parkinson. Ein Schreiben der bayerischen Berufsgenossenschaft für Landwirtschaft brachte ihn auf die Spur, dass seine Erkrankung mit dem Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft zusammenhängen könnte.

Anerkennung von Parkinson als Berufskrankheit

Seit 2024 ist Parkinson bei Landwirten, Winzern und Gärtnern in Deutschland als Berufskrankheit anerkannt. Diese Anerkennung ist ein wichtiger Schritt, da wissenschaftliche Studien belegen, dass Pestizide ein erheblicher Risikofaktor für die Entstehung von Parkinson sind. Landwirte mit einer gesicherten Diagnose, die bestimmte Pestizide über einen längeren Zeitraum (mindestens 100 Tage) eingesetzt haben, können nun Ansprüche geltend machen.

Forschungsergebnisse aus den USA: Einblicke durch ein Pestizidregister

Hinweise auf den Zusammenhang zwischen Pestiziden und Parkinson gibt es schon seit Längerem. Besonders aufschlussreich sind die Daten aus den USA, speziell aus Kalifornien. Dort besteht seit 1974 eine Meldepflicht für Landwirte, die detailliert festhält, wann, wo und welche Pestizide eingesetzt werden. Dieses Register erwies sich für die deutsche Epidemiologin Prof. Dr. Beate Ritz als wertvolle Ressource für ihre Forschung. Mithilfe dieser Daten konnte sie den Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Pestiziden und dem Auftreten von Parkinson besser untersuchen.

Ursachenforschung: Epidemiologische Daten und Laborstudien

Die Ursachen der Parkinson-Krankheit sind noch nicht vollständig erforscht. Prof. Dr. Daniela Berg, Neurologin an der Universität Kiel, betont die Bedeutung epidemiologischer Daten für die Forschung. Da zwischen der Exposition gegenüber Pestiziden und dem Auftreten von Symptomen Jahrzehnte liegen können, sind umfassende Studien erforderlich. Neben epidemiologischen Studien sind auch Tierversuche und Zellkulturstudien wichtig, um die direkten Auswirkungen von Pestiziden auf Nervenzellen zu untersuchen. In Zellkulturen konnte gezeigt werden, dass bestimmte Pestizide Nervenzellen im Gehirn schädigen, die für die Dopaminproduktion verantwortlich sind. Diese Schädigung ist eine Hauptursache für die typischen Parkinson-Symptome wie Bewegungsverlangsamung.

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Rechtliche Hürden und Sammelklagen

Obwohl die Beweislage für den Zusammenhang zwischen bestimmten Pestiziden und Parkinson erdrückend ist, gestaltet sich die Beteiligung der Pestizidhersteller an den Kosten in Deutschland schwierig. Die rechtlichen Hürden sind hoch, da in jedem Einzelfall der Nachweis erbracht werden muss, dass ein bestimmtes Pestizid die Ursache der Erkrankung war. In den USA hingegen gibt es eine Sammelklage gegen einen Pestizidhersteller wegen Parkinson-Spätschäden bei Landwirten.

Gefahren für die Allgemeinbevölkerung: Rückstände in Lebensmitteln und Pestizid-Cocktails

Neben den direkten Auswirkungen auf Landwirte stellt sich die Frage, inwieweit Rückstände von Pestiziden die Allgemeinbevölkerung gefährden. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit gibt Entwarnung für Lebensmittel aus der EU, die kaum oder nur wenig belastet seien. Allerdings wurden bei Lebensmitteln aus Nicht-EU-Staaten häufiger Grenzwertüberschreitungen festgestellt, insbesondere bei Kräutertees, Chiasamen und Granatäpfeln.

Ein weiteres Problem sind Pestizid-Cocktails. Studien zeigen, dass sich die nervenschädigenden Wirkungen verstärken, wenn Zellen mit mehreren Pestiziden in Kontakt kommen. Diese kombinierten Effekte werden in den Zulassungsstudien jedoch nicht berücksichtigt, da dort nur isolierte Wirkstoffe begutachtet werden.

Globaler Pestizideinsatz und politische Blockaden

Der globale Pestizideinsatz ist in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen. Nach Angaben der Heinrich-Böll-Stiftung stieg er zwischen 1990 und 2017 um etwa 80 Prozent. Neurologin Daniela Berg fordert daher ein Umdenken und die Suche nach weniger schädlichen Ersatzstoffen, um die Bevölkerung besser zu schützen. Politische Initiativen zur Pestizidreduktion wurden jedoch im EU-Parlament blockiert.

Tipps zum Schutz vor Pestiziden im Alltag

Um sich vor den potenziellen Gefahren von Pestiziden zu schützen, gibt es einige einfache Maßnahmen, die jeder im Alltag umsetzen kann:

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  • Pflanzenschutzmittel im Garten vermeiden: Verwenden Sie möglichst keine Pflanzenschutzmittel im privaten Garten. Wenn es sich nicht vermeiden lässt, tragen Sie Handschuhe und Schutzkleidung und vermeiden Sie das Einatmen des Sprühnebels.
  • Spaziergänge in der Nähe von Feldern meiden: Meiden Sie Spaziergänge in der Nähe von Feldern, auf denen vor Kurzem gespritzt wurde.
  • Fenster geschlossen halten: Wenn Sie in der Nähe von landwirtschaftlichen Flächen leben, halten Sie die Fenster geschlossen, während gespritzt wird.
  • Kinder schützen: Lassen Sie Kinder nicht in der Nähe von Feldern spielen, wenn dort kürzlich Pflanzenschutzmittel aufgetragen wurden.
  • Lebensmittel sorgfältig auswählen: Kaufen Sie heimische Produkte der Saison und bevorzugen Sie Bio-Ware. Waschen Sie Obst und Gemüse gründlich unter fließendem Wasser.
  • Hände waschen: Waschen Sie sich die Hände, nachdem Sie Zitrusfrüchte, Mangos oder Bananen geschält haben.

Die Rolle der Politik und die Notwendigkeit von Forschung

Die Anerkennung von Parkinson als Berufskrankheit ist ein wichtiger Schritt, um Betroffenen zu helfen und das Bewusstsein für die Gefahren von Pestiziden zu schärfen. Es ist jedoch unerlässlich, dass die Politik klare Rahmenbedingungen für den Einsatz von Pestiziden schafft und die Forschung nach weniger schädlichen Alternativen fördert. Nur so kann das Risiko für Parkinson und andere neurologische Erkrankungen langfristig reduziert werden.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen e.V.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) und die Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen e.V. begrüßen die Anerkennung von Parkinson als Berufskrankheit ausdrücklich und betonen die Notwendigkeit einer ausreichenden Schutzausrüstung bei der Arbeit mit Pestiziden. Sie fordern zudem eine verstärkte Forschung, um die komplexen Zusammenhänge zwischen Pestiziden und der Entstehung von Parkinson besser zu verstehen.

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