Alzheimer-Forschung: Ein Blick auf Früherkennung, Herausforderungen und Hoffnung

Die Alzheimer-Krankheit ist eine der größten medizinischen Herausforderungen unserer Zeit. In Deutschland leiden bereits jetzt 1,2 Millionen Menschen an Demenz, und diese Zahl wird aufgrund des steigenden Altersdurchschnitts weiter zunehmen. Für Pharmaunternehmen stellt dies einen potenziell riesigen Markt dar, sollte jemals ein wirksames Mittel gegen diese gefürchtete Alterskrankheit gefunden werden. Bisher gibt es jedoch keine Heilung, sondern lediglich verschiedene Methoden zur Früherkennung.

Die Zerrissenheit der Früherkennung

Die Möglichkeit, Alzheimer schon Jahre vor dem eigentlichen Ausbruch zu diagnostizieren, wirft ethische und praktische Fragen auf. Einerseits könnte eine frühe Diagnose den Betroffenen ermöglichen, sich rechtzeitig auf die Krankheit einzustellen und wichtige Angelegenheiten zu regeln. Andererseits besteht die Gefahr, dass die Betroffenen durch die Diagnose übermäßig verängstigt und in ihrem Leben eingeschränkt werden.

Michael Oehler, der Leiter einer Pflegeeinrichtung, steht der Früherkennung deshalb mit gemischten Gefühlen gegenüber: "Solange keine Heilung möglich ist, bin ich da zerrissen. Einerseits, wenn ich es weiß, kann ich mich vielleicht noch drauf einrichten, kann noch Einiges regeln. Aber die Erfahrung und das, was mir Mitglieder der Selbsthilfegruppe gesagt haben: Man wird eher gelähmt, wenn ich weiß, was auf mich zukommt, ist das eher erschreckend."

Auch Prof. Hermann Joseph Gertz von der Leipziger Universitätsklinik für Psychologie betont die potenziellen negativen Folgen einer zu frühen Diagnose: "Natürlich kann das auch so negative Folgen haben, dass die Leute sich übermäßig einschränken, übermäßig besorgt sind." Zudem sei der Verlauf der Krankheit nicht berechenbar. "Das ist aus meiner Sicht eines der ganz großen Probleme der Frühdiagnostik, dass wir früh sagen können, Sie haben eine Alzheimer Krankheit, aber nicht früh sagen können, das wird sich so und so entwickeln. Wir haben Patienten, die stabil sind über Jahre und trotzdem die Diagnose haben. Es gibt auch bei fortgeschrittenen Alzheimer Patienten so genannte Plateaus der Symptomatik, also dass sich das jahrelang stabilisiert und nicht weiter fortschreitet. Das können wir alles nicht voraussagen."

Ein Beispiel für die emotionale Belastung durch die Krankheit ist Rolf Schiffner, dessen Frau seit sechs Jahren stark pflegebedürftig ist und sich in einem späten Stadium der Demenz befindet. Er besucht sie täglich im Pflegeheim, weiß aber nicht, ob sie ihn noch erkennt. Auf die Frage, ob ihm eine frühere Diagnose geholfen hätte, antwortet er: "Ne, meine Frau wäre ausgerissen, wenn sie das gewusst hätte. Und bei Alzheimer, ich möchte es nicht wissen. Um Gottes willen. Man sieht ja hier, was das Endstadium ist."

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Fortschritte in der Früherkennung

Trotz der genannten Bedenken wird intensiv an Früherkennungsmethoden geforscht. Die Leipziger Universität verkündete kürzlich, dass eine Diagnose bereits 10 bis 15 Jahre vor dem Ausbruch der Krankheit möglich sei. Bei dieser Methode wird dem Patienten die schwach radioaktive Marker-Substanz Florbetaben in den Arm gespritzt, die sich im Gehirn anreichert und das Eiweiß Beta-Amyloid sichtbar macht. Beta-Amyloid gilt als ein Auslöser der Alzheimer-Demenz, obwohl dies in Fachkreisen umstritten ist.

Die Forschung der Leipziger Universitätsklinik für Nuklearmedizin wurde vom Pharmakonzern Bayer Schering finanziert. Sollten die Krankenkassen einen Pflichttest einführen, könnte die Früherkennung zu einer lukrativen Einnahmequelle für den Konzern werden. Denn die Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer zu erkranken, steigt mit dem 65. Lebensjahr rapide an und liegt ab dem 90. Lebensjahr bei über 50%.

Die Suche nach Heilung

Professor Dr. Jens Wiltfang von der Universität Erlangen und Vorstandsmitglied im Kompetenznetz Demenzen geht davon aus, "dass wir Alzheimer in zehn bis 15 Jahren heilen können. Dann brauchen wir eine zuverlässige Methode, um die Krankheit zu diagnostizieren, bevor das Gehirn stark geschädigt ist."

Bis zum Jahr 2050 rechnet die Deutsche Alzheimer Gesellschaft mit 2,6 Millionen Alzheimer-Patienten in Deutschland. Frauen sind häufiger betroffen, da sie im Durchschnitt älter werden als Männer.

Prof. Hermann Joseph Gertz sieht die Frühdiagnostik als einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu zukünftigen Heilmethoden: "Die Therapie-Entwicklungen, die im Moment laufen, die wiederum sind sozusagen sehr zwingend an eine frühe Diagnose geknüpft, weil das Therapien sind, mit denen man den Ausbruch der Krankheit blockieren möchte. Impfung gegen Alzheimer. Man impft ja auch nicht, wenn die Krankheit da ist, sondern man möchte die Krankheit verhindern, und da gibt es sehr intensive Bemühungen, auch, sagen wir mal, durchaus aussichtsreiche Ansätze. Und insofern gibt es für die Therapieentwicklung ein unbedingtes Muss, was die Frühdiagnostik angeht, aber in der Praxis ist es im Moment ein großes Auseinanderdriften von Therapie und Diagnostik."

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Die Pharmaindustrie forscht intensiv an möglichen Impfstoffen, doch bislang gilt: Alzheimer ist eine Alterskrankheit. Nur etwa zwei Prozent der Patienten erkranken früher, um das 40. Lebensjahr, wobei die Vererbung häufig eine größere Rolle spielt.

Unterstützung für Betroffene und Angehörige

Die Pflege von Alzheimer-Patienten stellt eine enorme Belastung für die Angehörigen dar. Viele sind rund um die Uhr im Einsatz und vernachlässigen dabei ihre eigenen Bedürfnisse. Es ist daher wichtig, dass Angehörige Unterstützung suchen und sich nicht scheuen, Hilfe anzunehmen.

Es gibt verschiedene Anlaufstellen, die Unterstützung anbieten, wie z.B. die Deutsche Alzheimer Gesellschaft, Demenz-Servicezentren und Selbsthilfegruppen. Diese Einrichtungen bieten Beratung, Informationen und praktische Hilfe für Betroffene und Angehörige.

In Nordrhein-Westfalen gibt es elf "Demenz-Servicezentren", die als Modellprojekte dienen. Diese Zentren bieten Angehörigen Unterstützung in verschiedenen Bereichen, wie z.B. bei der Vermittlung von Pflegediensten und der Klärung von Behördenangelegenheiten.

Angret Krimmling, die ihren an Alzheimer erkrankten Mann zu Hause pflegt, schätzt die Gemeinschaft in einer Angehörigengruppe: "Mein Mann spricht vor dem Spiegel mit sich selbst und hält mich für bekloppt." "Mein Mann glaubt, ich vergifte ihn." "Meine Frau redet immer mit unseren Gästen; dabei sind wir allein." "Mein Mann lässt sich nur ruhigstellen, wenn Tanzmusik im Radio läuft." "Mein Mann spricht draußen Kinder an und will dann Pipi machen."

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Aktuelle Forschungsprojekte

Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft (DAlzG) unterstützt die wissenschaftliche Forschung zur Alzheimer-Krankheit. Die Forschungsförderung 2024 beträgt insgesamt rund 270.000 Euro. Mit dieser Summe werden drei Projekte gefördert, welche die medizinische und pflegerische Versorgung der Betroffenen verbessern sollen.

Zu den geförderten Projekten gehören:

  • "MIF als eine neuartige, therapierbare, molekulare Schnittstelle zwischen der sporadischen Alzheimer Demenz und externer, auslösender Faktoren" von Prof. Dr. Carsten Korth an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Dieses Projekt untersucht den Macrophage Migration Inhibitory Factor (MIF) als mögliche Zielstruktur für neue Medikamente.
  • "Der Einfluss des oralen Mikrobioms auf die Pathophysiologie der Alzheimer-Krankheit" am LVR-Klinikum Düsseldorf. Dieses Projekt untersucht den Zusammenhang zwischen Erkrankungen des Mundraums und der Entwicklung einer Alzheimer-Demenz.
  • "Ein diagnostischer Test für die Alzheimer-Krankheit auf der Grundlage einer Stuhlanalyse" rund um Prof. Dr. Gültekin Tamgüney von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Dieses Projekt untersucht, ob sich Beta-Amyloid-Aggregate (Aβ) und/oder Tau-Aggregate im Kot von Alzheimer-Patienten nachweisen lassen.
  • "Neuentwicklung eines rekognitionsbasierten Testing the Limits-Paradigma zur Früherkennung bei Demenz" an der Neurologischen Universitätsklinik Ulm.
  • "Entwicklung eines Instrumentes für die differenzierte Erfassung von Alltagsbeeinträchtigungen aufgrund kognitiver Abbauprozesse - Ein Ansatz zur Verbesserung der Früherkennung und Diagnostik von Demenzen und deren Vorstufen Leichter Neurokognitiver Störungen in Forschung und Praxis" des Instituts für Sozialmedizin, Rehabilitationswissenschaften und Versorgungsforschung (ISRV) & Fachbereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Hochschule Nordhausen gemeinsam mit dem Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP) der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig.
  • "Validierung der Checkliste für leichte Verhaltensbeeinträchtigungen (C-LVB)" des Instituts für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health der Universität Leipzig.
  • "DemTect Eye+Ear - Kognitives Screening bei Menschen mit sensorischen Einschränkungen" an der Universität Köln.
  • "Zusammenhang zwischen einer Ernährungsintervention und Epigenetik zur Prävention von Demenzerkrankungen" vom Universitätsklinikum Köln.
  • "Demenzprävention durch Verbesserung der Hörgeräteversorgung - AD-HEARING" der Universitätsmedizin Göttingen.
  • "Übersetzung, Evaluation und Dissemination des Dementia Isolation Toolkit (DIT-G)" von der Uniklinik Köln.
  • "EMPOR - Entwicklung eines Leitfadens für Gespräche zwischen Pflegefachpersonen und Angehörigen von Menschen mit Demenz in Pflegeheimen zum sinnvollen und zielgerichteten Einbezug dieser in die Versorgung" vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
  • "Kognitive Stimulation in der stationären Langzeitpflege: Entwicklung und Pilotierung eines 24-Stunden Ansatzes im Rahmen einer Mixed-Methods-Studie" der Universitätsmedizin Köln.
  • "Sichere Orte? - Schutzkonzepte in Pflegeheimen für Demenzkranke" an der Universität Hildesheim.
  • "Optimierung der Medikation bei Heimbewohnern mit fortgeschrittener Demenz - eine Interventionsstudie zur Reduktion von Antipsychotika" an der Technischen Universität München.
  • "BB-DARS: Blut-Biomarker-DrAinage-Reserve-Score zur personalisierten Risikoabschätzung einer ARIA unter Aß-Immuntherapie" von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.
  • "MagDeburger DrAinage-Reserve-Score zur individualisierten, MRT-basierten Vorhersage der perivaskulären zerebralen Drainage bei Patienten entlang des Alzheimer-Kontinuums" von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

Ein weiteres Beispiel ist die Forschung von Prof. Dr. Marco Rust von der Philipps-Universität Marburg, der die Rolle des Proteins Cofilin1 bei der Kommunikation zwischen Nervenzellen untersucht. Sein Ziel ist es, das Protein CAIP als neue Therapie-Option für die Alzheimer-Krankheit zu etablieren.

Der Einfluss des Lebensstils

Neben der medizinischen Forschung gibt es auch Hinweise darauf, dass der Lebensstil eine Rolle bei der Entstehung von Alzheimer spielen kann. Eine ausgewogene Ernährung, körperliche und geistige Aktivität, ein kurzer Mittagsschlaf und der Verzicht auf Gifte können das Risiko möglicherweise mindern. Selbst Heiraten soll das Risiko senken.

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