Friedrich Schorlemmer, eine prägende Figur der kirchlichen Friedens- und Umweltbewegung in der DDR und später im vereinten Deutschland, erhielt die Diagnose Lewy-Body-Demenz. Diese Diagnose, die er offen kommunizierte, wirft ein Schlaglicht auf die Herausforderungen des Alterns und den Umgang mit neurologischen Erkrankungen. Dieser Artikel beleuchtet Schorlemmers Leben und Wirken, seine Auseinandersetzung mit der Diagnose und die Bedeutung seiner Arbeit für die Friedensbewegung und die Gesellschaft.
Ein Leben im Dienst von Frieden und Gerechtigkeit
Friedrich Schorlemmer, geboren 1944, war eine Symbolfigur der kirchlichen Friedens- und Umweltbewegung. Seine Stimme, die sich stets für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung erhob, wurde in den letzten Jahren vermisst. Er war eine Ikone der Friedens- und Umweltbewegung und wurde oft mit dem streitbaren Reformator Martin Luther verglichen, in dessen Stadt Wittenberg er sich niedergelassen hatte.
Schorlemmer war ein renitenter ostdeutscher Christ, der schon zu Lebzeiten zur Legende wurde. Interviews mit ihm waren nie reine Interviews, sondern immer Gespräche, die mit Politik begannen, dann zur Kirche führten und schließlich zu den wichtigsten Themen: Gott, die Literatur, das Leben. Er zitierte gern die besten Stellen der Lutherschen Bibelübersetzung, aber noch lieber seine Lieblingsdichter Heine, Hesse, Rilke, Trakl, Erich Fried, Rose Ausländer, Mascha Kaleko und viele weniger bekannte.
Die Friedensbewegung in der DDR
Schorlemmers Engagement für den Frieden wurzelte tief in der Friedensbewegung der DDR. Diese war radikaler, klarer und mutiger als die im Westen, da von ihr mehr abverlangt wurde. Es kostete Mut, sich zu Friedensgruppen und zur Bergpredigt zu bekennen. „Schwerter zu Pflugscharen“ (Micha 4) war mehr als ein Spruch auf einem Transparent oder ein Aufnäher auf einem Parka. Es war eine konkrete Aufforderung zum Handeln.
Schorlemmer und seine Mitstreiter machten deutlich, dass friedensethische Überlegungen nicht nur im Gemeinderaum oder Studentenkeller angestellt werden dürfen. Sie müssen heraus, um Handelnde zum Umdenken zu zwingen und das Wettrüsten zu beenden. Damit eckte er immer an, sowohl in der DDR als auch nach der Wende.
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Die Diagnose Lewy-Body-Demenz
Im fortgeschrittenen Alter erhielt Friedrich Schorlemmer die Diagnose Lewy-Body-Demenz, eine neurodegenerative Erkrankung, die mit fortschreitender Gedächtnis- und Bewegungsstörung, schnellen Schwankungen der geistigen Fähigkeiten und der Wachheit im Tagesverlauf einhergeht. Die Krankheit ist zudem verbunden mit Parkinson, was sich vor allem auf das Kurzzeitgedächtnis auswirkt.
Schorlemmer ging offen mit seiner Erkrankung um. Er benannte nüchtern die Einschränkungen und reflektierte sie. Er wolle in diesem Zustand nicht in die Öffentlichkeit, da er Weggefährten erlebt habe, die sich damit keinen Gefallen getan haben.
Der Umgang mit der Krankheit
Trotz der Diagnose und ihrer Auswirkungen verlor Schorlemmer nicht seinen Lebensmut. Er zitierte Psalm 90: „Und wenn’s hoch kommt, so sind’s achtzig Jahre, und wenn’s köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen.“ Er betonte, dass es Schlimmeres gebe und dass andere Menschen Schmerzen hätten.
Er sprach auch über die Lähmung, die der Krieg in der Ukraine in ihm ausgelöst habe. Er habe bisher kein Wort zur Sache gefunden, da ihm die Einsicht fehle, etwas zu tun, und die Zuversicht. Dennoch rief er dazu auf, nicht aufzugeben, sondern Ausdauer zu haben und sich an Menschen zu erinnern, an denen man sich früher habe ausrichten und aufrichten können.
Schorlemmers Vorlass: Ein Schatz für die Nachwelt
Christina Neuß, die Leiterin des landeskirchlichen Archivs, ordnete seit fast zwei Jahren mit Friedrich Schorlemmer zusammen seinen Vorlass. Dieser umfasst 218 Regalmeter auf zwei Etagen in einem Wittenberger Altbau. Es gilt, diese unglaubliche Fülle an Schriftstücken zu sichten und einzuordnen. Die Idee dazu kam von Altbischof Axel Noack.
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Schorlemmer zeigte nicht ohne Stolz die vielen Regale mit Mappen, aus denen Zettel wie Zungen hervorstehen, darauf steht „Umwelt“, „Frieden“, „Weltpolitik“ oder „Abrüstung“. Er betonte, dass er das Glück habe, dass die Arbeit nicht umsonst war und in Magdeburg anstatt im Reißwolf landet.
Das Vermächtnis Friedrich Schorlemmers
Friedrich Schorlemmer starb im Alter von 80 Jahren. Er hinterlässt ein reiches Vermächtnis als Weltretter und Seelsorger, Aufwiegler und Tröster. Er bleibt ein Autor zum Immer-wieder-Lesen. In seinem Lesebuch für morgens und abends, „Das soll dir bleiben“, heißt es: „Jeden Tag geht dir die Sonne auf, jeden Abend geht eine Welt dir unter. Jeder Morgen ist Schöpfungsmorgen. Bleib fromm. Werd frei. Leb fröhlich. Lies täglich.“
Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, würdigte Schorlemmer als Stimme des Ostens und Symbolfigur der Friedensbewegung, als Bürgerrechtler und kritischen Begleiter der Einheit. Wolfgang Thierse, ehemaliger Bundestagspräsident, erinnerte sich an Schorlemmers Sprachgewalt und Freimut. Der Magdeburger Domprediger Jörg Uhle-Wettler bezeichnete ihn als Propheten und Poeten, der die Freude an biblischen Texten lehrte.
Friedrich Schorlemmer war ein streitbarer Versöhner, nie ein Verhöhner. Ein Mutmacher und Befrieder zugleich. Er hat die Menschen verändert. Seine Botschaft der Zuversicht, der Gerechtigkeit und des Friedens wird weiterleben.
Demenzerkrankungen nehmen zu
Demenzerkrankungen nehmen in der westlichen Welt in einem ungeahnten Ausmaß zu. Derzeit wird die Zahl der Erkrankten allein in der BRD auf 1,2 Millionen geschätzt. Nach Ansicht der Weltgesundheitsorganisation gehört die Krankheit heute zu den größten medizinischen Problemen. Demenz ist unheilbar. Sie lässt die Gehirnzellen absterben, zerstört das Gedächtnis und verändert den Charakter der Betroffenen. Auch für die Angehörigen bedeutet das eine emotionale, physische und finanzielle Belastung.
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Symptome und Verlauf
Betroffene zeigen neben einer fortschreitenden Gedächtnis- und Bewegungsstörung schnelle Schwankungen der geistigen Fähigkeiten und ihrer Wachheit im Tagesverlauf.
Forschung und Therapie
Prof. Stoppe trägt das aktuelle Wissen zu Entstehung, Erkennung und Behandlung von Demenzerkrankungen zusammen. Ihr Seminar informiert über:
- die Erstbeschreibung der Krankheit
- Risikofaktoren, Pathologie
- Demenz und Depression
- die Charakteristika, Symptome und Verlaufsformen in einer Powerpoint-Präsentation (auf der DVD als pdf verfügbar)
- diagnostische Verfahren: Screening, Liquoruntersuchung, CT, MRT
- therapeutische Versorgung wie Licht- und Musiktherapien
- Präventionsmaßnahmen
- Einsatz von Medikamenten und Psychopharmaka
Der letzte Teil des Seminars widmet sich ausführlich ethisch-rechtlichen Aspekten wie z.B. der Sterbehilfe und Patientenverfügung. Anschließend gibt Prof. Stoppe einen Überblick über mögliche Versorgungsstrategien: Angehörigenarbeit und ambulante Betreuung, Heimeinweisung und Entlastungsmöglichkeiten der Angehörigen durch LaienhelferInnen.
Aktuelle Entwicklungen
Die EU-Arzneimittelbehörde hat die Zulassung des Alzheimer-Wirkstoffs Lecanemab überraschend abgelehnt. Zu viele Menschen mit Demenz bekommen Antipsychotika - trotz der Nebenwirkungen. Aktuelle Zahlen belegen das, und Ärzte kritisieren es. Aufenthalte in Kliniken bedeuten für verwirrte Menschen besonderen Stress.
Leben mit Demenz
Wenn das Gedächtnis schwindet, die Welt zu komplex wird, brauchen Menschen mit Demenz eine Wohnumgebung, in der sie sich sicher fühlen.
Schorlemmers Einfluss auf die Friedensbewegung
Schorlemmers Wirken war von zentraler Bedeutung für die Friedensbewegung in der DDR und darüber hinaus. Durch seine unerschrockene Haltung und seine Fähigkeit, Menschen zu mobilisieren, trug er maßgeblich dazu bei, das Thema Frieden in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit zu rücken. Seine Aktionen, wie die Schmiedeaktion „Schwerter zu Pflugscharen“, sind bis heute legendär und haben Generationen von Friedensaktivisten inspiriert.
"Schwerter zu Pflugscharen" als Symbol
Die Aktion „Schwerter zu Pflugscharen“ war mehr als nur eine symbolische Geste. Sie verdeutlichte die Notwendigkeit, friedensethische Überlegungen in die Tat umzusetzen und das Wettrüsten zu beenden. Schorlemmer und seine Mitstreiter machten deutlich, dass Frieden nicht nur ein frommer Wunsch, sondern eine aktive Aufgabe ist, die jeden Einzelnen betrifft.
Schorlemmers Bedeutung für die Aufarbeitung der DDR-Geschichte
Auch nach der Wende engagierte sich Schorlemmer weiterhin für Frieden und Gerechtigkeit. Er setzte sich kritisch mit der Aufarbeitung der DDR-Geschichte auseinander und mahnte zur Versöhnung. Seine Stimme wurde auch in den Debatten um die deutsche Einheit gehört, wobei er stets die Bedeutung vonSolidarität und sozialer Gerechtigkeit betonte.
Ein Blick in die Zukunft
Friedrich Schorlemmers Leben und Werk sind ein Mahnmal für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung. Auch wenn seine Stimme nun verstummt ist, so wird sein Vermächtnis weiterleben und die Menschen inspirieren, sich für eine bessere Welt einzusetzen. Seine Offenheit im Umgang mit seiner Demenzerkrankung hat zudem dazu beigetragen, das Thema Demenz zu enttabuisieren und das Bewusstsein für die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz zu schärfen.
Persönliche Erinnerungen und Würdigungen
Viele Menschen, die Friedrich Schorlemmer kannten, erinnern sich an ihn als einen warmherzigen und humorvollen Menschen, der stets ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte anderer hatte. Seine Fähigkeit, Menschen zu verbinden und zu motivieren, war einzigartig. Er war ein Vorbild für viele und wird uns allen fehlen.
Erinnerungen von Weggefährten
Weggefährten wie Reiner Haseloff und Wolfgang Thierse würdigten Schorlemmer als einen Mann mit Sprachgewalt und Freimut, der sich stets für seine Überzeugungen einsetzte. Sie erinnerten sich an seine unkonventionellen Predigten und seine Fähigkeit, Menschen zu berühren.
Schorlemmers Einfluss auf junge Generationen
Auch junge Menschen wurden von Schorlemmer inspiriert. Ulrike Teschke, die als Jugendliche an der Schmiedeaktion „Schwerter zu Pflugscharen“ teilnahm, erinnert sich an Schorlemmer als einen unerschrockenen und einfallsreichen Organisator, der die Stasi überlistete und die Friedensbewegung der DDR prägte.
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