Frontotemporale Demenz: Verlauf, Symptome, Diagnose und Therapie

Die frontotemporale Demenz (FTD), früher auch Morbus Pick genannt, ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die vor allem den Frontal- und Temporallappen des Gehirns betrifft. Diese Bereiche sind entscheidend für die Steuerung von Verhalten, Persönlichkeit, Sprache und sozialen Kompetenzen. Im Gegensatz zur Alzheimer-Krankheit, bei der Gedächtnisstörungen im Vordergrund stehen, manifestiert sich die FTD häufig durch Veränderungen im Verhalten und der Persönlichkeit oder durch Sprachstörungen.

Was ist Frontotemporale Demenz?

Bei der Frontotemporalen Demenz (FTD) sterben Nervenzellen im Frontallappen (Stirnlappen) und Temporallappen (Schläfenlappen) im Gehirn ab. Diese Hirnregionen steuern Gefühle, Sozialverhalten und Sprache. In den betroffenen Nervenzellen lagern sich häufig krankhafte Proteine ab, die die Zellfunktion stören. Solche Ablagerungen wurden erstmals vom Prager Neurologen Arnold Pick beschrieben und heißen deshalb "Pick'sche Körper". Früher wurde die FTD auch als Morbus Pick bezeichnet. Was genau diese Veränderungen auslöst, ist noch nicht abschließend geklärt.

Wer ist betroffen?

Die FTD betrifft vor allem Menschen im Alter zwischen 45 und 65 Jahren, kann aber auch in einem breiteren Altersspektrum von 20 bis 85 Jahren auftreten. Frauen und Männer sind gleichermaßen betroffen. Da die FTD häufig vor dem 65. Lebensjahr beginnt, zählt sie zu den früh einsetzenden Demenzformen.

Ursachen und Risikofaktoren

Die genauen Ursachen der FTD sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass sowohl genetische als auch nicht-genetische Faktoren eine Rolle spielen.

  • Genetische Faktoren: Bei etwa 10 bis 15 Prozent der FTD-Fälle liegt eine genetische Mutation vor, die die Erkrankung auslöst. Mutationen in den Genen C9orf72, GRN oder MAPT sind am häufigsten. Wenn ein Elternteil diese Mutation trägt, besteht für das Kind ein 50-prozentiges Risiko, ebenfalls an FTD zu erkranken. Eine familiäre Vorbelastung erhöht das Risiko, an FTD zu erkranken. In etwa 40 Prozent der Fälle tritt die FTD familiär gehäuft auf, wobei in den betroffenen Familien auch andere Demenzformen, ALS oder psychische Erkrankungen vorkommen können.
  • Nicht-genetische Faktoren: In etwa 60 Prozent der Fälle tritt die FTD sporadisch auf, ohne erkennbare familiäre Vorbelastung. Die Ursachen für diese sporadischen Fälle sind noch unbekannt.

Weitere Risikofaktoren sind bisher nicht bekannt. Es gibt Hinweise darauf, dass traumatische Kopfverletzungen das Risiko erhöhen könnten. Auch übermäßiger Alkoholkonsum kann die Entstehung einer frühen Demenz begünstigen.

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Symptome der Frontotemporalen Demenz

Die Symptome der FTD sind vielfältig und hängen davon ab, welche Bereiche des Gehirns betroffen sind. Grundsätzlich lassen sich zwei Hauptvarianten unterscheiden: die Verhaltensvariante (bvFTD) und die Sprachvariante (PPA).

Verhaltensvariante (bvFTD)

Die Verhaltensvariante der FTD ist durch tiefgreifende Veränderungen im Verhalten und der Persönlichkeit gekennzeichnet. Betroffene wirken oft "anders", obwohl das Gedächtnis zunächst noch gut funktionieren kann. Zu den häufigsten Anzeichen gehören:

  • Enthemmung: Unpassende Bemerkungen, unangemessenes sexuelles Verhalten, Ladendiebstahl oder Berührungen von Fremden.
  • Apathie: Rückzug aus sozialen und beruflichen Aktivitäten, Verlust von Interesse an Beziehungen oder Hobbys.
  • Emotionale Abstumpfung / Empathieverlust: Gleichgültigkeit gegenüber den Gefühlen anderer, fehlende Anteilnahme oder Einfühlungsvermögen.
  • Zwanghaftes oder ritualisiertes Verhalten: Wiederholte Handlungen, Horten von Gegenständen oder das tägliche Aufsuchen bestimmter Orte.
  • Verändertes Essverhalten: Zwanghaftes Essen bestimmter Lebensmittel oder übermäßiger Konsum von Wasser oder Alkohol.
  • Fehlende Einsicht: Betroffene erkennen oft nicht, dass ihr Verhalten ungewöhnlich ist.
  • Neuropsychologisches Profil: Defizite bei der Planung und Organisation des täglichen Lebens, während Gedächtnis- und visuell-räumliche Fähigkeiten oft intakt bleiben.

Diese Symptome führen nicht selten zu Fehldiagnosen, da sie psychischen Erkrankungen ähneln können.

Sprachliche Variante (PPA)

Die Primär Progressive Aphasie (PPA) äußert sich in drei verschiedenen Formen, je nachdem, welche sprachlichen Fähigkeiten am stärksten eingeschränkt sind:

  • Semantischer Typ: Verlust des Verständnisses für Wörter. Betroffene können Dinge oft nicht mehr benennen oder genau beschreiben, selbst wenn sie wissen, was sie sind.
  • Unflüssiger/agrammatischer Typ: Das Sprechen wird mit der Zeit immer schwieriger. Die Wörter kommen langsamer über die Lippen und das Sprechen klingt oft angestrengt. Schließlich kann die Sprache ganz versagen, während jedoch andere Fähigkeiten durchaus intakt bleiben. Häufig treten aber auch Schluckbeschwerden oder parkinsonähnliche Symptome auf.
  • Logopenischer Typ: Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden. Das Sprechen wird langsam und zögerlich, und sie beschreiben Begriffe umständlich, wenn ihnen die passenden Worte fehlen. Im Gegensatz zu den anderen Formen gehört der logopenische Typ nicht zur Frontotemporalen Demenz, sondern zur Alzheimer-Krankheit.

Weitere Symptome

Neben den typischen Verhaltens- und Sprachstörungen können im Verlauf der FTD auch weitere Symptome auftreten, darunter:

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  • Motorische Störungen: Muskelsteifheit, verlangsamte Bewegungen, Gangunsicherheiten und häufige Stürze.
  • Schluckstörungen: Schwierigkeiten beim Kauen und Schlucken, was das Risiko einer Aspiration erhöht.
  • Inkontinenz: Verlust der Kontrolle über Blase und Darm.
  • Schlafstörungen: Veränderungen im Schlafrhythmus, Schlaflosigkeit oder übermäßige Schläfrigkeit.
  • Müdigkeit: Im Gegensatz zu anderen Demenzformen ist Müdigkeit bei der FTD an sich kein typisches Symptom.

Verlauf der Frontotemporalen Demenz

Wie die meisten Demenzerkrankungen hat auch die frontotemporale Demenz einen schleichenden Verlauf. Der Verlauf kann jedoch von Person zu Person sehr unterschiedlich sein. Im Allgemeinen lassen sich drei Stadien unterscheiden:

  • Frühes Stadium: Zu Beginn unterscheiden sich Menschen mit Frontotemporaler Demenz sowohl deutlich von Menschen mit anderen Demenzen als auch untereinander, je nach Subtyp. Bei der Verhaltensvariante stehen Veränderungen in Persönlichkeit und Verhalten im Vordergrund, während bei der Sprachvariante Schwierigkeiten beim Sprechen, Verstehen, Lesen oder Schreiben im Vordergrund stehen.
  • Mittleres Stadium: Im mittleren Stadium verschlimmern sich die Symptome des frühen Stadiums. Es kann auch zu einer Überlappung von Symptomen kommen, sodass beispielsweise Patienten mit PPA zunehmend Verhaltensänderungen zeigen und umgekehrt.
  • Spätes Stadium: Im späten Stadium gleichen sich die Symptome von FTD und anderen Demenzerkrankungen an. Sprache und Verhalten sind stark beeinträchtigt, und es treten zusätzlich Gedächtnisprobleme auf, die an Alzheimer erinnern. Körperliche Symptome wie Bewegungsstörungen, Muskelsteifheit oder Schwierigkeiten beim Schlucken können hinzukommen. Im Endstadium benötigen die Erkrankten rund um die Uhr Pflege. Die häufigste Todesursache ist eine Lungenentzündung, die durch eine Schwächung des Immunsystems oder Schluckprobleme verursacht werden kann.

Die durchschnittliche Überlebenszeit nach der Diagnose beträgt etwa 7,5 Jahre, kann aber stark variieren. Patienten mit FTD und motorischen Störungen haben tendenziell eine kürzere Überlebenszeit als Patienten mit bvFTD oder PPA.

Diagnose der Frontotemporalen Demenz

Die Diagnose der FTD kann schwierig sein, da die Symptome oft unspezifisch sind und anderen Erkrankungen ähneln können. Es gibt kein einzelnes Verfahren, das FTD eindeutig nachweisen kann. Die Diagnose erfolgt daher in mehreren Schritten:

  1. Anamnese: Die Ärztin oder der Arzt erhebt die Krankengeschichte und prüft grundlegende kognitive Fähigkeiten, zum Beispiel das Gedächtnis.
  2. Befragung der Angehörigen: Besonders bei der Verhaltensvariante sind Einschätzungen aus dem Umfeld entscheidend, da Erkrankte oft keine Einsicht in ihre Verhaltensänderungen zeigen.
  3. Neuropsychologische Tests: Diese erfassen spezifische Beeinträchtigungen in Planung, Urteilsvermögen, Sprache oder sozialem Verhalten, die für FTD typisch sind.
  4. Bildgebende Verfahren: Mithilfe von MRT, CT oder FDG-PET können Veränderungen in den Stirn- und Schläfenlappen sichtbar gemacht werden.
  5. Genetische Untersuchungen: Liegen in der Familie weitere Fälle von FTD vor, kann ein Gentest helfen, eine vererbbare Form festzustellen.

In Fällen ohne nachweisbare Genmutation kann eine sichere Diagnose oft erst nach dem Tod gestellt werden.

Therapie der Frontotemporalen Demenz

Die Frontotemporale Demenz ist bisher nicht heilbar. Auch Medikamente, die den Krankheitsverlauf aufhalten oder verlangsamen, gibt es leider nicht. Weltweit wird dazu jedoch intensiv geforscht. Die Behandlung konzentriert sich daher auf die Linderung der Symptome und die Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Angehörigen.

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Medikamentöse Behandlung

Manche Symptome - etwa starke Unruhe, Aggression oder zwanghaftes Verhalten - lassen sich mit bestimmten Medikamenten lindern. Häufig werden Antidepressiva oder Neuroleptika eingesetzt. Diese Medikamente können jedoch auch Nebenwirkungen haben, wie Muskelsteifheit oder Müdigkeit.

Nicht-medikamentöse Therapie

Nicht-medikamentöse Therapieformen spielen eine wichtige Rolle bei der Behandlung der FTD. Dazu gehören:

  • Ergotherapie: Hilft Betroffenen, ihre Alltagskompetenzen zu erhalten und zu verbessern.
  • Logopädie: Unterstützt bei Sprachstörungen und Schluckbeschwerden.
  • Physiotherapie: Fördert die Beweglichkeit und Koordination.
  • Musik-, Kunst- und Tanztherapie: Können helfen, Emotionen auszudrücken und soziale Kontakte zu pflegen.
  • Verhaltenstherapie: Kann Angehörigen helfen, mit den Verhaltensauffälligkeiten der Betroffenen umzugehen.
  • Sport und Bewegung: Regelmäßige körperliche Aktivität kann die Stimmung verbessern, Ängste abbauen und die Schlafqualität verbessern.

Weitere Maßnahmen

  • Anpassung des Lebensstils: Ein strukturierter Tagesablauf, eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Schlaf können helfen, die Symptome zu lindern.
  • Schaffung einer sicheren Umgebung: Die Anpassung des Wohnraums kann dazu beitragen, Stürze und andere Unfälle zu vermeiden.
  • Unterstützung der Angehörigen: Die Pflege von Menschen mit FTD ist eine große Belastung. Angehörige sollten sich daher frühzeitig Unterstützung suchen, beispielsweise durch Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen oder ambulante Pflegedienste.

Leben mit Frontotemporaler Demenz

Die Diagnose FTD stellt Betroffene und ihre Angehörigen vor große Herausforderungen. Es ist wichtig, sich frühzeitig über die Erkrankung zu informieren, ein unterstützendes Netzwerk aufzubauen und rechtliche Vorkehrungen zu treffen.

Tipps für den Umgang mit FTD

  • Informieren Sie sich: Verstehen Sie, was Frontotemporale Demenz ist, welche Symptome sie verursacht und wie sie sich im Laufe der Zeit entwickeln kann.
  • Treffen Sie frühzeitig rechtliche Vorkehrungen: Erstellen Sie rechtzeitig Vollmachten und Verfügungen.
  • Passen Sie die Kommunikation an: Formulieren Sie möglichst einfache Sätze und vermeiden Sie offene Fragen, die Patienten überfordern könnten.
  • Schaffen Sie Routinen im Alltag: Ein geregelter Tagesablauf gibt Patienten mit FTD Sicherheit und kann dazu beitragen, Verwirrung zu reduzieren.
  • Schaffen Sie ein demenzgerechtes Zuhause: Passen Sie das häusliche Umfeld Ihres betroffenen Angehörigen Stück für Stück an, um eine Wohlfühlatmosphäre zu erzeugen und die Sicherheit zu erhöhen.
  • Bleiben Sie geduldig: Veränderungen im Verhalten und in der Persönlichkeit können sehr belastend sein - gerade für die Angehörigen.
  • Achten Sie bei allem auch auf sich selbst: Vergessen Sie Ihre eigene Gesundheit und Ihr Wohlbefinden nicht.
  • Schaffen Sie positive Momente: Versuchen Sie, trotz aller Herausforderungen auch schöne Momente miteinander zu erleben.

Forschung zur Frontotemporalen Demenz

Die Forschung zur FTD ist intensiv und zielt darauf ab, die Ursachen der Erkrankung besser zu verstehen, neue Diagnoseverfahren zu entwickeln und wirksame Therapien zu finden. Das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) führt beispielsweise eine Langzeitstudie zum Krankheitsverlauf der FTD durch und sucht fortlaufend Teilnehmer.

Anlaufstellen und Unterstützung

Es gibt zahlreiche Anlaufstellen und Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen mit FTD und ihre Angehörigen. Dazu gehören:

  • Gedächtnisambulanzen: Spezialisierte Abteilungen in Krankenhäusern, die auf kognitive Störungen spezialisiert sind.
  • Beratungsstellen: Bieten Informationen, Beratung und Unterstützung für Betroffene und Angehörige.
  • Selbsthilfegruppen: Bieten die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und Erfahrungen zu teilen.
  • Ambulante Pflegedienste: Können die Betreuung und Pflege im eigenen Zuhause übernehmen.
  • Tagespflegeeinrichtungen: Bieten tagsüber Betreuung und Beschäftigung für Menschen mit Demenz.

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