Ein Ganglion, oft irreführend als Überbein bezeichnet, ist keine Verknöcherung, sondern eine mit Flüssigkeit gefüllte Aussackung einer Gelenk- oder Sehnenumhüllung. Es tritt häufig an der Hand auf, seltener an Knie, Fuß oder Wirbelsäule. In den meisten Fällen verursacht es keine Beschwerden. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten von Ganglionzysten, insbesondere im Bereich der Wirbelsäule.
Was ist eine Ganglionzyste?
Ein Ganglion ist eine zystische Aussackung, ein mit Flüssigkeit gefüllter Hohlraum, der meist an Gelenken (arthrogen) entsteht. Diese Zysten sind über eine Art Tülle mit dem Gelenk verbunden, weshalb sie sich kaum verschieben lassen. Mediziner bezeichnen sie präziser als "Synovialzyste", wobei Synovia die Gelenksflüssigkeit bezeichnet. Seltener tritt ein Ganglion an den Sehnenscheiden (tendinogen) auf, dann spricht man von einem Sehnenscheidenganglion. Eine weitere Sonderform ist das intraossäre Ganglion, das sich in einem Knochen bildet.
Wo können Ganglien entstehen?
Ganglien treten am häufigsten an der Hand auf (ca. 65 % der Fälle), besonders am Handrücken. Manchmal sind Finger oder Handgelenk betroffen. Weniger oft entstehen sie an Hüfte, Knie, Füßen oder Wirbelsäule. Grundsätzlich können Ganglien bei Menschen jeden Alters auftreten, am häufigsten jedoch zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, vermutlich aufgrund ihres schwächeren Bindegewebes und beweglicheren Gelenkkapseln.
Ursachen und Risikofaktoren
Die genauen Ursachen eines Ganglions sind bisher nicht vollständig geklärt. Wahrscheinlich spielen mehrere Faktoren eine Rolle, darunter:
- Bindegewebsschwäche: Eine Schwäche des Bindegewebes in der Gelenkkapsel kann dazu führen, dass Gelenkflüssigkeit austritt und sich im umgebenden Gewebe ansammelt.
- Erhöhte Gelenkbelastungen: Wiederholte kleine Verletzungen der Kapsel und des Bandapparats können die Entstehung eines Ganglions begünstigen.
- Störungen der Biomechanik: Beeinträchtigungen der normalen Bewegungsabläufe im Gelenk oder der Sehne können ebenfalls eine Rolle spielen.
- Gelenkerkrankungen: Erkrankungen wie Arthrose, Lupus erythematodes oder Gicht können das Risiko erhöhen.
- Verletzungen: Etwa zehn Prozent der Patienten mit einem Ganglion haben sich zuvor im betroffenen Bereich verletzt.
- Genetische Faktoren: Eine Bindegewebsschwäche kann in manchen Fällen genetisch bedingt sein.
- Chronische Reizung: Eine Überproduktion von Gelenkflüssigkeit aufgrund chronischer Reizung kann den Druck im Gelenkspalt erhöhen und die Entstehung eines Ganglions begünstigen.
Symptome
Betroffene bemerken meist eine Beule am Handgelenk oder Handrücken, seltener an anderen Körperstellen. Es können sich auch mehrere Überbeine bilden. Der "Knubbel" ist typischerweise prallelastisch und hat einen Durchmesser von wenigen Millimetern bis zu zwei Zentimetern, kann aber auch bis zu acht Zentimeter groß werden. Manche Ganglien bleiben so klein, dass sie unbemerkt bleiben.
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Typischerweise verursacht ein Ganglion keine Schmerzen und macht sich kaum bemerkbar. Je nach Größe und Lage kann es jedoch die Beweglichkeit von Gelenken und Muskeln einschränken oder bei Belastung schmerzen. Die Schmerzen können auch ausstrahlen. Wenn ein Ganglion auf Sehnen drückt, kann es diese quetschen und eine Sehnenscheidenentzündung hervorrufen. Taubheitsgefühl, Kribbeln oder Schwäche in der Hand können darauf hindeuten, dass das Ganglion einen Nerv "abklemmt". Der Druck auf Gefäße kann Blutungen verursachen. In seltenen Fällen können sich Infektionen im flüssigkeitsgefüllten Raum des Ganglions ausbreiten.
Spezifische Symptome bei Ganglionzysten der Wirbelsäule
Synovialzysten an der Wirbelsäule, die durch degenerative Veränderungen an den kleinen Wirbelgelenken entstehen, können zu folgenden Symptomen führen:
- Rückenschmerzen: Oft mit Ausstrahlung in das Bein.
- Gefühlsstörungen: Taubheitsgefühle oder Kribbeln in den Beinen.
- Lähmungserscheinungen: In schweren Fällen.
- Ausstrahlende Schmerzen: Ähnlich wie bei einem Bandscheibenvorfall, jedoch meist ohne begleitende Rückenschmerzen.
- Muskellähmungen: In seltenen Fällen.
Die Symptome können schleichend beginnen und sich im Laufe der Zeit verstärken.
Diagnose
Bei Verdacht auf ein Ganglion sollte ein Orthopäde oder Chirurg aufgesucht werden, um andere Ursachen für die Schwellung auszuschließen. Bei einem Ganglion an der Hand ist ein Handchirurg der richtige Ansprechpartner.
Die Diagnose umfasst in der Regel:
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- Anamnese: Der Arzt erfragt die genauen Beschwerden, eventuelle Verletzungen und Vorerkrankungen.
- Körperliche Untersuchung: Der Arzt untersucht die Schwellung, um ihre Beschaffenheit zu beurteilen. Ein Ganglion fühlt sich prallelastisch an und lässt sich nur wenig verschieben. Zudem werden Durchblutung, Motorik und Sensibilität im betroffenen Bereich geprüft.
- Transillumination: Durchleuchtung der Schwellung mit einer Lichtquelle, um festzustellen, ob das Innere flüssig oder fest ist.
- Bildgebung: Bildgebende Verfahren wie Ultraschall oder Kernspintomografie (MRT) werden eingesetzt, wenn die Diagnose unklar ist oder der Verdacht auf andere Erkrankungen besteht. Bei der Suche nach einer möglichen Zyste in der Wirbelsäule ist die Magnetresonanztomografie (MRT) eines der wichtigsten Diagnostikverfahren. Dabei werden alle Strukturen optimal in verschiedenen Ebenen abgebildet, wodurch sich Veränderungen im Wirbelsäulenbereich - wie beispielsweise Entzündungen und Blutungen, ein enger Spinalkanal, ein Bandscheibenvorfall, Zysten und Tumoren - am besten zeigen lassen. So liefern die Aufnahmen auch präzise die Lokalisation und die Ausdehnung der vorhandenen Zysten. Ergänzend sind bei Verdacht auf eine Gelenkzyste jedoch auch Röntgenfunktionsaufnahmen sowie gelegentlich auch eine Computertomographie mit Knochendarstellung sinnvoll.
- Feinnadelaspiration: Entnahme von Flüssigkeit aus dem Ganglion mit einer dünnen Nadel zur Untersuchung im Labor. Dies dient dem Ausschluss von Entzündungen oder bösartigen Prozessen. Versuchsweise kann bei nichtverkalkten Zysten zunächst in der Computertomografie eine Punktion der Zyste angestrebt werden.
Behandlung
Die Therapie eines Ganglions hängt vom Beschwerdegrad ab. Viele Ganglien verursachen keine Beschwerden und bedürfen keiner Behandlung.
Konservative Behandlung
- Beobachtung: Bei Beschwerdefreiheit kann man abwarten, da sich Ganglien oft spontan zurückbilden.
- Schmerzmittel und Entzündungshemmer: Salben oder Medikamente können bei Schmerzen helfen. Zusätzlich trägt man meist entzündungshemmende und schmerzlindernde Salben auf
- Ruhigstellung: Entlastung des betroffenen Gelenks.
- Physiotherapie: Gezielte Übungen zur Stärkung der Muskulatur und Verbesserung der Beweglichkeit.
- Punktion: Absaugen der Flüssigkeit aus dem Ganglion mit einer Nadel. Dies ist jedoch oft nur eine vorübergehende Lösung, da sich das Ganglion häufig wieder füllt. Ist dies nicht möglich, können mithilfe einer CT-gesteuerten epiduralen Infiltration die Symptome zumindest gelindert werden.
- Kortisonspritzen: Gezielte Kortisonspritzen können bei Schmerzen ohne neurologische Ausfälle eingesetzt werden. Dies kann Betroffenen möglicherweise bereits zu einer beschwerdefreien Zeit verhelfen.
Operative Behandlung
Eine Operation ist in der Regel erforderlich, wenn:
- Das Ganglion starke Schmerzen verursacht.
- Die Beweglichkeit des Gelenks stark eingeschränkt ist.
- Neurologische Ausfälle (z.B. Taubheitsgefühle, Lähmungen) auftreten.
- Die konservative Behandlung erfolglos bleibt.
- Die Zyste sehr groß ist oder auf Nerven drückt.
Es gibt verschiedene operative Verfahren:
- Mikrochirurgische operative Entfernung des Ganglions: Die Zyste wird einschließlich der Kapsel komplett entfernt. Für den Erfolg der Operation ist es entscheidend, dass alle zuführenden Kanäle aus der Gelenkkapsel in die Zyste gefunden und verschlossen werden.
- Arthroskopische Entfernung: Minimal-invasive Entfernung des Ganglions im Rahmen einer Gelenkspiegelung. Die Operation wird in Vollnarkose und Bauchlage durchgeführt. Nach einer Röntgendurchleuchtung zur Identifizierung der zu operierenden Höhe wird ein etwa 3 cm langer Hautschnitt in der Mitte des Rückens angelegt und anschließend die Rückenmuskulatur schonend auf die Seite geschoben. Nach Eingehen in den Spinalkanal wird mit feinen Instrumenten die Synovialiszyste abgetragen und entfernt. Die Nerven werden vom Druck befreit und Verwachsungen werden gelöst. Der Eingriff dauert in der Regel ca. eine Stunde. Wir führen die Operationen in mikrochirurgischer Technik (Schlüssellochprinzip) durch. Bei der minimalinvasiven Operation ist es das Ziel, die Zyste vollständig von den umliegenden Nervenwurzeln abzulösen und zu entfernen.
Operationsvorbereitung
- Blutverdünnende Medikamente: Vor der Operation sollten blutverdünnende Medikamente nach Rücksprache mit dem Hausarzt abgesetzt werden.
- Fingerringe: Fingerringe sollten vor der Operation abgelegt werden.
- Nüchternheit: Am Operationstag muss der Patient nüchtern sein (mindestens 6 Stunden keine Nahrung oder Flüssigkeit).
- Heimfahrt: Nach der Operation ist das selbstständige Führen eines Fahrzeuges untersagt.
Postoperative Nachsorge
- Hochlagerung: In den ersten Tagen sollte die Hand hochgelagert werden, um ein Anschwellen zu vermeiden.
- Fingergymnastik: Ab dem ersten Tag aktive Fingergymnastik (mehrmals pro Stunde Faust beugen und strecken).
- Verbandswechsel: Regelmäßige Verbandswechsel und Desinfektion der Wunde.
- Fadenentfernung: Zwischen dem 10. und 14. Tag nach der Operation.
- Schutzhandschuh: Die Hand ist die ersten zwei Wochen in einem Schutzhandschuh zu tragen.
- Belastungssteigerung: Ab der dritten Woche kann die Hand langsam wieder belastet werden.
- Arbeitsfähigkeit: Je nach Tätigkeit ist die Hand meist nach 4-6 Wochen wieder beruflich einsatzfähig.
- Klinikaufenthalt: Der gesamte Klinikaufenthalt hat sich mit der minimal-invasiven Methode auf 4-5 Tage reduziert. Bereits am Tage nach der Operation können die Patienten umherlaufen. Lähmungen, die vor der Operation bestanden haben, können direkt am Folgetag nach der Operation krankengymnastisch beübt werden. Über das weitere Vorgehen ist im Einzelfall nach Entlassung aus dem Krankenhaus zu entscheiden. In den wenigsten Fällen ist eine Rehabilitationsmaßnahe unter stationären Bedingungen erforderlich.
Prognose
Ein Ganglion ist eine gutartige Ausstülpung mit günstigem Verlauf. Es bildet sich oft spontan zurück, kann sich aber auch vergrößern. Nach erfolgreicher Behandlung besteht die Gefahr eines Rückfalls (Rezidiv). Nach einer Operation ist das Rückfallrisiko geringer als nach einer Punktion.
Vorbeugung
Um Rückfälle zu verhindern, sollten Risikofaktoren reduziert und die Muskulatur immer wieder entspannt und gelockert werden. Generell lässt sich einem Überbein aber nur schwer vorbeugen.
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