PEG-Ernährung bei fortgeschrittener Demenz: Eine umfassende Betrachtung

Die Frage der Ernährung bei fortgeschrittener Demenz ist ein komplexes und emotionales Thema, das sowohl Angehörige als auch Ärzte vor schwierige Entscheidungen stellt. Eine Möglichkeit, Menschen mit Demenz im fortgeschrittenen Stadium am Leben zu erhalten, ist die künstliche Ernährung über eine perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG). Doch wann ist eine PEG-Ernährung wirklich sinnvoll, und wann bedeutet sie eher eine Leidensverlängerung? Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte der PEG-Ernährung bei fortgeschrittener Demenz, um eine fundierte Entscheidungsfindung zu ermöglichen.

Demenz und Ernährungsprobleme: Ein wachsendes Problem

Die Weltbevölkerung altert, und damit steigt auch die Zahl der Menschen mit Demenzerkrankungen. In Deutschland leiden bereits heute etwa fünf bis acht Prozent der über 65-Jährigen und 20 Prozent der über 85-Jährigen an Demenz. Im Endstadium der Krankheit sind die Betroffenen oft nicht mehr in der Lage, sich selbst zu ernähren. Dies führt zu der Frage, ob eine künstliche Ernährung per PEG eine sinnvolle Option darstellt.

Was ist eine PEG-Sonde?

Die perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) ist ein endoskopisch angelegter direkter Zugang zum Magen, der die Bauchwand durchdringt. Sie ermöglicht die künstliche Ernährung über lange Zeit bei Patienten mit Schluckstörungen unterschiedlicher Ursache. Die dabei verwendete PEG-Sonde ist ein elastischer Kunststoffschlauch, der im Rahmen einer Gastroskopie (Magenspiegelung) gelegt wird.

Indikation für eine PEG-Sonde

Allgemein ist eine Indikation für die Anlage einer PEG gegeben, wenn über längere Zeit eine enterale Ernährung notwendig erscheint. Die Sonde dient der zusätzlichen oder ausschließlichen Ernährung mit allen notwendigen Nährstoffen sowie Flüssigkeit. Hauptziele einer PEG sind u. a. das Überbrücken der postoperativen Unfähigkeit der oralen Nahrungsaufnahme sowie die Verbesserung des Ernährungszustandes mit dem Hauptziel der Gesundung des Patienten.

PEG-Ernährung bei Demenz: Eine differenzierte Betrachtung

Die S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) empfiehlt, den Ernährungszustand älterer Menschen mit Demenz regelmäßig zu überwachen und bei Bedarf frühzeitig individuelle Ernährungsmaßnahmen zu initiieren. Dies kann auch den zeitlich begrenzten Einsatz von Sonden- oder parenteraler Ernährung - insbesondere in frühen und mittleren Stadien der Demenz - einschließen.

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Ohne Nutzen ist die Sondenernährung indes bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz. Laut einer US-amerikanischen Datenbankanalyse war das Einjahresüberleben von Pflegeheimbewohnern mit fortgeschrittener Demenz und neu aufgetretenen demenzbedingten Essproblemen, die per PEG ernährt wurden, nicht besser als das derjenigen ohne Sonde.

Nachteile einer PEG bei schwerer Demenz

Über den normalen Einsatz einer PEG hinaus bildet der Einsatz bei schwerst demenziell erkrankten Patienten eine zu beleuchtende Sonderform.

  • Aspirationsrisiko: Entgegen der Annahme, dass eine PEG das Aspirieren von Nahrung und Flüssigkeit verhindert, zeigen Studien, dass Ernährungssonden bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz eine Aspirationspneumonie nicht verhindern können. Vielmehr scheint das Hauptrisiko aus dem Reflux des Mageninhalts und dem Verschlucken von Speichel zu resultieren.
  • Intoleranz des Fremdkörpers: Ein Patient mit schwerer Demenz hat kaum das geistige Vermögen zu verstehen, warum eine Sonde aus seinem Bauch herausragt. Um ihn wiederum davor zu bewahren, ordnen Ärzte oft Fixierungen an, die dann den Patienten in seiner Bewegungsfreiheit und somit auch verbliebenen Selbstbestimmtheit einschränken.
  • Verlust von Lebensqualität: Bei der bekannten Wichtigkeit von Vertrautem und Gewohntem bedeutet das Vorenthalten der oralen Nahrungsaufnahme einen nicht auszugleichenden Einschnitt. Dem Patienten wird die eventuell noch vorhandene restliche Freude des Essens vorenthalten. Er hat nicht mehr die Möglichkeit, die aufzunehmende Nahrung zu schmecken, geschweige denn an dem nicht zu unterschätzenden Wahrnehmungserlebnis der Mahlzeit teilzunehmen.
  • Hohe Mortalität: Von den hochaltrigen Patienten, die eine PEG-Sonde erhalten, ist einer Metaanalyse zufolge bereits sechs Monate später die Hälfte tot, ein Fünftel übersteht schon den ersten Monat nicht. Die hohe Sterblichkeit kann durchaus darin begründet sein, dass regelmäßig die falschen Patienten für die Maßnahme ausgewählt werden. Es sei aber sehr wahrscheinlich, dass die Anlage der PEG-Sonde unterm Strich doch mehr Schwierigkeiten verursache als gemeinhin angenommen.

Ethische und rechtliche Aspekte

Die Ernährung über eine PEG ist ein ärztlicher Eingriff in die Körperintegrität des Menschen. Der Arzt braucht deshalb die Einwilligung des Patienten bzw. seines Vertretungsberechtigten. Liegt eine Patientenverfügung vor, in der der Patient eine solche ablehnt, dürfen nach einem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17.03.2003 keine lebenserhaltenden Maßnahmen durchgeführt werden.

Schwierig wird es, wenn der gesetzliche Vertreter des Patienten die Einstellung einer bereits vorgenommenen künstlichen Ernährung verlangt. In diesem Fall muss die Entscheidung im Zweifel „für das weitere Leben“ lauten, es sei denn, es liegt ein eindeutiger Patientenwille vor.

Alternativen zur PEG-Ernährung

Falls demente Patienten Nahrung und Flüssigkeit nicht mehr selbständig zu sich nehmen können, müssen sie grundsätzlich von Hand gefüttert werden. In seltenen Fällen kann es allerdings infolge unüberwindbarer Ablehnung des Patienten oder aufgrund eines unkoordinierten Schluckaktes bereits in der Frühphase der Erkrankung zu Flüssigkeits- und Kaloriendefiziten kommen, die den Allgemeinzustand des Patienten erheblich beeinträchtigen.

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Eine perorale Ernährungsunterstützung („careful hand-feeding“) für Patienten mit schwerer Demenz ist hinsichtlich der Ergebnisse Sterblichkeit, Aspirationspneumonie, funktioneller Status und Wohlbefinden mindestens so effektiv wie eine Sondenernährung durch PEG.

Praktische Tipps zur Verbesserung der Ernährungssituation bei Demenz

Auch wenn eine PEG-Ernährung bei fortgeschrittener Demenz oft nicht die beste Lösung ist, gibt es viele Möglichkeiten, die Ernährungssituation von Menschen mit Demenz zu verbessern:

  • Feste Essenszeiten: Um zu verhindern, dass Menschen mit Demenz das Essen einfach vergessen, sollten Sie feste Essenszeiten einhalten.
  • Appetit anregende Zubereitungsweisen: Beteiligen Sie Menschen mit Demenz an der Nahrungszubereitung. Während sie beim Schnippeln von Obst oder Gemüse helfen, oder Ihnen auch nur beim Kochen und Backen zuschauen, können ihnen bereits verführerische Düfte in die Nase steigen. Speisen für Menschen mit Demenz sollte man intensiver würzen und unter Umständen auch mit aromatischen Ölen und Fetten anreichern.
  • Appetit anregende Darreichungsformen: Auch das Auge isst mit: Wenn die Kost aufgrund von Schluckbeschwerden passiert werden muss, sollte man keinesfalls alle Bestandteile zu einem undefinierbaren graubraunen Püree verarbeiten. Es ist erheblich ansprechender, wenn Fleisch und Beilagen, wie zum Beispiel Kartoffeln, Brokkoli und Karotten, einzeln auf dem Teller angerichtet werden.
  • Kleine Appetitanreger: Es fördert den Appetit, wenn Sie kleine Schälchen mit Obst-, Gemüse- oder Schokoladenstückchen in der Wohnung verteilen.
  • Ausreichend trinken: Achten Sie darauf, dass Menschen mit Demenz täglich mindestens 1,5 Liter trinken.
  • Individuelle Tischkultur: In der fortgeschrittenen Phase der Demenz können manche Betroffene nicht mehr mit Messer und Gabel umgehen und führen deshalb die Nahrung mit den Händen zum Mund. Das eigenständige Essen hat unbedingt Vorrang vor Sauberkeit und allgemeinen Verhaltensregeln am Tisch. Daher sollten dann möglichst viele Mahlzeiten in Form von „Fingerfood“ beziehungsweise kleinen Häppchen angeboten werden.
  • Auf Zwang verzichten: So wichtig die Nahrungsaufnahme auch ist: Zwingen Sie bitte niemals einen Menschen mit Demenz zum Essen! Lebensmittel und Getränke sollten immer wieder ohne Druck angeboten werden.

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