Gefühle bei Demenzpatienten: Validation, Kommunikation und emotionale Bedürfnisse

Demenz ist eine Erkrankung, die weit über den Verlust des Gedächtnisses hinausgeht. Sie beeinflusst die Wahrnehmung, das Verhalten und das Erleben der Betroffenen. Umso wichtiger ist es, sich mit den Gefühlen von Demenzpatienten auseinanderzusetzen und zu verstehen, wie man ihnen auf emotionaler Ebene begegnen kann.

Validation als Schlüssel zur Gefühlswelt

Die Validation ist eine Kommunikationsmethode, die sich auf die Beziehungsebene konzentriert und sowohl verbale als auch nonverbale Elemente umfasst. Im Kern geht es darum, die Äußerungen, Handlungen und Sichtweisen des Menschen mit Demenz gelten zu lassen, sie nicht zu korrigieren oder an der eigenen Realität zu überprüfen. Stattdessen wird der Erkrankte in seiner Erlebniswelt ernst genommen, wertgeschätzt und akzeptiert. Die Methode basiert auf Empathie, Akzeptanz und Authentizität. Die Validation hilft, eine neue Perspektive einzunehmen, um Demenzkranken mit einer positiven Grundhaltung zu begegnen.

Ziele der Validation

  • Stärkung des Selbstwertgefühls
  • Vermittlung von Sicherheit
  • Reduktion von Stress und Anspannung

Praktische Anwendung der Validation

  1. Gefühle erkennen: Analysieren Sie die Gefühle des Demenzkranken. Was sind die Gefühle, die seine Handlungen und Handlungsimpulse bewirken? Ist er aufgeregt, hilflos, einsam, traurig, sorgenvoll oder pflichtbewusst?
  2. Gefühle benennen: Formulieren Sie die wahrgenommenen Gefühle und Antriebe mit kleinen Sätzen, die dem Sprachgebrauch des Erkrankten angepasst sind. Sagen Sie beispielsweise: "Sie sind gerade ganz aufgeregt", "Sie fühlen sich hilflos" oder "Das macht Sie traurig".
  3. Gefühle bestätigen: Zeigen Sie dem Demenzkranken, dass sein Innenleben "in Ordnung" ist, dass das, was er sagt, tut und fühlt, völlig normal und akzeptiert ist. Nutzen Sie vertraute Sprichwörter, Volksweisheiten, Redewendungen oder Lieder, um seine Erinnerung daran wachzurufen.

Unterschiedliche Ansätze der Validation

Es gibt verschiedene Ansätze der Validation, die sich in ihren Schwerpunkten unterscheiden:

  • Naomi Feil: Sie befasst sich speziell mit desorientierten Hochbetagten mit der Diagnose Alzheimer und blickt auf ungelöste Lebenskonflikte. Feil orientiert sich am Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung nach Erikson und erweitert dieses. Die letzte Lebensaufgabe des Menschen ist es, die Vergangenheit aufzuarbeiten, um in Frieden sterben zu können. Ihr oberstes Prinzip lautet: "Walking in the shoes of the other" - In den Schuhen des Anderen gehen.
  • Nicole Richard: Sie sieht vor allem hirnorganische Veränderungen und versucht, die dem Demenzkranken verbleibenden Ressourcen zu nutzen, um ihn in seiner "inneren Erlebniswelt" zu erreichen. Richard geht davon aus, dass Demenzkranke die Welt nur noch "zerhackt" wahrnehmen und nur noch über "Puzzlestücke" ihrer Vergangenheit verfügen. Daher sieht sie die Aufgabe der Validation nicht darin, Demenzkranke bei der Bewältigung unerledigter Lebensaufgaben zu helfen, sondern ihnen ihr aktuelles Schicksal zu erleichtern.

Kommunikation mit Demenzpatienten

Die Kommunikation mit Demenzpatienten verändert sich im Laufe der Erkrankung. Es ist wichtig, die Sprachführung an die Situation anzupassen und den Betroffenen stets ein Gefühl von Wertschätzung zu vermitteln.

Allgemeine Kommunikationsregeln

  • Geduld: Lassen Sie dem Betroffenen mehr Zeit zum Reagieren oder Antworten.
  • Zuwendung: Seien Sie stets zugewandt und sprechen Sie in einfachen, kurzen Sätzen.
  • Deutlichkeit: Sprechen Sie langsam und deutlich und unterstützen Sie Ihr Gesagtes mit Gesten.
  • Empathie: Reagieren Sie mit Empathie und vermitteln Sie, dass das Gefühl des Betroffenen gerechtfertigt ist.
  • Akzeptanz: Akzeptieren Sie die Realität des Patienten und vermeiden Sie Konfrontationen.
  • Widerspruch vermeiden: Widersprechen Sie dem Patienten nicht, sondern gehen Sie auf seine Bedürfnisse und Gefühle ein.
  • Lügen vermeiden: Lügen Sie den Patienten nicht an.
  • Aufmerksamkeit: Schenken Sie dem Patienten Ihre volle Aufmerksamkeit und achten Sie auf seine Körpersprache.
  • Blickkontakt: Halten Sie Blickkontakt und nehmen Sie den Patienten als gleichwertigen Gesprächspartner wahr.
  • Kurze Sätze: Verwenden Sie kurze, klare Aussagen mit nur einer Information.
  • Einfache Fragen: Stellen Sie einfache Ja-/Nein-Fragen oder bieten Sie Auswahlmöglichkeiten an.
  • Wiederholungen: Wiederholen Sie wichtige Informationen bei Bedarf mehrmals und verwenden Sie dabei immer den gleichen Wortlaut.
  • Pausen: Legen Sie zwischendurch Pausen ein, um dem Patienten die Möglichkeit zu geben, zu antworten.
  • Körpersprache: Verwenden Sie eine klare Körpersprache und eine prägnante Mimik und Gestik, um das Gesagte zu unterstützen.
  • Positive Inhalte: Konzentrieren Sie sich auf positive Inhalte und vermeiden Sie Themen, die Ängste auslösen können.

Kommunikation in verschiedenen Demenzstadien

  • Leichte Demenz: Die Wahrnehmung des Betroffenen ist nur wenig verändert. Geben Sie ihm mehr Zeit zum Antworten und sprechen Sie in einfachen Sätzen.
  • Mittelschwere Demenz: Der Betroffene hat auffällige Denk- und Gedächtnislücken und benötigt verstärkt Hilfe bei alltäglichen Aktivitäten. Gehen Sie auf seine Gefühlslage ein und spiegeln Sie seine Gefühle.
  • Schwere Demenz: Die Fähigkeit zur verbalen Kommunikation geht verloren. Nutzen Sie nonverbale und emotionale Kommunikation zur Verständigung.

Nonverbale Kommunikation

Im fortgeschrittenen Stadium der Demenz wird die nonverbale Kommunikation immer wichtiger.

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  • Basale Stimulation: Die basale Stimulation ist eine Methode, die auf die Stimulation von visuellen, akustischen, gustatorischen und taktilen Reizen setzt, um die Aufmerksamkeit anzuregen und eine Verbindung aufzubauen.
  • Körperkontakt: Berührungen, wie Händchenhalten oder eine Umarmung, können Geborgenheit und Sicherheit vermitteln.
  • Mimik und Gestik: Achten Sie auf eine freundliche Mimik und Gestik, um positive Gefühle zu vermitteln.

Personzentrierte Pflege nach Tom Kitwood

Die personzentrierte Pflege stellt den Menschen in den Mittelpunkt und nicht die Krankheit. Erhalt und Förderung des Personseins ist der Kern bei dieser Art der Kommunikation. Die Bedürfnisse, die jeder Mensch braucht, um sich wahrgenommen, wertgeschätzt und als Person zu fühlen, können nach Tom Kitwood in einer Blumenform illustriert werden:

  • Liebe: Zeigen Sie Ihrem Angehörigen Ihre Liebe und lassen Sie Nähe zu.
  • Einbeziehung: Beziehen Sie Ihren Angehörigen in alltägliche Aktivitäten mit ein.
  • Beschäftigung: Sorgen Sie für eine sinnvolle Beschäftigung, um Langeweile und Apathie zu vermeiden.
  • Identität: Fördern und erhalten Sie das Identitätsempfinden Ihres Angehörigen, indem Sie Erinnerungen pflegen und Biographiearbeit betreiben.
  • Trost: Hören Sie Ihrem Angehörigen aktiv zu, lassen Sie seine Gefühle zu und zeigen Sie Mitgefühl.
  • Bindung: Stärken Sie die Bindung zu Ihrem Angehörigen, da er im Laufe der Erkrankung möglicherweise mehrere Bindungen zu anderen Menschen verloren hat.

Emotionen bei Demenzpatienten

Gefühle scheinen sich trotz Gedächtnisverlust stark ins Gedächtnis einzuprägen. Vergisst ein Amnesiepatient, was er erlebt oder erzählt bekommen hat, so bleiben die damit verbundenen Gefühle dennoch bestehen. Somit dauert auch eine gute oder schlechte Stimmung an, selbst wenn der Auslöser vergessen ist.

Bedeutung für die Betreuung

  • Respekt und Achtung: Behandeln Sie Demenzpatienten mit Respekt und Achtung, da ihre Gefühle auch dann noch vorhanden sind, wenn sie sich nicht mehr daran erinnern können, warum sie sich so fühlen.
  • Positive Einflüsse: Ein einfacher Besuch oder Anruf von Angehörigen kann einen anhaltend positiven Einfluss auf die Zufriedenheit eines Patienten haben, auch wenn der Patient den Besuch oder Anruf selbst womöglich schnell vergisst.
  • Negative Einflüsse: Routinemäßige Vernachlässigung seitens des Personals in Heimen könnte den Patienten traurig, frustriert und einsam zurücklassen, auch wenn sich der Patient nicht erinnern kann, warum.

Umgang mit Emotionen im Pflegealltag

  • Emotionen erkennen: Achten Sie auf die Emotionen des Patienten und versuchen Sie, die Ursachen für seine Gefühle zu verstehen.
  • Emotionen validieren: Bestätigen Sie die Gefühle des Patienten und zeigen Sie ihm, dass Sie ihn verstehen.
  • Positive Umgebung schaffen: Schaffen Sie eine positive und beruhigende Umgebung, um positive Emotionen zu fördern.
  • Beschäftigung anbieten: Bieten Sie dem Patienten Beschäftigungen an, die ihm Freude bereiten und seine positiven Emotionen stärken.
  • Unterstützung anbieten: Bieten Sie dem Patienten Unterstützung an, um negative Emotionen zu reduzieren.

Herausforderungen an Weihnachten und Feiertagen

Weihnachten und andere Feiertage können für Demenzpatienten und ihre Angehörigen besondere Herausforderungen darstellen.

Tipps für die Feiertage

  • Rituale beibehalten: Halten Sie an bekannten Ritualen fest, um dem Patienten ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln.
  • Sinnesreize nutzen: Nutzen Sie sinnliche Eindrücke, wie den Duft von Weihnachtsplätzchen oder Tannennadeln, oder das Singen von bekannten Weihnachtsliedern, um schöne Erinnerungen zu wecken.
  • Einbeziehung: Beziehen Sie den Patienten in die Vorbereitungen ein, zum Beispiel beim Plätzchen backen, Tisch decken oder Tannenbaum schmücken.
  • Ruhe bewahren: Gestalten Sie die Feiertage ruhig und ohne überladenes Programm und begehen Sie sie nach Möglichkeit in einem kleinen, vertrauten Kreis.
  • Geschenke auswählen: Schenken Sie dem Patienten Geschenke, die seine Sinne, Gefühle oder alte Erinnerungen ansprechen.

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