Der Hippocampus ist eine faszinierende Struktur im menschlichen Gehirn, die eine entscheidende Rolle für das Gedächtnis, die räumliche Orientierung und die Verarbeitung von Emotionen spielt. Trotz seiner Bedeutung gab es bisher kein einheitliches System, um seine Struktur und Funktion mit verschiedenen Messmethoden zu erfassen und auszuwerten. Ein internationales Team von Wissenschaftlern hat daher "HippoMaps" entwickelt, eine frei zugängliche Software-Toolbox und Online-Datenbank zur Analyse und Kartierung des Hippocampus.
Was ist der Hippocampus?
Der Hippocampus, benannt nach seiner Ähnlichkeit mit einem Seepferdchen, ist ein Teil des limbischen Systems und befindet sich im unteren Temporallappen des Gehirns. Er gehört zum Allocortex, einem entwicklungsgeschichtlich sehr alten Teil der Großhirnrinde. Der Hippocampus besteht aus mehreren Strukturen, die zusammen die Hippocampusformation bilden:
- Ammonshorn (Cornu ammonis): Hippocampus im engeren Sinne; besteht aus vier Zonen (CA1 bis CA4).
- Gyrus dentatus: Eine gezähnelt aussehende Windung der Großhirnrinde.
- Subiculum: Ein Übergangsbereich zwischen Gyrus parahippocampalis und Ammonshorn.
Der Fornix, ein bogenförmiges Faserbündel, verbindet den Hippocampus mit den Corpora mammilaria und anderen Hirnregionen, einschließlich des Riechhirns.
Die Funktionen des Hippocampus
Der Hippocampus ist die Schaltstelle zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis. Er filtert Sinneseindrücke und Erlebnisse, bewertet sie emotional und leitet sie an die verschiedenen Hirnregionen weiter. Informationen, die das Gedächtnis möglichst lange behalten soll, werden im Langzeitgedächtnis abgelegt.
- Gedächtnisbildung und Lernprozesse: Der Hippocampus ist entscheidend für den Übergang von Informationen aus dem Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis. Er verarbeitet und konsolidiert episodische Erinnerungen.
- Räumliche Orientierung: Er spielt eine wichtige Rolle bei der räumlichen Orientierung und dem Navigationsverhalten. Der Hippocampus hilft dabei, mentale Landkarten der Umgebung zu erstellen und ermöglicht dadurch eine adäquate Orientierung in der Umwelt.
- Emotionale Verarbeitung: Durch Verbindungen mit anderen Hirnregionen, insbesondere dem Mandelkern (Amygdala), bewertet der Hippocampus Signale emotional und steuert Affekte wie Wut, Angst und Freude. Auch das Sexualverhalten und viele vegetative Funktionen werden im Limbischen System gesteuert.
- Neuronale Plastizität: Der Hippocampus ist einer der wenigen Bereiche im Gehirn, in dem ein Leben lang neue Nervenzellen gebildet werden können (adulte Neurogenese), insbesondere im Gyrus dentatus.
"HippoMaps": Ein neues Werkzeug zur Erforschung des Hippocampus
Um die komplexe Struktur und Funktion des Hippocampus besser zu verstehen, wurde das Projekt "HippoMaps" ins Leben gerufen. "HippoMaps" ist eine frei zugängliche Software-Toolbox inklusive einer Online-Datenbank speziell für die Deep-learning-basierte Integration von Bilddaten unterschiedlicher Herkunft und Auflösung sowie die Analyse und die Kartierung des Hippocampus.
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Mapping und Anpassung mit „HippoMaps“
Um die komplexe Struktur des Hippocampus besser analysieren zu können, wurde er "aufgefaltet". Dies ermöglicht es, Daten aus verschiedenen Experimenten auf dieser aufgefalteten Oberfläche miteinander vergleichen zu können. Die Faltung und Dichte der Oberfläche werden an die Form und Auflösung einer Probe angepasst. Dies erleichtert die Interpretation von Bildern von Gehirnen von Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen in Bezug auf die Mikrostruktur des Hippocampus.
Datenquellen für "HippoMaps"
Die Daten für "HippoMaps" stammen aus verschiedenen Quellen, darunter:
- Histologische Daten und 3D-PLI (3D Polarized Light Imaging) aus dem Jülicher Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM-1).
- Magnetresonanztomographische Untersuchungen (MRT).
- Intrakranielle Elektroenzephalographie (EEG) von Patienten mit Epilepsie.
"HippoMaps" ermöglicht es, Hippocampus-Merkmale, die mit verschiedenen Methoden erfasst wurden, zu vergleichen und Bildgebungsverfahren am lebenden Gehirn mit Daten aus Gewebeproben abzugleichen.
Anwendungsperspektiven von "HippoMaps"
"HippoMaps" bietet vielfältige Anwendungsmöglichkeiten:
- Untersuchung der Zusammenhänge zwischen der Struktur des Hippocampus und seinen Funktionen.
- Erkennung von Abweichungen bei Patienten mit Erkrankungen und Bewertung gegen bekannte Strukturprinzipien des Hippocampus.
- Vertiefung des Verständnisses der Verschaltung und Funktionsweise des Hippocampus durch genauere Kartierung von Verbindungen und Mikrostrukturen.
- Entwicklung und Überprüfung von neuen, vom Gehirn inspirierten KI-Systemen.
Erkrankungen und Störungen des Hippocampus
Schädigungen des Hippocampus können das Gedächtnis auf verschiedene Weise beeinträchtigen.
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- Amnesie: Als Vermittler zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis ist der Hippocampus eine zentrale Schaltstelle im Gehirn. Bei einer Störung in diesem Bereich können keine neuen Informationen im Gehirn gespeichert werden. Eine Schädigung beider Hippocampi führt zu einer anterograden Amnesie, bei der Betroffene kein neues Wissen erwerben können.
- Alzheimer-Demenz: Veränderungen im Hippocampus finden sich schon frühzeitig bei einer Demenzerkrankung. Die Alzheimer-Krankheit befällt den Hippocampus als eines der ersten Areale, was zu Gedächtnisverlust und Orientierungsproblemen führt.
- Epilepsie: Es gibt gewisse Formen der Epilepsie, wobei Anfälle durch Spontanentladungen in hippocampalen Neuronen ausgelöst werden.
- Korsakow-Krankheit: Die durch Alkoholmissbrauch hervorgerufene Korsakow-Krankheit mit ihren Amnesien ist eine Folge von Läsionen im limbischen System.
Wie man das Gedächtnis ohne Hirnchips verbessern kann
Obwohl die Forschung an Gehirn-Computer-Schnittstellen vielversprechend ist, gibt es bereits bewährte Methoden, um die Gedächtnisleistung auf natürliche Weise zu verbessern:
- Körperliche Aktivität: Viel Bewegung sorgt für eine bessere Durchblutung des Gehirns und ein besseres Gedächtnis.
- Ausreichend Schlaf: Schlaf ist wichtig für die Konsolidierung von Gedächtnisinhalten.
- Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung unterstützt die Gehirnfunktion.
- Gehirntraining: Auch wenn Gehirnjogging-Übungen nicht die generelle Leistungsfähigkeit des Gehirns steigern, können sie dennoch dazu beitragen, bestimmte kognitive Fähigkeiten zu verbessern.
- Neues lernen: Immer wieder Neues zu lernen hält das Gedächtnis fit.
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