Die Auswirkungen von Cannabiskonsum auf das Gehirn

Der Konsum von Cannabis, ob medizinisch oder als Freizeitdroge, wirft Fragen nach den Auswirkungen auf das Gehirn auf. Die Effekte von Cannabis sind vielfältig und individuell. Dieser Artikel beleuchtet die komplexen Prozesse, die im Gehirn ablaufen, wenn Cannabis konsumiert wird, und untersucht die potenziellen Folgen, insbesondere bei regelmäßigem Konsum und bei Jugendlichen.

Wie Cannabis auf Gehirn und Körper wirkt

Cannabis enthält eine Vielzahl von Inhaltsstoffen, die als Cannabinoide bezeichnet werden. Das bekannteste Cannabinoid ist Tetrahydrocannabinol (THC), das für die psychoaktive, berauschende Wirkung verantwortlich ist. Cannabidiol (CBD) ist ein weiteres bekanntes Cannabinoid, das nicht berauschend wirkt und möglicherweise die Wirkung von THC abschwächt. Studien deuten darauf hin, dass CBD bei der Behandlung verschiedener Krankheiten eingesetzt werden kann.

Die Wirkung der Cannabinoide beruht auf ihrer Interaktion mit dem Endocannabinoid-System (ECS), einem Teil des Nervensystems. Das ECS besteht aus Cannabinoidrezeptoren (CB1 und CB2) und Endocannabinoiden wie Anandamid (AEA) und 2-Arachidonylglycerol (2-AG). Diese Endocannabinoide binden an die Cannabinoidrezeptoren und lösen dadurch Wirkungen im Körper aus.

CB1-Rezeptoren befinden sich hauptsächlich im Gehirn und Nervensystem, aber auch in Organen wie Nieren und Darm. Durch die Anbindung an Nervenzellen und Gehirn vermitteln CB1-Rezeptoren die berauschenden, psychoaktiven und euphorisierenden Effekte von THC. CB2-Rezeptoren finden sich vor allem auf Zellen des Immunsystems, aber auch in Organen wie Lunge, Milz, Haut, Knochen, Magen-Darm-Trakt und Fortpflanzungsorganen.

Das ECS reguliert eine Vielzahl physiologischer Prozesse, darunter:

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  • Appetit
  • Schmerzen
  • Entzündungen
  • Temperaturregulierung
  • Augeninnendruck
  • Empfindsamkeit der Sinne
  • Muskelsteuerung
  • Energiegleichgewicht
  • Stoffwechsel
  • Schlafverhalten
  • Stressreaktionen
  • Belohnungszentrale
  • Gemütslage
  • Gedächtnis

Cannabinoide aus Cannabis können sich wie körpereigene Endocannabinoide an die Cannabinoidrezeptoren binden und so die oben genannten Prozesse beeinflussen. Die Wirkung und Verträglichkeit von Cannabis hängt von der Menge der enthaltenen Cannabinoide, ihrem Verhältnis zueinander und der konsumierten Dosis ab. Auch die Verfassung und Situation der konsumierenden Person spielen eine Rolle.

Die Wirkungen und Nebenwirkungen von THC und CBD

THC wirkt nicht bei jedem Menschen gleich. Es kann Ängste lindern, aber auch auslösen. Es kann gegen Übelkeit und Erbrechen helfen, aber auch Übelkeit verursachen. Die Dosis spielt eine wichtige Rolle für die Stärke der Wirkungen und Nebenwirkungen. THC ist für die berauschende Wirkung und die veränderte Wahrnehmung verantwortlich. Häufige Wirkungen von THC sind:

  • Psyche und Wahrnehmung: Sedierung, leichte Euphorie, gesteigertes Wohlbefinden, intensivere Wahrnehmung von sinnlichen Empfindungen, verlangsamte Zeitwahrnehmung, Angstzunahme oder -linderung, Halluzinationen (bei hohen Dosen)
  • Denken: Gestörtes Gedächtnis und Aufmerksamkeit, erhöhte Kreativität
  • Bewegung: Verschlechterung oder Verbesserung der Koordination, undeutliche Sprache
  • Nervensystem: Schmerzlinderung, Muskelentspannung, gesteigerter Appetit, Verminderung von Übelkeit und Erbrechen, Auftreten von Übelkeit
  • Herz-Kreislauf-System: Zunahme der Herzfrequenz, Absinken des Blutdrucks, eventuell mit Schwindel
  • Augen: Rötung der Bindehaut, weniger Tränenfluss, Absinken des Augeninnendrucks
  • Atemwege: Erweiterung der Bronchien, Mundtrockenheit
  • Magen-Darm-Trakt: Verminderte Darmbewegungen, geringere Magensäureproduktion

CBD verursacht keine typischen psychischen Wirkungen oder Nebenwirkungen wie THC und ist nicht berauschend. Es wird zur Selbstbehandlung einer Vielzahl von Beschwerden eingesetzt. Im Rahmen medizinischer Behandlungen wird CBD bei Epilepsie angewendet. Sehr häufige Nebenwirkungen sind Müdigkeit, Schläfrigkeit, Durchfall, verminderter Appetit, Fieber und Erbrechen.

Freizeitkonsum von Cannabis: Wirkungen und Nebenwirkungen

Der Freizeitkonsum von Cannabis ist weit verbreitet. Gelegentlicher Konsum hat für die meisten Menschen keine negativen Folgen. Bei häufigerem Konsum, z. B. ein- oder mehrmals pro Woche, nehmen die Nebenwirkungen zu.

Häufige Nebenwirkungen sind:

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  • Müdigkeit
  • Konzentrationsschwäche
  • Stimmungsschwankungen
  • Schwindel
  • Mundtrockenheit
  • Trockene und gerötete Augen
  • Muskelschwäche
  • Gesteigerter Appetit
  • Herzrasen
  • Plötzlicher Blutdruckabfall
  • Herzprobleme

Für Jugendliche birgt der Konsum von Cannabis größere Gefahren als für Erwachsene, da das Gehirn noch nicht vollständig ausgereift ist. Cannabiskonsum in der Jugend kann das Gehirn schädigen und zu Langzeitschäden führen. Aus regelmäßigem Konsum kann sich eine Abhängigkeit entwickeln.

Auswirkungen auf das Gehirn von Jugendlichen

Eine Studie hat gezeigt, dass sich das Gehirn von Cannabis-Konsumenten deutlich verändert. Die betroffenen Jugendlichen waren impulsiver und konnten sich schlechter konzentrieren. Bei den Cannabis-Konsumenten zeigten MRT-Aufnahmen ein deutlich verändertes Bild: Ihre Hirnrinde war dünner als bei der Vergleichsgruppe. Die Veränderungen zeigten sich in einem besonders wichtigen Bereich des präfrontalen Kortex, der für die Impulskontrolle, Problemlösung und Handlungsplanung zuständig ist.

Der Effekt bei Hirnscan und Verhaltenstests hing eindeutig mit der konsumierten Menge zusammen: Je mehr Cannabis die jungen Probanden zu sich nahmen, desto ausgeprägter waren die Folgen. Bei Jugendlichen mit Neigung zu Psychosen kann bereits gelegentliches Kiffen psychische Krisen auslösen.

Auswirkungen auf Cannabinoid-Rezeptoren im Gehirn

Eine Studie hat gezeigt, dass chronischer Cannabiskonsum die Zahl von Cannabinoid-Rezeptoren im Gehirn reduziert. Cannabinoid-Rezeptoren spielen bei der Entstehung des „High“-Gefühls eine besondere Rolle. Beim Konsum von Cannabis wird die Reizweiterleitung in diesen Nervenzellen mitunter so stark beeinflusst, dass neben den erwünschten psychoaktiven Effekten auch starke Störungen der Konzentrationsfähigkeit, des Gedächtnisses oder der Zeitwahrnehmung auftreten können.

Starke Cannabiskonsumenten wiesen im Schnitt 20 Prozent weniger Cannabinoid-Rezeptoren auf als Mitglieder der Vergleichsgruppe. Je länger die Konsumenten kifften, desto weniger Cannabinoid-Rezeptoren konnten in ihrem Gehirn nachgewiesen werden. Allerdings konnten zusätzliche Hirnuntersuchungen nach einem Monat zeigen, dass sich die Zahl der Cannabinoid-Rezeptoren bei ehemaligen Konsumenten wieder deutlich erholte.

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Cannabiskonsum und Arbeitsgedächtnis

Eine Studie an 1003 jungen Erwachsenen in den USA ergab, dass häufig Cannabis Konsumierende bei Aufgaben fürs Arbeitsgedächtnis im Durchschnitt eine geringere Hirnaktivierung zeigten. Personen, die in den Tagen vor dem Experiment Cannabis konsumiert hatten, schnitten bei diesem Test messbar schlechter ab.

Langzeitfolgen für das Gehirn

Auch wenn zunächst keine unmittelbaren Auswirkungen auftreten, kann der Konsum von Cannabis negative Effekte auf den Menschen haben. Die Konzentration kann leiden, und es kann zu Vergesslichkeit kommen. Depressionen oder Angststörungen sind mögliche affektive Störungen, die der Langzeitkonsum von Cannabis bedingen kann. Der Konsum von THC kann sogar Schizophrenie zur Folge haben.

Wer regelmäßig kifft, öffnet potenziell bipolaren Störungen bis hin zu Suizidgedanken Tür und Tor. Speziell für Jugendliche und Studenten können nachlassende Lernleistungen, Motivationsmangel oder eine Intelligenzminderung zu einem Problem werden.

Auswirkungen auf Hirnregionen

Starker Cannabiskonsum wirkt sich insbesondere auf jene Hirnregionen aus, wo die Dichte an Cannabinoidrezeptoren hoch ist. Eine hohe Dichte an Cannabinoidrezeptoren findet sich unter anderem im Hippocampus, der eine wichtige Rolle bei der Gedächtnisbildung spielt. Bildgebende Verfahren haben gezeigt, dass der Hippocampus bei starkem Cannabiskonsum schrumpft, was zu Einbußen in der Merkfähigkeit führt.

Eine weitere wichtige Hirnregion mit einer hohen Dichte an Cannabinoidrezeptoren ist der präfrontale Cortex, der für „höhere“ geistige Leistungen wie Nachdenken oder Entscheiden zuständig ist. Studien zufolge nimmt die Dicke des präfrontalen Cortex stärker ab als üblich, wenn schon im Jugendalter viel Cannabis konsumiert wird.

Erholung des Gehirns nach Abstinenz

Die geistige Leistungsfähigkeit kann sich nach Beendigung des Cannabiskonsums wieder erholen. Je länger die Abstinenz, desto stärker erholt sich das Gehirn. Dies gilt auch, wenn der Einstieg schon im Jugendalter erfolgt ist.

Eine Studie ergab, dass die Gedächtniskapazität durch Cannabis unterdrückt wird, aber die Beeinträchtigung schnell nachlässt, wenn man den Konsum stoppt. Nach einem Monat zeigten Abstinenzler eine signifikante Verbesserung des verbalen Lernens und des Gedächtnisses.

Cannabis im Alter: Eine Studie an Mäusen

Eine Studie an Mäusen hat gezeigt, dass eine geringe Menge an THC im Alterungsprozess des Gehirns entgegenwirken kann. THC kehrte den Leistungsverlust der alten Tiere wieder komplett um. Die molekulare Signatur entsprach nicht mehr der von alten Tieren, sondern war vielmehr jungen Tieren sehr ähnlich. Auch die Zahl der Verknüpfungen der Nervenzellen im Gehirn nahm wieder zu.

Die Forscher wollen im nächsten Schritt in einer klinischen Studie untersuchen, ob THC auch beim Menschen Alterungsprozesse des Gehirns umkehren und die kognitive Leistungsfähigkeit wieder steigern kann.

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