Unterschiede zwischen Menschlichem und Tierischem Gehirn: Eine Vergleichende Analyse

Das menschliche Gehirn ist seit langem ein Gegenstand der Faszination und des wissenschaftlichen Interesses. Philosophen und Wissenschaftler haben sich seit Jahrtausenden mit der Frage auseinandergesetzt, was den Menschen im Vergleich zu Tieren so besonders macht. Ist es die Sprache, die Kultur oder doch das große Gehirn? Charles Darwin vertrat die Auffassung, dass es sich um ein Kontinuum zwischen Mensch und Tier handelt, wobei viele Besonderheiten des Menschen bereits im Tierreich Vorstufen finden. Dieser Artikel beleuchtet die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen dem menschlichen Gehirn und dem von Tieren und geht dabei auf verschiedene Aspekte ein, von der Gehirnstruktur über die kognitiven Fähigkeiten bis hin zur Evolution.

Gehirnstruktur und -funktion

Neuronale Unterschiede und Informationskanäle

Eine Studie von Silke Menne vom 19. ergab, dass sich das Gehirn von Säugetieren und Menschen unterscheidet. Das menschliche Gehirn hat weniger Informationskanäle als das von Säugetieren. Bisher hatten Wissenschaftler keine besonderen Unterschiede in den Gehirnen von Säugetieren und Menschen gefunden. Im Gehirn gibt es winzige Kanäle, die von den Gehirnzellen (Neuronen) genutzt werden, um Informationen innerhalb des Gehirns zu transportieren. Dies ist bei allen Säugetieren gleich. Je mehr Gehirnzellen (Neuronen) in einem Gehirn vorhanden sind, desto mehr Kanäle gibt es - normalerweise. Nur beim Menschen gibt es einen Unterschied. Informationen durch Kanäle zu schicken, kostet Energie. Je weniger Kanäle vorhanden sind, desto weniger Energie wird verbraucht.

Junk-DNA und Hirnentwicklung

Ein weiterer wichtiger Unterschied liegt in der sogenannten Junk-DNA, dem Teil unseres Erbguts, der keine Proteine codiert. Lange Zeit wurde diesen nicht-codierenden Regionen keine Funktion zugeschrieben, doch inzwischen weiß man, dass sie wichtige Aufgaben bei der Genregulation erfüllen. Eine Studie von Pia Johansson von der Universität Lund in Schweden verglich das menschliche Erbgut mit dem von Schimpansen und stellte fest, dass Menschen und Schimpansen einen Teil ihrer DNA auf unterschiedliche Weise nutzen, der offenbar eine wichtige Rolle bei der Entwicklung unseres Gehirns spielt. Die Forscher identifizierten eine Region in der Junk-DNA, die bei Schimpansen deutlich länger ist als bei Menschen. Diese längere Version schaltet bei Schimpansen ein Gen namens ZNF558 ab, das beim Menschen hingegen aktiv ist und eine wichtige Rolle für die Hirnentwicklung spielt.

Gehirngröße und Neuronenzahl

Im Allgemeinen wächst bei Säugetieren mit der Körpergröße auch das Volumen des Gehirns. Der Mensch scheint diese Gesetzmäßigkeit jedoch zu durchbrechen, da sein Gehirn fünf- bis siebenmal größer ist, als man es von einem „normalen“ Säugetier unserer Größe erwarten würde. Die brasilianische Neurowissenschaftlerin Suzana Herculano-Houzel von der Vanderbilt University hat mittels eines neuen Verfahrens die Zahl der Nervenzellen im Gehirn verschiedener Spezies bestimmt. Sie fand heraus, dass das menschliche Gehirn mit durchschnittlich 16 Milliarden Neuronen fast mehr als dreimal so viele Neurone in der Großhirnrinde hat wie der zweimal so große Cortex von Elefanten. Vergleicht man jedoch die Primaten untereinander, ist der Mensch nicht mehr so speziell. Sein Gehirn ist einfach ein großes, aber typisches, Primatengehirn. Der große kognitive Vorteil des Menschen liegt letztlich nicht in der relativen Zunahme des Volumens der Großhirnrinde (im Vergleich zu unserer Körpergröße), sondern in der großen absoluten Menge an Neuronen.

Reifung des Gehirns

Unser Gehirn mit seinen vielen Neuronen entwickelt sich auch nach einem äußerst speziellen Muster: Es reift noch lange nach der Geburt. Das betrifft insbesondere die Reifung des Frontalhirns, die sich etwa dreimal länger hinzieht als bei anderen Menschenaffen. Gleichzeitig werden Babys viel kürzer gestillt als der Nachwuchs von Affen. Damit ist nicht nur die Mutter in der Pflicht, sondern auch andere Erwachsene. Dies hat weitreichende Folgen in Sachen Prosozialität und der Notwendigkeit, enge soziale Gruppen, inklusive stabiler Familien, auszubilden.

Lesen Sie auch: Faszination Nesseltiere: Wie sie ohne Gehirn leben

Kognitive Fähigkeiten

Werkzeuggebrauch und kulturelle Weitergabe

Die Herstellung von Werkzeugen schien lange Zeit ein Alleinstellungsmerkmal des Menschen zu sein. Doch mittlerweile ist bekannt, dass auch Tiere gezielt Werkzeuge basteln. Gleichwohl ermöglichten Schneidewerkzeuge und später die Erfindung des Kochens neue Essgewohnheiten. Fleisch wurde leichter verdaulich und die gesparte Energie deckte den Hunger eines größer werdenden Gehirns. Die sozialen Fertigkeiten und Sprache ermöglichten dem Menschen eine einzigartige kulturelle Weitergabe und Anhäufung von Wissen.

Michael Tomasello, Co-Direktor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, sieht in den immensen sozialen Fertigkeiten des Menschen dessen Einzigartigkeit. Die kulturelle Weitergabe ermöglicht es dem Menschen, kulturelles Wissen und Techniken anzuhäufen. Kulturelles Lernen unterscheidet sich dabei von sozialem Lernen, das auch andere Primaten beherrschen. Bei sozialem Lernen lernen nicht-menschliche Primaten etwas von einem Artgenossen durch reine Beobachtung, etwa welche Früchte man essen kann. Kulturelles Lernen bei Menschen bedeutet hingegen, sich durch einen anderen etwas anzueignen.

Soziale Beziehungen und Prosozialität

Der britische Anthropologe Robin Dunbar von der Uni Oxford glaubt, dass bei Primaten die Komplexität sozialer Beziehungen und die Entwicklung einer größeren Großhirnrinde Hand in Hand gingen. Er stieß auf eine Korrelation zwischen der Größe des Cortex und der Größe der sozialen Gruppe sowie der Komplexität der entsprechenden sozialen Interaktionen. Schimpansen leben in Gruppen von rund 50 Individuen, während Menschen Teil eines sozialen Kreises von ca. 150 Menschen sind, was der typischen Größe sozialer Gemeinden in kleinen Gesellschaften und persönlichen sozialen Netzwerken entspricht. Eine zunehmend komplexere Gruppendynamik erfordert auch zunehmend Fähigkeiten, die Gedanken und Emotionen von anderen zu verstehen.

Die lange Reifung des Gehirns beim Menschen erfordert, dass sich die Eltern auch nach der Geburt noch lange um den Nachwuchs kümmern. Darin könnte eine der Wurzeln der menschlichen Prosozialität liegen. Anders als Schimpansen wachsen Menschenkinder in Familien mit mehreren Geschwistern auf. Daher mussten wir lernen, die Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen und schon früh im Leben Bindungen einzugehen. Hierin sieht Hublin die Wurzeln unserer Fähigkeit, komplexe soziale Netzwerke aufzubauen.

Sprache und Kommunikation

Auch hinsichtlich der menschlichen Sprache - für die kulturelle Weitergabe von Wissen äußerst wichtig - finden sich im Tierreich Vorstufen. So drücken Säugetiere nicht nur Emotionen wie Freude aus, sondern kommunizieren etwa auch Informationen über herannahende Feinde. Menschenaffen kann man durchaus einige Dutzend Wörter in Gebärdensprache oder auf einer Computertastatur beibringen. Sie kommen allerdings nicht über das Stadium von Sätzen mit zwei bis drei Wörtern hinaus. Die typisch menschliche Sprachfähigkeit entstand als soziales Instrument - angelegt ganz offensichtlich, um als Band innerhalb, aber als Barriere zwischen Gruppen zu wirken.

Lesen Sie auch: Lesen Sie mehr über die neuesten Fortschritte in der Neurowissenschaft.

Bewusstsein und Selbstwahrnehmung

René Descartes formulierte bereits im 17. Jahrhundert die Frage nach dem Bewusstsein. Tiere nehmen die Welt wahr und reagieren auf unmittelbare Gefahren, aber verfügen sie auch über ein Selbst-Bewusstsein und Ich-Bewusstsein? Einige Tiere, wie Menschenaffen und Papageien, erkennen sich im Spiegel. Die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und zu verstehen, was jemand in einer bestimmten Situation tun würde, ist ein weiteres Indiz für ein höheres Bewusstsein. Das Erkennen der Endlichkeit der eigenen Existenz ist vermutlich eine weitere Fähigkeit, die lange vor dem Homo sapiens entstanden ist.

Evolutionäre Aspekte

Evolution des Gehirns

Die Evolution der menschlichen Linie ist untrennbar mit der Evolution des Gehirns verknüpft. Das Gehirnvolumen heute lebender Menschen ist etwa dreimal so groß wie das von Schimpansen. Vor allem in den letzten zwei Millionen Jahren kam es zu einer dramatischen Größenzunahme des menschlichen Gehirns. Diskussionen über die kognitiven Fähigkeiten unserer fossilen Vorfahren oder Verwandten drehen sich daher meist um archäologische Funde und Schädelvolumen. Das Volumen allein kann aber die herausragenden Fähigkeiten des menschlichen Gehirns nicht hinreichend erklären. Für die kognitiven Fähigkeiten ist die innere Struktur des Gehirns wichtiger als dessen Größe. Diese Vernetzung des Gehirns wird in den ersten Lebensjahren angelegt.

Um das menschliche Gehirn besser zu verstehen, muss man sechs Millionen Jahre zurückblicken, zu dem Zeitpunkt, als die Schimpansenlinie sich von der Linie der menschlichen Vorfahren, der sogenannten Homininen, trennte. Vor etwa sechs Millionen Jahren entwickelte sich innerhalb der Linie der Homininen eine für Primaten ungewöhnliche Art der Fortbewegung: der aufrechte Gang. Die Evolution des aufrechten Gangs ging der dramatischen evolutionären Expansion des Gehirnvolumens um bis zu vier Millionen Jahre voraus.

Energieverbrauch und Ernährung

Schon lange sind sich Wissenschaftler der Tatsache bewusst, dass wir uns durch unser übergroßes, energiehungriges Gehirn von anderen Menschenaffen wie beispielsweise Schimpansen unterscheiden. Das menschliche Gehirn verbraucht 20 Prozent unserer Energie. Die Antwort, wie und warum genau das menschliche Gehirn so groß wurde, ist vermutlich komplex und bezieht mehrere Faktoren mit ein, darunter auch die Fähigkeit, Nahrung über dem Feuer zuzubereiten und dadurch leichter verdaulich zu machen. Als unsere Vorfahren das Kochen erfanden, verwandelten sich Knollenfrüchte und andere stärkehaltige Pflanzen in eine exzellente Hirnnahrung. Das Enzym Amylase hilft dabei, Kohlenhydrate in die Glucose umzuwandeln, die das Gehirn benötigt.

Neandertaler und moderne Menschen

Ob es zwischen Neandertalern und modernen Menschen Unterschiede in geistigen und sozialen Fähigkeiten gab, ist eines der großen Streitthemen in der Anthropologie und Archäologie. Da Neandertaler und moderne Menschen ähnlich große Gehirne hatten, gehen einige Forscher davon aus, dass auch die kognitiven Fähigkeiten dieser Spezies ähnlich gewesen sein mussten. Manche archäologischen Befunde deuten allerdings auf Unterschiede im Verhalten zwischen modernen Menschen und Neandertalern hin. So konnten Wissenschaftler nachweisen, dass sich das Muster der endocranialen Gestaltveränderung direkt nach der Geburt zwischen Neandertalern und modernen Menschen unterscheidet. Moderne Menschen unterscheiden sich von Neandertalern in einer frühen Phase der Gehirnentwicklung. Sobald die Milchzähne durchgebrochen sind, unterscheiden sich die Wachstumsmuster dieser beiden Menschengruppen allerdings nicht mehr. Diese Entwicklungsunterschiede direkt nach der Geburt könnten Auswirkungen auf die neuronale und synaptische Organisation des Gehirns haben.

Lesen Sie auch: Tinnitus und Gehirnaktivität: Ein detaillierter Einblick

tags: #gehirn #mensch #tier #unterschiede