Die Tuberöse Sklerose (TSC), auch bekannt als Tuberous Sclerosis Complex oder Morbus Bourneville-Pringle, ist eine komplexe, autosomal-dominant vererbte Multisystemerkrankung. Sie gehört zur Gruppe der Phakomatosen (neurokutane Syndrome). Die Inzidenz wird mit etwa 1:7.000 angegeben. Charakteristisch für die TSC sind multiple, lokale Areale unvollständiger und abnormer Gewebedifferenzierung, sogenannte Hamartien, die bei verstärkter Proliferation als Hamartome bezeichnet werden, aber gutartig bleiben. TSC kann sich in fast allen Organen manifestieren, wobei Gehirn, Herz, Nieren, Lunge, Haut und Augen am häufigsten betroffen sind. Die Organmanifestationen sind jedoch alle fakultativ, keines dieser Symptome ist immer nachweisbar. Einige Symptome haben keinen Krankheitswert, weisen jedoch darauf hin, dass die betroffene Person Anlageträger ist.
Die Erkrankung tritt oft schon im Säuglings- oder Kindesalter auf, es gibt aber auch noch Diagnosen bei Erwachsenen. Die Ausprägung der Erkrankung kann von vergleichsweise milden Verläufen bis hin zu schwerwiegenden Krankheitsbildern variieren.
Genetische Grundlagen und Ursachen
Ursache der Tuberösen Sklerose sind Mutationen in den Genen TSC1 (kodiert für Hamartin, Chromosom 9q34) oder TSC2 (kodiert für Tuberin, Chromosom 16p13.3). Diese Gene liefern gewissermaßen den Bauplan zur Herstellung der beiden Proteine Hamartin (=TSC1) und Tuberin (=TSC2). Mutationen sind als Fehler in diesem Bauplan zu betrachten, die zur Folge haben, dass die Proteine nicht mehr richtig hergestellt werden können. Hamartin und Tuberin gehören zu einem TSC-Proteinkomplex, einem negativen Regulator des mTOR-Signalwegs. Der mTOR-Signalweg fungiert als wichtiger Regulator von Tumorzellwachstum, -teilung und -stoffwechsel sowie der Angiogenese. Liegt ein Funktionsverlust des TSC-Proteinkomplexes vor, kommt es zu einer permanenten und übermäßigen Aktivierung des mTOR-Signalwegs mit konsekutiver Entstehung der Gewebefehlbildungen und der zumeist gutartigen Tumoren.
Molekulare Ursachen sind pathogene Varianten im TSC1- und TSC2-Gen. In Familien mit mehreren Betroffenen sind Varianten des TSC1- und des TSC2-Gens gleich häufig, 70% der TSC-Fälle treten allerdings sporadisch durch Neumutationen auf, wobei in diesen Fällen nur in 10-15% TSC1 und in 70% TSC2 verändert ist. Insgesamt sind TSC2-Varianten drei- bis viermal häufiger als TSC1-Varianten. Bei beiden TSC-Genen handelt es sich um Tumorsuppressor-Gene, die auf zellulärer Ebene rezessiv wirken, d.h. nur dann zur lokalen Entstehung von Hamartomen führen, wenn durch zwei unabhängige Varianten beide homologen TSC-Gene inaktiviert wurden.
Die Varianten sind in beiden TSC-Genen über nahezu alle Exons bzw. angrenzende Intronsequenzen verteilt und umfassen alle Mutationstypen. Im TSC1-Gen machen Varianten, die zum vorzeitigen translationalen Stop führen, mit ca. 90% den Hauptanteil aus. Dagegen sind pathogene Missense-Varianten und größere genomische Deletionen mit weniger als 6% bzw. 3% relativ selten. Im TSC2-Gen sind alle Arten von kleinen Nukleotidveränderungen etwa gleich häufig, wobei die Konsequenz ebenfalls in 75% ein vorzeitiger translationaler Stop ist. Verluste größerer Genbereiche machen etwa 5% aus, wobei in 4,5% Teile des Gens und 0,5% das gesamte Gen betreffen. Von den kompletten Gendeletionen ist in der Hälfte neben dem TSC2-Gen zusätzlich das chromosomal benachbarte PKD1-Gen für die autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) betroffen.
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Da Tuberöse Sklerose Complex autosomal dominant vererbt wird, genügt bereits die Veränderung einer dieser beiden Kopien, um die Erkrankung zu verursachen. Ein Drittel der Fälle wird von Mutter oder Vater vererbt. Der unterschiedlich schwere Verlauf der Krankheit kann jedoch nur teilweise auf die verschiedenen genetischen Veränderungen zurückgeführt werden. Patienten mit Mutationen im TSC2-Gen sind im Durchschnitt zwar etwas schwerer betroffen als solche, bei denen Mutationen im TSC1-Gen gefunden werden, jedoch weitaus nicht immer. Es kann also nicht pauschal vom Genotyp auf den Phänotyp und einer bestimmten Mutation abgeleitet werden kann.
Hautmanifestationen der Tuberösen Sklerose
TSC gehört zu den neurokutanen Syndromen. Das heißt, dass neben dem Nervensystem (neuro-) typischerweise auch die Haut (-kutan, von lat. cutis) betroffen ist. Zu den typischen Hautveränderungen gehören:
Hypomelanotische Flecken: Hypomelanotische Flecken (> 5 mm, i.d.R ca. Hypomelanotischer Fleck („white spot“). Sie werden oft als "Ash-Leaf-Spots" bezeichnet und sind häufig schon bei der Geburt vorhanden oder entwickeln sich in den ersten Lebensjahren. Sie können mit Vitiligo beobachteten Hypopigmentierung verwechselt werden. Vitiligo ist unbekannt, aber genetische und autoimmune Faktoren werden diskutiert. Klinisch manifestiert sich die Erkrankung durch hypopigmentierte oder depigmentierte Makulae oder Flecken. Beratung bzgl. Vitiligo: häufigste Depigmentierungsstörung; verursacht durch den Verlust von Melanozyten.
Angiofibrome: Adenoma sebaceum (Angiofibrome der Haut, wie ein vesikopapulöses Exanthem oder Akne im Gesicht). Faziale Angiofibrome treten etwas seltener auf. Gesichts rot färben. Diese ein bis vier Millimeter großen Knötchen sind typischerweise auf der Nase, den Wangen und am Kinn lokalisiert und in Form eines Schmetterlings verteilt. enthaltenen Gefäße neigen sie bei Verletzung leicht zum Bluten. einem Alter von sechs Jahren angewendet werden kann. Laserbehandlungen oder bei sehr schweren Verläufen chirurgische Verfahren in Betracht gezogen werden. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Angiofibrome wieder nachwachsen.
Pflasterstein-Muttermale (Shagreen-Patch): Shagreen-Patch im unteren Rückenbereich. bis zum zehnten Lebensjahr entwickeln. kleine Pflastersteine aneinandergereiht worden wären. So kann sich eine Ausdehnung von mehreren Zentimetern im Durchmesser für ein Pflasterstein-Muttermal ergeben.
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Stirn-Fibrome: der Patienten an der Stirn oder auf der behaarten Kopfhaut, meist an der Stirn-Haar-Grenze, auftreten. mehreren Zentimetern erreichen. Sie bestehen, wie auch die Pflasterstein-Muttermale, entweder schon bei Geburt oder entwickeln sich innerhalb der ersten zehn Lebensjahre.
Nagelfalz-Fibrome (Koenen-Tumoren): Später als die übrigen Hautveränderungen können im Weiteren Nagelfalz-Fibrome, auch als Koenen-Tumoren oder unguale Fibrome bezeichnet, hinzutreten. kleinen, hautfarbenen Knötchen befinden sich an den seitlichen Nagelrändern oder in der Nagelwachstumszone. Wuchsrichtung oder Lokalisation z. B. Druck im Schuh verursachen und dadurch schmerzen oder bluten.
Weitere Organmanifestationen
Neben den Hautveränderungen können bei der Tuberösen Sklerose auch andere Organe betroffen sein:
- Gehirn: Die Bildung der Hirntumoren hat häufig Epilepsien, eine unterschiedlich schwere mentale Retardierung oder/und Autismus zur Folge. Bei einem Teil der Kinder mit TSC treten infantile Spasmen auf. ZNS: Fehlbildungstumoren (Hamartome) am Kortex und in periventrikulärer Lokalisation. Subependymale Riesenzellastrozytome. Tuber corticale (Dysplasie, im MRT sichtbar). Das Gehirn ist eines der am frühesten und häufigsten betroffenen Gewebe. TSC kann mit einer Reihe von neuropsychiatrischen Störungen verbunden sein. Von neuropsychiatrischen Symptomen, wie mentaler Retardierung, Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung, Autismus-Spektrum-Störungen, selbstverletzendem Verhalten, Angst- und Zwangsstörungen, wurde ebenfalls berichtet.
- Nieren: Akute renale Blutungen sowie eine terminale Niereninsuffizienz zählen zu den häufigsten Todesursachen bei Patienten mit einer TSC. Angiomyolipome mit Wachstumstendenz und Neigung zu spontanen Rupturen mit lebensbedrohlichen Blutungen. Niere: Flankenschmerzen oder tastbarer Tumor. Bei mehr als der Hälfte der TSC-Betroffenen sind Tumoren an der Niere bereits vor dem 10. Lebensjahr zu finden, im Erwachsenenalter bei etwa 75 %. lebensbedrohlichen inneren Blutungen führen. In den Nieren kann tuberöse Sklerose zur Bildung von Tumoren führen, die Blutungen auslösen können (Angiomyolipome). Auch Nierenzysten sind häufig. Nierenkrebs tritt bei Personen mit tuberöser Sklerose häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung.
- Herz: Tumoren am Herzen können per Ultraschall schon vorgeburtlich entdeckt werden und geben dann häufig den ersten Hinweis auf die Erkrankung. Fetale Herztumore (Rhabdomyome) können z. B. Herzklappen oder Herzkammern verengen und zu verminderter Kontraktionsfähigkeit des Herzens führen. Dies kann Erkrankungen des Herzmuskels zur Folge haben (Kardiomyopathie). Die Rhabdomyome verschwinden aber häufig in den ersten Lebensjahren ohne größere Folgen.
- Lunge: Etwa ein Drittel der erwachsenen Frauen haben eine Lymphangioleiomyomatose (LAM). In der Lunge treten Zysten auf, die symptomlos sein, aber im Falle eines Risses zu einem Pneumothorax (krankhafte Luftansammlung im Brustkorb) führen können. Außerdem kann es zu Veränderungen der glatten Muskulatur kommen, die im Verlauf Lungenfunktionsstörungen und eine Herzbelastung mit sich bringen können. Die hauptsächlichen Komplikationen betreffen das zentrale Nervensystem (Krampfanfälle, erhöhter Hirndruck), die Nieren (Ruptur von Zysten und Angiomyolipomen) und bei Erwachsenen die Lungen (Ruptur von Alveolen bei Lymphangioleiomyomatose).
- Augen: Bei etwa 30 - 50 % der TSC-Betroffenen finden sich häufig bereits schon ab dem frühen Kindesalter gutartige Gewebsveränderungen der Netzhaut. Können zur Einschränkung des Sehfelds oder Sehvermögens führen.
- Zähne und Mundraum: Zahnschmelzdefekte sowie Zahnfleischfibrome sind weitere Veränderungen, die in Verbindung mit Tuberöse Sklerose Complex recht häufig auftreten können. Typisch sind Defekte des Zahnschmelzes und gutartige Tumore im Bereich des Zahnfleisches.
Diagnose
Anhand der aktualisierten, 2013 veröffentlichten diagnostischen Kriterien kann die Diagnose Tuberöse Sklerose (TSC) sowohl genetisch als auch klinisch gestellt werden. Demnach ist der alleinige Nachweis einer pathogenen Variante im TSC1- oder TSC2-Gen ausreichend für die Diagnosestellung. Die Diagnose wird klinisch anhand von bestimmten Kriterien gestellt und durch die Gendiagnostik bestätigt. Klinischer V. a. Bei Verdacht auf tuberöse Sklerose werden in der Regel unterschiedliche Untersuchungen durchgeführt. Die Haut wird untersucht, Blut und Urin analysiert, der Blutdruck gemessen, ein EKG geschrieben und weitere Untersuchungen bei Spezialistinnen durchgeführt: Eine CT oder MRT des Gehirns lässt die typischen Veränderungen im Gehirn erkennen. Ultraschalluntersuchungen können Nierenzysten und -tumore aufzeigen und werden auch eingesetzt, um Herzerkrankungen aufzuspüren, die bei Neugeborenen und Kleinkindern mit tuberöser Sklerose häufig sind. Eltern und Geschwister betroffener Patientinnen können genetisch untersucht werden.
Die Diagnose der Erkrankung ist klinisch möglich, entweder liegen zwei Hauptsymptome vor oder 1 Hauptsymptom und 2 Nebensymptome (s. u.). Nebensymptome: multiple Nierenzysten, nichtrenale Hamartome, hamartomatöse rektale Polypen, Knochenzysten, gingivale Fibrome, Hautläsionen, multiple dentale Schmelzgruben. Eine molekulargenetische Analyse ist zeit- und kostenaufwändig und führt nicht immer zum Nachweis der verursachenden Mutation.
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Therapie
Die Therapie ist symptomatisch. Seit einigen Jahren steht ein mTOR-Inhibitor (Everolimus) zur Verfügung. Ein interdisziplinärer Therapieansatz zielt darauf ab, die vielseitigen klinischen Manifestationen zu überwachen und zu behandeln. Die Therapie ist symptomatisch, antiepileptisch sowie heilpädagogisch. Als neue Behandlungsmethode steht nun die Behandlung mit mTOR1-Inhibitoren (Sirolimus, Everolimus) zur Verfügung. Beratung bzgl.
Tuberöse Sklerose ist nicht heilbar. Behandlungsziele sind eine Verbesserung der Lebensqualität, Symptombekämpfung und Vermeidung von Komplikationen. Die Behandlung besteht aus verschiedenen Maßnahmen, damit das Kind so normal wie möglich heranwachsen und sich entwickeln kann. Je nach Ausmaß der Erkrankung sind bei Kindern unterschiedliche Behandlungen erforderlich. Einzelne Kinder benötigen zusätzliche Unterstützung, um Dinge zu lernen, die andere Kinder leicht lernen. Viele Patientinnen mit tuberöser Sklerose benötigen Antiepileptika, um Anfällen vorzubeugen. Das Medikament Everolimus (EVE), kann bei therapieresistenten Epilepsien zu Erfolgen führen, wirkt aber immunsuppressiv und kann Nebenwirkungen haben. Eine fettreiche Ernährung, eine sog. ketogene Diät, kann sich bei Patientinnen mit häufigen epileptischen Anfällen positiv auswirken. Zudem können andere Medikamente erforderlich sein, z. B. Herzmedikamente. Darüber hinaus können die Tumore gelegentlich so groß werden, dass sie einen operativen Eingriff erfordern. Regelmäßige zahnmedizinische Untersuchungen sind wichtig.
Urologische Therapie: Regelmäßige Bildgebung der Nieren, die Nierenzellkarzinome können sich bei tuberöser Sklerose in sehr jungem Alter manifestieren. Neurologische Therapie: Gegen die Epilepsie und Spastik.
Prognose
Renale Komplikationen (Nierenzellkarzinom, rupturierte Angiomyolipome, Niereninsuffizienz) bestimmen die Prognose. Die Ausprägung der Symptome und Einschränkungen kann sehr unterschiedlich sein. Patientinnen mit Epilepsie, die vor dem 12. Lebensmonat auftritt, haben eine schlechtere Prognose hinsichtlich ihrer Beschwerden. Eine gute Anfallskontrolle scheint sich positiv auf geistige Entwicklungsprozesse auszuwirken. Der Umfang der Behandlung hängt teilweise vom Ausmaß der Erkrankung und den betroffenen Organsystem ab. Im Allgemeinen sollten sich Patientinnen mindestens zu jährlichen Routinekontrollen bei Hausärztinnen und anderen Spezialistinnen (wie Neurolog*innen) vorstellen.
Bedeutung der Früherkennung und interdisziplinären Betreuung
Eine frühzeitige diagnostische Absicherung empfiehlt sich zur Prävention und zur Therapie von Betroffenen. Patienten mit nachgewiesener Mutation im TSC1- oder im TSC2-Gen wird eine früh einsetzende Vorsorge empfohlen. Zur Vorbeugung von Komplikationen sollten regelmäßige Kontrolluntersuchungen sowie ggf. Das TSC Zentrum ist durch den Tuberöse Sklerose Deutschland e.V.
In unserem iSPZ arbeiten Ärztinnen und Ärzte, Psychologinnen, Therapeutinnen und medizinisch-technisches Personal zusammen, um die bestmögliche Versorgung für Kinder mit Tuberöser Sklerose zu ermöglichen. Zusammen mit dem Dr. von Haunerschen Kinderspital und weiteren Kliniken der Universität München bieten wir ein Netzwerk mit Expertise zu allen Aspekten der Tuberösen Sklerose (Epilepsie, Nephrologie, Genetik, Kardiologie, Neurochirurgie, Dermatologie, Onkologie, Augenheilkunde, Zahnmedizin).
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