Die Gehirn-Muskel-Verbindung, oft auch als Mind-Muscle-Connection bezeichnet, ist ein Konzept, das im Sport und insbesondere im Krafttraining eine wichtige Rolle spielt. Es beschreibt die bewusste Ansteuerung der Muskulatur während einer Übung, also die gezielte Nutzung der Verbindung zwischen Geist und Muskel. Wie diese Verbindung aufgebaut ist, wie sie funktioniert und wie man sie verbessern kann, wird im Folgenden erläutert.
Die Grundlagen der Muskelkontraktion
Um die Gehirn-Muskel-Verbindung zu verstehen, ist es wichtig, die Grundlagen der Muskelkontraktion zu kennen. Jeder Muskel, den wir beanspruchen, erhält vom Gehirn die Information dafür. Über das zentrale Nervensystem bekommt der Muskel das Signal, sich zusammenzuziehen. An diesem Vorgang ist der Neurotransmitter Acetylcholin beteiligt. Acetylcholin ist unter anderem für die Muskelkontraktion zuständig. Der Neurotransmitter dockt an spezielle Rezeptoren der Muskelzelle an. Dadurch öffnen sich Ionenkanäle und es findet eine chemische Reaktion statt - der Muskel zieht sich zusammen.
Die Rolle der motorischen Endplatte
Die motorische Endplatte ist die Kontaktstelle zwischen einer Nerven- und einer Muskelzelle. Sie ist genauso aufgebaut wie eine „normale“ Synapse. Zunächst erreicht ein Aktionspotential das Endknöpfchen der Nervenzelle. Darunter versteht man eine Abweichung der Spannung von der im Ruhezustand (Ruhepotential). Daraufhin öffnen sich Calciumionenkanäle, was zur Freisetzung des Neurotransmitters Acetylcholin aus den Vesikeln in den synaptischen Spalt führt. Dazu verschmelzen die Vesikel mit der Membran.
Nachdem sich der Transmitter zur postsynaptischen Membran bewegt hat, kann er dort an spezifische - sogenannte nikotinerge Acetylcholin-Rezeptoren - binden. Diese Art von Rezeptor wird als ionotrop bezeichnet, was bedeutet, dass er gleichzeitig auch einen Ionenkanal bildet. Durch die Bindung von Acetylcholin öffnen sich die Ionenkanäle und positive Ionen strömen in die Muskelzelle. Ein sogenanntes Endplattenpotential entsteht und breitet sich aus.
Der Neurotransmitter Acetylcholin löst sich nach einer Weile wieder von seinem Rezeptor. Das Enzym Acetylcholinesterase baut dann das freie Acetylcholin im synaptischen Spalt ab, indem es es in Acetat und Cholin spaltet. Die Moleküle können dann von der Präsynapse wieder aufgenommen und recycelt werden. Die Präsynapse bildet daraus neues Acetylcholin und verpackt es wieder in Vesikel.
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Was ist die Gehirn-Muskel-Verbindung?
Die Mind-Muscle-Connection (deutsch: Geist-Muskel-Verbindung) beschreibt vereinfacht gesagt die Verknüpfung zwischen Gehirn und Muskeln. Das Prinzip dahinter ist einfach: Bevor man einen Muskel beanspruchen kann, muss das Gehirn zunächst ein entsprechendes Signal senden. Das vom Gehirn gesendete Signal gelangt über das zentrale Nervensystem zum Muskel und lässt ihn kontrahieren. Dabei wird der Neurotransmitter „Acetylcholin“ freigesetzt, der unter anderem die Muskelkontraktion auslöst. In der Praxis steuert man also beim Ausführen einer Übung bewusst bestimmte Zielmuskeln an, indem man sich auf deren Anspannung und Bewegung konzentriert.
Am Beispiel der Kniebeuge lässt sich das Prinzip der Muscle Mind Connection gut veranschaulichen: Führe die Übung aus und fokussiere dich auf die vordere Oberschenkel- oder die Po-Muskulatur.
Die Vorteile einer starken Gehirn-Muskel-Verbindung
Eine starke Mind-Muscle-Connection sorgt dafür, dass man durch bewussteres Training eine bessere Muskelkoordination erlangt. Man lernt, sich besser auf eine bestimmte Muskelgruppe zu fokussieren und intensiver zu trainieren. Während man etwa beim Krafttraining eine bestimmte Bewegung ausführt, konzentriert man sich ganz gezielt auf die Muskelkontraktion. Das Signal, das das Gehirn an die Muskeln sendet, um die Bewegung auszuführen, wird durch den mentalen Fokus gestärkt und der Effekt deutlich gesteigert.
- Effektiverer Muskelaufbau: Durch das Training kann man effektiver Muskelmasse aufbauen. Nicht das Trainingspensum ist entscheidend, sondern die Qualität. Je stärker die Geist-Muskel-Verbindung ist, desto gezielter kann man die Muskeln, die man trainieren möchte, ansprechen. So holt man das volle Potenzial aus dem Training und aktiviert mehr Muskelfasern.
- Verbesserte Körperwahrnehmung: Durch eine gute Geist-Muskel-Verbindung spürt man seinen Körper besser. Dadurch merkt man schneller, wenn man Übungen falsch ausführt. Möglicherweise krümmt man seinen Rücken beim Training oder man beansprucht eine Körperseite stärker als die andere. Das kann zu Verletzungen führen. Zudem führt man Übungen sauberer aus, wenn man fokussierter ist.
- Ausgleich von Asymmetrien: Mit der Muscle-Mind-Connection kann man Asymmetrien gezielt ausgleichen. Für dich ist das Training mehr lästiges Übel als Spaß? Das kann daran liegen, dass man nicht voll bei der Sache ist. Häufig schweifen wir mit unseren Gedanken ab und überlegen, was wir zu Hause noch alles erledigen müssen. Eine gute Mind-Muscle-Connection hilft dir, dich voll und ganz auf das Training einzulassen. Wenn dir das gelingt und du jeden Muskel bewusst spürst, wirst du merken, dass du schnell in einen “Flow” kommst. Du trainierst bis an die Grenze deiner Leistungsfähigkeit und erzielst schnell Erfolge. Das motiviert und steigert die Freude am Sport.
- Mehr Motivation und Spaß: Die volle Konzentration auf die Muskeln bedeutet auch, dass kein Platz mehr für abschweifende Gedanken oder Ablenkung ist. Mit einer starken Mind Muscle Connection können Sie in Ihren Übungen auch andere beteiligte Muskelgruppen aktivieren, um mehr Kraft auszuüben.
Studien zur Wirksamkeit der Mind-Muscle-Connection
Es gibt Studien, die sich mit der Wirksamkeit der Mind-Muscle-Connection beschäftigt haben. So zum Beispiel eine Studie von Calatayud & Co., bei der mittels EMG (Elektromyographie) die Muskelspannung der Probanden beim Bankdrücken gemessen wurde.
Eine amerikanische neuropsychologische Studie fand heraus, dass die bloße Vorstellungskraft genügt, um Effekte zu erzielen. Teilnehmer der Studie führten über drei Monate für 15 Minuten täglich rein mentale Kontraktionen ihrer Muskeln im kleinen Finger durch - ohne diesen tatsächlich zu bewegen. Das Ergebnis: Nach 12 Wochen hatten sie allein durch die Vorstellung ihre Muskelkraft um 35 Prozent gesteigert. Die Vergleichsgruppe, die während der Studiendauer wirklich ihre Muskeln einsetzte, steigerte die Muskelkraft um 53 Prozent. Zahlreiche ähnliche wissenschaftliche Untersuchungen bestätigten den unglaublichen Effekt von mentalem Training. Um das Beste aus dir rauszuholen, macht es also Sinn, Geist und Körper trainieren.
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Wie man eine solide Mind-Muscle-Connection aufbaut
Die Basis für eine effektive Geist-Muskel-Verbindung ist, dass man sich voll und ganz auf sein Training fokussiert. Führen Sie die Übungen lieber mit weniger Gewicht, dafür aber langsam und kontrolliert aus. Bleiben Sie am Ball.
- Konzentration: Die Basis für eine effektive Geist-Muskel-Verbindung ist, dass man sich voll und ganz auf sein Training fokussiert. Hektik und Stress lassen die Gedanken beim Training schnell abschweifen. Damit man eine Verbindung zwischen Geist und Muskeln herstellen kann, muss man mit seinem Kopf zu 100 Prozent beim Training sein.
- Regelmäßigkeit: Bleiben Sie am Ball. Eine gute Geist-Muskel-Verbindung baust du nicht über Nacht auf. Es ist wichtig, dass du vor allem am Anfang sehr bewusst trainierst. Erinnere dich immer wieder daran, deinen Muskel zu spüren und zu aktivieren.
- Weniger Gewicht, langsame Ausführung: Zu schwere Gewichte können das Training ineffizient machen. Wähle Gewichte, die dich fordern, aber nicht überfordern. Indem du die Bewegungen langsam ausführst, spürst du sie besonders intensiv. Du merkst den Spannungsaufbau und auch, wenn du die maximale Anspannung erreicht hast. Halte kurz in dieser Position. Entspanne den Muskel dann wieder ganz bewusst.
- Visualisierung: Während man eine Übung ausführt, denke an den Muskel, den man gerade trainiert. Stelle dir bildlich vor, wie er sich bewegt, anspannt und wieder entspannt. Noch stärker ist der Effekt, wenn man zusätzlich vor dem Spiegel posierst. Das ist im ersten Moment für viele ungewohnt und unangenehm. Doch wenn du siehst, wie sich deine Muskeln anspannen, festigen sich die vom Gehirn gesendeten Signale besser.
- Isolationsübungen: Isolationsübungen eignen sich besonders gut, um ein tieferes Verständnis für die Funktionsweise von Muskeln zu entwickeln. Bei Übungen wie dem Wadenheben oder Bizeps-Curl, die ohne die Unterstützung von Hilfsmuskeln auskommen, ist diese Rolle eindeutig vergeben.
Geeignete Übungen zur Stärkung der Gehirn-Muskel-Verbindung
Es gibt drei Arten von Übungen, die sich besonders gut dafür eignen, die Geist-Muskel-Verbindung zu stärken. Dazu zählen statische Übungen, Gleichgewichtsübungen und Isolationsübungen.
- Statische Übungen: Das sind zum Beispiel Plank-Varianten oder der Wall Sit, also Übungen, in denen man über längere Zeit in einer Position verbleibt. Bei statischen Übungen verweilst du möglichst lange in einer bestimmten Position. Planks, auf Deutsch Unterarmliegestütz, sind die effektivsten Mind-Muscle-Übungen. Um eine Plank zu machen, lege dich mit dem Bauch auf den Boden. Stütze dich so auf deine Unterarme, dass sich deine Ellenbogen unter deinen Schultern befinden. Hebe deinen Körper an. Deine Schultern, dein Rumpf, dein Gesäß und dein Nacken bilden eine Linie. Nur die Unterarme, Zehen und Fußballen haben Kontakt zum Boden. Der Blick ist nach unten gerichtet. Eine gute statische Übung für das Warm-Up ist der Wandsitz. Stelle dich mit dem Rücken an die Wand. Schiebe dein Gesäß so weit runter, bis du in einer sitzenden Position bist. Deine Beine bilden einen 90-Grad-Winkel. Ideal zum Aufwärmen ist der Wandsitz. Hierbei handelt es sich um eine statische Übung, die vor allem die Bein- und Rumpfmuskulatur beansprucht. Der klassische Unterarmstütz gehört ebenfalls in den Bereich der statischen Übungen. Er richtet sich an zahlreiche Muskelgruppen, von den Schultern bis zu den Oberschenkeln.
- Gleichgewichtsübungen: Hier ist ein gutes Körpergefühl gefragt. Gleichgewichtsübungen verlangen geistig alles von dir ab. Denn du musst dich sehr auf die Muskelbewegung und dein Körperbewusstsein konzentrieren. Zudem stärkst du die Fähigkeit deiner Muskeln, miteinander zu interagieren. Das alles fördert deine Geist-Muskel-Verbindung. Eine gute Gleichgewichtsübung ist das Balancieren auf einem Bein. Stelle dich hüftbreit hin und spanne den Bauch an. Neige deinen Körper leicht nach vorne und hebe gleichzeitig ein Bein nach hinten an, bis dein Oberkörper und dein Bein ungefähr parallel zum Boden sind. Die Standwaage zählt zu den Gleichgewichtsübungen und fördert das Körperbewusstsein.
- Isolationsübungen: Gemeint sind Übungen, bei denen man gezielt einen Muskel anvisiert (zum Beispiel Ihren Bizeps beim Bizeps Curl). Bei Isolationsübungen trainierst du eine bestimmte Muskelgruppe. So kannst du dich voll und ganz auf das Zusammenspiel zwischen Geist und Muskel konzentrieren. Bizeps Curls ist eine typische Isolationsübung. Beim Bizeps Curl hältst du zwei Kurzhanteln oder eine Langhantel mit einem schulterbreiten Griff. Deine Ellenbogen liegen eng an der Taille an. Nun bewegst du die Hantel bzw. die Hanteln kontrolliert nach oben zur Schulter und langsam wieder herunter. Der Bizeps Curl ist eine klassische Isolationsübung. Wie der Name bereits verrät, trainieren Sie mit der Übung den Bizeps und können gleichzeitig die Verbindung zwischen Muskel und Geist stärken.
Weitere Aspekte für den Trainingserfolg
Für Trainingserfolge spielt neben der richtigen Art des Trainings auch die Ernährung eine wichtige Rolle. Deine Muskeln wachsen nur, wenn du ausreichend Eiweiß zu dir nimmst. Im Idealfall isst du zu jeder Mahlzeit eine Eiweißquelle. Wichtig ist jedoch nicht nur die Menge an Eiweiß, sondern auch die Qualität.
Mentales Vorstellungstraining
Die Kraft der Gedanken kann nicht nur dabei helfen, mehr Muskelmasse aufzubauen, sondern auch die Performance an sich zu pushen. Diverse wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass mentale Imagination im Sport nachweislich die Leistung steigert. Bei diesem Vorstellungstraining imaginierst du wiederholt die Ausführung eines bestimmten motorischen Musters - etwa den Aufschlag beim Tennis, einen bestimmten Tanzschritt oder den Armzug beim Schwimmen. Neurowissenschaftler fanden heraus, dass im Gehirn genau dieselben Areale aktiviert werden, wenn du dir eine Sportübung vorstellst, wie wenn du sie ausführst. Indem du dir also immer wieder denselben Bewegungsablauf vorstellst, stärkst du im Gehirn genau die Neuronen, die für die Aktivität verantwortlich sind.
Das Gehirn als Steuerzentrale
Das Gehirn ist nicht alles, aber ohne das Gehirn läuft nichts. Es ist die Steuerzentrale für lebenswichtige Abläufe im Körper. Das Gehirn besteht aus verschiedenen Teilen und Milliarden von vernetzten Nervenzellen. Das Gehirn steuert alle wichtigen Fähigkeiten des Menschen: was wir wahrnehmen und empfinden, was wir wissen und denken oder wie wir uns verhalten. Es stellt aber auch sicher, dass unsere Organe richtig arbeiten und steuert all unsere Bewegungen. Es nimmt Sinneseindrücke auf und verarbeitet sie. Außerdem speichert es Informationen im Gedächtnis und ruft sie bei Bedarf wieder ab.
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Die Plastizität des Gehirns
Viele Wissenschaftler bezweifeln aber, dass Gehirnjogging-Übungen die generelle Leistungsfähigkeit des Gehirns steigern. Sie gehen davon aus, dass sich der Trainingseffekt nur auf die unmittelbar trainierte Aufgabe auswirkt.
Lernen findet an den Synapsen statt - also den Orten, an denen die elektrischen Signale von einer Nervenzelle zur nächsten übertragen werden. Neurowissenschaftler haben herausgefunden, dass Synapsen die Effektivität der Übertragung variieren können. Man bezeichnet dieses Phänomen auch als synaptische Plastizität. So kann eine Synapse durch einen Vorgang namens Langzeitpotenzierung (LTP) verstärkt werden, indem sie mehr Botenstoff ausschüttet oder mehr Botenstoffrezeptoren bildet.
Die Übertragung von Signalen kann aber nicht nur verstärkt oder abgeschwächt werden, sie kann auch überhaupt erst ermöglicht oder völlig gekappt werden. So wissen Neurowissenschaftler heute, dass Synapsen selbst im erwachsenen Gehirn noch komplett neu gebildet oder abgebaut werden können. An wenigen Stellen wie zum Beispiel im Riechsystem können sogar zeitlebens neue Nervenzellen gebildet werden. Es ist also nicht übertrieben, wenn man sagt: Unser Gehirn gleicht zeitlebens einer Baustelle.
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