Viele Studenten, insbesondere im Fernstudium, kennen die Frustration, wenn der Lernstoff überwältigend erscheint und die Zeit knapp ist. Hohe Abbruchquoten im Fernstudium, wie die von der Fernuniversität Hagen im Jahr 2010 veröffentlichten Zahlen, sind ein deutliches Zeichen dafür. Doch mit den richtigen, gehirnoptimierten Lernmethoden kann man nicht nur das Studium erfolgreich meistern, sondern auch lebenslang von effizientem Lernen profitieren.
Die Herausforderungen des Lernens und die Grenzen traditioneller Methoden
Einer der Hauptgründe für die hohen Abbruchquoten liegt darin, dass viele Studenten nie gelernt haben, wie man wirklich lernt. Sie verlassen sich auf traditionelle Methoden aus der Schulzeit, wie das Schreiben von Zusammenfassungen, das Erstellen von Karteikarten oder das wiederholte Durchlesen von Skripten. Während diese Methoden im Präsenzstudium, wo mehr Zeit zur Verfügung steht, noch funktionieren können, stoßen sie im Fernstudium, oft neben Beruf und Familie, schnell an ihre Grenzen. Die Konsequenz ist, dass man im Studium hinterherhinkt und demotiviert wird. Viele Studenten berichten auch davon, dass sie ihre Freizeit nicht mehr genießen können, weil sie ständig ans Lernen denken oder ein schlechtes Gewissen haben, sobald sie sich entspannen.
Gehirnoptimiertes Lernen: Was ist das?
Gehirnoptimiertes Lernen ist ein Ansatz, der darauf abzielt, Lernmethoden an die Funktionsweise des Gehirns anzupassen. Es unterscheidet sich von reinen Gedächtnistricks und berücksichtigt fundamentale Prinzipien der Neuro- und Kognitionswissenschaften. Es geht darum, die notwendigen Neurotransmitter für die Bildung von Erinnerungen zu aktivieren, den optimalen Abstand für Wiederholungen zu finden und dem Gehirn zu signalisieren, dass der Lernstoff wichtig ist.
Die Prinzipien des gehirnoptimierten Lernens
- Berücksichtigung neuronaler Voraussetzungen: Um Informationen effektiv zu speichern, müssen im Gehirn bestimmte neuronale Voraussetzungen erfüllt sein. Gehirnoptimiertes Lernen berücksichtigt diese Voraussetzungen.
- Optimale Wiederholungsabstände: Der Abstand zwischen den Wiederholungen des Lernstoffs hat einen großen Einfluss auf den langfristigen Lerneffekt. Gehirnoptimiertes Lernen zielt darauf ab, diese Abstände zu optimieren.
- Relevanzsignale für das Gehirn: Das Gehirn muss erkennen, dass der Lernstoff wichtig ist und nicht in der Informationsflut untergehen darf. Gehirnoptimiertes Lernen nutzt Strategien, um diese Relevanzsignale zu senden.
Wie funktioniert gehirnoptimiertes Lernen in der Praxis?
Anstatt stundenlang Zusammenfassungen zu schreiben oder Karteikarten zu erstellen, konzentriert sich das gehirnoptimierte Lernen auf direkte und effiziente Methoden. Ein zentraler Aspekt ist das Lernen direkt mit den Skripten, um Zeit zu sparen und den Lernstoff schneller aufzunehmen.
Lernen mit Skripten
Der schnellste Weg, Wissen aufzunehmen, besteht darin, direkt mit den Skripten zu lernen. Das Wissen steht im Skript und muss ins eigene Gehirn gelangen. Dieser Ansatz vermeidet den Umweg über Zusammenfassungen oder Karteikarten. Studien haben gezeigt, dass das Lernen mit haptischen Materialien, wie ausgedruckten Skripten, effektiver sein kann als das Lernen am Bildschirm. Das liegt daran, dass unser Gehirn beim Arbeiten am Bildschirm oft weniger fokussiert ist und eher nach Dopamin-Kicks sucht.
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Die 3DW-Methode: Ein dreidimensionaler Ansatz für den Studienerfolg
Die von Gabriel Gorbach entwickelte 3DW-Methode (dreidimensionale Würfelmethode) ist ein umfassender Ansatz für gehirnoptimiertes Lernen. Sie berücksichtigt drei wesentliche Bausteine, die den Studienerfolg maßgeblich beeinflussen:
- Umsetzung: Ausreichend Zeit ins Lernen investieren, ohne es aufzuschieben oder sich dazu zwingen zu müssen. Freude am Lernen entwickeln, um langfristig motiviert zu bleiben.
- Lerntechnik: Effiziente Lerntechniken anwenden, die auf den Prinzipien des gehirnoptimierten Lernens basieren, um Wissen schnell aufzunehmen und langfristig zu behalten.
- Erinnerungsfähigkeit: Die Fähigkeit, sich im richtigen Moment an das Gelernte zu erinnern, sei es während der Prüfung oder im Beruf.
Die 3DW-Methode betrachtet diese drei Bausteine als die drei Dimensionen eines Würfels. Der Studienerfolg hängt von der Optimierung aller drei Dimensionen ab.
Mnemotechniken: Listen und Fakten einfach merken
Mnemotechniken, wie das Erstellen von kreativen Geschichten, können helfen, sich Listen und Fakten einzuprägen. Unser Langzeitgedächtnis speichert Informationen anhand ihrer Bedeutung. Indem wir den Lernstoff in eine einprägsame Geschichte verpacken, können wir ihn leichter im Gedächtnis verankern.
Beispiel: Fertigungsarten merken
Um sich die vier Fertigungsarten Werkstattfertigung, Fließfertigung, Gruppenfertigung und Baustellenfertigung zu merken, kann man folgende Geschichte erstellen:
- Man stellt sich eine Autowerkstatt vor.
- Die Werkstatt steht auf einem glänzenden Fliesenboden (Fließfertigung).
- Eine Gruppe von Bauarbeitern steht um das Auto herum (Gruppenfertigung, Baustellenfertigung).
Diese Technik nutzt die Assoziationen und die visuelle Vorstellungskraft, um den Lernstoff einprägsamer zu machen.
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Weitere Methoden und Tipps für gehirnoptimiertes Lernen
Neben den bereits erwähnten Methoden gibt es eine Vielzahl weiterer Strategien, die das gehirnoptimierte Lernen unterstützen können:
- Lernen mit allen Sinnen: Das Gehirn merkt sich Informationen leichter, wenn sie mit verschiedenen Sinneswahrnehmungen verknüpft sind.
- Regelmäßige Wiederholungen: Wiederholungen in regelmäßigen Abständen festigen das Wissen im Gedächtnis.
- Pausen einlegen: Nach 15-20 Minuten lässt die Aufmerksamkeit nach. Kurze Pausen helfen, die Aufmerksamkeit wiederherzustellen und den Lernstoff zu verarbeiten.
- Für eine angenehme Lernumgebung sorgen: Eine geordnete und störungsfreie Umgebung fördert die Konzentration und das Wohlbefinden beim Lernen.
- Den eigenen Biorhythmus berücksichtigen: Die Lernaktivitäten zeitlich und inhaltlich an den individuellen Biorhythmus anpassen.
- Aktives Lernen: Sich aktiv mit dem Lernstoff auseinandersetzen, anstatt ihn nur passiv zu konsumieren.
- Schlaf nutzen: Im Schlaf konsolidiert sich das Gedächtnis und das Gelernte wird vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis transferiert.
Lernmethoden im Überblick: Was funktioniert wirklich?
- Passives Lesen: Eine ineffektive Methode mit geringer Verarbeitungstiefe.
- Lesen und Anstreichen: Besser als passives Lesen, aber immer noch nicht optimal.
- Notizen machen (Zusammenfassen): Kann eine gute Methode sein, wenn man den Stoff in eigenen Worten wiedergibt.
- Mindmaps erstellen: Fördert das Verständnis von Zusammenhängen und kann eine gute Methode sein.
- Leitner-System (mit Karteikarten lernen): Geeignet zum Auswendiglernen von Inhalten, aber mit geringer Verarbeitungstiefe.
Was das Gehirn nicht ist: Mythen und Missverständnisse
Es ist wichtig zu verstehen, dass das Gehirn kein reiner Wissensspeicher ist, wie eine Festplatte. Wissen wird immer in bestehende Wissensstrukturen eingebunden. Erinnern ist ein aktiver Denkprozess, der geübt und trainiert werden muss.
Lerntypen: Mythos oder Realität?
Die Vorstellung von verschiedenen Lerntypen (visuell, auditiv, kinästhetisch) ist weit verbreitet, aber wissenschaftlich nicht haltbar. Es ist effektiver, möglichst viele Sinneskanäle gleichzeitig zu nutzen, um die Verarbeitungstiefe zu erhöhen.
Die Rolle von Motivation und Erfolgserlebnissen
Faktische Erfolgserlebnisse im Studium sind die stärkste Motivation. Es ist wichtig, eine Lerntechnik zu wählen, die viele Erfolgserlebnisse ermöglicht. Auch wenn es anfänglich etwas dauern kann, bis man diese Erfolge erzielt hat, ist es wichtig, von Anfang an eine Lerntechnik zu haben, mit der man viele Erfolgserlebnisse beim Lernen hat. Bei ganz klassischen Lesen und Markieren ist das beispielsweise nicht der Fall. Man weiß nicht wirklich, ob man den Stoff kann oder nicht. Irgendwann kommt einem der Lernstoff bekannt vor - aber kann man ihn auch wirklich?? Wenn man stattdessen auf eine Art und Weise lernt, die einem viele Erfolgserlebnisse beim Lernen gibt, kann man auch viel entspannter in die Prüfung gehen.
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