Das menschliche Gehirn ist ein komplexes Organ, das unseren Körper steuert und uns ermöglicht, die Welt um uns herum wahrzunehmen, zu denken und zu handeln. Es besteht aus zwei Hälften, die miteinander verbunden sind und zusammenarbeiten, aber auch unterschiedliche Spezialisierungen aufweisen. In diesem Artikel werden wir uns auf die rechte Gehirnhälfte konzentrieren und ihre Funktionen, ihre Rolle bei Emotionen und Aufmerksamkeit sowie die Auswirkungen von Schädigungen untersuchen.
Die Grundlagen des Gehirns
Das Gehirn steuert unseren Körper und ermöglicht es uns, mit den fünf Sinnen (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten) alles wahrzunehmen, was um uns herum geschieht. Die Informationen werden über Nervenleitungen, die wie dünne weiße "Kabel" funktionieren, an das Gehirn gesendet, wo sie in Gedanken und Gefühle umgewandelt werden.
Das Großhirn, der obere und größte Teil unseres Gehirns direkt unter der Schädeldecke, ist für das Sprechen und Denken zuständig. Das Kleinhirn im Hinterkopf ist für Bewegungen verantwortlich. Der Hirnstamm zwischen Großhirn und Rückenmark regelt lebenswichtige Funktionen wie Atmen, den Blutkreislauf, Husten und Niesen, ohne dass wir bewusst darüber nachdenken müssen.
Das menschliche Gehirn wiegt ungefähr 1,3 Kilogramm und ähnelt einer großen, weichen, grauen Walnuss. Es besteht aus Gehirnzellen, die durch Verbindungen miteinander kommunizieren. Je mehr solcher Verbindungen entstehen, desto schlauer werden wir. Wenn wir die Verbindungen jedoch nicht mehr nutzen, können sie verloren gehen.
Die zwei Hälften des Großhirns
Das Großhirn besteht aus zwei Hälften mit unterschiedlichen Spezialisierungen. Die linke Hirnhälfte steuert die rechte Körperseite und umgekehrt. Es wird oft gesagt, dass Menschen mit einer stärkeren rechten Gehirnhälfte eher kreativ und emotional sind, während Menschen mit einer stärkeren linken Gehirnhälfte eher analytisch und logisch denken. Besonders klug sind jedoch diejenigen, bei denen beide Hälften gut zusammenarbeiten und sich ergänzen.
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Mythen und Fakten über die rechte Gehirnhälfte
Es gibt viele Mythen über die Unterschiede zwischen der linken und rechten Gehirnhälfte. Besonders verbreitet ist die Theorie einer "left-brained" versus "right-brained" Persönlichkeit. Das meiste davon ist jedoch nicht wissenschaftlich fundiert. Neurowissenschaftler untersuchen funktionelle Asymmetrien der Gehirnhälften, sogenannte Lateralisierungen, und messen die Dominanz einer Seite für eine bestimmte Funktion. Es ist wichtig zu betonen, dass beide Gehirnhälften immer aktiv sind und das Gehirntraining von nur einer Hirnhälfte ein Mythos ist.
Die rechte Gehirnhälfte und Emotionen
Wahrscheinlich haben Wissenschaftler selbst den Samen für viele Mythen gesät, die die rechte Gehirnhälfte heute umranken. Beispielsweise schrieb Ned Herrmann, weltweit anerkannt für seine Beiträge zur Hirnforschung, 1998 im Scientific American, die rechte Hirnhälfte sei der "Sitz von Neugier, Synergie, Experimentieren, metaphorischem Denken, Verspieltheit, Lösungsfindung, Kunstfertigkeit, Flexibilität, Synthese und allgemeiner Risikobereitschaft".
Diese Behauptung hält einem Blick auf die Forschungsergebnisse nicht stand. Heute wird stattdessen ein Zusammenhang zwischen einer Dominanz der rechten Hirnhälfte und Emotionen wissenschaftlich diskutiert - allerdings nur negativer Emotionen! Auf der Suche nach der Ursache für Depressionen haben Forscher die Valenzhypothese vorgeschlagen. Die Idee ist, dass eine Hyperaktivität der rechten Gehirnhälfte dazu führe, dass negative Gefühle stärker verarbeitet werden, pessimistische Gedanken auftauchen und unkonstruktive Denkmuster entstehen. Aktivität in der rechten Hirnhälfte sei außerdem verknüpft mit Selbstreflektion, die bei depressiven Patienten häufig intensiver ist als bei gesunden Menschen. Die rechte Hirnhälfte spielt auch eine wichtige Rolle bei der Anpassung unseres Erregungszustands. Das könnte erklären, wieso depressive Menschen häufig an Schlafproblemen leiden.
Die rechte Gehirnhälfte und Aufmerksamkeit
Die rechte Gehirnhälfte ist hauptverantwortlich für einen Großteil der Wahrnehmung von linksseitigen Sinneseindrücken und Bewegung unserer linken Körperhälfte. Daher führt eine Schädigung in der rechten Hirnhälfte zu Beeinträchtigungen in der Aufmerksamkeit für die linke Hälfte der Umwelt, genannt linksseitiger Neglect. Die linke Gehirnhälfte wiederum steuert (die meisten) Bewegungen und Wahrnehmungen der rechten Körperhälfte. Trotzdem folgt auf eine Schädigung der linken Gehirnhälfte nur selten ein rechtsseitiger Neglect. Forscher schließen daraus, dass die rechte Gehirnhälfte eine Dominanz hat für die Ausrichtung unserer Aufmerksamkeit und zwar sowohl nach links als auch nach rechts.
Was passiert, wenn die rechte Gehirnhälfte nicht mehr funktioniert?
Stellen Sie sich vor, Menschen mit einer Schädigung in der rechten Hirnhälfte zeigen einen sogenannten Neglect. Sie nehmen die linke Hälfte der Welt normal wahr, verarbeiten sie aber kaum und ignorieren sie deshalb. Sie verwenden kaum ihre linken Körperteile, gehen nicht auf Berührungen und Geräusche ein, die von ihrer linken Seite kommen, und beachten andere Menschen, die sich links im Raum befinden, nicht. Es kann sogar passieren, dass sie sich nur den rechten Jackenärmel anziehen und den linken vergessen!
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Gehirntraining für mehr Aufmerksamkeit
Es klingt verlockend: Spezifisch die rechte Gehirnhälfte trainieren, um die Aufmerksamkeit zu steigern. Trainings, die vorgeben, nur die rechte Gehirnhälfte anzusprechen, sind aber nicht wissenschaftlich fundiert. Obwohl die rechte Gehirnhälfte eine Dominanz für räumliche Aufmerksamkeit hat, arbeiten im gesunden Gehirn die Hälften immer zusammen. Ihre Aufmerksamkeit zu trainieren ist aber trotzdem möglich. Es gibt Übungen, die gezielt diese Funktionen und Fähigkeiten ansprechen und bei regelmäßigem Training die Aufmerksamkeitsspanne verlängern und den Fokus verbessern können.
Die drehende Ballerina: Eine optische Täuschung
Ein Beispiel für eine viel diskutierte Animation ist die drehende Ballerina. Die Wahrnehmung, ob sich die Ballerina links- oder rechtsherum dreht, wird oft als Test für die Dominanz der linken oder rechten Gehirnhälfte interpretiert. Dies ist jedoch ein Mythos. Tatsächlich ist die Animation eine optische Täuschung in 2D, die von unserem Wahrnehmungsapparat als dreidimensionales Bild interpretiert wird. Die unterschiedliche Wahrnehmung der Drehrichtung hängt von der Aufmerksamkeit auf Schatten und Konturen ab und sagt nichts über die Präferenz eines Menschen aus, entweder emotional-kreativ oder kognitiv-analytisch zu denken. Studien haben jedoch gezeigt, dass die rechte Gehirnhälfte stärker in die Verarbeitung von menschlichen Bewegungen involviert ist als die linke, was erklären könnte, warum die Drehung von vielen als Rechtsdrehung wahrgenommen wird.
Teamwork im Oberstübchen: Die Zusammenarbeit der Gehirnhälften
Viele komplexe Aufgaben gelingen nur dann, wenn sich alle Bereiche unseres Gehirns vernetzen und ergänzen. Das ist zum Beispiel beim Händewaschen der Fall. Erst durch die Zusammenarbeit ist unser Denk- und Handlungsapparat funktionstüchtig. Trotz der unterschiedlichen Spezialisierungen arbeiten die beiden Hirnhälften eng zusammen und stehen in ständigem Kontakt miteinander. Sie sind in der Mitte durch einen Balken verbunden, der den Informationsaustausch ermöglicht.
Praktische Tipps für ein ausgewogenes Gehirn
Um ein ausgewogenes Miteinander der beiden Hemisphären zu fördern, gilt es, die Tätigkeit der rechten Gehirnhälfte aktiv zu stärken. Dies kann durch kreative Aktivitäten wie Malen, Musizieren oder Tanzen geschehen. Auch der Umgang mit Metaphern und Symbolen kann die rechte Gehirnhälfte aktivieren.
Darüber hinaus ist es wichtig, Stress abzubauen und für ausreichend Entspannung zu sorgen. Denn Stress kann die Zusammenarbeit der beiden Gehirnhälften beeinträchtigen. Entspannungstechniken wie Meditation, Yoga oder autogenes Training können helfen, Stress abzubauen und die Gehirnfunktion zu verbessern.
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