Gehirn, Wahrnehmung und Filtermechanismen: Wie unser Gehirn die Welt selektiert

Das Gehirn ist ständig damit beschäftigt, die riesige Menge an Informationen, die uns aus der Umwelt erreichen, zu verarbeiten. Da es unmöglich ist, alle Reize gleichzeitig aufzunehmen und zu verarbeiten, greift das Gehirn auf Filtermechanismen zurück. Diese selektive Wahrnehmung ermöglicht es uns, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren, kann aber auch zu Fehlwahrnehmungen führen.

Was ist selektive Wahrnehmung?

Bei der selektiven Wahrnehmung (auch Aufmerksamkeitsblindheit genannt) filtert das Gehirn Informationen, da es nicht alle Reize und Informationen aus der Umgebung gleichzeitig aufnehmen kann. Jede Sekunde ist ein Viertel unseres Gehirns damit beschäftigt, das Gesehene zu filtern. Die Auswahl der Informationen wird durch Erfahrungen, Erwartungen und das eigene Weltbild beeinflusst.

Beispiel: Das rote Auto

Ein bekanntes Beispiel für selektive Wahrnehmung ist das Phänomen des "roten Autos". Hat man sich gerade einen neuen roten Golf gekauft, scheint es, als ob plötzlich überall rote Autos oder Golf-Wagen auf der Straße zu sehen sind. Diese Autos waren schon immer da, aber das Gehirn nimmt sie nun selektiv stärker wahr. Das Gehirn sagt uns also, dass diese Informationen momentan besonders wichtig für uns sind.

Funktion des Gehirns

Das Gehirn blendet bei der selektiven Wahrnehmung gewisse Informationen aus, ohne dass wir es bewusst wahrnehmen. Mehrere Areale des Gehirns sind gleichzeitig tätig, wie zum Beispiel der präfrontale Kortex und der sensorische Bereich des Hinterkopfs für visuelle, auditive und sensorische Reize.

Vor- und Nachteile

Die selektive Wahrnehmung ermöglicht es uns, uns auf wichtige Informationen zu konzentrieren. Auf der anderen Seite kann es aber auch zu Fehlwahrnehmungen kommen, wenn wichtige Informationen übersehen oder unerwünschte Informationen unbewusst selektiert werden.

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Beispiele zur selektiven Wahrnehmung im Alltag

Selektive Wahrnehmung ist ein ständiger Begleiter im Alltag. Hier sind einige Beispiele:

  • Wenn man zu spät zur Arbeit kommt, hat man eher die Tendenz, sich auf rote Ampeln zu konzentrieren.
  • Auf einer Messe oder Party mit lauter Umgebung unterhält man sich mit einer Person intensiv.
  • Man sucht im Urlaub nach einem bestimmten Restaurant und nimmt eher Schilder und Straßennamen wahr, anstatt der schönen Architektur oder Landschaft.
  • Das "Partyeffekt": Es ist unsere Fähigkeit aus einer Geräuschkulisse ein einzelnes Geräusch herauszuhören, nur weil wir gerade auf dessen Inhalt neugierig sind.
  • Andere Statements wie z.B. "Nie hilft mir jemand" oder "Alle bewundern mich" illustrieren eine andere Variante selektiver Wahrnehmung.

Selektive Wahrnehmung im Projektmanagement

Auch im Alltag des Projektmanagers kann die selektive Wahrnehmung das Handeln beeinflussen. Hier sind einige Beispiele:

  • Filterung der Informationen: Informationen werden so gefiltert, dass sie in das bereits bestehende Weltbild passen.
    • Beispiel: Der IT-Leiter blickt mit großem Stolz auf seine Server-Landschaft und ignoriert die gestiegenen Netzwerk-Zusammenbrüche.
  • Anpassung an das eigene Weltbild: Informationen werden so gedeutet, dass sie dem eigenen Weltbild entsprechen.
    • Beispiel: Der stolze IT-Leiter sieht die Netzwerk-Zusammenbrüche als vernachlässigbar an und weist auf die hohe Stabilität hin.
  • Ausblenden von abweichenden Informationen: Informationen, die nicht zum eigenen Weltbild passen, werden zu einem viel höheren Anteil komplett ausgeblendet oder so umgedeutet, dass sie doch wieder in das Bild passen.
    • Beispiel: Am Jahresende lobt der IT-Leiter die Stabilität und die Innovationen und ist sich tatsächlich der erhöhten Netzwerk-Ausfälle zu Beginn des Jahres nicht mehr bewusst.
  • Fokussierung auf bestimmte Informationen: Befinden sich Menschen in einer dringlichen Situation, ist ihre Wahrnehmung viel stärker auf das Problem und dessen Lösung fokussiert als auf den Rest der Umwelt.
    • Beispiel: Eine Person muss während eines Meetings dringend zur Toilette. Der Gedanke an die Toilette wird schnell einen viel höheren Stellenwert einnehmen als die geteilten Informationen im Meeting.

Wenn ein Projektmanager übermäßig auf die Einhaltung von Zeitplänen und Budgets achtet, könnte er die Qualität des Projekts vernachlässigen, was letztendlich zu Kosten und Verzögerungen führen könnte.

Selektive Wahrnehmung zeigt sich im beruflichen Umfeld auch bei den bevorzugten Arbeitsweisen. Dadurch fällt es dir auch leichter, zu priorisieren und schneller fundiertere Entscheidungen zu treffen. Dies hilft auch deiner Kreativität, da du dich auf bestimmte Aspekte eines Problems konzentrieren und so neue und fokussierte Lösungen finden kannst.

Vergessen als Filtermechanismus

Vergessen ist ein aktiver Ablauf in unserem Gehirn und funktioniert wie ein gut programmierter Spam-Filter. Denn nur wer auch vergisst, kann Wichtiges von Unwichtigem trennen und Probleme lösen. Informationen nimmt unser Gehirn über die Sinne auf: Wir sehen, wir riechen, wir fühlen, wir schmecken - und das ununterbrochen. Da sich unser Gedächtnis aber damit schwer tut, große Informationsmengen abzurufen und da sich - quasi obenauf - unsere Umwelt ständig verändert, speichert das Gehirn neue Informationen ab, indem es alte, nicht mehr gebrauchte Informationen überschreibt. Sobald ein ähnlicher Sinneseindruck einem bereits bekannten folgt, wird der alte gelöscht.

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Vergessen ist also keine Lücke in der Wahrnehmung, sondern der aktive Versuch die Komplexität der Realität um uns herum zu reduzieren, indem veraltete oder irrelevante Dinge nicht mehr zugänglich gemacht werden. Vergessen bedeutet, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen, abstrakt denken und Probleme lösen zu können. Da sich das Gehirn schwer tut, mit großen Informationsmengen umzugehen, nutzen wir das Vergessen als Spam-Filter unseres Gehirns. Ein Filter, der allerdings nicht immer fehlerlos funktioniert - deshalb finden wir Schüssel nicht wieder oder vergessen Namen.

Die Speicherkapazitäten unseres Gehirns sind riesig. Somit wird aus dem gigantischen Datenaufkommen, das in unser Gehirn strömt, eine gut handhabbare Datenbank, die sich in ihrer Struktur ständig verändert. Dabei ist das Gedächtnis nicht in erster Linie eine Bibliothek oder ein Speicher, sondern dient als Entscheidungshilfe, bei der zu viele Detailinformationen sogar hinderlich sein können. Das Gedächtnis nehme eine kontextabhängige Auslese vor, damit die relevanten Informationen nicht nur abgespeichert, sondern auch extrem schnell auffindbar sind. Das ist wichtig, um im Alltag schnelle Entscheidungen auf der Basis unserer Erlebnisse und Erfahrungen treffen zu können.

Vergessen: Löschen oder Reaktivieren?

Bleibt die Frage, wie viel wir vergessen? Sind aussortierte Informationen tatsächlich für immer gelöscht? Oder sind Gedächtnisinhalte wieder reaktivierbar? Die Forschung ist sich da nicht einig. Aber der allermeiste Teil von dem, was wir meinen, dass wir eigentlich vergessen haben, verschwindet nicht von der Festplatte. Sinneseindrücke wie ein Geruch, eine Farbe oder eine Melodie können lange verschüttet geglaubte Erinnerungen wieder ans Licht holen. Assoziationen reaktivieren dann lange inaktive synaptischer Verbindungen und graben so verloren geglaubte Gedächtnisinhalte regelrecht wieder aus.

Wahrnehmungsfilter und innere Landkarten

Jeder Mensch hat viele innere Landkarten erstellt und nutzt sie als mentales Modell, um zu handeln. Die Bewältigung von komplexen Problemen beginnt mit der eigenen Bewusstheit. Und damit meinen wir das Wissen darum, dass wir uns alle unsere Realität selbst schaffen und auch wie wir das tun. Die vielen inneren Landkarten, wie wir im Laufe des Lebens erstellen, um uns zu Recht zu finden und handlungsfähig zu bleiben, gilt es regelmäßig zu hinterfragen. Kann die Realität des Gegenübers nicht genauso richtig sein, wie meine?

Wir können mit unserem Wahrnehmungsfilter arbeiten, indem wir uns mit ihm auseinandersetzen und bewusst machen, was wir wahrnehmen. Wir können den Filter etwas verändern und bewusst mit den Wahrnehmungen arbeiten, Bedeutung und Annahmen hinterfragen und eventuell neue Schlussfolgerungen ziehen, die auch ein anderes Handlungsmuster entstehen lässt. Mit jeder neuen Erfahrung, verändert sich auch etwas in unserer Wahrnehmung und unserer Wirklichkeitskonstruktion. Haben wir eine Reise in eine fremde Kultur unternommen und kehren zurück, nehmen wir unsere Umwelt anders wahr. Haben wir ein neues Auto gekauft, sehen wir viel mehr von diesem Modell auf den Straße etc.

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Die Führungskraft als Coach

Die Führungskraft als Coach ist ein zeitgemäßer Ansatz in der modernen Führungsarbeit. In schwierigen Situationen deeskalierend zu wirken, Verständnis für die Handlungen des Gegenübers zu erzeugen ist eine wichtige Aufgabe von Führungskräften. Erst wenn wir den Anspruch aufgeben die Wahrheit zu kennen und unser Handeln als Maxime für alle anderen anzusehen, haben wir die Chance einander wirklich zu verstehen und in der Kommunikation authentisch zu begegnen. Dafür braucht es Reflexionskraft, Bereitschaft sich und seine Landkarten zu zeigen und die des anderen kennenzulernen, sowie das Bewusstsein um unseren ständigen Begleiter - dem individuellen Wahrnehmungsfilter.

Neuronale Grundlagen der Reizfilterung

Forscher haben herausgefunden, wie das Gehirn Wichtiges von Unwichtigem trennt. Ampeln, Werbetafeln, Schilderwald - im alltäglichen Straßenverkehr prasselt eine Fülle von wichtigen, aber auch völlig unwichtigen Reizen auf uns ein. Der versierte Autofahrer ist in der Lage, die wichtigen Informationen aus der Reizflut herauszufiltern und schnell zu reagieren. Denn wie wir unsere Umwelt wahrnehmen - und was, hängt stark davon ab, was wir schon mal gesehen und gelernt haben.

Wie das Gehirn dieses Filtern der Reize lernt und wie sich dabei die Netzwerke der Neuronen ändern, haben Sonja Hofer vom Biozentrum der Universität Basel und ihre Kollegen untersucht. Für ihre Studie ließen sie Mäuse in einer speziellen Arena durch eine virtuelle Welt laufen. Steuerten die Tiere ein bestimmtes der an die Wände projizierten Bilder gezielt an, erhielten sie eine Belohnung. Dieses Lernen spiegelte sich auch in der Aktivität der Nervenzellen im visuellen Kortex der Mäuse wieder: Während anfangs die Antworten auf die relevanten visuellen Reize im Gehirn noch relativ diffus waren, reagierten nach einer Woche Training viel mehr Nervenzellen spezifisch auf die gezeigten Bilder.

Ein Team der Universität Bremen hat gezeigt, dass die Gamma-Band-Schwingungen im Gehirn die Gatekeeper dafür sind, welche Signale Nervenzellen weiterleiten. Nur wenn ein Nervensignal im richtigen Moment ankommt, erreicht es die nächste Schaltstelle im Gehirn.

Neuesten Erkenntnissen über die Funktionsweise des menschlichen Gedächtnisses zufolge werden beim Abrufen von Erinnerungen die gleichen Netzwerke von Nervenzellen aktiv, die zuvor schon beim Erkennen und Verarbeiten der betreffenden Informationen tätig waren.

Der Realitätsfilter

Meine Mitarbeiter und ich haben diese Störung in der Rehabilitationsklinik des Genfer Universitätsspitals genauer untersucht und dabei einen faszinierend einfachen Mechanismus entdeckt, mit dem das menschliche Gehirn diejenigen Gedanken, die sich auf die aktuelle Realität beziehen, aus allen gedanklichen Assoziationen herausfiltert.

Im entscheidenden Experiment sahen die Patienten eine lange Serie von Bildern, die sich teils mehrmals wiederholten. Diese Wiederholungen mussten sie erkennen. Eine solche Aufgabe setzt die Fähigkeit voraus, neue Informationen ins Gedächtnis aufzunehmen, also zu lernen. Hier unterschieden sich spontan konfabulierende Patienten nicht von solchen mit einer gewöhnlichen Amnesie. Ihre Leistung entsprach teilweise sogar der von Gesunden. Das änderte sich jedoch in der zweiten Phase des Experimentes. Sie bestand in einer mehrfachen Wiederholung der Aufgabe, wobei immer genau die gleiche Bildserie, aber jedesmal in anderer Reihenfolge gezeigt wurde. Die Patienten erhielten jetzt die Anweisung, zu vergessen, dass sie alle Bilder schon gesehen hatten, und nur Bildwiederholungen im aktuellen Durchgang anzugeben.

Normalen amnestischen Patienten mit einer Störung des Langzeitgedächtnisses gelang dies ebenso wie gesunden Personen ohne Mühe. Spontan konfabulierende Patienten hatten dagegen größte Probleme: Selbst wenn die Durchgänge im Abstand von einer halben oder gar einer vollen Stunde gemacht wurden, meinten sie immer wieder, wenn ihnen ein Bild zum ersten Mal in der aktuellen Runde gezeigt wurde, sie hätten es gerade schon einmal gesehen. Sie waren offenbar nicht im Stande, Er-innerungsspuren aus dem vorherigen Durchgang zu unterdrücken. Die Erinnerung an die frühere Präsentation blieb in ihrem Denken aktiv; zuvor gezeigte Bilder waren noch genauso präsent wie eben erst dargebotene.

Diese Beobachtungen legen den Schluss nahe, dass das Gehirn gleichsam über einen Realitätsfilter verfügt. Er lässt nur solche Gedächtnis-Inhalte passieren, die sich auf die Gegenwart beziehen; aktivierte Erinnerungsspuren, für die das nicht gilt, unterdrückt er dagegen oder inaktiviert sie wieder.

Wie wir mit diesen Messungen herausfanden, werden aktuell nicht relevante Gedächtnisspuren schon nach etwa 200 bis 300 Millisekunden unterdrückt. Das ist nur rund die Hälfte der Zeitspanne von 400 bis 500 Millisekunden, die vergeht, bis sich Prozesse des Lernens und Wiedererkennens in den Messdaten zeigen.

Demnach beeinflusst unser Gehirn die corticale Repräsentation von Gedanken im Hinblick auf ihren Realitätsbezug, ehe überhaupt ihr Inhalt erkannt wird. Mit andern Worten: Noch bevor wir uns eines Gedankens bewusst werden, hat unser Gehirn bereits festgestellt, ob er sich auf unsere momentane tatsächliche Situation bezieht oder nicht.

Wie unsere Beobachtungen ergaben, entscheidet nicht die Art der Hirnschädigung, sondern ihr Ort über das Auftreten spontaner Konfabulationen. Alle Patienten mit einer solchen Realitätsverkennung weisen eine Läsion im vorderen limbischen System auf, einer Region an der Unterseite des Gehirns. Dabei sind immer Strukturen betroffen, die eine direkte neuronale Verbindung mit dem "orbitofrontalen Cortex" an der Unterseite des Stirnhirns haben.

Unterschiedliche Bereiche des limbischen Systems erfüllen komplementäre Gedächtnisfunktionen. Der hintere Teil (die hippocampale Formation) vermittelt die dauerhafte Speicherung von Informationen im Cortex. Dagegen bezieht der vordere Teil, insbesondere der mit dem orbitofrontalen Cortex verbundene Bereich, unser Denken immer wieder auf die Wirklichkeit zurück, indem er gedankliche Assoziationen (aktivierte Gedächtnisspuren) unterdrückt, die keinen Bezug zur aktuellen Realität haben.

Kognitive Verzerrungen als Filter

Bei der Suche nach Informationen, der Beurteilung ihrer Relevanz oder bei der Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten verlassen sich Menschen auf ihren Verstand. In dieser Auftaktfolge der Bonn-Institute-Serie „Psychologie im Journalismus“ stellen wir eine Auswahl kognitiver Verzerrungseffekte vor, die für die tägliche journalistische Arbeit von unmittelbarer Bedeutung sind. Diese Effekte greifen nicht nur bei Mediennutzenden, sondern auch bei Journalistinnen und Journalisten, während sie recherchieren und Interviews führen, Kameras und Mikrofone ausrichten, das Ganze zusammenfügen und verpacken.

Negativitätsbias

In Bezug auf die Informationsverarbeitung ist das Schlechte stärker als das Gute: Menschen schenken negativen Reizen mehr Aufmerksamkeit, nehmen sie schneller und leichter wahr, verarbeiten sie tiefer und erinnern sich besser an sie. Negative Ereignisse lösen stärkere physiologische und emotionale Reaktionen aus. Eine negativ verzerrte Auswahl, Verarbeitung und Beurteilung von Information verändern auch die Kommunikation über ein Thema, beispielsweise die Wortwahl. In der medialen Berichterstattung werden oft vereinfachende und voreingenommene Narrative verwendet, um Aufmerksamkeit zu erregen.

Allerdings macht die Dosis das Gift - und das Framing: Verstehen wir die Hintergründe und Zusammenhänge eines negativen Ereignisses? Gibt es verschiedene Blickwinkel darauf, oder Ideen, was man tun könnte? Oder sind es nur schlechte Nachrichten, schlechte Nachrichten, schlechte Nachrichten und dann das Wetter? Negative Emotionen beeinträchtigen auch die kognitiven Fähigkeiten, sowohl in der aktuellen Situation als auch langfristig, wenn sich entsprechende Erfahrungen häufen.

Bestätigungsbias

Recht zu haben ist belohnend. Es vermittelt uns den Eindruck, klug zu sein und die Dinge im Griff zu haben. Kurz und bündig: Menschen bevorzugen Informationen, die ihre Ansicht bestätigen, von der anfänglichen Informationssuche über die Gewichtung und Interpretation bis zur Erinnerung. Außerdem werden Menschen recht kreativ, wenn es darum geht, Informationen so umzuinterpretieren, dass sie ihre Überzeugungen untermauern. Wenn dies nicht möglich ist, neigen sie zuweilen dazu, die Quelle als nicht vertrauenswürdig zu diskreditieren, vielleicht sogar als "Teil der Verschwörung".

Wenn Du als Journalistin oder Journalist eine Reportage planst und davon überzeugt bist, von Anfang an zu wissen, wer gut, wer schlecht und was hässlich ist, übersiehst Du möglicherweise leicht wesentliche Informationen, die Dir das Gegenteil beweisen könnten. Offene Augen und Ohren für abweichende, ja sogar widersprüchliche Belege machen Deinen Beitrag oft nuancierter und bringen ihn wahrscheinlich der Wahrheit näher.

Eine der Hauptfolgen des Confirmation Bias ist das übermäßige Vertrauen in die eigene verzerrte Weltsicht. Wenn eine selektive Suche ein paar bestätigende Fakten liefert und nicht bestätigende Fakten ignoriert oder als irrelevant verworfen werden, fühlt sich die eigene Sicht nicht mehr nur wie eine Meinung an. Es fühlt sich an, als würde sie auf Beweisen beruhen.

Verfügbarkeitsheuristik

Wenn man Menschen bittet, Häufigkeiten oder Wahrscheinlichkeiten zu schätzen, versuchen sie meist, relevante Einzelfälle aus dem Gedächtnis abzurufen. Einige sind sehr lebhaft in Erinnerung und daher gut "verfügbar", sie kommen leicht in den Sinn. Diese gefühlte Leichtigkeit des Abrufs führt uns zu der - unbegründeten - heuristischen Schlussfolgerung, dass es noch viel mehr solcher Beispiele geben muss, dass es also etwas Häufiges zu sein scheint.

Illusory Truth Effekt

Durch wiederholte Präsentation wird uns eine Information immer geläufiger, sie wird kognitiv leichter zu verarbeiten und fühlt sich vertraut an. Infolgedessen wird sie mit höherer Wahrscheinlichkeit als wahr eingeschätzt, selbst dann, wenn die Menschen es eigentlich besser wissen.

Da Gefühle von Geläufigkeit und Vertrautheit von Natur aus als angenehm erlebt werden, werden Menschen auch Reize (wie ein Logo, eine Melodie, oder eine Argumentationskette), die sie schon einmal gesehen oder gehört haben, lieber mögen als neue - der so genannte "mere exposure effect", der Effekt der bloßen Darbietung.

Dunning-Kruger-Effekt

Je weniger Menschen über ein Thema wissen, für desto sachkundiger halten sie sich. Die Ironie dieses nach seinen Entdeckern benannten Dunning-Kruger-Effekts beruht auf der Tatsache, dass es ein gewisses Mindestmaß an Wissen und Verständnis erfordert, um die Fülle und Komplexität von Fakten und Kontextbedingungen in einem Themenfeld zu erfassen. Nur dann kann man mit Sokrates erkennen, dass man (noch immer fast) nichts weiß, während sich andere nach einem 10-minütigen Video für Experten halten.

Das Meta-Modell des NLP

Das neurolinguistische Programmieren geht davon aus, daß alle Lebensmodelle, die Menschen entwerfen, "gefilterte“ Modelle sind (die Landkarte ist nicht das Gebiet). Diese Filter dienen dazu, die Komplexität der Welt zu reduzieren und sie für den Menschen handhabbar zu machen. Sie sind also nicht per se schlecht. Sie werden jedoch dann hinderlich, wenn in der Filterung wichtige Informationen verloren gehen oder unpassende bzw. falsche Zusammenhänge hergestellt werden.

Viele Konflikte haben genau das als Grundlage, weshalb es besonders für Coach/innen, Therapeut:innen und Führungskräfte hilfreich ist, diese Filterprozesse zu kennen und zu wissen, wie diese aufgelöst werden können.

Das Meta-Modell ist ein sprachliches Modell, das auf die Art der Filterung generell hinweist und sprachliche Filterungen hinterfragt. Es gibt drei große Arten von Modell-Bildungs-Prozessen, d. h.

  • Tilgung ist der Prozess, in dem Teile der Originalerfahrung aus der linguistischen Repräsentation entfernt worden sind. Bei der Worttilgung werden Worte weggelassen, die für ein präzises Verständnis notwendig sind (Beispiel: „Ich bin verwirrt.“ Frage: Von was?). Bei der Vergleichstilgung fehlt es an einem Vergleichsmaßstab, d.h. wenn nicht genannt wird, im Vergleich wozu jemand oder etwas so oder so ist (Beispiel: „Ich bin aufgeregt.“ Frage: Durch was oder wen?) Weiterhin sind die Modalworte (Modalverben) zu erwähnen, dies sind Adjektive, die ein Verb beschreiben.
  • Verallgemeinerung (Generalisierung) bedeutet, dass von einer bestimmten Erfahrung Rückschlüsse auf andere, ähnliche Erfahrungen erfolgen, ohne daß dies dem Betreffenden in der Regel bewusst ist.
  • Verzerrung spricht man, wenn Menschen “falsche“ Modelle konstruieren bzw. wenn Menschen "Realität“ "falsch“ wahrnehmen, beispielsweise wenn starke Glaubenssätze die Interpretation neuer Faktoren einfärben. Alle Aussagen über die Emotionen, innere Prozesse, Einstellungen, Meinungen, Wünsche und Vorlieben einer anderen Person sind Verzerrungen. Man glaubt zu wissen, was der andere denkt, meint oder möchte. Dabei können wir völlig falsch liegen. (Beispiel: "Er hat das nicht verstanden.“).

Der Filter-Prozeß der Wahrnehmung wird in allen konstruktivistischen Ansätzen betont. Das Konzept der Filterprozesse im NLP - Tilgung, Generalisierung und Verzerrung - findet sich in ähnlicher Form auch in anderen psychologischen Modellen wieder. In der kognitiven Verhaltenstherapie sprechen Denkfehler wie Übergeneralisierung oder selektive Wahrnehmung dieselben Mechanismen an, während die Schema-Theorie beschreibt, wie Informationen angepasst oder ignoriert werden, um bestehende Denkmuster zu stützen.

Auch die Gestaltpsychologie zeigt, wie Menschen Wahrnehmungen vereinfachen oder fokussieren, und die Psychoanalyse thematisiert Abwehrmechanismen wie Verdrängung oder Projektion, die eine Form der Verzerrung darstellen. Konstruktivistische Ansätze schließlich betonen, dass jede Wahrnehmung durch individuelle Interpretationen gefiltert wird.

Die Kenntnis der Filterprozesse hilft NLP-Anwendern, Kommunikationsmuster bewusster zu erkennen und gezielt zu hinterfragen. Durch das Verstehen von Tilgung, Generalisierung und Verzerrung können Missverständnisse vermieden und präzisere Fragen gestellt werden. NLP-Anwender können mit diesem Wissen eigene Denkmuster reflektieren und gegebenenfalls konstruktiv verändern. In der Arbeit mit Klienten ermöglicht es, einschränkende Überzeugungen aufzudecken und neue, hilfreichere Perspektiven zu entwickeln.

Strategien zur Reduzierung von Verzerrungen

  • Erwäge das Gegenteil: Was auch immer bisher die Essenz Deines Beitrags zu sein schien - ziehe das Gegenteil in Erwägung: Der Protagonist ist unschuldig; das Unternehmen meint es gut; das verrückte Kind hat Recht. Welche Art von Fragen würdest Du dann stellen, wohin würdest Du dann gehen, welche Statistiken würdest Du dann heranziehen? Diese Strategie ist auch als "Teufelsadvokat" bekannt.
  • Stelle unerwartete und lösungsorientierte Fragen: Um auch Deinen Quellen zu helfen, Negativitäts- oder Confirmation Bias zu vermeiden. Das kann Deiner Geschichte eine interessante Wendung geben und ein nuancierteres, vollständigeres Bild zeichnen.
  • Nutze den "Hut des Teufelsadvokaten": Mache es zu einem Ritual im Team, einem Teil der Redaktion den "Hut des Teufelsadvokaten" (oder ein anderes, symbolisches Maskottchen) zu geben. Deren Aufgabe ist es, unausgewogene Berichterstattung zu erkennen und sie mit "Positivitätsverzerrung" oder "Erwäge das Gegenteil"-Denk- und Rechercheanstößen zu hinterfragen, um Biases entgegenzuwirken. Wechsle monatlich ab, wer das übernimmt.
  • Umgib Dich mit Vielfalt: Umgebe Dich mit einer großen Vielfalt von Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund. Welche Kontexte und Menschen könnten Dich davor bewahren, dass Du durch die ständige Wiederholung ähnlicher Ansichten in einer sozialen "Blase" der gegenseitigen Bestätigung und illusorischen Wahrheitseffekte landest?
  • Konstruktiver Journalismus: Stelle Dir vor, Du würdest während der Recherche eine Filterbrille tragen, die nur günstige Entwicklungen oder Lösungsansätze zeigt. Was würdest Du sehen? Beziehe zumindest einige dieser Aspekte in Deine Berichterstattung ein. Diese sind vielleicht kleiner oder erscheinen erst auf den zweiten Blick, aber sie können den Negativitätsbias ausgleichen. Er wird vielmehr ein vollständigeres Bild vermitteln: Probleme, die gelöst werden müssen, und Ideen für mögliche Lösungsansätze dazu.

Kulturelle und individuelle Filter

Ähnlich wie die kulturellen funktionieren auch die individuellen Filter. Aufgrund von persönlichen Erfahrungen privilegieren wir bestimmte Kategorien von Informationen, während wir andere eher vernachlässigen oder vielleicht überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen.

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