Gehirnjogging und Alzheimer: Studienlage und Empfehlungen

Die Frage, ob Gehirnjogging vor Alzheimer schützen kann, ist komplex und Gegenstand aktueller Forschung. Während einige Studien positive Effekte nahelegen, warnen andere vor überzogenen Erwartungen. Dieser Artikel fasst die aktuelle Studienlage zusammen und gibt Empfehlungen für den Umgang mit Gehirnjogging im Kontext von Alzheimer-Prävention und -Behandlung.

Einführung

Gehirnjogging erfreut sich großer Beliebtheit, um die geistige Leistungsfähigkeit bis ins hohe Alter zu erhalten. Viele Menschen lösen regelmäßig Denksportaufgaben, um geistig jung zu bleiben. Die Industrie bietet eine Vielzahl von Produkten an, die mit dem Versprechen werben, das Gedächtnis zu verbessern und Demenz vorzubeugen. Doch was ist dran an diesen Versprechen? Kann Gehirnjogging wirklich das Risiko für Alzheimer reduzieren oder ist es lediglich eine wirkungslose Spielerei?

Aktuelle Studienlage

Gehirnjogging verschlimmert Alzheimer? Eine frühe Studie

Eine ältere Studie aus dem Jahr 2010, veröffentlicht in "Neurology", deutete an, dass Gehirnjogging die Symptome von Alzheimer zwar zunächst hinauszögern kann, der Abbau des Gehirns aber umso schneller voranschreitet, sobald die Krankheit erkennbar ist. Studienleiter Robert Wilson vom Rush University Medical Center in Chicago argumentierte, dass ein gut trainiertes Gehirn zwar länger Umleitungen um defekte Verschaltungen finden kann, die Demenz aber bereits in einem fortgeschrittenen Stadium ist, wenn die ersten Symptome auftreten. Dies führt zu einem schnellen Verlust von Fähigkeiten und Erinnerungen. Wilson betonte, dass dies für die Betroffenen weniger belastend sein könne als ein schleichender Persönlichkeitsverlust.

Die Studie basierte auf einer Langzeituntersuchung mit über 1150 Einwohnern von Chicago über einen Zeitraum von zwölf Jahren. Die Teilnehmer wurden anhand ihrer geistigen Aktivitäten (z.B. Kreuzworträtsel, Lesen, Museumsbesuche) bewertet. Die Ergebnisse zeigten, dass bei Alzheimer-Patienten ein zuvor reger Geist mit einer schnelleren Verschlimmerung des Zustands einherging.

Multimodale Interventionen zeigen positive Effekte

Neuere Studien zeigen, dass nicht-medikamentöse, multimodale Therapieansätze, die körperliches Training, kognitives Training, Ernährungsmaßnahmen und psychosoziale Interventionen kombinieren, größere Verbesserungen in kognitiven Bereichen wie Aufmerksamkeit, Gedächtnisleistung und Verarbeitungsgeschwindigkeit erzielen können. Eine internationale Studiengruppe kam zu dem Ergebnis, dass umfassende Lebensstiländerungen die Kognition und Funktion bei Patienten mit leichter kognitiver Beeinträchtigung (MCI) oder frühem Alzheimer verbessern können.

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Spezifische Trainingsformen können Demenzrisiko senken

Eine Studie von Jerri Edwards von der University of South Florida in Tampa konzentrierte sich auf das "Speed of Processing"-Training, das die visuelle Aufmerksamkeit und Auffassungsgabe stärken soll. Die Auswertung von über 50 Studien zeigte, dass regelmäßiges Training die Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit im Alltag verbessern kann. Eine eigene Untersuchung mit 2.785 Probanden über zehn Jahre ergab, dass das "Speed of Processing"-Training das Demenzrisiko deutlich verzögern konnte. Bei den Teilnehmern, die an mindestens zehn Sitzungen teilgenommen hatten, war das Risiko nach zehn Jahren um 48 Prozent reduziert.

Kritik an kommerziellen Gehirnjogging-Programmen

Trotz der potenziellen Vorteile bestimmter Trainingsformen warnen Experten vor überzogenen Erwartungen an kommerzielle Gehirnjogging-Programme. Wilson betont, dass die Werbung oft zu vollmundig sei und insbesondere Spiele, die nur eine bestimmte Fähigkeit trainieren, fragwürdig seien. Es sei unklar, inwiefern sich diese auf Alltagsaufgaben übertragen lassen.

Gedächtnistraining bei Demenz

Gedächtnistraining für Demenzpatienten sind kleine Übungen, die die Gehirnleistung fördern. Durch das aktive Nutzen des Gehirns an seinem Leistungsniveau bleiben kognitive Fähigkeiten erhalten. Ein solches Training hat bei Demenzerkrankten das Ziel, den Gedächtnisverlust, der durch die Krankheit verursacht wird, zu verlangsamen oder im besten Fall zu stoppen. Wichtig dabei ist, dass das Gedächtnistraining bei Menschen mit Demenz ganzheitlich erfolgt. Die Übungen können ergänzend zu einer Therapie eingesetzt werden, aber sie ersetzen diese nicht.

Ganzheitliches Gedächtnistraining

Zwar lässt bei Demenzpatienten vor allem die Merkfähigkeit nach, dennoch sollten alle Bereiche des Gehirns für ein optimales Trainingsergebnis beansprucht werden. Jede der kognitiven Fähigkeiten sollte gefördert werden, denn sie alle zusammen bilden die Grundlage für ein gesundes und leistungsfähiges Gehirn. Der beste Trainingsplan ist aber nur dann wirksam, wenn er auch eingehalten wird. Deshalb muss sich ein ganzheitliches Gedächtnistraining auf die Bedürfnisse des Einzelnen anpassen und genug Abwechslung bieten, um dauerhaft zu motivieren.

Tipps für motivierendes Gedächtnistraining

  • Erfolgserlebnisse: Regelmäßige Erfolgserlebnisse sind wichtig, um die Motivation aufrechtzuerhalten.
  • Kompakte Einheiten: Kürzere Übungen, die über den Tag verteilt werden, können größere Erfolge erzielen.
  • Spaß an den Übungen: Übungen, die Freude bereiten, werden eher regelmäßig ausgeführt.
  • Stärken konzentrieren: Konzentrieren Sie sich auf die noch vorhandenen Kompetenzen und versuchen Sie, diese zu stärken.
  • Geduld und Empathie: Geduld und Empathie sind entscheidend, um eine angenehme Trainingsatmosphäre zu schaffen.

Beispiele für Gedächtnisübungen

  • Drehmemory: Symbole werden in Feldern angezeigt, verdeckt und verdreht. Anschließend wird die Position abgefragt.
  • Blitzmerker: Der richtige Weg zur Flagge muss eingeprägt werden, zusammen mit Symbolen auf dem Weg.
  • Fokusmeister: Ein bestimmtes Bild muss in einer Menge von Bildern gefunden werden.
  • Platzmerker: Informationen in Feldern werden vertauscht, anschließend wird nach einem Symbol gefragt.

Weitere Faktoren zur Demenzprävention

Neben Gehirnjogging gibt es weitere Faktoren, die zur Demenzprävention beitragen können:

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  • Körperliche Aktivität: Regelmäßige Bewegung, insbesondere Ausdauersportarten wie Gehen, Radfahren oder Schwimmen, fördert die Durchblutung des Gehirns und versorgt es mit Sauerstoff.
  • Ausgewogene Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung, die sich an den Empfehlungen der WHO orientiert (viel Obst und Gemüse, wenig Zucker und Fett), kann das Risiko für Krankheiten wie Bluthochdruck und Diabetes senken, die wiederum das Demenzrisiko erhöhen.
  • Soziale Kontakte: Regelmäßige soziale Interaktion und der Austausch mit anderen Menschen stimulieren das Gehirn und fördern die geistige Vitalität.
  • Vermeidung von Risikofaktoren: Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, Bluthochdruck, Diabetes und erhöhte Blutfettwerte sollten vermieden oder behandelt werden.
  • Geistige Aktivität: Ein geistig aktives Leben, sei es durch anspruchsvolle Arbeit, Denksportübungen, das Erlernen neuer Fähigkeiten oder das Ausüben von Hobbys, kann die kognitive Reserve stärken und den Ausbruch von Demenz verzögern.

Wie funktioniert unser Gedächtnis?

Es gibt nicht nur ein Gedächtnis, sondern verschiedene Gedächtnissysteme. Erinnerungen werden anders abgespeichert als der Wortschatz oder die Fähigkeit, ein Auto zu fahren. Wenn wir etwas Neues lernen, bilden sich neue Verbindungen zwischen unseren Nervenzellen. Um im Langzeitgedächtnis zu landen, müssen die Informationen von unserem Gehirn als wichtig erkannt werden. Diesen Prozess kann man mit gezielten Techniken unterstützen, z.B. durch das Denken in mentalen Bildern.

Gefühle und Gedächtnis sind stark miteinander verbunden, weshalb wir uns an Dinge, die starke Emotionen in uns auslösen, besser erinnern können als an triviale Alltagssituationen.

Gedächtnistechniken

Es gibt verschiedene Gedächtnistechniken, die das Lernen und Erinnern erleichtern können:

  • Loci-Methode (Gedächtnispalast): Informationen werden mit einem bekannten Raum oder Weg verbunden.
  • Major-System: Zahlen werden in Buchstaben und Bilder umgewandelt.
  • Schlüsselwortmethode: Neue Begriffe werden mit vorhandenem Wissen und bildhaften Assoziationen verknüpft.

Bewegung und Gedächtnisleistung

Körperliche Gesundheit und Wohlbefinden tragen zu guter Kognition bei. Bewegung kurbelt die Durchblutung im Gehirn an und versorgt es somit mit Sauerstoff. Studien zeigen, dass sich die Gedächtnisleistung nach einer Sporteinheit verbessert. Bereits Spazierengehen soll einen positiven Effekt auf das Gedächtnis haben, da bei körperlicher Aktivität neuronale Wachstumsfaktoren (Neurotrophine) ausgeschüttet werden, die Nervenzellen schützen und die Bildung neuer Neuronen und Synapsen fördern.

Achtsamkeit und Mind Sports

Achtsamkeitstechniken können helfen, die Aufmerksamkeit besser zu lenken und Kontrolle über die eigenen Denkprozesse zu gewinnen. Dies ist für viele Lebensbereiche sehr wertvoll.

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