Was tun, wenn es einem auf die Nerven geht: Strategien für mehr innere Ruhe und Gelassenheit

Jeder kennt es: Es gibt diese Momente und Personen, die uns scheinbar mühelos zur Weißglut treiben können. Ob es nun ein bestimmtes Wort, die Stimmlage oder eine spezielle Bewegung ist - manche Menschen scheinen einen Knopf in uns zu drücken, der uns innerlich aufbrausen lässt. Doch warum ist das so? Und was können wir dagegen tun?

Die Psychologie des Genervtseins: Warum uns bestimmte Menschen so aufregen

Psychologen sind sich einig: Die Antwort liegt oft in uns selbst. Anstatt uns mit unseren eigenen Gefühlen, Eigenschaften und inneren Konflikten auseinanderzusetzen, projizieren wir diese auf andere Menschen. Jodie Cariss, eine Therapeutin, erklärt dieses Phänomen in der britischen Glamour: "Wenn wir eine sehr starke Reaktion auf eine Person haben, kann das oft eine Projektion sein." Das bedeutet, dass unsere Gefühle in solchen Situationen oft unverhältnismäßig groß sind, weil wir unbewusst Schattenelemente unserer selbst auf die Situation projizieren. Diese Schattenelemente sind meist ungelöste Konflikte, innere Verletzungen oder Eigenschaften, die wir lieber verdrängen möchten. Dieses Spiegeln dient als Schutzmechanismus, um uns vor der Auseinandersetzung mit unliebsamen Persönlichkeitsanteilen zu bewahren.

Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Verhaltensweise in der Regel nicht auf böser Absicht beruht. Vielmehr ist es ein unbewusster Schutzmechanismus, mit dem wir uns vor der Auseinandersetzung mit unliebsamen Persönlichkeitsanteilen bewahren möchten. Denn die könnte schließlich unangenehm oder sogar schmerzhaft werden. Aber natürlich bringt uns das Verdrängen langfristig nicht weiter. Wenn Sie also das nächste Mal irrational von einer Kollegin oder einem Bekannten genervt sind, dann hören Sie lieber mal tiefer in sich hinein. Denn es ist sehr wahrscheinlich, dass in diesem Fall ausnahmsweise das viel zitierte Klischee zutrifft: Es liegt nicht an dir, es liegt an mir.

Wenn alles zu viel wird: Überforderung als Warnsignal

Der Gedanke, dass alles zu viel wird, kann sehr hilfreich sein. Das damit verbundene Gefühl der Überforderung ist meist unangenehm, aber völlig normal. Es zeigt uns wichtige Grenzen auf. Laut einer weltweiten Befragung erleben 41 % der Arbeitnehmenden täglich hohen Stress (Gallup, 2024). Eine deutsche Studie offenbart sogar, dass sich 61 % der Arbeitnehmenden gefährdet sehen, an einer Überlastung zu erkranken (Pronova BKK, 2024). Um ernsthaften Problemen für die Gesundheit vorzubeugen, ist es wichtig, rechtzeitig zu handeln. Die Erkenntnis "Mir wird alles zu viel!" ist der erste Schritt zur Veränderung.

Das Gefühl der Überforderung entsteht, wenn die wahrgenommenen Anforderungen die verfügbaren Reserven übersteigen. Um Stress im Beruf und im Alltag effektiv zu bewältigen, ist es wichtig, diese Mechanismen zu verstehen und die persönlichen Stressverstärker zu identifizieren. Das Konzept der Resilienz hilft dabei, konstruktiver mit Stressreaktionen umzugehen und in herausfordernden Situationen gelassener zu reagieren.

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Sofortmaßnahmen gegen akuten Stress: Was tun, wenn die Nerven blank liegen?

Wenn die Situation über den Kopf wächst, sind Sofortmaßnahmen gegen akuten Stress gefragt. Forschungen zeigen, dass bereits 20 Minuten gezielte Entspannungstechniken helfen können, das Stresslevel zu senken.

Die 5-4-3-2-1-Technik

Diese Technik bringt dich zurück ins Hier und Jetzt. Nimm dir einen Moment Zeit und benenne:

  • 5 Dinge, die du sehen kannst
  • 4 Dinge, die du berühren kannst
  • 3 Dinge, die du hören kannst
  • 2 Dinge, die du riechen kannst
  • 1 Ding, das du schmecken kannst

Die 4-7-8-Atmung

Diese wissenschaftlich belegte Atemtechnik aktiviert den Parasympathikus, den Teil des Nervensystems, der wie eine innere Bremse wirkt und den Körper aus dem Stressmodus zurück in Entspannung bringt. Atme 4 Sekunden ein, halte den Atem 7 Sekunden lang und atme dann 8 Sekunden lang aus. Wiederhole dies 3-4 Mal.

Brain Dump: Gedanken aufschreiben

Schnapp dir einen Zettel und schreibe ungefiltert alles auf, was dir durch den Kopf geht - ohne zu bewerten oder zu ordnen. Diese Technik entlastet das Arbeitsgedächtnis und schafft mentale Klarheit. Viele berichten danach: „Es war, als hätte ich endlich den Reset-Knopf für meinen Kopf gefunden. Plötzlich sah ich wieder klarer, was wirklich wichtig war.“ Die Methode eignet sich sowohl morgens, um mit einem freien Kopf in den Tag zu starten, als auch abends, um das Gedankenkarussell zu stoppen und zur Ruhe zu kommen.

Immer nur eins nach dem anderen

Das Problem, wenn einem alles zu viel wird, besteht nämlich häufig darin, dass in deinem Kopf alles gleichzeitig passiert. Spulst du die Gedanken an deine Pflichten in deinem Kopf ab, gewinnst du dadurch den Eindruck, du müsstest gleichzeitig die Kinder in den Kindergarten bringen, den Haushalt erledigen, den Arbeitstag wuppen, das Geburtstagsgeschenk besorgen, zu einer Verabredung gehen und den Urlaub planen. Mal ehrlich: Unnormal wäre, wenn dir das nicht alles zu viel wäre.

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Die Zeigarnik-Effekt nutzen: Aufgaben externalisieren

Die Psychologin Bluma Zeigarnik entdeckte ein faszinierendes Phänomen: Unerledigte Aufgaben beschäftigen dein Gehirn deutlich intensiver als abgeschlossene. Die Lösung: Erstelle bewusst einen „externen Speicher“ für deine Aufgaben - eine Liste oder einen Kalender. Wenn dein Gehirn weiß, dass nichts vergessen wird, kann es sich entspannen und sich ganz auf die aktuelle Tätigkeit konzentrieren.

Achtsamkeit praktizieren: Im Hier und Jetzt ankommen

Achtsamkeit bedeutet bewusste Wahrnehmung zu praktizieren. Liegst du morgens im Bett und deine Gedanken wandern zum Meeting am Nachmittag, fängst du sie gewissermaßen wieder ein und richtest sie auf das, was du jetzt wahrnehmen kannst: die Wärme unter der Bettdecke, die Berührungspunkte deines Körpers mit der Matratze, deine Atembewegungen, das Vogelgezwitscher hinter dem Haus. Bereits nach 8 Wochen regelmäßiger Praxis lassen sich Veränderungen in der Amygdala (dem „Alarmzentrum” für Angst und Stress) und im präfrontalen Cortex (zuständig für bewusste Wahrnehmung und emotionale Kontrolle) nachweisen. Achtsamkeit ist eine wissenschaftlich belegte Methode zur Stressbewältigung, die dein Gehirn trainiert, entspannter mit Herausforderungen umzugehen und mehr Gelassenheit im Alltag zu entwickeln.

Langfristige Strategien für mehr Ausgeglichenheit

Ressourcen aktivieren: Energiequellen bewusst nutzen

Dein Stresslevel hängt stark davon ab, wie viel Energie du hast. In der Psychologie spricht man hier von Ressourcen - das sind deine persönlichen Kraftspeicher. Du kannst dir das vorstellen wie den Vorrat an Vitaminen im Körper: Sind diese Speicher leer, reagierst du anfälliger auf Belastungen. Jeder hat seine eigenen Energiequellen.

Grenzen setzen: Selbstfürsorge als Prävention

Ein entscheidender, oft übersehener Kraftgeber ist das Setzen persönlicher Grenzen - ein wesentlicher Baustein der Selbstfürsorge. Grenzen zu setzen ist kein Egoismus, sondern präventive Selbstfürsorge - wie das Anlegen eines Sicherheitsgurts. Nur wenn du deine eigenen Energiereserven schützt, kannst du langfristig für andere da sein, ohne in die emotionale Erschöpfung zu rutschen.

Burnout vorbeugen: Warnsignale ernst nehmen

Wenn das Gefühl „Mir wird alles zu viel“ zum Dauerzustand wird, kann sich daraus eine ernstzunehmende Belastung entwickeln. Chronischer Stress ist nicht nur unangenehm, sondern kann in einem Burnout münden. Oft zeigt sich das zunächst in zunehmender Gereiztheit und Unausgeglichenheit, bevor schwerwiegendere Symptome auftreten können. Forschungen zeigen, dass achtsamkeitsbasierte kognitive Verhaltenstherapie (MBCBT) besonders effektiv bei der Bewältigung von berufsbedingtem Stress ist. Unbehandelt kann sich ein Burnout zu einem chronischen Zustand mit weitreichenden physiologischen Veränderungen entwickeln. Die gute Nachricht: In der frühen Phase lässt sich die Entwicklung noch gut umkehren. Studien zeigen, dass achtsamkeitsbasierte Interventionen und strukturierte Stressbewältigungsprogramme effektiv vor einer akuten psychischen Überlastung schützen können.

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Professionelle Hilfe suchen: Unterstützung annehmen

Manchmal ist es nicht nur der normale Alltagsstress, sondern das Leben selbst kann überwältigend erscheinen. In solchen Phasen ist es besonders wichtig, sich professionelle Unterstützung zu holen und die eigenen Grenzen zu respektieren.

Was tun, wenn andere nerven? Umgang mit schwierigen Menschen

Auch im Umgang mit schwierigen Menschen gibt es Strategien, um die eigene innere Ruhe zu bewahren:

  • Schwierigen Menschen aus dem Weg gehen: Wenn möglich, versuche die komplizierten Kontakte möglichst kurz und selten zu halten.
  • Nicht auf das Verhalten eingehen: Ignoriere das nervige Verhalten und lass dich nicht darauf ein.
  • Ruhe bewahren: Versuche, auch in emotional schwierigen Situationen einen kühlen Kopf und Ruhe und Gelassenheit zu bewahren.
  • Verbalattacken nicht persönlich nehmen: Nörglerische, pessimistische und besserwisserische Menschen wollen oft, dass andere mitleiden oder sich dumm vorkommen.
  • Mitgefühl zeigen: Versuche, dich in dein kompliziertes Gegenüber hineinzuversetzen und Mitgefühl und Empathie zu zeigen.
  • Ruhig und sachlich bleiben: Greife die Person nicht an, mach keine Vorwürfe und beschimpfe sie nicht.
  • Nach dem Zweck des Verhaltens fragen: Wenn wir verstehen, was der schwierige Mensch mit seinem Verhalten wirklich bewirken will, können wir besser darauf eingehen und im Idealfall gemeinsam eine Lösung finden.
  • Eigene Triggerpunkte erkennen: Frage dich, ob die Eigenschaften, die dich an schwierigen Menschen am meisten nerven, nicht vielleicht deine eigenen Triggerpunkte sind.
  • Grenzen setzen: Stehe zu dir und deinen Positionen und ziehe Grenzen, wo sie nötig sind.

Was tun, wenn man selbst nervt? Selbstreflexion und Empathie

Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr allen in eurem Umfeld auf die Nerven geht? Dieses Gefühl kann sehr belastend sein und zu Selbstzweifeln führen. Um herauszufinden, ob dieses Gefühl der Wahrheit entspricht, ist es wichtig, ehrlich mit sich selbst zu sein und das eigene Verhalten zu reflektieren.

  • Direkte Kommunikation: Sprich offen mit deinen Freunden und Familie und frage nach, ob sie dein Verhalten als nervig empfinden.
  • Selbstbeobachtung: Achte auf deine Interaktionen mit anderen und versuche, Muster zu erkennen, die möglicherweise zu Irritationen führen.
  • Empathie: Versetze dich in die Lage der anderen und versuche zu verstehen, wie dein Verhalten auf sie wirken könnte.
  • Selbstbewusstsein: Sei du selbst - deine Freunde mögen dich so! Und wenn du mal jemandem auf die Nerven gehen solltest: Das ist einfach so und im nächsten Moment oder beim nächsten Treffen ist es wieder anders und sie finden dich toll.

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