Die Diagnose Alzheimer oder Demenz stellt Betroffene und ihre Familien vor große Herausforderungen. Der Alltag verändert sich, und es ist wichtig, sich über die Krankheit zu informieren, um Missverständnisse zu vermeiden und den Umgang miteinander zu erleichtern. Dieser Artikel gibt Ihnen praktische Tipps und Ratschläge, wie Sie das Zusammenleben mit einem Menschen mit Demenz gestalten können, von der Anpassung des Wohnraums bis hin zur Kommunikation und Selbstfürsorge.
Verstehen der Demenz und ihrer Auswirkungen
Demenz ist ein fortschreitender Prozess, der sich bei jedem Menschen anders äußert. Es ist wichtig zu verstehen, wie sich die Krankheit auf die kognitiven Fähigkeiten, das Verhalten und die Emotionen des Betroffenen auswirkt. Informieren Sie sich über die verschiedenen Stadien der Demenz und die spezifischen Bedürfnisse, die damit einhergehen. Dies hilft Ihnen, realistische Erwartungen zu haben und angemessen zu reagieren.
Professor Dr. Gabriele Wilz, Expertin für klinisch-psychologische Intervention, betont, dass Unkenntnis über die Erkrankung oft zu Missverständnissen führt. Sie vergleicht die Situation eines Menschen mit Demenz mit der eines Menschen in einem fremden Land, der die Sprache und Schrift nicht kennt und sich nicht zurechtfindet. Dieses Verständnis ermöglicht einen empathischeren Umgang.
Selbstständigkeit und Teilhabe fördern
Ein zentraler Aspekt im Umgang mit Demenz ist die Förderung von Selbstständigkeit und Autonomie. Auch wenn die Fähigkeiten nachlassen, ist es wichtig, den Betroffenen so weit wie möglich in Alltagsaktivitäten einzubeziehen. Dies kann bedeuten, sie an Gesprächen teilnehmen zu lassen, sie in Haushaltsaufgaben einzubinden oder ihnen die Möglichkeit zu geben, Entscheidungen zu treffen, auch wenn diese klein sind.
Prof. Dr. Wilz betont, dass die Beteiligung an der Familie und am Haushalt das Bedürfnis des Erkrankten befriedigt, ein aktives Mitglied der Gemeinschaft zu sein. Auch wenn die Ergebnisse nicht mehr perfekt sind, zählt das Gefühl, gebraucht zu werden.
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Anpassung des Wohnraums
Der Wohnraum sollte so gestaltet sein, dass er Sicherheit und Orientierung bietet. Entfernen Sie Stolperfallen wie Teppiche, sorgen Sie für eine gute Beleuchtung und kennzeichnen Sie wichtige Räume wie Bad und Küche mit deutlichen Bildern. Es gibt auch spezielle Hilfsmittel wie Herdabschaltautomatiken, Notknöpfe und Steckdosensicherungen, die den Alltag sicherer machen können. Pflegeberatungsstellen können hierzu detaillierte Auskünfte geben.
Vermeidung von Stress und Überforderung
Hektische Situationen und zu viele Termine sollten vermieden werden. Planen Sie genügend Zeit für alltägliche Aufgaben wie Anziehen oder Essen ein. Hintergrundgeräusche wie Radio oder Fernseher können Stress verursachen und sollten reduziert werden. Schaffen Sie eine ruhige und entspannte Umgebung, in der sich der Betroffene wohlfühlt.
Gedächtnistraining und Erinnerungen
Gedächtnistraining kann hilfreich sein, sollte aber nicht zu Überforderung führen. Konzentrieren Sie sich stattdessen auf Aktivitäten, die Freude bereiten, wie Bewegung, Spiele oder Haushaltsarbeiten. Besonders wertvoll ist die Lieblingsmusik des Betroffenen. Playlists mit Liedern aus der Jugend können Erinnerungen wecken und Gespräche anregen. Auch das Betrachten alter Fotoalben kann eine schöne gemeinsame Erfahrung sein, sollte aber nicht als verpflichtendes Training gesehen werden.
Routinen und Flexibilität
Routinen und Gewohnheiten können im Alltag mit Demenz hilfreich sein, da sie Struktur und Sicherheit bieten. Es ist jedoch wichtig, flexibel zu bleiben und die Routinen an die Bedürfnisse des Betroffenen anzupassen. Manchmal benötigen Menschen mit Demenz mehr Ruhepausen, mehr Bewegung oder mehr soziale Kontakte. Eine Tagespflegeeinrichtung oder ein Pflegeheim kann eine gute Option sein, wenn der Betroffene Geselligkeit braucht und zu Hause nicht ausreichend gefördert wird.
Bedürfnisse erkennen und darauf eingehen
Achten Sie auf die Gefühle und den körperlichen Ausdruck des Betroffenen. Unruhe, Anspannung oder Wohlbefinden sind oft im Gesicht und an der Körperhaltung erkennbar. Versuchen Sie, die Ursachen für Unwohlsein zu erkennen und darauf einzugehen.
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Die Entscheidung für ein Pflegeheim
Die Entscheidung, ob ein Mensch mit Demenz zu Hause oder in einem Pflegeheim besser aufgehoben ist, ist sehr persönlich und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Im Frühstadium der Demenz kann der Betroffene oft noch selbst mitentscheiden. Im weiteren Verlauf der Krankheit wird dies schwieriger. Angehörige sollten sich fragen, ob sie die häusliche Pflege leisten können und ob sie dem Betroffenen guttut. Ein Pflegeheim kann eine gute Option sein, wenn die Angehörigen an ihre Belastungsgrenze kommen oder der Betroffene mehr Betreuung und soziale Kontakte benötigt. Es ist wichtig, den Übergang in ein Heim gut zu gestalten und den Betroffenen sowie die Angehörigen dabei zu unterstützen.
Selbstfürsorge für Angehörige
Die Betreuung und Pflege von Menschen mit Demenz ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die oft überfordernd ist. Angehörige sollten daher unbedingt auf sich selbst achten und für ausreichend Pausen und Erholung sorgen. Holen Sie sich Hilfe von anderen Familienmitgliedern, Freunden oder professionellen Pflegekräften. Nutzen Sie Angebote wie Pflegeberatung, Selbsthilfegruppen oder psychologische Beratung. Es ist kein Zeichen von Versagen, Hilfe anzunehmen.
Typische Alarmzeichen für Überforderung sind Schlafstörungen, anhaltende Erschöpfung und der Verlust von Freude an Aktivitäten, die man früher gerne gemacht hat. Spätestens dann ist es wichtig, die eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen und sich Unterstützung zu suchen.
Die Bedeutung psychologischer Hilfe
Psychologische Unterstützung kann Angehörigen helfen, mit Schuldgefühlen, Überforderung, Reizbarkeit und dem fortschreitenden Verlust eines geliebten Menschen umzugehen. Oft reichen schon wenige Stunden psychotherapeutischer Unterstützung aus, um große Veränderungen zu bewirken. Auch Selbsthilfegruppen können eine große Hilfe sein, um sich auszutauschen und zu merken, dass man mit seinen Gefühlen nicht allein ist.
Umgang mit schwierigem Verhalten
Demenz kann zu Verhaltensänderungen wie Angstzuständen, Wahnvorstellungen, Halluzinationen oder Schreien führen. Es ist wichtig, diese Verhaltensweisen nicht persönlich zu nehmen, sondern als Ausdruck der Krankheit zu verstehen. Versuchen Sie, die Auslöser für das Verhalten zu erkennen und die Situation zu entschärfen. Ablenkung,Validation und eine ruhige Umgebung können helfen.
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Angstzustände
Angstzustände können bei Demenz auftreten, insbesondere bei der frontotemporalen Demenz. Versuchen Sie herauszufinden, was die Angst auslöst, und schaffen Sie eine sichere und vertraute Umgebung. Vermeiden Sie Spiegel oder dunkle Fußböden, die Angst auslösen können.
Wahnvorstellungen
Wahnvorstellungen sind häufige Verhaltensänderungen bei Demenzerkrankungen. Die Betroffenen sind oft davon überzeugt, dass sie betrogen oder bestohlen werden oder dass ihre Mitmenschen ihnen etwas Böses wollen. Versetzen Sie sich in die Lage des Betroffenen und versuchen Sie, seine Ängste und Befürchtungen zu verstehen.
Halluzinationen
Halluzinationen können beängstigend oder verwirrend sein und das alltägliche Leben der Betroffenen sowie ihrer Angehörigen stark beeinträchtigen. Schalten Sie störende Geräusche aus, hängen Sie Spiegel ab oder ändern Sie die Beleuchtung.
Schreien
Schreien kann ein Symptom fortgeschrittener Demenz sein. Menschen mit Demenz schreien, wenn sie sich nicht mehr mitteilen können, aber dennoch auf sich aufmerksam machen wollen. Akzeptieren Sie es, wenn der Demenzerkrankte keinen Körperkontakt wünscht.
Musik als Therapie
Musik kann eine positive Wirkung auf Menschen mit Demenz haben. Sie kann die Stimmung aufhellen, die Aufmerksamkeit verbessern und Erinnerungen wecken. Spielen Sie die Lieblingsmusik des Betroffenen und singen Sie gemeinsam alte Lieder.
Tagesstruktur und Beschäftigung
Menschen mit Demenz brauchen eine klare Tagesstruktur mit festen Tagesabläufen, Ritualen und einfachen Regeln. Aktivitäten oder Aufgaben sollten jede Woche am selben Tag zur selben Zeit stattfinden. Geben Sie lösbare Aufgaben und beschäftigen Sie den Betroffenen.
Ernährung
Im fortgeschrittenen Stadium einer Demenz kann es für die Betroffenen schwierig werden, selbstständig zu essen. Zeigen Sie, wie es geht, und regen Sie zum Trinken an. Gemeinsame und regelmäßige Mahlzeiten sorgen für Struktur und Orientierung.
Bewegung und Sinnesarbeit
Regelmäßige Bewegung ist sehr wichtig. Sie fördert die Verdauung, den Kreislauf, den Appetit und den Schlaf. Auch Sinnesarbeit spielt eine wichtige Rolle in der Betreuung von Menschen im fortgeschrittenen Stadium einer Demenzerkrankung. Beruhigende oder vertraute Düfte sowie anregende Beleuchtung können positive Reaktionen und Erinnerungen hervorrufen.
Rechtliche und finanzielle Aspekte
Bei einer Demenz stellen sich viele rechtliche und finanzielle Fragen, die für die Zukunft geregelt werden müssen. Das beginnt bei der Ausübung des Berufs, geht über Alltägliches wie das Autofahren, die Vorsorgevollmacht bis hin zur Geschäftsfähigkeit. Wenn keine Vorsorgevollmacht vorliegt, wenden sich Betroffene und Angehörige an das örtliche Betreuungsgericht, um den gesetzlichen Betreuer zu bestimmen.
Die Rolle von Pflegekursen
Pflegekurse vermitteln Angehörigen Wissen zu Pflegethemen und Demenz. Solche Pflegekurse werden von der Pflegekasse bezahlt, die auch die erste Anlaufstelle für Angehörige ist.
Kommunikation mit Menschen mit Demenz
Mit der Zeit fällt es Menschen mit Demenz immer schwerer, sich auszudrücken oder Gesprächen zu folgen. Dies kann die Kommunikation im Alltag belasten und für Angehörige herausfordernd sein. Doch auch wenn Sprache verloren geht, bleibt Kommunikation möglich. Verwenden Sie kurze, klare Aussagen mit nur einer Information. Ja-/Nein-Fragen oder Auswahlmöglichkeiten sind oft besser als offene Fragen. Sprechen Sie langsam und deutlich und wiederholen Sie wichtige Informationen bei Bedarf auch mehrmals. Achten Sie auf Blickkontakt, Körpersprache, Mimik und Gestik.
Validation
Validation bedeutet, den Menschen dort abzuholen, wo er sich in seiner Wahrnehmung befindet - nicht mit Fakten, sondern mit Verständnis. Menschen mit Alzheimer nehmen oft nicht mehr jedes Wort genau wahr - aber sie spüren, wie etwas gesagt wird. Ein ruhiger Tonfall, Blickkontakt und eine offene Haltung können Vertrauen und Sicherheit vermitteln.
Tipps für den Alltag
- Verständniskärtchen: Menschen mit Demenz haben vielleicht Schwierigkeiten, sich zu orientieren, die richtigen Worte zu finden oder sich an übliche Regeln zu halten. In manchen Situationen sind sogenannte "Verständniskärtchen" hilfreich, die ohne lange Erklärungen über die Krankheit informieren.
- Notfallplan: Überlegen Sie, wer in einer Notsituation einspringen und alles Notwendige organisieren kann. Fertigen Sie eine Liste mit wichtigen Telefonnummern und Informationen an und platzieren Sie sie möglichst gut sichtbar, zum Beispiel neben dem Telefon.
- Technische Hilfen: In manchen Fällen kann auch ein GPS-Ortungssystem hilfreich sein.