Die generalisierte Myasthenia gravis (gMG), oft auch nur Myasthenia gravis (MG) oder Myasthenie genannt, ist eine seltene, chronische, neurologische Autoimmunerkrankung. Sie ist durch eine belastungsabhängige Schwäche und Müdigkeit, eine sogenannte „Fatigue“, gekennzeichnet. Dabei variieren die Verläufe und der Schweregrad der Erkrankung stark.
Was ist Myasthenia Gravis?
Myasthenia gravis oder Myasthenie bedeutet „schwere Muskelschwäche“. Diese Autoimmunerkrankung kennzeichnet sich durch eine neuromuskuläre Störung zwischen den Nerven und Muskeln, die dazu führt, dass die Betroffenen Schwierigkeiten haben, ihre Muskeln kontrolliert zu benutzen. Bei gesunden Menschen steuert der Botenstoff Acetylcholin die Impulse zwischen den Nerven und Muskeln. Bei der Myasthenie wird diese Kommunikation jedoch blockiert.
Wie viele Menschen sind betroffen?
Die Myasthenia gravis wird zu den seltenen Erkrankungen gezählt. In der Europäischen Union wird eine Erkrankung als selten definiert, sofern maximal 5 von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Studiendaten aus Europa berichten von einer Prävalenz zwischen 11 und 36 pro 100.000 Einwohner. Die geschätzte Prävalenz in Deutschland für die Myasthenia gravis liegt bei rund 39 betroffenen Personen pro 100.000 Einwohnern. Es gibt allerdings deutliche geografische Unterschiede bezüglich der auftretenden Fälle: In Korea sind beispielsweise nur knapp 11 von 100.000 Einwohnern betroffen. Insgesamt gibt es weltweit über 700.000 Menschen, die an Myasthenia gravis erkrankt sind.
Wann tritt Myasthenia Gravis auf?
Grundsätzlich kann eine Myasthenia gravis in jeder Altersklasse auftreten, wobei die Wahrscheinlichkeit zu erkranken mit Zunahme des Alters ansteigt. Bei Kindern wird die Erkrankung relativ selten diagnostiziert: Nur etwa 10 % der Fälle betrifft Patient:innen < 18 Jahren. Epidemiologische Untersuchungen haben gezeigt, dass Myasthenia gravis besonders häufig bei Frauen im Alter zwischen 30 und 50 Jahren und bei Männern zwischen 60 und 89 Jahren auftritt.
Zunehmende Fallzahlen im Laufe der Zeit
Im letzten Jahrhundert konnte ein deutlicher Anstieg der Fälle beobachtet werden. Zwischen 1915 und 1934 wurde die Prävalenz noch auf 0,5 Betroffene pro 100.000 Einwohner geschätzt, 1969 lag sie bereits bei 5,9 von 100.000 (1 von 17.000) Einwohnern. Als Ursachen für den Anstieg werden mehrere Faktoren wie eine verbesserte Diagnosestellung oder der Anstieg des Durchschnittsalters vermutet.
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Ursachen der Myasthenia Gravis
Ursache der Myasthenia gravis ist eine gestörte Impulsübertragung an der Kontaktstelle zwischen Nerv und Muskel, der sogenannten neuromuskulären Endplatte. Der Grund für die gestörte Impulsübertragung liegt in einer fehlgesteuerten Reaktion des Immunsystems. Dabei bildet das Immunsystem Abwehrstoffe (Antikörper) gegen Bestandteile der neuromuskulären Endplatte. Bestimmte Antikörper blockieren oder verändern Andockstellen, sogenannte Rezeptoren, für den Botenstoff Acetylcholin, der an der Steuerung der Muskulatur einen wesentlichen Anteil hat. Acetylcholin kann seine Wirkung folglich nicht mehr voll entfalten.
Die Rolle der Thymusdrüse
Eine wichtige Rolle bei Myasthenia gravis spielt die Thymusdrüse, ein Organ des Immunsystems. Die Thymusdrüse liegt hinter dem Brustbein und bildet sich bei gesunden Menschen ab dem Jugendalter zurück. Bei 50-60 % der Patient:innen mit Myasthenia gravis kann eine Vergrößerung der Thymusdrüse festgestellt werden. Die Thymusdrüse steht daher unter Verdacht, bei der Produktion der Autoantikörper bei Myasthenia gravis beteiligt zu sein.
Weitere Risikofaktoren
Es wird vermutet, dass bestimmte Hormone wie z. B. Östrogene oder Progesteron das Risiko einer Myasthenia gravis erhöhen oder die Erkrankung zumindest beeinflussen können. Bei einer Myasthenia gravis mit frühem Krankheitsbeginn konnte beobachtet werden, dass Frauen dreimal öfter betroffen sind als Männer. Außerdem berichten einige erkrankte Frauen von einer Verschlechterung ihrer Symptome kurz vor dem Einsetzen ihrer Periode, wenn die Progesteron-Konzentration im Körper abfällt. Für betroffene Frauen kann es daher sinnvoll sein, zu dieser Zeit vermehrt Ruhephasen einzuplanen, um den Körper nicht zusätzlich zu belasten. Neben hormonellen Schwankungen können auch verschiedene Stressfaktoren die Symptome einer Myasthenia gravis verschlimmern. Zu diesen Stressfaktoren gehören beispielsweise fieberhafte Infekte, bestimmte Medikamente, grelles Licht oder Wärme/Hitze. Ruhe und Erholung führen hingegen häufig zu einer Abmilderung der Symptome. Genetische Faktoren scheinen bei der Myasthenia gravis weniger eine Rolle zu spielen: Nur etwa 4-7 % der Erkrankungsfälle sind mit einer familiären Häufung assoziiert. Es handelt sich also nicht um eine Erbkrankheit. Es kann jedoch passieren, dass Neugeborene von betroffenen Müttern kurz nach der Geburt myasthene Symptome entwickeln. Diese verschwinden im meist nach ein paar Wochen wieder. Man bezeichnet einen solchen Fall als neonatale Myasthenia gravis.
Symptome der Myasthenia Gravis
Wichtigstes Symptom der Myasthenia gravis ist die belastungsabhängige Muskelschwäche. Sie beginnt meist im Bereich der Augen und kann im Laufe der Zeit alle Körperregionen betreffen. Die auftretenden Symptome bei Myasthenia gravis können stark variieren. Meist macht sich die Erkrankung zunächst über die Augenmuskulatur bemerkbar, man spricht dabei von okulären Symptomen: Die Betroffenen sehen häufig Doppelbilder und mindestens eines ihrer Augenlider beginnt zu hängen. Okuläre Symptome treten bei etwa 85 % der Patient:innen auf. Ungefähr die Hälfte der Betroffenen entwickelt innerhalb von zwei Jahren eine generalisierte Form der Erkrankung, bei der weitere Muskelgruppen des Körpers Einschränkungen erfahren. In etwa 60 % der Fälle äußert sich dies im Bereich der Rachenmuskulatur, wodurch die Bewegung des Kiefers und somit auch das Kauen erschwert wird. Schluck- und Sprachstörungen treten bei etwa 15 % der Betroffenen auf.
Typische Symptome
- Hängende Augenlider
- Doppelbilder
- Schwierigkeiten beim Sprechen
- Kau- und Schluckschwierigkeiten
- Schwäche in Armen und Beinen
- Schwierigkeiten beim Gehen
Bei besonders schweren Fällen weitet sich die Erkrankung neben der Rachen- auch auf die Atemmuskulatur aus: Patient:innen erleiden Probleme beim Atmen und das Risiko für eine Atemlähmung steigt. Man spricht dann von einer myasthenen Krise: Dabei handelt es sich um einen lebensbedrohlichen Zustand, der durch eine rapide Verschlechterung der Symptomatik verursacht wird. Die Betroffenen benötigen meist eine mechanische Beatmung und/oder künstliche Ernährung. Die Myasthenia gravis kann auch die Skelettmuskulatur einschränken, was sich beispielsweise durch Bewegungseinschränkungen und Muskelschwäche in den Armen und Beinen äußert. Grundsätzlich kann sich die Erkrankung auf alle Muskelgruppen, mit Ausnahme der Muskulatur der inneren Organe, auswirken. Betroffene berichten bei zunehmender körperlicher Belastung von einer Verstärkung ihrer Symptome, während sie bei Ruhe eher abklingen. Aufgrund der körperlichen Belastung im Laufe des Tages, treten die Symptome häufig vermehrt in den Abendstunden auf. Neben den körperlichen Symptomen beeinflusst eine Mysthenia gravis auch psychische Wohlbefinden von Betroffenen. Die körperliche Belastung erhöht beispielsweise das Risiko für Depressionen und/oder Angstzustände. Außerdem kann der Alltag mit der Erkrankung durch Krankenhausaufenthalte aufgrund schwerer Schübe stark beeinträchtigt werden.
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Auswirkungen auf den Körper
Die Myasthenia gravis kann verschiedene Bereiche des Körpers beeinträchtigen:
- Augen: Schwäche der Augenmuskeln, hängende Augenlider, verschwommenes oder doppeltes Sehen
- Nacken, Rücken und Schultern: Müdigkeit, Schmerzen, Schwäche, Krämpfe
- Kernbereich: Schwäche
- Arme und Finger: Krämpfe, Schwierigkeiten beim Greifen und Heben, Kraftverlust, Schmerzen, Müdigkeit
- Gesicht: Schwierigkeiten beim Kauen, Ermüdung des Kiefers, Verschlucken oder Erbrechen, Erschlaffung der Gesichtsmuskeln
- Stimme: Müdigkeit, Schwierigkeiten beim Sprechen, Veränderungen der Stimme
- Atmung: Müdigkeit, flache Atmung, Kurzatmigkeit
- Füße, Beine und Hüfte: Krämpfe, Müdigkeit und Schwäche, Zuckungen, Schmerzen
Diagnose der Myasthenia Gravis
Die Diagnose der Myasthenia gravis beruht vor allem auf den typischen Beschwerden, dem Alter des Patienten und der Beschaffenheit der Thymusdrüse. Dafür erfragt der Arzt die Vorgeschichte und untersucht den Betroffenen auf körperliche Symptome wie ermüdende Muskeln, unterschiedlich stark ausgeprägte Muskelschwäche sowie die betroffenen Körperregionen. Auch eine Untersuchung der Thymusdrüse kann sinnvoll sein. Darüber hinaus unterstützen Labortests dabei, eine fehlerhafte Impulsübertragung zwischen Nerven und Muskeln, den Erkrankungstyp anhand der ursächlichen Antikörper sowie den Schweregrad zu bestimmen. Diese Untersuchungen helfen, die jeweils sinnvolle Therapie und den Behandlungserfolg objektiv einzuschätzen. Welche Untersuchungen und Tests bei welchem Patienten sinnvoll sind, entscheidet dabei der behandelnde Arzt. Eine gezielt durchgeführte neurologische Untersuchung kann weitere Hinweise auf das Vorliegen einer Myasthenia gravis geben.
Diagnoseverfahren
Wenn ein Verdacht auf eine Myasthenia gravis aufgrund oben genannter Symptome auftritt, können verschiedene Untersuchungen durchgeführt werden, um die Diagnose zu sichern. Dazu gehören u.a.:
- Belastungstests: Verschiedene Arten von Belastungstests können dabei helfen, eine Myasthenia gravis zu erkennen. Hierzu werden beispielsweise die Patient:innen dazu angehalten, ihre Arme für 3 Minuten horizontal ausgestreckt zu halten. Ist dies nicht möglich, deutet das auf eine vorliegende Erkrankung hin.
- Antikörpertests: Es gibt verschiedene Antikörper, die auf eine Myasthenia gravis hindeuten können. Dazu gehören z. B. die Autoantikörper, die an Acetylcholin-Rezeptoren der Muskelzellen andocken und diese blockieren. Durch Untersuchungen der Blutwerte kann festgestellt werden, welche und wie viele dieser Autoantikörper im Körper produziert werden.
- Nervenstimulation im EMG-Labor: Bei einem Elektromyogramm (EMG) werden Nerven wiederholt mit elektrischen Signalen gereizt. Dabei wird zeitgleich die elektrische Spannung an den Muskeln gemessen, wodurch festgestellt werden kann, ob das Signal zwischen Nerv und Muskel übertragen wird.
- Kälte-Test: Es konnte beobachtet werden, dass sich die Symptome von der Myasthenia gravis unter Einfluss von Hitze häufig verschlechtern, während sie sich bei Kälte abmildern. Daher wird besonders bei der Diagnose von okulärer Myasthenie ein Kältepack oder ähnlich genutzt, das für 2-5 Minuten auf ein betroffenes Auge gelegt wird. Eine anschließende Verbesserung der Symptomatik spricht für eine Myasthenia gravis.
- Pharmakologische Tests: Auch Untersuchungen von Enzymaktivitäten können Hinweise darauf geben, ob eine Myasthenia gravis Erkrankung vorliegt oder nicht. Das Enzym Acetylcholinesterase baut beispielsweise den Botenstoff Acetylcholin ab. Durch den Einsatz von Acetylcholinesterasehemmern wird der Abbau des Botenstoffs aufgehalten, wodurch mehr Acetylcholin an die verbleibenden Rezeptoren auf den Muskelzellen andocken können. Verbessern sich durch den Einsatz von Acetylcholinesterasehemmern die Symptome, deutet dies auf eine Myasthenia gravis hin.
- Bildgebende Verfahren: Bei 50-60 % der betroffenen Patient:innen liegt eine vergrößerte Thymusdrüse vor und 15 % leiden unter einem Thymom, einem meist gutartigen Tumor der Thymusdrüse. Mit Hilfe einer Computertomografie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT) oder Positronen-Emissions-Tomographie (PET) kann eine solche Veränderung der Thymusdrüse analysiert werden.
Differenzialdiagnose
Vor allem zu Beginn der Erkrankung kann es sinnvoll sein, vor der Diagnosestellung andere Erkrankungen auszuschließen. Abhängig von den vorliegenden Beschwerden können u. a. folgende weitere Erkrankungen in Frage kommen: Lambert-Eaton-Syndrom, medikamenteninduzierte myasthene Syndrome, Polymyositis, Dermatomyositis, mitochondriale Muskeldystrophie, okulopharyngeale Muskeldystrophie, Guillain-Barré-Syndrom oder auch ein Hirntumor.
Formen der Myasthenia Gravis
Die Myasthenia gravis kann nach unterschiedlichen Kriterien eingeteilt werden, z. B. nach dem Zeitpunkt des Auftretens der ersten Symptome oder den entsprechenden Typen von Antikörpern, die die Erkrankung verursachen. Die Myasthenia gravis lässt sich zudem abhängig von den zugrunde liegenden Mechanismen in verschiedene Untergruppen einteilen. Dabei wird das Blut Betroffener auf bestimmte Arten von Antikörpern untersucht oder geprüft, ob Tumoren der Thymusdrüse vorliegen.
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Häufige Formen
- Form mit frühem Krankheitsbeginn: Nachweisbare Autoantikörper gegen Acetylcholin-Rezeptoren, erstes Auftreten der Erkrankung in einem Alter von < 50 Jahren, häufig mit einer Vergrößerung der Thymusdrüse verbunden, tritt meist bei Frauen auf.
- Form mit spätem Krankheitsbeginn: Nachweisbare Autoantikörper gegen Acetylcholin-Rezeptoren, erstes Auftreten der Erkrankung in einem Alter von > 50 Jahren, tritt meist bei Männern auf.
- Thymom-assoziierte Form: Vorliegen eines Tumors der Thymusdrüse (Thymom), meist nachweisbare Autoantikörper gegen Acetylcholin-Rezeptoren, betrifft 10-15 % der Fälle.
- MuSK-assoziierte Form: Nachweisbare Autoantikörper gegen skelettmuskelspezifische Rezeptortyrosinkinase (MuSK), Muskelschwäche vor allem im Bereich von Kopf und Nacken, selten weitere Skelettmuskulatur betroffen, meist unauffällige Thymusdrüse.
- Form ohne nachweisbare Antikörper gegen Acetylcholin oder MuSK: Verschiedene Unterformen möglich, beispielsweise andere nachweisbare Autoantikörper wie z. B. Antikörper gegen das Rezeptorprotein LRP4.
Schweregrade der Myasthenia Gravis
Für die Bestimmung des Schweregrades der Myasthenia bei der Diagnose und im weiteren Verlauf wird häufig der Quantitative-Myasthenia-gravis (QMG)-Test angewendet. Mit diesem standardisierten Test werden die Muskulatur im Bereich der Augen und des Gesichts, die Muskeln, die für Schlucken und Sprechen verwendet werden, die Muskulatur an Armen, Beinen und Händen sowie die Funktion der Lunge beurteilt. Anhand des Myasthenia-gravis-Activities-of-Daily-Living (MG-ADL)-Tests wird erfasst, in welchem Ausmaß die Erkrankung Aktivitäten des täglichen Lebens beeinflusst. Auch dieser Test kann bei der Diagnose und zur Verlaufskontrolle eingesetzt werden.
Zur Einteilung des Schweregrades von Myasthenia gravis werden verschiedene Klassen verwendet, die sich nach der auftretenden Symptomatik richten:
- Klasse I: rein okulär, betrifft nur den Bereich der Augenmuskulatur, andere Muskeln sind unauffällig
- Klasse II: leichte bis mäßige generalisierter Schweregrad, bei dem neben der Augenmuskulatur auch andere Muskeln betroffen sind
- Klasse III: mäßiger generalisierter Schweregrad, bei dem neben der Augenmuskulatur auch andere Muskeln betroffen sind
- Klasse IV: schwerer generalisierter Schweregrad, bei dem neben der Augenmuskulatur auch andere Muskeln betroffen sind
- Klasse V: Patient:innen müssen intubiert werden.
Behandlung der Myasthenia Gravis
Obwohl die Autoimmunerkrankung Myasthenia gravis selten auftritt, ist diese gut erforscht und behandelbar. Ziel des individuellen Therapieplans stellt hierbei die möglichst vollständige Beschwerdefreiheit der Patientinnen und Patienten dar. Dank der vielseitigen und individuell abstimmbaren Therapiemöglichkeiten ist die Myasthenie unter fachärztlicher Kontrolle - mit wenigen Ausnahmen - heute gut einstellbar.
Medikamentöse Therapie
- Acetylcholinesterasehemmer: Mit diesem Wirkstoff wird der Abbau des Botenstoffes Acetylcholin gebremst und damit die Reizübertragung von den Nerven zu den Muskeln verbessert. Azetylcholin (ACh) wird durch das Enzym Azetylcholinesterase (AChE) abgebaut. Wird das Enzym medikamentös gehemmt, wird der Abbau des ACh vermindert und es steht mehr ACh zur Verfügung. Dadurch wird die Signalübertragung an der Schnittstelle zwischen Nervenfaser und Muskelzelle verbessert.
- Kortikosteroide: Corticosteroide (z. B. Prednisolon) dämpfen als körpereigene Hormone die Überaktivität des Immunsystems und erzielen rasch eine deutliche Symptomverbesserung. Aufgrund der vielfältigen Nebenwirkungen - auch mit möglicher Zunahme der Lähmungen - erfolgt eine niedrig dosierte Gabe, ggf.
- Immunsuppressiva: Sie werden eingesetzt, um die Neubildung von Antikörpern zu bremsen. Sie haben in der Regel während einer Langzeitbehandlung weniger starke Nebenwirkungen als Kortison. Der Behandlungserfolg tritt mit diesen Medikamenten jedoch erst mit einer gewissen Verzögerung ein.
- Biologika: Neuartige monoklonale Antikörper wie Rituximab und Eculizumab greifen spezifisch in den Krankheitsprozess ein und können das Krankheitsgeschehen in bestimmten Konstellationen nachhaltig positiv zu beeinflussen.
Thymektomie
Bei einigen Patienten oder Patientinnen ist der Thymus gutartig vergrößert, was scheinbar im Zusammenhang mit der Entstehung von Myasthenia gravis steht. In diesen Fällen wird der Thymus entfernt, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Die Thymusdrüse sitzt hinter dem Brustbein und ist eng mit der Myasthenia gravis verknüpft. Es ist jedoch zu beachten, dass eine vergrößerte Thymusdrüse auch ein Anzeichen für einen Thymus-Tumor (Thymom) sein kann und in diesem Fall eine Operation unerlässlich ist.
Weitere Therapieansätze
- Immuntherapie: Am Deutschen Zentrum Immuntherapie kann die Erkrankung in interdisziplinärere Zusammenarbeit mit den beteiligten Kliniken zudem mittels Immuntherapie behandelt werden. Bei dieser kommen spezielle Immuntherapeutika zum Einsatz, die die Bildung schädigender Antikörper unterdrücken.
- Plasmapherese: In einigen Fällen kann eine sogenannte Plasmapherese Teil der Behandlung sein. Im Falle einer myasthenen Krise, bei der ein Atemstillstand droht, ist eine Notfalltherapie notwendig: Betroffene bekommen über eine Infusion sogenannte Immunglobuline, also spezielle Immunzellen aus dem Spenderblut gesunder Menschen.
Leben mit Myasthenia Gravis
Mit Verlaufsschwankungen ist besonders in den ersten Jahren der Erkrankung immer wieder zu rechnen. Körperliche und psychische Belastungen wirken symptomverstärkend und sollten weitgehend vermieden werden. Der Alltag sollte auf die Erkrankung abgestimmt werden. So ist die Belastbarkeit am Morgen größer als am Abend und Ruhephasen zur Erholung sollten immer wieder eingeplant werden. Grundsätzlich ist die Prognose bei guter Medikamenteneinstellung positiv, mit geringen Beeinträchtigungen kann ein weitgehend normales Leben geführt und eine Berufstätigkeit ausgeübt werden. Es gibt jedoch keine Möglichkeit, die Muskelkraft vollständig wiederherzustellen. Alle Patientinnen und Patienten müssen ihre individuellen Belastungsgrenzen herausfinden.
Reisen mit Myasthenia Gravis
Patientinnen mit myasthenen Syndromen möchten und können, trotz ihrer Erkrankung, in den Urlaub fahren. Im Vorfeld bedarf es einiger Organisation und eventuell auch, je nach Schweregrad und Behandlung, eine individuelle Abstimmung mit der behandelnden Ärztin / dem behandelnden Arzt. Beachten Sie bei der Planung ihre Therapieintervalle von regelmäßigen Infusionen (z. B. IVIG, Eculizumab, Efartigimod, Rituximab, etc.) und, dass diese eventuell vor Ort verabreicht werden müssen. Stellen Sie sicher, dass die medizinische Versorgung und neurologische Betreuung im Notfall vor Ort gewährleistet werden können. Führen Sie ihren Notfallausweis (deutsch, englisch) und einen Medikationsplan (deutsch, englisch, evtl. in der Landessprache) mit sich, damit Sie den bei Notwendigkeit vorlegen können. Für viele ist der „Blaue Leitfaden“ ein wichtiges, unersetzliches Dokument geworden. Einige von Ihnen tragen sicherlich auch die SOS-Notfallkette, -kapsel oder das SOS-Armband. Je nach Reiseziel kann das Klima viel wärmer oder wesentlich kälter sein. Vermeiden Sie Temperaturextreme. Patientinnen und Patienten mit myasthenen Syndromen vertragen Hitze meist schlechter. Immunsupprimierte dürfen nicht alle Schutzimpfungen bekommen (Lebendimpfstoffe, z. B. Gelbfieber). Denken Sie aber auch daran, dass die Standardimpfungen bzw. die entsprechenden Auffrischungen aktuell sind. Eine lange Anreise ist beschwerlich und kann die myasthenen Symptomatik verstärken. Planen Sie bei Fahrten mit dem Auto ausreichend Pausen ein oder genießen Sie es, Beifahrerin zu sein. Auf Rastplätzen an Autobahnen sind in der Regel sowohl Parkplätze als auch Toiletten für Reisende mit Behinderung vorhanden. Meist ist für den Zugang zu den Toiletten sowie die öffentlichen Toiletten mit ein Euro-Schlüssel notwendig. Bei Zugreisen steht Ihnen die Mobilitätszentrale der DB für barrierefreies Reisen zur Verfügung. Schwerbehinderte Personen (auch Kinder), die eine Wertmarke besitzen, können im Nahverkehr kostenfrei fahren. Mit Merkzeichen B dürfen Sie im Fernverkehr bis zu 2 Sitzplätze kostenfrei reservieren, auch wenn sie kein gültiges Beiblatt mit Wertmarke besitzen. Hilfsmittel (z.B. Rollstühle für die Wege durch das Terminal werden bereitgestellt. Auch können Sie u. A. Die Aktivitäten am Urlaubsziel sollten immer an ihre aktuelle Konstitution angepasst sein. Beachten Sie von vorneherein, dass einige Unternehmungen (Wanderungen, Sightseeing) nur bedingt möglich sind und ihre Kräfte schnell schwinden können. Sie selbst kennen sich und Ihre Ressourcen am besten und wissen auch, dass jeder Tag anders sein kann. In zahlreichen Einrichtungen wie z. B. Schwere Lider bei Müdigkeit, die man kaum noch öffnen kann, kennen viele, doch wenn sich diese bewusst nicht mehr schließen oder öffnen lassen, eventuell Doppelbilder und weitere Muskelschwächen am ganzen Körper hinzukommen, kann es sich um die seltene, gleichzeitig gut erforschte Autoimmunerkrankung Myasthenia gravis (Myasthenie) handeln.
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