Verletzungs- oder krankheitsbedingte Nervenschädigungen können dauerhafte Störungen der Motorik, Sensibilität oder chronische Schmerzen verursachen und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Fast acht Prozent der über 55-Jährigen in Deutschland und Europa leiden an peripheren Neuropathien. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome und modernen Behandlungsansätze von Nervenschäden, einschließlich vielversprechender Forschungsergebnisse und unterstützender Therapien.
Ursachen und Symptome von Nervenschäden
Nervenfasern (Axone) leiten Signale zwischen Gehirn, Rückenmark und den Zielorganen wie Muskeln oder Haut. Schäden an diesen Nerven führen zu Unterbrechungen in der Signalübertragung, was zu Lähmungen oder Taubheit führen kann. Die Ursachen für Nervenschäden sind vielfältig und reichen von Verletzungen und Stoffwechselerkrankungen bis hin zu Infektionen und toxischen Einflüssen.
Typische Ursachen:
- Diabetes mellitus: Ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel kann die Nerven schädigen und zu diabetischer Polyneuropathie führen.
- Alkoholmissbrauch: Übermäßiger Alkoholkonsum wirkt nervenschädigend.
- Vitaminmangel: Insbesondere ein Mangel an Vitamin B12 kann Nervenschäden verursachen.
- Infektionen: Borreliose, Diphtherie oder Gürtelrose können Entzündungen verursachen, die die Nerven schädigen.
- Autoimmunerkrankungen: Erkrankungen wie das Guillain-Barré-Syndrom oder rheumatoide Arthritis können Nervenentzündungen verursachen.
- Medikamente: Einige Medikamente, wie bestimmte Antibiotika, können Nervenschäden verursachen.
- Toxische Substanzen: Kontakt mit Schwermetallen oder anderen giftigen Substanzen kann Nerven schädigen.
- Unfälle: Nerven können beispielsweise bei Autounfällen geschädigt oder sogar durchtrennt werden.
- Krebserkrankungen: Einige Krebserkrankungen wie Brustkrebs oder Blutkrebs können ebenfalls Nervenschäden verursachen.
Symptome der Polyneuropathie:
Die Symptome einer Polyneuropathie können je nach betroffenen Nerven variieren. Mediziner unterscheiden sensible, motorische und vegetative Polyneuropathien.
- Sensible Polyneuropathie: Empfindungsstörungen wie Kribbeln, Brennen, Jucken, Taubheitsgefühle oder ein vermindertes Temperatur- oder Schmerzempfinden, vor allem an Füßen oder Händen.
- Motorische Polyneuropathie: Muskelschwäche, Muskelschmerzen, Muskelzucken oder Muskelkrämpfe.
- Vegetative Polyneuropathie: Schwindel, Blasenschwäche, Durchfall oder verstärktes Schwitzen, die die Organfunktionen betreffen.
Diagnose von Nervenschäden
Eine frühzeitige und präzise Diagnose ist entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung von Nervenschäden. In der Regel erfolgt die Diagnose durch einen Neurologen, der verschiedene Untersuchungsmethoden einsetzt, um die Art und den Umfang der Nervenschädigung zu bestimmen.
Diagnoseverfahren:
- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und der aktuellen Beschwerden.
- Körperliche Untersuchung: Prüfung der Muskelkraft, Reflexe und des Reizempfindens.
- Elektroneurographie: Messung der elektrischen Impulse der Nerven, um die Nervenleitgeschwindigkeit zu bestimmen.
- Elektromyographie: Messung der elektrischen Aktivität der Muskeln, um festzustellen, wie die Muskeln auf Nervensignale reagieren.
- Quantitative Sensorische Testung: Messung verschiedener Gefühlsempfindungen an der Haut, um festzustellen, welche Nervenfasern geschädigt sind.
- Thermode: Computergesteuerte Temperaturreize zur exakten Messung des Temperaturempfindens.
- Biopsie: Entnahme und Untersuchung einer Gewebeprobe (Nerv-Muskel-Biopsie oder Hautbiopsie), um die Ursache der Polyneuropathie zu finden.
- Blutuntersuchungen: Analyse von Blutproben zur Identifizierung von Ursachen wie Diabetes, Vitaminmangel oder Entzündungen.
- Urinuntersuchungen: Analyse von Urinproben zur Identifizierung von Ursachen wie Diabetes oder toxischen Substanzen.
- Bildgebende Verfahren: MRT oder CT zur Darstellung der Nerven und umliegenden Strukturen.
Moderne Behandlungsansätze
Die Behandlung von Nervenschäden zielt darauf ab, die Ursache zu beseitigen, die Symptome zu lindern und die Nervenregeneration zu fördern.
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Ursachenorientierte Behandlung:
- Diabetes: Optimale Einstellung der Blutzuckerwerte.
- Alkoholabhängigkeit: Alkoholabstinenz und Suchttherapie.
- Vitaminmangel: Ernährungsumstellung oder Einnahme von Vitaminpräparaten.
- Infektionen: Behandlung mit Antibiotika oder antiviralen Medikamenten.
- Autoimmunerkrankungen: Immunsuppressive Therapien.
- Medikamente: Wechsel der Medikamente nach Rücksprache mit dem Arzt.
Symptomatische Behandlung:
- Schmerztherapie: Medikamente wie Antidepressiva, Antikonvulsiva oder Opioide zur Schmerzlinderung.
- Physiotherapie: Bewegungstraining und Gleichgewichtstraining zur Verbesserung der Muskelkraft und Koordination.
- Ergotherapie: Übungen zur Verbesserung der Feinmotorik und des Tastvermögens.
- Elektrotherapie: Stimulation der Nerven durch elektrische Impulse zur Schmerzlinderung (TENS-Gerät).
- Wärme- und Kältebehandlungen: Linderung von Schmerzen und Entzündungen durch lokale Anwendung von Wärme oder Kälte.
Förderung der Nervenregeneration:
Ein wesentliches Ziel der Forschung ist die Entwicklung von Therapien zur Beschleunigung des Nervenfaserwachstums.
- Uridinmonophosphat (UMP): Studien haben gezeigt, dass die Gabe von UMP in Kombination mit Vitamin B12 und Folsäure die Nervenregeneration unterstützen kann. UMP ist ein Nukleotid, das den Wiederaufbau der Myelinschicht fördert.
- Kölner Forschungsteam: Ein Kölner Forschungsteam des Zentrums für Pharmakologie hat in einer Studie einen möglichen Wirkstoff zur Nervenregeneration untersucht. Sie fanden heraus, dass die Hemmung von Vasohibinen mit einem Inhaltsstoff aus dem Mutterkraut (Tanacetum Parthenium) die axonale Regeneration beschleunigen kann.
- Heidelberger Forschungsteam: Wissenschaftler des Pharmakologischen Instituts und des Instituts für Anatomie und Zellbiologie der Medizinischen Fakultät Heidelberg haben im Tierversuch gezeigt, dass fehlerhafte Verschaltungen der Schmerzrezeptoren zu einer bisher noch nicht untersuchten Form neuropathischer Schmerzen führen können.
Weitere Behandlungsansätze:
- Akupunktur: Eine Methode aus der traditionellen chinesischen Medizin zur Linderung von Beschwerden.
- Massagen: Förderung der Durchblutung und Lockerung des Bindegewebes.
- Psychologische Betreuung: Unterstützung bei der Bewältigung von Schmerzen und psychischen Belastungen.
- Entspannungstechniken: Meditation, autogenes Training oder progressive Muskelentspannung zur Reduzierung von Stress und Schmerzen.
- Hilfsmittel: Rollstühle, Sprachcomputer oder Türöffnungshilfen zur Unterstützung im Alltag.
- Operation: In einigen Fällen, wie beim Karpaltunnelsyndrom oder Bandscheibenvorfall, kann eine Operation erforderlich sein, um den Nerv zu entlasten oder zu reparieren.
Forschung und Ausblick
Die Forschung im Bereich der Nervenregeneration ist weiterhin sehr aktiv. Das Kölner Forscherteam um Dr. Philipp Gobrecht und Univ.-Prof. Dr. Dietmar Fischer hat in einer Studie im Journal of Neuroscience gezeigt, dass die Hemmung von Vasohibinen mit einem Inhaltsstoff aus dem Mutterkraut (Tanacetum Parthenium) die axonale Regeneration beschleunigen kann. Sie stellten fest, dass sich das Gleichgewicht zwischen detyrosinierten und tyrosinierten Mikrotubuli bei Nervenzellen von adulten Tieren dem von neugeborenen Tieren annäherte, was zu einer deutlichen Beschleunigung der axonalen Regeneration führte.
Die Heidelberger Forschungsgruppe unter der Leitung von Professorin Dr. Rohini Kuner hat herausgefunden, dass fehlerhafte Verschaltungen der Schmerzrezeptoren zu chronischen neuropathischen Schmerzen führen können. Diese Erkenntnisse könnten neue Therapieansätze zur Behandlung von chronischen Schmerzen ermöglichen.
„Versuche an menschlichen Nervenzellen haben bereits eine regenerationsfördernde Wirkung gezeigt. Bis der Wirkstoff allerdings in der Therapie Verwendung finden kann, sind noch weitere Untersuchungen in klinischen Studien notwendig", sagt Prof. Fischer.
Tipps für die Vorsorge und mehr Lebensqualität bei Polyneuropathie
- Blutzucker kontrollieren: Menschen mit Diabetes sollten regelmäßig ihren Blutzucker kontrollieren und ärztlich verordnete Medikamente einnehmen.
- Füße kontrollieren: Eine Polyneuropathie an Beinen oder Füßen erhöht das Risiko für Fußgeschwüre - eine regelmäßige Kontrolle auf Wunden ist wichtig.
- Bewegen: Menschen mit Polyneuropathie können bei Schmerzen und Missempfindungen von verschiedenen Angeboten wie Aquagymnastik oder Gehtraining profitieren.
- Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Vitaminen und Nährstoffen ist wichtig für die Nervengesundheit.
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