Ein Schlaganfall kann vielfältige neurologische Folgen haben, darunter auch Störungen des Geschmacks- und Geruchssinns. Diese Beeinträchtigungen können die Lebensqualität der Betroffenen erheblich mindern, da Essen und Trinken nicht mehr richtig genossen werden können. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen von Geschmacksstörungen nach einem Schlaganfall und stellt verschiedene Therapieansätze vor.
Ursachen von Geschmacksstörungen nach einem Schlaganfall
Ein Schlaganfall, auch Apoplexie genannt, entsteht durch eine plötzliche Unterbrechung der Blutversorgung im Gehirn. Dies führt zu einer Schädigung von Hirngewebe, was wiederum verschiedene neurologische Ausfälle zur Folge haben kann. Geschmacksstörungen nach einem Schlaganfall sind nicht ungewöhnlich, da die für die Geschmackswahrnehmung zuständigen Hirnareale betroffen sein können.
Beteiligung der Hirnnerven
Die Geschmackswahrnehmung ist ein komplexer Prozess, an dem mehrere Hirnnerven beteiligt sind. Insbesondere der Nervus facialis (VII), der Nervus glossopharyngeus (IX) und der Nervus vagus (X) spielen eine entscheidende Rolle.
- Nervus facialis (VII): Dieser Hirnnerv ist für die Geschmacksempfindung im vorderen Teil der Zunge verantwortlich. Eine Schädigung dieses Nervs kann zu Geschmacksstörungen führen, die vor allem süße, saure und salzige Geschmäcker betreffen.
- Nervus glossopharyngeus (IX): Dieser Nerv ist für die Geschmackswahrnehmung im hinteren Teil der Zunge zuständig. Eine Schädigung kann vor allem die Wahrnehmung bitterer Geschmäcker beeinträchtigen.
- Nervus vagus (X): Dieser Nerv spielt eine untergeordnete Rolle bei der Geschmackswahrnehmung, kann aber bei Schädigungen ebenfalls zu Störungen beitragen.
Eine Läsion im Bereich dieser Hirnnerven, sei es durch den Schlaganfall selbst oder durch begleitende Schädigungen, kann zu einer Beeinträchtigung der Geschmackswahrnehmung führen.
Zentrale Schädigungen im Gehirn
Neben den Hirnnerven können auch zentrale Hirnareale, die für die Verarbeitung von Geschmacksinformationen zuständig sind, durch einen Schlaganfall geschädigt werden. Dazu gehören unter anderem der Thalamus, der Hirnstamm und die Großhirnrinde.
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Eine Schädigung dieser Areale kann dazu führen, dass die vom Zungenbereich kommenden Geschmackssignale nicht mehr richtig verarbeitet werden, was zu einer veränderten oder verminderten Geschmackswahrnehmung führt.
Medikamente und Begleiterkrankungen
Es ist wichtig zu beachten, dass auch Medikamente, die nach einem Schlaganfall eingenommen werden, sowie Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus oderMultiple Sklerose Geschmacksstörungen verursachen können. Auch eine mangelnde Mundhygiene kann eine Rolle spielen.
Formen von Geschmacksstörungen
Es gibt verschiedene Formen von Geschmacksstörungen, die nach einem Schlaganfall auftreten können:
- Ageusie: Vollständiger Verlust des Geschmackssinns.
- Hypogeusie: Verminderte Geschmacksempfindung.
- Dysgeusie: Verzerrte Geschmackswahrnehmung (z. B. metallischer oder bitterer Geschmack).
- Phantogeusie: Wahrnehmung von Geschmäckern ohne äußere Reize.
Diagnostik von Geschmacksstörungen
Die Diagnose von Geschmacksstörungen nach einem Schlaganfall umfasst in der Regel eine ausführliche Anamnese, eine neurologische Untersuchung und spezielle Geschmackstests.
Anamnese
Im Rahmen der Anamnese wird der Arzt Fragen zu den genauen Beschwerden, dem zeitlichen Verlauf und möglichen Auslösern der Geschmacksstörung stellen. Auch Vorerkrankungen und die Einnahme von Medikamenten werden erfragt.
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Neurologische Untersuchung
Die neurologische Untersuchung dient dazu, andere neurologische Ausfälle festzustellen und die Funktion der Hirnnerven zu überprüfen. Dabei werden unter anderem die mimische Muskulatur, die Sensibilität im Gesicht und die Funktion der Zunge untersucht.
Geschmackstests (Gustometrie)
Zur objektiven Beurteilung der Geschmackswahrnehmung können verschiedene Geschmackstests durchgeführt werden. Ein gängiges Verfahren ist die Drei-Tropfen-Methode nach Henkin, bei der die Erkennungsschwelle für süß, sauer, salzig und bitter bestimmt wird. Dabei muss der Patient aus drei Tropfen den einen mit Schmeckstoff erkennen und die Schmeckqualität richtig benennen. Die unterschwellige Schmeckstoffkonzentration wird jeweils solange gesteigert, bis der Patient die gleiche Konzentration einer Schmeckqualität bei drei Versuchen mindestens zweimal richtig benennen kann.
Therapie von Geschmacksstörungen
Die Therapie von Geschmacksstörungen nach einem Schlaganfall richtet sich nach der Ursache und derForm der Störung. In vielen Fällen ist eine vollständige Wiederherstellung des Geschmackssinns nicht möglich, aber es gibt verschiedene Ansätze, um die Beschwerden zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.
Behandlung der Grunderkrankung
Wenn die Geschmacksstörung durch eine Grunderkrankung wie Diabetes mellitus oderMultiple Sklerose verursacht wird, sollte diese optimal behandelt werden. Auch die Überprüfung und Anpassung der Medikation kann sinnvoll sein, um medikamentös bedingte Geschmacksstörungen zu reduzieren.
Logopädie und Schlucktherapie
Bei Schluckbeschwerden, die häufig mit Geschmacksstörungen einhergehen, kann eine logopädische Therapie helfen. Durch gezielte Übungen können die Schluckmuskulatur gestärkt und die Koordination verbessert werden.
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Riechtraining
Da der Geruchssinn eng mit dem Geschmackssinn verbunden ist, kann ein Riechtraining die Geschmackswahrnehmung verbessern. Dabei werden dem Patienten verschiedene Düfte präsentiert, die er erkennen und benennen soll. Ein Ansatz zur Behandlung postviraler Riechstörungen ist das Riechtraining, bei dem Patienten jeden Morgen und jeden Abend für jeweils 30 Sekunden an vier verschiedenen Düften riechen sollen. »Dass Virusinfektionen einen Riechverlust verursachen können, ist altbekannt, zum Beispiel von Rhino- oder Influenzaviren«, erklärt der HNO-Experte Professor Dr. Thomas Hummel vom interdisziplinären Zentrum für Riechen und Schmecken des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus in Dresden im Gespräch mit der PZ. Man spricht in solchen Fällen von einer postviralen Riechstörung. Auch bei SARS-CoV-2-Infektionen wird die Symptomatik häufig beobachtet; einige Wissenschaftler sprechen dabei sogar von einem zuverlässigen Indikator für eine Infektion. Wie viele Patienten betroffen sind, lasse sich bisher noch nicht genau sagen, so Hummel. Die Zahlen gingen hier sehr weit auseinander und reichten je nach Bericht von 5 bis hin zu 85 Prozent. Am Zentrum für Riechen und Schmecken in Dresden werde eine Therapiemethode angewendet, deren Wirksamkeit bei postviralen Riechstörungen durch verschiedene Untersuchungen belegt sei, schildert Hummel. Er erklärt, wie das sogenannte Riechtraining konkret aussieht: »Die Patienten sollen dabei jeden Morgen und jeden Abend für jeweils 30 Sekunden an vier verschiedenen Düften riechen. Dieses Training sollten sie konsequent über mindestens vier, teilweise aber auch bis zu neun Monate durchführen. Die Gerüche können dabei individuell gewählt werden. In der Praxis werden beispielsweise Rosen- oder Zitronendüfte angewendet. Ein Kühlen oder Stechen lösen zum Beispiel Menthol oder Essig aus. Generell könne die Therapie jedem Covid-19 Patienten mit Geruchs- und Geschmacksstörungen empfohlen werden. Bei einigen Covid-19 Patienten zeigten sich bereits Verbesserungen, berichtet Hummel. Ob das tatsächlich auf die Therapie zurückzuführen ist oder eventuell auch unabhängig davon eine Verbesserung eingetreten wäre, lässt sich bisher noch nicht sagen. Studien dazu gibt es aktuell noch nicht. Die Methode ist allerdings nicht dazu geeignet, um sie einfach mal zu Hause auszutesten. Jeder Patient mit Geruchs- und Geschmacksstörungen sollte einen HNO-Arzt oder einen Neurologen aufsuchen und keine eigenständige Diagnose treffen.
Ernährungstherapie
Eine Ernährungstherapie kann helfen, die Ernährung an die veränderte Geschmackswahrnehmung anzupassen. Dabei werden beispielsweise Speisen mit intensiven Aromen und Gewürzen bevorzugt, um den verbliebenen Geschmackssinn anzusprechen. Auch die Textur der Speisen kann eine wichtige Rolle spielen.
Medikamentöse Therapie
In einigen Fällen kann eine medikamentöse Therapie sinnvoll sein. So können beispielsweise Zinkpräparate bei Zinkmangel oder Medikamente zur Anregung des Speichelflusses bei Mundtrockenheit eingesetzt werden.
Mentales Training
Da sich neue Nervenzellen ein Leben lang ausbilden, kann mentales Training helfen, die Geschmackswahrnehmung zu verbessern. Dabei versucht der Patient, sich vorzustellen, wie bestimmte Speisen schmecken und riechen.
Tipps für den Alltag
Neben den genannten Therapien gibt es einige Tipps, die Betroffene im Alltag umsetzen können, um die Lebensqualität zu verbessern:
- Abwechslungsreiche Ernährung: Achten Sie auf eine abwechslungsreiche Ernährung mit verschiedenen Geschmacksrichtungen und Texturen.
- Intensive Aromen: Verwenden Sie intensive Aromen und Gewürze, um den verbliebenen Geschmackssinn anzusprechen.
- AppetitlicheAnrichtung: Richten Sie die Speisen appetitlich an, da auch visuelle Eindrücke eine Rolle spielen.
- Ruhige Essatmosphäre: Schaffen Sie eine ruhige Essatmosphäre ohne störende Geräusche.
- Ausreichend Flüssigkeit: Trinken Sie ausreichend Flüssigkeit, um Mundtrockenheit vorzubeugen.
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