Geschützter Wohnbereich für Menschen mit Demenz: Ein umfassendes Konzept

Die steigende Lebenserwartung in Deutschland führt zu einer Zunahme von Menschen mit Demenz. Dies erfordert spezielle Wohn- und Betreuungsangebote, die auf die besonderen Bedürfnisse dieser Personengruppe zugeschnitten sind. Ein geschützter Wohnbereich bietet hierfür eine geeignete Umgebung, in der sich Menschen mit Demenz sicher und geborgen fühlen können.

Einführung in das Konzept des geschützten Wohnbereichs

Ein geschützter Wohnbereich ist eine speziell konzipierte Wohneinheit innerhalb einer Pflegeeinrichtung oder eines Seniorenheims, die auf die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz zugeschnitten ist. Ziel ist es, eine Umgebung zu schaffen, die Sicherheit, Geborgenheit und Orientierung bietet und gleichzeitig die Selbstständigkeit und Lebensqualität der Bewohner fördert.

Zielgruppe: Wer profitiert von einem geschützten Wohnbereich?

Geschützte Wohnbereiche sind in erster Linie für Menschen mit einer diagnostizierten Demenzerkrankung geeignet, insbesondere wenn folgende Kriterien zutreffen:

  • Fortgeschrittene Demenz: Bewohner, die aufgrund ihrer kognitiven Einschränkungen einen erhöhten Bedarf an Betreuung und Unterstützung haben.
  • Verhaltensauffälligkeiten: Bewohner, die aufgrund ihrer Demenz Verhaltensweisen zeigen, die für sie selbst oder andere eine Belastung darstellen können (z.B.Unruhe, Agitation, Weglauftendenz).
  • Eingeschränkte Alltagskompetenz: Bewohner, die Schwierigkeiten haben, alltägliche Aufgaben selbstständig zu bewältigen und daher auf Unterstützung angewiesen sind.
  • Desorientierung: Bewohner, die sich in ihrer Umgebung nur schwer zurechtfinden und Orientierungshilfe benötigen.

Ein Beispiel hierfür ist der "Hans Krause"-Wohnbereich, der entstand, als in einem Wohnbereich einer Einrichtung vermehrt Menschen mit Demenz einzogen, darunter Herr Hans Krause, dessen Erkrankung eine besondere Herausforderung darstellte und eine konzeptionelle Neuausrichtung auslöste.

Leitprinzipien: Was macht einen guten geschützten Wohnbereich aus?

Ein erfolgreiches Konzept für einen geschützten Wohnbereich basiert auf mehreren Leitprinzipien:

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Verständnis und Grundhaltung

Menschen mit Demenz sind in erster Linie Menschen mit individuellen Bedürfnissen und Rechten. Unabhängig von ihren kognitiven Beeinträchtigungen haben sie das Recht auf Würde, Respekt und Teilhabe am Leben. Es ist wichtig, ihre Perspektive zu verstehen und sie in Entscheidungen, die ihr Leben betreffen, einzubeziehen. Der personenzentrierte Ansatz steht hier im Vordergrund, bei dem der Mensch und nicht seine Erkrankung im Mittelpunkt steht.

Selbstbestimmung und Individualität

Auch Menschen mit Demenz haben das Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Autonomie. Ein guter geschützter Wohnbereich ermöglicht es den Bewohnern, ihren Alltag so weit wie möglich selbst zu gestalten und ihren individuellen Interessen und Vorlieben nachzugehen. Ressourcenorientiertes Arbeiten und ein strukturierter Tagesablauf, der individuelle Gewohnheiten und Fähigkeiten einbezieht, sind hier von Bedeutung.

Schutz und Freiheit

Ein geschützter Wohnbereich soll den Bewohnern Sicherheit und Schutz bieten, ohne ihre Freiheit unnötig einzuschränken. Ziel ist es, ein Gleichgewicht zwischen dem Schutz vor Gefahren und der Förderung von Selbstständigkeit und Bewegungsfreiheit zu finden. Die Abwendung von Selbst- und Fremdgefährdung unter Wahrung des Freiheitsanspruchs ist ein wichtiges Anliegen.

Krankheitsverlauf und seine Phasen

Demenz ist ein fortschreitender Prozess, der sich in verschiedene Phasen unterteilen lässt. Es ist wichtig, die spezifischen Bedürfnisse der Bewohner in jeder Phase zu berücksichtigen und die Betreuung entsprechend anzupassen.

Definition Demenz

Demenz ist ein Oberbegriff für verschiedene Erkrankungen des Gehirns, die mit einem Verlust von kognitiven Fähigkeiten wie Gedächtnis, Denkvermögen, Sprache und Orientierung einhergehen.

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Beeinträchtigungen im Vorstadium

Im Vorstadium der Demenz können sich erste Anzeichen wie Vergesslichkeit, Wortfindungsstörungen oder Schwierigkeiten bei komplexen Aufgaben zeigen.

Beeinträchtigungen in der begleitungsbedürftigen Phase

In der begleitungsbedürftigen Phase nehmen die kognitiven Einschränkungen zu, und die Betroffenen benötigen zunehmend Unterstützung bei alltäglichen Aufgaben.

Beeinträchtigungen in der versorgungsbedürftigen Phase

In der versorgungsbedürftigen Phase sind die Betroffenen stark auf Hilfe angewiesen und können viele Aufgaben nicht mehr selbstständig bewältigen.

Beeinträchtigungen in der pflegebedürftigen Phase

In der pflegebedürftigen Phase benötigen die Betroffenen eine umfassende Pflege und Betreuung, da sie in vielen Bereichen ihres Lebens auf Hilfe angewiesen sind.

Arbeitsansätze im geschützten Wohnbereich

Um den Bedürfnissen von Menschen mit Demenz gerecht zu werden, kommen in geschützten Wohnbereichen verschiedene Arbeitsansätze zum Einsatz:

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Biografiearbeit

Die Biografiearbeit ist ein wichtiger Bestandteil der Betreuung von Menschen mit Demenz. Durch das Kennenlernen der Lebensgeschichte, der Gewohnheiten, Rituale, Vorlieben und Abneigungen der Bewohner können die Betreuenden besser auf ihre individuellen Bedürfnisse eingehen und eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen. Informationen zur Lebensgeschichte erleichtern das Kennenlernen und spätere Miteinander und tragen zum Wohlbefinden und zur Zufriedenheit aller bei.

Normalisierungsprinzip

Das Normalisierungsprinzip zielt darauf ab, den Alltag so normal wie möglich zu gestalten und den Bewohnern ein Gefühl von Vertrautheit und Sicherheit zu vermitteln. Es zählt die Normalität und Wirklichkeitssicht der BewohnerIn, nicht die des Betreuers.

Milieugestaltung

Die Milieugestaltung umfasst die Gestaltung des Wohn- und Lebensbereiches, um eine anregende und fördernde Umgebung zu schaffen. Gleichzeitig kann durch die Errichtung einer stützenden Umwelt versucht werden, die krankheitsbedingten Leistungseinbußen in verschiedenen Bereichen zu kompensieren.

Tagesstruktur

Eine strukturierte Tagesstruktur mit wiederkehrenden Abläufen und Ritualen kann Menschen mit Demenz Orientierung geben und ihnen helfen, sich im Alltag zurechtzufinden. Mahlzeiten und die dazwischen liegenden Angebote geben dem Tag einen strukturierenden Rahmen. Die individuellen Bedürfnisse stehen im Vordergrund.

Beziehungsgestaltung

Eine wertschätzende und respektvolle Beziehungsgestaltung ist die Grundlage für eine gute Betreuung von Menschen mit Demenz. Jeder pflegebedürftige Mensch mit Demenz erhält Angebote zur Beziehungsgestaltung, die das Gefühl, gehört, verstanden und angenommen zu werden sowie mit anderen Personen verbunden zu sein, erhalten oder fördern.

Geeignete Methoden

In der Betreuung von Menschen mit Demenz kommen verschiedene Methoden zum Einsatz, wie z.B. Gedächtnistraining,Validation, basale Stimulation und Aromatherapie.

Angehörigenarbeit

Die Einbeziehung der Angehörigen ist ein wichtiger Bestandteil der Betreuung von Menschen mit Demenz. Eine adäquate Betreuung muss sich immer auf das gesamte Beziehungsdreieck BewohnerInnen-Mitarbeitende-Angehörige/Betreuer stützen. Nur ein optimales Zusammenspiel aller Personenkreise schafft die Voraussetzung für eine ganzheitliche Betreuungsarbeit. Die Angehörigen/ Betreuer nehmen in unserer Arbeit eine wesentliche Rolle ein. Sie sind ggf. als „biografische Experten“ die Brücke und der einzige Schlüssel zur Lebensgeschichte desorientierter BewohnerInnen.

Personal und Ehrenamtliche

Für die Betreuung von Menschen mit Demenz in einem geschützten Wohnbereich ist qualifiziertes Personal erforderlich, das über Fachkenntnisse im Umgang mit Demenz und über soziale Kompetenzen wie Einfühlungsvermögen, Geduld und Belastbarkeit verfügt. Der Umgang mit Menschen mit Demenz gehört zu den Aufgaben, die besondere Fachkenntnisse in Bezug auf Krankheitsbild und einfühlsame Umgehensweisen erfordern. Auch ehrenamtliche Mitarbeiter können eine wertvolle Unterstützung leisten. Einige ehrenamtlich tätige Mitarbeitende der Häuser unterstützen aufgrund ihrer persönlichen und fachlichen Eignung BewohnerInnen mit Demenz. Sie werden dabei von hauptamtlich Mitarbeitenden begleitet und fachlich unterstützt.

Fortbildung

Regelmäßige Fortbildungen sind wichtig, um das Wissen und die Fähigkeiten der Mitarbeitenden im Umgang mit Demenz auf dem neuesten Stand zu halten. Die Mitarbeitenden werden dahingehend geschult, dass sie in der Lage sind, den spezifischen Anforderungen im Umgang mit Menschen mit Demenz fachlich und menschlich gerecht zu werden.

Raumgestaltung: Eine Umgebung, die Sicherheit und Orientierung bietet

Die Gestaltung des Wohnraums spielt eine entscheidende Rolle für das Wohlbefinden von Menschen mit Demenz. Eine demenzgerechte Raumgestaltung berücksichtigt die besonderen Bedürfnisse und Einschränkungen der Betroffenen und schafft eine Umgebung, die Sicherheit, Orientierung und Geborgenheit bietet.

Übersichtliche und einfache Einrichtung

Die oberste Grundregel bei der Raumgestaltung für Demenzerkrankte ist die übersichtliche und einfache Einrichtung des Wohnraums. Zu viele Sinneseindrücke überfordern Betroffene und erschweren eine Orientierung im Raum.

Vermeidung von Stolperfallen und Gefahrenquellen

Stolperfallen wie lose Kabel und Teppiche sollten entfernt werden, um Stürze zu vermeiden. Auch potenziell gefährliche Gegenstände wie Putzmittel oder scharfe Messer sollten außerhalb der Reichweite der Bewohner aufbewahrt werden.

Gute Beleuchtung

Ältere Menschen, insbesondere ältere Menschen mit Demenz, benötigen viel mehr Licht im Wohnbereich als jüngere und gesunde Menschen. Kaltweißes Licht ist für ältere Menschen besser zu sehen als warmweißes.

Klare Farbkontraste

Kontraste sind sehr wichtig, denn sie helfen Demenzerkrankten, Details schnell wahrzunehmen. Ein Tisch ist zum Beispiel besser erkennbar, wenn der Rand eine kontrastierende Farbe zur Tischfläche hat. Dunkle Töne sollten Sie eher vermeiden, da sie negative Gefühle auslösen können. Eine dunkle Fußmatte oder ein dunkler Teppich zum Beispiel können im fortgeschrittenen Stadium der Demenz als nicht überwindbares Loch im Boden gedeutet werden.

Orientierungshilfen

Um die Orientierung zu erleichtern, können verschiedene Hilfsmittel eingesetzt werden, wie z.B. große, gut lesbare Uhren und Kalender, Fotos von vertrauten Personen und Gegenständen oder Hinweisschilder mit klaren Symbolen. Fenster bieten ebenfalls die Möglichkeit zur groben räumlichen Orientierung, wenn draußen markante Gebäude oder Landschaftsmerkmale zu sehen sind.

Schaffung von Rückzugsmöglichkeiten

Menschen mit Demenz benötigen auch Rückzugsmöglichkeiten, um sich auszuruhen und zu entspannen. Dies können z.B. gemütliche Sessel, ruhige Ecken oder Snoezelräume sein.

Förderung von Aktivität und Teilhabe

Die Raumgestaltung sollte auch Möglichkeiten zur Aktivität und Teilhabe am Gemeinschaftsleben bieten. Dies können z.B. eine Wohnküche, ein Garten oder ein Werkraum sein.

Beispiele für gelungene Raumgestaltung

  • Kursana Villa Frankfurt: Der Komfort-Demenz-Wohnbereich ist im italienischen Piazzastil angelegt, was dem Bewegungsdrang entgegenkommt und das gesellige Miteinander fördert. Das Interieur fördert Erinnerungen, und speziell entwickelte Erinnerungswelten ermöglichen die Teilnahme an alltäglichen Routinen.
  • GFO Zentrum Wohnen & Pflege St. Konstantia: Hier wurde ein eigener Bereich für Menschen mit Demenz eingerichtet, um besser auf ihre individuellen Bedürfnisse eingehen zu können.
  • Haus Rudow: Bietet 2 Wohngruppen mit insgesamt 20 Pflegeplätzen für Menschen mit Demenz und Verhaltensauffälligkeiten.

Technische Details und Hilfsmittel

Neben der allgemeinen Raumgestaltung gibt es auch verschiedene technische Details und Hilfsmittel, die den Alltag von Menschen mit Demenz erleichtern können:

  • Einfache Bedienungselemente: Bedienungselemente im Sanitärbereich sollten einfach zu bedienen sein.
  • Bewegungsmelder: LED-Nachtlichter mit Bewegungsmelder helfen bei nächtlichen Toilettengängen und vermeiden Stürze.
  • Herdschutzknöpfe: Herdschutzknöpfe erschweren das Einschalten des Herds und verhindern Unfälle.
  • Rauchmelder: Rauchmelder sollten in allen Räumen installiert werden, um Brände frühzeitig zu erkennen.
  • Schlösser mit Not- und Gefahrenfunktion: Ermöglichen das Öffnen von verschlossenen Türen im Notfall.
  • Anti-Rutsch-Matten und Haltegriffe: Erhöhen die Sicherheit im Badezimmer.

Alltagsgestaltung und Betreuungskonzept

Die Alltagsgestaltung in einem geschützten Wohnbereich sollte sich an den individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten der Bewohner orientieren. Ziel ist es, ihnen einen möglichst abwechslungsreichen und erfüllten Alltag zu ermöglichen.

Milieutherapeutische Ausrichtung

Die Alltagsgestaltung sollte milieutherapeutisch ausgerichtet sein und Möglichkeiten zur hauswirtschaftlichen Betätigung, zur Gartenarbeit, zur musikalischen Aktivität und zum Umgang mit Tieren bieten.

Flexible Essenszeiten und Wach-Schlaf-Rhythmus

Ein flexibler Umgang mit Essenszeiten und Wach-Schlaf-Rhythmus ermöglicht es den Bewohnern, ihren individuellen Bedürfnissen nachzugehen.

Weitestmögliche Beteiligung und Integration

Angehörige und freiwillige Helfer sollten so weit wie möglich in die Alltagsgestaltung einbezogen werden.

Minimierung von Fixierungen und sedierenden Medikamenten

Fixierungen und sedierende Medikamente sollten so weit wie möglich vermieden werden, stattdessen sollte auf persönliche Betreuung und Zuwendung gesetzt werden.

Kompetente ärztliche Versorgung

Eine kompetente ärztliche Versorgung ist ein wichtiger Bestandteil des Betreuungskonzepts.

Erhaltung von Ressourcen ohne Überforderung

Die Erhaltung von Ressourcen sollte im Vordergrund stehen, ohne die Bewohner zu überfordern.

Herausforderungen und Lösungsansätze

Die Betreuung von Menschen mit Demenz in einem geschützten Wohnbereich ist mit verschiedenen Herausforderungen verbunden:

  • Herausforderndes Verhalten: Agitation, Unruhe, Aggression oder Weglauftendenz können die Betreuung erschweren. Hier sind spezielle Schulungen und Konzepte erforderlich, um angemessen auf diese Verhaltensweisen reagieren zu können.
  • Kommunikationsschwierigkeiten: Menschen mit Demenz haben oft Schwierigkeiten, sich verbal auszudrücken. Hier ist es wichtig, auf nonverbale Signale zu achten und alternative Kommunikationsformen einzusetzen.
  • Hoher Personalbedarf: Die intensive Betreuung von Menschen mit Demenz erfordert einen hohen Personalschlüssel.
  • Finanzierung: Die Kosten für einen Platz in einem geschützten Wohnbereich können hoch sein. Hier ist es wichtig, sich über Finanzierungsmöglichkeiten wie Pflegeversicherung oder Sozialhilfe zu informieren.

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