Die steigende Lebenserwartung in Deutschland führt zu einer Zunahme von Menschen mit Demenz. Dies stellt Pflegeheime vor die Herausforderung, diesen Bewohnern eine angemessene und würdevolle Umgebung zu bieten. Ein wichtiger Ansatz ist die Schaffung von geschützten Wohnbereichen, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz zugeschnitten sind.
Was ist ein geschützter Wohnbereich?
Ein geschützter Wohnbereich ist eine speziell konzipierte Einheit innerhalb eines Pflegeheims, die Menschen mit Demenz und Verhaltensauffälligkeiten einen sicheren und übersichtlichen Lebensraum bietet. Ziel ist es, ihnen ein Gefühl von Geborgenheit, Sicherheit und Vertrautheit zu vermitteln und gleichzeitig ihre Selbstständigkeit und Lebensqualität so weit wie möglich zu erhalten.
Zielgruppe und Voraussetzungen
Nicht jeder Mensch mit Demenz benötigt einen Platz in einem geschützten Wohnbereich. In der Regel sind dies Bewohner, die folgende Kriterien erfüllen:
- Diagnostizierte, medizinisch-therapeutisch nicht beeinflussbare Demenzerkrankung mit einer bestimmten Ausprägung (z.B. weniger als 18 Punkte im Mini-Mental-State-Test).
- Verhaltensauffälligkeiten, die eine intensivere Betreuung und Beaufsichtigung erfordern.
- Die Fähigkeit, an Gruppen- und/oder Einzelaktivitäten und am Gemeinschaftsleben teilzunehmen.
- Bestätigter Pflegegrad nach SGB XI.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Entscheidung für einen geschützten Wohnbereich immer individuell getroffen werden muss und die Wünsche und Bedürfnisse des Bewohners und seiner Angehörigen berücksichtigt werden sollten.
Konzeptionelle Grundlagen und Leitprinzipien
Die Konzepte für geschützte Wohnbereiche basieren auf verschiedenen Leitprinzipien, die eine würdevolle und bedürfnisorientierte Betreuung gewährleisten sollen:
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- Personenzentrierter Ansatz: Der Mensch mit Demenz steht im Mittelpunkt, nicht seine Erkrankung. Seine individuellen Bedürfnisse, Fähigkeiten, Gewohnheiten und seine Lebensgeschichte werden berücksichtigt.
- Validation: Die Gefühle und die subjektive Realität des Bewohners werden ernst genommen und wertgeschätzt, auch wenn sie nicht mit der objektiven Realität übereinstimmen.
- Normalisierungsprinzip: Es wird versucht, den Alltag so normal wie möglich zu gestalten und den Bewohnern vertraute Aktivitäten und Routinen anzubieten.
- Milieutherapie: Die Gestaltung des Wohnbereichs und die Atmosphäre sollen anregend, fördernd und gleichzeitig beruhigend und sicher sein.
- Beziehungsgestaltung: Eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Bewohnern und Mitarbeitern ist die Grundlage für eine erfolgreiche Betreuung.
- Selbstbestimmung und Individualität: Den Bewohnern wird so viel Selbstbestimmung wie möglich zugestanden, und ihre individuellen Vorlieben und Bedürfnisse werden respektiert.
- Schutz und Freiheit: Es wird ein Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Bewohner vor Gefahren und der Wahrung ihrer Freiheit und Autonomie angestrebt.
Räumliche Gestaltung und Milieutherapie
Die räumliche Gestaltung spielt eine entscheidende Rolle für das Wohlbefinden von Menschen mit Demenz. Geschützte Wohnbereiche zeichnen sich oft durch folgende Merkmale aus:
- Übersichtlichkeit und Orientierung: Klare Strukturen, gut erkennbare Räume und eine deutliche Beschilderung erleichtern die Orientierung.
- Sicherheit: Stolperfallen werden vermieden, Ausgänge sind gesichert, und es gibt keine gefährlichen Gegenstände.
- Wohnlichkeit und Vertrautheit: Vertraute Möbel, Dekorationen und Gegenstände aus "alten Zeiten" schaffen eine warme und geborgene Atmosphäre.
- Bewegungsfreiheit: Ausreichend Platz zum Gehen und Bewegen, idealerweise mit einem Rundgang, der die Bewohner nicht in eine Sackgasse führt.
- Sinnesanregung: Gezielter Einsatz von Farben, Licht, Musik und Düften zur Aktivierung der Sinne und zur Förderung des Wohlbefindens.
- Geschützter Außenbereich: Ein Garten oder eine Terrasse, die exklusiv den Bewohnern des Wohnbereichs zur Verfügung stehen, ermöglichen Frischluft und Naturerlebnisse.
Tagesstruktur und Beschäftigungsangebote
Ein strukturierter Tagesablauf, der sich an den Gewohnheiten und Bedürfnissen der Bewohner orientiert, gibt ihnen Sicherheit und Halt. Typische Elemente der Tagesstruktur sind:
- Gemeinsame Mahlzeiten: In einer gemütlichen Atmosphäre werden die Mahlzeiten gemeinsam eingenommen.
- Beschäftigungsangebote: Vielfältige Aktivitäten, die die kognitiven, motorischen und sozialen Fähigkeiten der Bewohner fördern. Dazu gehören z.B. Gedächtnistraining, Gymnastik, Musiktherapie, kreatives Gestalten, hauswirtschaftliche Tätigkeiten und Gartenarbeit.
- Individuelle Betreuung: Einzelgespräche, Spaziergänge oder andere Aktivitäten, die auf die persönlichen Bedürfnisse und Vorlieben des Bewohners zugeschnitten sind.
- Ruhezeiten: Ausreichend Zeit für Entspannung und Rückzug.
Kommunikation und Pflege
Die Kommunikation mit Menschen mit Demenz erfordert besondere Sensibilität und Geduld. Wichtige Aspekte sind:
- Einfache Sprache: Klare, kurze Sätze und einfache Wörter verwenden.
- Nonverbale Kommunikation: Auf Körpersprache, Mimik und Tonfall achten.
- Wiederholungen: Informationen mehrmals wiederholen.
- Bestätigung: Die Gefühle und Bedürfnisse des Bewohners ernst nehmen und bestätigen.
- Humor: Humor kann eine entspannende und verbindende Wirkung haben.
Die Pflege von Menschen mit Demenz ist ganzheitlich und umfasst sowohl die körperliche als auch die psychische und soziale Betreuung. Ziel ist es, die Selbstständigkeit der Bewohner so lange wie möglich zu erhalten und ihnen ein würdevolles Leben zu ermöglichen.
Zusammenarbeit mit Angehörigen und Betreuern
Eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Angehörigen und Betreuern ist für eine erfolgreiche Betreuung von Menschen mit Demenz unerlässlich. Sie sind wichtige Ansprechpartner und liefern wertvolle Informationen über die Lebensgeschichte, Gewohnheiten und Vorlieben des Bewohners. Regelmäßige Gespräche, gemeinsame Aktivitäten und die Einbeziehung der Angehörigen in die Pflegeplanung tragen dazu bei, eineBrücke zwischen dem Leben im Pflegeheim und dem bisherigen Leben des Bewohners zu schlagen.
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Mitarbeiter und Fortbildung
Die Mitarbeiter in geschützten Wohnbereichen benötigen spezielle Kompetenzen im Umgang mit Menschen mit Demenz. Dazu gehören:
- Fachwissen über Demenz: Kenntnisse über die verschiedenen Demenzformen, ihre Symptome und den Krankheitsverlauf.
- Kommunikationsfähigkeiten: Die Fähigkeit, mit Menschen mit Demenz auf eine wertschätzende und verständnisvolle Weise zu kommunizieren.
- Empathie: Die Fähigkeit, sich in die Gefühlswelt von Menschen mit Demenz hineinzuversetzen.
- Belastbarkeit: Der Umgang mit Menschen mit Demenz kann emotional und körperlich anstrengend sein.
- Teamfähigkeit: Eine gute Zusammenarbeit im Team ist unerlässlich, um eine optimale Betreuung zu gewährleisten.
Regelmäßige Fortbildungen und Supervisionen sind wichtig, um das Wissen und die Fähigkeiten der Mitarbeiter auf dem neuesten Stand zu halten und sie in ihrer Arbeit zu unterstützen.
Der "Hans Krause"-Wohnbereich: Ein Beispiel aus der Praxis
Ein Beispiel für einen gelungenen geschützten Wohnbereich ist der "Hans Krause"-Wohnbereich in einer Einrichtung in Lohmar. Dieser Wohnbereich entstand aus der Erfahrung, dass Menschen mit Demenz oft von einer integrativen Betreuung profitieren, wenn sie in einer Gruppe mit anderen Menschen mit ähnlichen Bedürfnissen zusammenleben.
Im "Hans Krause"-Wohnbereich wird viel Wert auf eine familiäre Atmosphäre und eine individuelle Betreuung gelegt. Die Bewohner dürfen sich frei bewegen und in jedes offene Zimmer eintreten. "Fehlhandlungen" werden akzeptiert und nicht korrigiert. Die Mitarbeiter bieten den Bewohnern eine freundschaftliche Umgebung und unterstützen sie dabei, ihre Selbstständigkeit so lange wie möglich zu erhalten.
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