Gleichgewichtstraining nach Schlaganfall: Übungen für mehr Stabilität und Lebensqualität

Ein Schlaganfall kann das Leben der Betroffenen schlagartig verändern. Alltägliche Bewegungen, die zuvor selbstverständlich waren, werden plötzlich zu großen Herausforderungen. Doch gezieltes Gleichgewichtstraining kann die Genesung unterstützen, die Mobilität verbessern und somit die Lebensqualität steigern.

Bedeutung des Gleichgewichtstrainings nach Schlaganfall

Nach einem Schlaganfall sind viele Betroffene in ihrer körperlichen Fitness eingeschränkt. Bewegungseinschränkungen, Muskelschwäche und eine verringerte Ausdauer sind häufige Begleiterscheinungen. Ein stabiles Gleichgewicht ist jedoch essenziell, um alltägliche Aktivitäten wie Einkaufen oder Spazierengehen sicher ausführen zu können. Gleichgewichtsstörungen können nicht nur lästig sein, sondern auch das Sturzrisiko erhöhen.

Drei Systeme für ein stabiles Gleichgewicht

Für ein stabiles Gleichgewicht sorgen im Wesentlichen drei Systeme:

  1. Propriozeption: Die Wahrnehmung des eigenen Körpers im Raum.
  2. Innenohr: Das Gleichgewichtsorgan im Innenohr.
  3. Visuelle Wahrnehmung: Die visuelle Orientierung durch die Augen.

Ist eines dieser Systeme beeinträchtigt, kann dies Auswirkungen auf den Gleichgewichtssinn haben.

Vorteile des Gleichgewichtstrainings

  • Sturzprophylaxe: Ein gutes Gleichgewichtstraining kann dazu beitragen, das Sturzrisiko zu minimieren und das Vertrauen in die eigenen Bewegungsfähigkeiten zu stärken.
  • Verbesserung der Gehfähigkeit: Regelmäßiges Gleichgewichtstraining kann sich positiv auf den Gleichgewichtssinn und die Gehfähigkeit auswirken.
  • Erhöhung des Wohlbefindens: Übungen schaffen Abhilfe bei Gleichgewichtsstörungen und können so ein stabiles Gleichgewicht fördern und auch das Wohlbefinden erhöhen.

Grundlagen des Gleichgewichtstrainings

Das Gleichgewichtstraining sollte sowohl das statische als auch das dynamische Gleichgewicht trainieren. Zudem sind im Rahmen der Sturzprophylaxe Kombinationen mit Kraft- und Gangtraining sinnvoll. Begonnen wird mit einfachen Übungen, die im Verlauf gesteigert und durch motorische und kognitive Erweiterungen ergänzt werden können (Multitasking). Da ein Gleichgewichtstraining im Sitzen und Liegen ineffektiv ist, werden Übungen im Stehen oder Gehen bevorzugt. Des Weiteren muss das Training vom Patient als schwierig empfunden werden, da nur ein solch adäquates Training des Gleichgewichts bzw. eine Steigerung möglich ist. Eine Trainingseinheit sollte etwa 25 Minuten andauern, einzelne Übungen sollten für 10-30 Sekunden durchgeführt werden. Nach jeder Übung sollten die Beine ausgeschüttelt und der Körper gelockert werden.

Lesen Sie auch: Hüft-TEP und Nervenschmerzen

Steigerung der Schwierigkeit

Das Training erfolgt stufenweise mit zunehmender Schwierigkeit, z. B. durch:

  • Reduktion der Standfläche
  • Einschränkung der sensorischen Informationen
  • Zusatzaufgaben
  • Störung des Gleichgewichts

Wichtig sind die Möglichkeit des Einschreitens durch den Therapeuten sowie das Unterbrechen einer Übung, sobald der Patient den Halt verliert. Wird eine Übungsstufe durch den Patienten als leicht empfunden, kann zur nächsten übergegangen werden. Für das Gleichgewichtstraining bei Erkrankungen des Vestibularorgans gibt es Trainingsprogramme, die auf Balance-Übungen nach Cowthorne und Cooksey basieren.

Gleichgewichtsübungen für zu Hause

Viele Gleichgewichtsübungen können ohne Geräte ganz einfach von zu Hause aus gemacht werden. Es ist jedoch wichtig, die Übungen nur allein durchzuführen, wenn man sich wirklich sicher fühlt. Im Zweifelsfall sollte man sich von einem Physiotherapeuten oder Arzt beraten lassen.

Der Klassiker: Einbeinstand

Der Einbeinstand ist eine bewährte Übung in der Physiotherapie bei Gleichgewichtsstörungen.

  • Stellen Sie sich aufrecht hin.
  • Lösen Sie nun ein Bein vom Boden und versuchen Sie, diese Position für einige Sekunden zu halten.
  • Wechseln Sie nun die Seiten und stellen Sie sich auf das andere Bein.

Ist die Übung zu leicht, kann man die Augen schließen, um den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen.

Lesen Sie auch: Rehabilitation bei Gesichtsfeldausfall

Dehnung im Sitzen

Für diese Übung benötigen Sie einen Hocker oder einen Stuhl.

  • Setzen Sie sich aufrecht hin und strecken Sie nun Ihren rechten Arm zur rechten Seite aus.
  • Stellen Sie sich vor, Sie möchten einen Gegenstand greifen. Diesen erreichen Sie nur, wenn Sie sich ganz lang machen und Ihr Gewicht auf die rechte Gesäßhälfte verlagern. Ihr Oberkörper neigt sich.
  • Halten Sie die äußerste Position etwa zehn Sekunden, bevor Sie wieder in die gerade Ausgangsposition zurückkommen.
  • Wiederholen Sie die Übung etwa 5-mal und wechseln Sie anschließend die Seiten: Bewegen Sie Ihren linken Arm nach links, lösen Sie die rechte Gesäßhälfte vom Sitz und versuchen Sie, sich so lang wie möglich zu machen.

Durch zusätzliche Koordinationsübungen kann die Physiotherapie noch effektiver werden: Heben Sie die Beine vom Boden und bewegen Sie sie wie beim Radfahren. Denken Sie daran, sich weiterhin zur Seite zu strecken. Nun schwingen Sie den gestreckten Arm in kleinen Kreisen. Sich auf beide Bewegungen gleichzeitig zu konzentrieren, ist gar nicht so leicht.

Übungen gegen Schwindel

Diese Übung eignet sich, wenn die Halswirbelsäule Auslöser des Schwindels ist.

  • Strecken Sie einen beliebigen Arm vor Ihrer Brust aus. Mit Ihrer Hand machen Sie eine Faust und strecken nun den Daumen nach oben.
  • Drehen Sie den Kopf nun abwechselnd nach links und nach rechts und fixieren Sie dabei mit Ihrem Blick den Daumen.
  • Nun machen Sie die Übung umgekehrt: Ihr Kopf bleibt starr an einer Stelle, denn Ihr Arm bewegt sich nun vor Ihrem Oberkörper von links nach rechts. Wieder folgen die Augen dem Daumen.
  • Beide Varianten lassen sich nun kombinieren, indem der Kopf sich zur einen Seite dreht, während der Arm sich zur umgekehrten Seite bewegt.

Für die nächste Übung stellen Sie sich aufrecht hin.

  • Strecken Sie Ihren rechten Arm vor Ihrer Brust lang aus, ballen Sie Ihre Hand zu einer Faust und spreizen Sie den Daumen ab.
  • Machen Sie nun einen Ausfallschritt nach links und gehen Sie mit den Beinen ein wenig in die Knie. Ihre Wirbelsäule bleibt dabei lang. Wieder fixieren Ihre Augen den Daumen.
  • Wechseln Sie nun die Seiten. Der linke Arm wird gestreckt, der Ausfallschritt geht nach rechts.

Weitere Trainingsmethoden

Neben den spezifischen Gleichgewichtsübungen gibt es weitere Trainingsmethoden, die nach einem Schlaganfall sinnvoll sein können:

Lesen Sie auch: Was Sie über epileptische Anfälle nach Hirnblutungen wissen sollten

  • Herz-Kreislauf-Training: Ob Gehen, Radfahren oder Schwimmen - grundsätzlich ist jede Bewegung förderlich für die Gesundheit. Experten empfehlen für Schlaganfall-Betroffene 20 bis 60 Minuten moderates Ausdauertraining drei bis fünf Mal pro Woche.
  • Krafttraining: Studien zeigen, dass Kraftübungen für die großen Muskelgruppen die Muskelkraft deutlich verbessern und sich positiv auf die Gehfähigkeit auswirken können.
  • Rehasport: Spezielle Rehabilitationssportgruppen für Schlaganfall-Patienten bieten professionelle Anleitung und soziale Unterstützung.
  • Tai-Chi: Diese traditionelle chinesische Bewegungsform fördert die Koordination, das Gleichgewicht und die innere Ruhe.
  • Wassergymnastik: Das Training im Wasser schont die Gelenke und stärkt gleichzeitig die Muskulatur.
  • Sitzgymnastik: Für Patienten mit starken Mobilitätseinschränkungen ist Sitzgymnastik eine gute Möglichkeit, aktiv zu bleiben und die Beweglichkeit der oberen Extremitäten zu fördern.

Rolle der Physiotherapie

Physiotherapie ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Rehabilitation nach einem Schlaganfall. Physiotherapeuten arbeiten gezielt daran, die Beweglichkeit, Kraft und Koordination der Patienten zu verbessern. Dabei kommen verschiedene Techniken und Geräte zum Einsatz, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Ein Schwerpunkt der Physiotherapie liegt auf dem Gehtraining. Ziel ist es, die Patienten schrittweise an das selbstständige Gehen heranzuführen.

Bedeutung der Sturzprophylaxe

Stürze stellen für Schlaganfallpatienten ein großes Risiko dar. Daher ist die Sturzprophylaxe ein wichtiger Bestandteil der Rehabilitation. Neben dem Gleichgewichtstraining können auch andere Maßnahmen dazu beitragen, Stürze zu vermeiden:

  • Anpassung des Wohnumfelds: Entfernen von Stolperfallen, Anbringen von Haltegriffen im Badezimmer.
  • Hilfsmittel: Verwendung von Gehhilfen oder anderen unterstützenden Hilfsmitteln.
  • Regelmäßige Augenuntersuchungen: Sehschwächen können das Sturzrisiko erhöhen.
  • Medikamentenüberprüfung: Einige Medikamente können Schwindel und Gleichgewichtsstörungen verursachen.

Psychosoziale Unterstützung

Neben den körperlichen Übungen ist auch die psychosoziale Unterstützung und Motivation des Patienten von großer Bedeutung. Ein Pflegedienst oder Angehörige können dem Patienten dabei helfen, positive Ziele zu setzen, sein Selbstvertrauen zu stärken und ihn bei Rückschlägen zu motivieren, weiterhin an seiner Genesung zu arbeiten.

tags: #gleichgewichtstraining #nach #schlaganfall #übungen