Gürtelrose-Impfung und Demenzrisiko: Neue Erkenntnisse und Schutzmechanismen

Die Forschung deutet darauf hin, dass die Impfung gegen Gürtelrose nicht nur vor der Viruserkrankung selbst schützt, sondern auch das Demenzrisiko senken kann. Jüngste epidemiologische Studien haben diesen Zusammenhang untersucht und mögliche Erklärungen dafür gefunden.

Studien legen eine Schutzwirkung nahe

Drei unabhängige epidemiologische Studien deuten darauf hin, dass eine Impfung gegen Gürtelrose das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, senken kann. Eine retrospektive Kohortenstudie analysierte die Patientenakten von über 436.000 Teilnehmern aus dem TriNetX EHR-Netzwerk. Die Kohorten wurden mit Hilfe von Propensity Score Matching auf jeweils passende Kontrollgruppen abgestimmt, die ausschließlich eine Grippeimpfung erhalten hatten. Es zeigte sich, dass Impfungen mit Impfstoffen, die das AS01-Adjuvans enthielten, das Demenzrisiko im Vergleich zur Grippeimpfung signifikant senkten. Eine zusätzliche demenzfreie Zeit von 53 Tagen wurde für die Gürtelrose-Impfung errechnet.

Eine im Fachjournal „Nature“ veröffentlichte Studie aus dem Vereinigten Königreich analysierte Gesundheitsdaten aus Wales. Dort konnten sich ab dem 1. September 2013 Menschen gegen Gürtelrose impfen lassen, die noch nicht 80 Jahre alt geworden waren. Das Ergebnis: Das Risiko, eine Demenzdiagnose zu erhalten, war mit der Impfung um ein Fünftel geringer.

Besonderes Studiendesign ermöglicht neue Erkenntnisse

Die Studie aus Wales nutzte eine besondere Regelung, um ein "natürliches Experiment" auszuwerten. Durch den Stichtag für die Impfberechtigung konnten die Forschenden zwei Gruppen vergleichen: Eine Gruppe, die keine Impfung erhalten konnte, und eine Gruppe, die die Möglichkeit zur Impfung hatte. Dieses Design minimierte Verzerrungen und ermöglichte es, den kausalen Effekt der Impfung auf das Demenzrisiko zu untersuchen.

Eine ähnliche Studie in Australien bestätigte die Ergebnisse aus Wales. Auch dort wurde ein Stichtag für die Impfberechtigung genutzt, um den Effekt der Gürtelrose-Impfung auf das Demenzrisiko zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigten, dass die Impfung das Demenzrisiko senkte, sowohl bei Frauen als auch bei Männern.

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Lebend- und Totimpfstoffe im Vergleich

In Deutschland wird seit 2018 der Herpes-Zoster-Totimpfstoff (Handelsname Shingrix) für alle ab 60 und Risikogruppen ab 50 Jahren empfohlen. Zuvor war der Lebendimpfstoff Zostavax erhältlich, der auch in der Studie aus Wales verwendet wurde. Eine US-amerikanische Studie untersuchte beide Impfstoffe und stellte eine stärkere Wirkung des Totimpfstoffs fest.

Mögliche Schutzmechanismen

Die genauen Mechanismen, wie die Gürtelrose-Impfung vor Demenz schützt, sind noch nicht vollständig geklärt. Es gibt zwei plausible Thesen:

  1. Verhinderung der Gürtelrose-Erkrankung: Die Impfung verhindert die Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus (VZV) und somit die Entstehung einer Gürtelrose. Dadurch werden Entzündungsreaktionen im Nervengewebe reduziert, die möglicherweise die Entwicklung von Demenz begünstigen könnten.
  2. Immunmodulation: Der Impfstoff könnte das Immunsystem auf eine Weise modulieren, die unabhängig von der Virusinfektion vor Demenz schützt.

Geschlechterunterschiede

Einige Studien deuten darauf hin, dass der Schutzeffekt der Gürtelrose-Impfung bei Frauen stärker ausgeprägt ist als bei Männern. Dies könnte auf geschlechtsspezifische Unterschiede in der Immunantwort oder in der Entwicklung von Demenz zurückzuführen sein.

Bedeutung von Herpesviren bei Demenz

Herpesviren, zu denen auch das Varizella-Zoster-Virus gehört, sind dafür bekannt, dass sie sich in den Nervenzellen des Rückenmarks verstecken und bei einer Schwächung des Immunsystems wieder aktiv werden können. Forschungen deuten darauf hin, dass Herpesviren eine Rolle bei der Entstehung von Demenz-Erkrankungen spielen könnten.

Herpesviren und Alzheimer

Herpes-Viren wurden in den Läsionen von verstorbenen Alzheimer-Patienten gefunden. Direkte Zusammenhänge konnten bei Menschen gezeigt werden, die eine schwere Windpocken-Infektion mit Zostermeningitis durchgemacht hatten. Auch Menschen, die im Alter eine Gürtelrose entwickeln, haben möglicherweise ein erhöhtes Risiko, Einbußen ihrer kognitiven Fähigkeiten zu erleiden.

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Weitere Studien untermauern Zusammenhang

Eine Studie aus Taiwan aus dem Jahr 2017 wertete Patientendaten aus den Jahren 1997 bis 2013 aus und fand ein erhöhtes Risiko für eine spätere Demenz in der Gruppe der Patienten, die eine Gürtelrose-Erkrankung durchgemacht hatten. US-Forschende veröffentlichten im Jahr 2023 eine Arbeit, in der sie mehrere vorausgegangene Virusinfektionen in Zusammenhang mit späteren neurodegenerativen Erkrankungen bringen konnten.

Die Rolle von Impfungen

Die Einführung des ersten Zoster-Impfstoffes senkte gleichzeitig die Quote der Neuerkrankungen an Demenz. Eine Regressions-Diskontinuitäts-Analyse anhand der Impf- und Meldezahlen aus Wales belegte, dass seit Einführung des Zoster-Impfstoffes 2013 jede fünfte Demenzerkrankung vermieden worden war.

Totimpfstoff senkt Demenz-Risiko

Eine Studie von US- und taiwanischen Forschenden aus dem Jahr 2024 zeigte anhand von drei großen US-Beobachtungsstudien über mehrere Jahre einen direkten Zusammenhang zwischen einer durchgemachten Zoster-Erkrankung und späterer Demenz.

Empfehlungen für Deutschland

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt die Impfung gegen Gürtelrose aktuell allen Menschen ab 60 Jahren als Standardimpfung und bereits ab 50 Jahren, wenn Grunderkrankungen vorliegen, die das Immunsystem schwächen. Die neuen Studiendaten sollten Anlass geben, die Anstrengungen zur Erhöhung der Impfquoten zu intensivieren und über eine Ausweitung der Impfempfehlungen für jüngere Altersgruppen nachzudenken.

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