Die Frage nach einem Zusammenhang zwischen Corona-Impfung und Demenz beschäftigt viele Menschen. Insbesondere im Kontext der COVID-19-Pandemie und der damit verbundenen Impfkampagnen ist es wichtig, die wissenschaftliche Faktenlage zu betrachten und Ängste auf einer fundierten Basis zu begegnen. Dieser Artikel beleuchtet die aktuellen Erkenntnisse zu möglichen Ursachen, Risiken und der Forschungslage im Bereich Demenz nach Corona-Impfung. Dabei werden sowohl die potenziellen Auswirkungen des Virus selbst als auch die der Impfung betrachtet.
Neurologische Erkrankungen und Corona: Eine besondere Gefährdung
Menschen mit neurologischen Erkrankungen können durch das Corona-Virus besonders gefährdet sein. Einige neurologische Krankheiten können mit einem erhöhten Risiko einhergehen, im Falle einer Corona-Erkrankung einen schwereren, lebensbedrohlichen Verlauf mit Beatmung zu erleiden. Dabei spielt nicht die neurologische Krankheit selbst die entscheidende Rolle, sondern die damit verbundenen allgemeinen Risiken wie Immobilität, Ausmaß von Lähmungen und Einschränkungen der Atmung.
Besonders gefährdet sind Menschen mit Demenz, da sie die Verhaltens- und Hygieneregeln oft nicht mehr befolgen können. Sie gehören daher zur zweiten Gruppe, die geimpft werden soll, unabhängig vom Alter. Die erste Gruppe umfasst Menschen über 80 Jahre. Damit erhalten bereits viele Demenzkranke den Impfschutz.
Corona-Impfung für neurologische Patienten: Ja oder Nein?
Grundsätzlich sollten sich neurologische Patienten impfen lassen. Alle wissenschaftlichen Empfehlungen sehen das so, weil bei den derzeit zugelassenen Impfstoffen keine aktiven Krankheitserreger verabreicht werden. Bei bestimmten Medikamenten gegen Multiple Sklerose kann es allerdings sein, dass sich die Impfwirkung nicht oder nicht voll entfaltet. Aktuelle Studien deuten sogar auf eine gewisse positive Wirkung hin, da bei schweren Corona-Erkrankungen das Immunsystem verrückt spielt und es zu einer Überreaktion kommt. Was die eigentlich gegen die Corona-Viren gerichtete „wild gewordene“ Abwehr gut gemeint hat, erweist sich als Bumerang und zerstört eigene Körperzellen.
Risiko von Demenz nach COVID-19-Erkrankung
Das Risiko für kognitive Defizite, Demenz, psychotische Störungen, Epilepsie oder Krampfanfälle bleibt bei COVID-19-Patienten selbst 2 Jahre nach der Infektion leicht erhöht im Vergleich zu anderen Atemwegserkrankungen. Die Risiken für die häufigsten psychiatrischen Störungen kehren nach 1-2 Monaten auf den Ausgangswert zurück: Für Gemütsstörungen wie Depressionen nach 43 Tagen, für Angststörungen nach 58 Tagen. Bei Kindern wird keine Zunahme an Depressions- und Angstdiagnosen nach COVID-19 beobachtet.
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Die Risiken für die meisten neurologischen Erkrankungen sind auch nach Ablauf von 6 Monaten noch erhöht. Ausnahmen bilden nur Enzephalitis, Guillain-Barré-Syndrom, Nerven-, Nervenwurzel- und Plexuserkrankungen sowie Parkinson, deren Hazard Ratios (HRs) nicht mehr signifikant über 1 liegen. Das Risiko für kognitive Defizite einschließlich Bewusstseinstrübungen beziehungsweise Brain Fog, Demenz, psychotische Störungen und Epilepsie oder Krampfanfälle war am Ende der 2-jährigen Nachbeobachtungszeit immer noch leicht erhöht.
Die Studie ergab, dass bei Patienten im mittleren Alter von 18 bis 64 Jahre die Inzidenz für kognitive Defizite 2 Jahre nach einer COVID-19-Infektion bei 6,39 % (95-%-KI 5,88-6,89) lag und in der Kontrollgruppe mit anderen Atemwegserkrankungen nur 5,50 (5,,88) betrug. Bei Erwachsenen älter als 65 Jahre lag die Inzidenz einer Demenz bei 4,46 % (95-%-KI 4,19-4,73) nach einer COVID-19-Infektion und bei 3,34 % (3,,61) nach anderen Atemwegsinfektionen. Das entspricht 446 Fällen pro 10 000 versus 334.
Kinder hatten nach 6 Monaten ein erhöhtes Risiko für kognitive Defizite, Schlaflosigkeit, intrakranielle Blutungen, ischämische Schlaganfälle, Nerven-, Nervenwurzel- und Plexuserkrankungen, psychotische Störungen und Epilepsie oder Krampfanfälle (HRs zwischen 1,20 [95-%-KI 1,09-1,33] und 2,16 [95-%-KI 1,46-3,19]). Anders als bei den Erwachsenen war das Risiko für das Auftreten von kognitiven Defizite bei den Kindern aber weniger als ein Vierteljahr lang erhöht. Das Risiko für das Auftreten einer Epilepsie nach einer COVID-19-Infektion verdoppelte sich auf 263 von 10 000 innerhalb von 2 Jahren, verglichen mit 126 von 10 000 nach anderen Atemwegsinfektionen. Muskelerkrankungen traten bei 11 von 10 000 in der COVID-Gruppe auf und bei fast 6 in der Kontrollgruppe. 18 von 10 000 entwickelten eine psychiatrische Störung in den 2 Jahren nach der COVID-Infektion, in der Kontrollgruppe waren es 6.
Kurz nach dem Aufkommen der Delta-Variante waren erhöhte Risiken für ischämische Schlaganfälle, Epilepsie oder Krampfanfälle, kognitive Defizite, Schlafstörungen und Angststörungen zu beobachten. Dies ging mit einer erhöhten Sterberate einher.
Fehlinterpretation von Studienergebnissen
Ein erhöhtes Risiko für eine Demenz bei COVID-19-Patienten gebe die Studie nicht her: „Es ist bekannt, dass eine latente Demenz häufig durch ein schwerwiegendes Ereignis, etwa eine COVID-19-Erkrankung, manifest wird, ohne dass es einen ursächlichen Zusammenhang gibt“, betont der Neurologe. Die COVID-19-Pandemie hat in unserer Gesellschaft zu Stress geführt - nicht nur durch die virusbedingten Erkrankungen, sondern auch durch Störungen des täglichen Lebens und Angst, was ein neuartiges Virus uns antun kann. Ich denke, die kleinen Zunahmen bei Demenz und Psychose müssen vorsichtig interpretiert werden. Diese sind meiner Meinung nach eher mit dem gesellschaftlichen Aufruhr und der Dystopie, die wir durchlebt haben, assoziiert als eine direkte Folge der Virusinfektionen.
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Mögliche biologische Mechanismen
Es gibt potenzielle biologische Mechanismen, die eine kausale Beziehung erklären würden: „Der wahrscheinlichste Mechanismus ist eine maladaptive Reaktion des Wirts - sowohl der angeborenen als auch der adaptiven Immunantwort -, die zu einer nachhaltigen neurologischen Schädigung führen kann, die sich durch erhöhte Biomarker für Hirnschädigung, speziell Tau, zeigt“, kommentiert David Menon, Direktor der Klinik für Anästhesie an der University of Cambridge, der selbst an den kognitiven Folgen von COVID-19 forscht, die Studienergebnisse.
Zusammenhang zwischen Corona und Demenz
Bereits im Sommer wies Karl Lauterbach auf einen Zusammenhang zwischen Corona und einer späteren Demenz hin. Ein Top-Neurologe hält eine Welle von Demenzerkrankungen als Folge für möglich. So wies er beispielsweise bereits im Juni auf eine Studie aus Dänemark hin, die einen Zusammenhang zwischen Corona und späterer Demenz sieht. Dabei handelt es sich um Krankheiten wie Alzheimer, die häufigste Form von Demenz, und Parkinson, auch Schüttellähmung genannt. Auch erlitten ehemals Infizierte häufiger Schlaganfälle und Gehirnblutungen. Menschen, die eine Influenza durchgemacht haben, haben ebenfalls ein erhöhtes Risiko, diese neurodegenerativen Krankheiten zu entwickeln.
Neurologe bestätigt Zusammenhang
Es gibt inzwischen viele Untersuchungen, die da einen Zusammenhang zeigen. Auch experimentelle Studien haben ergeben, dass Entzündungen zu Veränderungen in der Lern- und Gedächtnisleistung führen können“, erklärt etwa der renommierte Neurologe Michael Heneka, Direktor des Centre for Systems Biomedicine an der Universität Luxemburg, im Interview mit dem „Spiegel“. Die Beziehungen zwischen Immunreaktionen im Körper und Demenz seien vielfältig: „Einerseits können durch eine Infektion degenerative Prozesse, die im Gehirn sowieso schon ablaufen, beschleunigt werden“, sagt Heneka. „Mitunter könnte der geistige Verfall aber auch neu angestoßen werden. Oder normale Alterungsprozesse des Gehirns könnten durch die Infektion in krankhafte degenerative Prozesse umgewandelt werden“, mutmaßt der Forscher weiter. So könnten beispielsweise schwere Infektionen auch vorübergehend oder dauerhaft Organe schädigen: „Allein diese Organschäden können die Gehirnfunktion nachhaltig negativ beeinflussen“, führt Heneka weiter bei „Spiegel“ aus.
Ein weiteres Problem sei, dass bei Infektionen die Blut-Hirnschranke durchlässiger werde: „Botenstoffe des Immunsystems und auch Immunzellen können vom Blut ins Gehirn übertreten und dort die Aktivität der sogenannten Mikroglia, der gehirneigenen Immunzellen, beeinflussen, erläutert der Forscher. Man wisse heute, dass genau diese Immunzellen eine Rolle bei der Entstehung von Alzheimer spielten. Gerade in Mäuseversuchen hätte man deutlich gesehen, dass bei einer akuten Infektion es die gehirneigenen Immunzellen nicht mehr schaffen, Eiweißablagerungen im Gehirn zu eliminieren, die sich dort schon Jahre vor Ausbruch der Alzheimer-Krankheit ansammeln. Der Effekt: Die Immunreaktion läuft wie ein Schwelbrand immer weiter bis zu einem Punkt, an dem entzündliche Botenstoffe Nervenzellen immer weiter schädigen und die Verklumpung sogar vorantreibt.
Forscher der Dänischen Studie mutmaßen, dass eine Corona-Infektion eine angeborene Immunreaktion des Körpers auslöse. Durch Entzündungsprozesse könnte es dabei zu einer Anhäufung des Eiweißes β-Amyloid kommen, genau jene Eiweißablagerungen im Gehirn, die in Zusammenhang mit Alzheimer stehen.
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Weitere Risikofaktoren für Demenz
Viren, Bakterien, sogar Pilze können das Risiko für eine Demenz erhöhen“, erklärt der Wissenschaftler weiter bei „Spiegel“. Voraussetzung sei aber, dass es sich um eine schwere Infektion handele. „Bei einem Schnupfen hat man diesbezüglich nichts zu befürchten“, beruhigt Heneka.
Weitere Risikofaktoren für Alzheimer sind:
- Diabetes
- Bluthochdruck
- Adipositas
- Bewegungsmangel
- Rauchen
- Geringe Bildung
- Depression
- Alter
- Geschlecht
- Genetische Faktoren
Auswirkungen von Virusinfektionen auf Demenz
Dr. Marius Schwabenland vom Universitätsklinikum Freiburg untersucht zusammen mit seinem Team die Gehirne von an Covid-19 Verstorbenen aus den ersten Corona-Wellen. Der Fokus lag dabei auf sogenannten Mikrogliazellen, den Immunzellen im Zentralnervensystem (ZNS). Mit einer neu entwickelten Technik, die auffällige Zellverbände mehrdimensional sichtbar macht, konnten vermehrt Mikroglia-Ansammlungen (Knötchen) im Hirnstamm identifiziert werden. Dies deutet auf eingetretene pathologische Veränderungen im Gehirn hin.
Prof. Ina Vorberg vom DZNE stellte ebenfalls ihre Ergebnisse vor. Diese weisen darauf hin, dass virale Moleküle die Ausbreitung von Alzheimer-typischen Proteinaggregaten zwischen Zellen fördern und so neurodegenerative Erkrankungen beschleunigen könnten. Zu diesen viralen Molekülen gehören insbesondere auch die Spike-Proteine der Corona-Viren und reaktivierte endogene Retroviren, die abgeschaltet in den menschlichen Erbanlagen vorliegen. Antivirale Behandlungen oder Impfstoffe könnten hierauf einen Einfluss haben und den Ausbruch oder das Fortschreiten solcher Erkrankungen verhindern beziehungsweise verlangsamen.
Auswirkungen von Long Covid auf das Gehirn
Prof. Ulrich Kalinke vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung ging in seinem Vortrag der Frage nach, ob und wie Viren bis ins Gehirn vordringen. Das Virus folgt demnach anatomischen Strukturen und dringt über die Atemwege und das Herz-Kreislauf-System ins Rückenmark vor und von dort weiter bis in das Gehirn. Dies kann direkte oder indirekte neurologische Veränderungen mit sich bringen und trifft sowohl Patientinnen mit milden als auch mit schweren (Long-)Covid-Verläufen.
Prof. Gabor Petzold vom DZNE ging auf neurologische und psychiatrische Symptome bei Long-Covid ein. Dazu gehören kognitive Symptome wie Aufmerksamkeitsstörungen oder Gedächtnisschwierigkeiten, die bei etwa 50% der Betroffenen auftreten. Passend dazu wurde in einer Studie, in die auch Patienten mit milden Verläufen eingeschlossen wurden, ein Abbau des Gewebes in Hirnregionen nachgewiesen, die für Gedächtnis und Kognition relevant sind.
Post-Vac Syndrom
Die Corona-Impfung rettet Leben. In sehr seltenen Fällen kann sie andauernde Krankheitssymptome verursachen, das Post-Vac Syndrom. Das Risiko für starke Nebenwirkungen ist nach einer durchgemachten Covid 19-Erkrankung sehr viel höher als nach der Impfung - das belegt auch eine Studie aus Israel. Nach bisherigem Kenntnisstand tritt ein Post-Vac-Syndrom nur nach 0,01 bis 0,02 Prozent aller Impfungen auf. Das Risiko für ein Post-Vac-Syndrom ist also sehr gering - und trifft laut Expertinnen und Experten genau die Menschen, die sehr wahrscheinlich durch die echte Infektion ähnliche oder noch viel schwerere Symptome bekommen hätten. Genaue Zahlen gibt es noch nicht, aber auffällig ist, dass vom Nebenwirkungen nach einer Corona-Impfung besonders häufig jüngere, sportliche Frauen betroffen sind, so Medizinerinnen und Mediziner der Uniklinik Marburg, wo es die bisher einzige Ambulanz für das Post-Vac-Syndrom gibt.
Es gibt mehrere Theorien dazu, was bei einem Post-Vac-Syndrom im Körper passiert: Die Marburger Forschenden haben ein Molekül im Visier, das eine wichtige Rolle bei der Blutdruckregulierung spielt: ACE2. Dieses Protein ist außerdem ein Rezeptor für Coronaviren - darüber gelangen die Viren in die Zellen. Besonders viel ACE2 haben jüngere, sportliche Frauen - also diejenigen, die am häufigsten ein Post-Vac-Syndrom bekommen. Aber auch das Immunsystem scheint beteiligt zu sein: Es wird durch die Infektion, aber auch durch die Impfung, stark aktiviert. Dabei kann es zu überschießenden Reaktionen kommen. Es entstehen Autoantikörper, die körpereigenes Gewebe angreifen und so Autoimmunkrankheiten auslösen. Laut Medizinerinnen und Medizinern sind die Beschwerden nach der Impfung heilbar - man muss aber Geduld aufbringen.
Studie zu Nebenwirkungen von COVID-19-Impfungen
Im Rahmen einer Studie wurden 1.046 Mitarbeitende des Tübinger Uniklinikums, des Zentrums für Klinische Transfusionsmedizin und des NMI Reutlingen in die Analyse einbezogen. Mithilfe eines Online-Fragebogens konnten die Studienteilnehmenden über ihre lokalen (d.h. Schwellungen, Rötungen, Schmerzen an der Injektionsstelle, Hautempfindlichkeit) und systemischen Nebenwirkungen (d.h. Müdigkeit, Durchfall, Übelkeit, Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, Schüttelfrost, Fieber) berichten. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass nach der ersten Impfung vor allem lokale Nebenwirkungen bei den mRNA-Impfstoffen BioNTech/Pfizer und Moderna auftraten, während systemische Nebenwirkungen bei dem Vektorimpfstoff von AstraZeneca häufiger und schwerer waren“, berichtet Alan Bareiß (IKET), einer der Erstautoren der Studie. Günalp Uzun (IKET), ebenso Erstautor, führt fort: „Nach der zweiten Dosis nahm jedoch die Häufigkeit systemischer Nebenwirkungen ab, wenn AstraZeneca verabreicht wurde. Weitere Analysen zeigten eine Tendenz zu lokalen und systemischen Nebenwirkungen bei Studienteilnehmenden die jünger als 45 Jahre waren. Außerdem meldeten weibliche Teilnehmerinnen vermehrt Nebenwirkungen. Personen mit Hauterkrankungen wiesen eine höhere Wahrscheinlichkeit auf, eine lokale Nebenwirkung zu entwickeln. Ebenso wurde das Vorliegen einer kardiovaskulären Erkrankung mit einer höheren Frequenz an systemischen Nebenwirkungen in Verbindung gebracht.
Die Rolle von Medin bei Alzheimer
In den Blutgefäßen des Gehirns von Alzheimer-Patienten lagert sich zusammen mit dem Protein Amyloid-β auch das Protein Medin ab. Diese sogenannte Co-Aggregation haben Forschende am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) entdeckt. „Medin ist zwar schon seit rund 20 Jahren bekannt, wurde aber in seinem Einfluss auf Krankheiten bisher unterschätzt. Wir konnten zeigen, dass krankhafte Veränderungen der Blutgefäße von Alzheimer-Patienten durch Medin deutlich verstärkt werden“, sagt Studienleiter Dr. Jonas Neher vom Tübinger Standort des DZNE.
Einschränkungen und Interpretationen von Studien
Eine Studie aus Dänemark hat die Gesundheitsdaten von fast drei Millionen Dänen auf verschiedene neurologische Erkrankungen nach einer COVID-19-Infektion hin untersucht. Das Ergebnis: Etwa sechs bis 12 Monate nach einer COVID-19-Infektion ist das Risiko größer, eine Alzheimer-Demenz oder ein Parkinson-Syndrom zu entwickeln. Allerdings ist das Risiko dafür nach einer anderen Atemwegserkrankung wie Influenza oder der bakteriellen Lungenentzündung ebenso groß.
"Ich denke, das kann man aus dieser Studie nicht ableiten", sagt Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. "Es handelt sich um eine bevölkerungsbasierte, statistische Studie, die nicht geeignet ist, einen kausalen Zusammenhang zwischen einer COVID-19-Infektion und dem Auftreten von Alzheimer oder Parkinson zu beweisen. Gerade weil das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson laut der Studie nach einer Coronainfektion nicht höher sei als bei anderen Atemwegserkrankungen, sei es wahrscheinlich eher der Infekt an sich, der das Risiko steigert.
Langzeitfolgen von Corona im Gehirn
Vergesslich, unkonzentriert oder erschöpft - eine Corona-Infektion kann Spuren im Gehirn hinterlassen, an denen Betroffene über Monate und eventuell sogar Jahre leiden. In der Klinik für Neurologie des UKSH, Campus Kiel, werden viele Menschen mit auffälligen Beschwerden in der Gedächtnissprechstunde gesehen. Auch Patientinnen und Patienten mit leichten Verläufen, die sich ambulant auskuriert haben, gaben an, dass sie nach der akuten Infektion kognitive Beschwerden bemerkten, die sie im Alltag stark einschränkten. Genannt werden etwa eine verringerte Konzentration und Aufmerksamkeit, Wortfindungsstörungen sowie Störungen im Kurzzeitgedächtnis oder beim planerischen Denken.
Die Forschungsgruppe in Kiel startete im April 2021 eine Studie zur weiteren Erforschung dieser Beschwerden. Mindestens 100 Patientinnen und Patienten werden hierfür zu mehreren Zeitpunkten nach einer COVID-19-Infektion mit speziellen neuropsychologischen Testverfahren sowie klinisch und neuroradiologisch untersucht. »Erstes Ziel ist, die kognitiven Beschwerden des Post-Covid-Syndroms genau zu charakterisieren. Zweitens interessiert uns, ob es eine bestimmte Gruppe gibt, die besonders betroffen ist. Und natürlich beobachten wir auch den Verlauf, also wann eine Besserung eintritt«, erklärt Rave.