Schwämme gehören zu den einfachsten vielzelligen Tieren und faszinieren die Wissenschaft seit langem. Eine der grundlegendsten Fragen ist, ob Schwämme ein Gehirn oder Nervensystem haben. Obwohl sie weder das eine noch das andere im herkömmlichen Sinne besitzen, deuten neue Forschungsergebnisse darauf hin, dass sie über zelluläre Mechanismen verfügen, die als Vorläufer des Nervensystems angesehen werden können.
Die Suche nach neuronalen Merkmalen in Schwämmen
Traditionell galten Schwämme als einfache Organismen ohne Nervensystem. Im Vergleich zu Tieren mit komplexen Nervennetzen, wie zum Beispiel dem menschlichen Gehirn mit seinen etwa 86 Milliarden Neuronen, scheinen Schwämme in dieser Hinsicht unterentwickelt zu sein. Allerdings haben genetische Untersuchungen gezeigt, dass Schwämme Gene besitzen, die auch im Nervensystem anderer Tiere vorkommen, insbesondere solche, die für die Funktion von Synapsen wichtig sind. Synapsen sind die Verbindungsstellen zwischen Neuronen, die die Kommunikation ermöglichen.
Um die Rolle dieser synaptischen Gene in Schwämmen zu verstehen, untersuchten Forscher, in welchen Zelltypen diese Gene aktiv sind. Sie verwendeten den Süßwasserschwamm Spongilla lacustris als Modellorganismus und analysierten das genetische Profil einzelner Zellen. Dabei stellten sie fest, dass bestimmte Zellen in den Verdauungskammern des Schwamms die synaptischen Gene aktivieren.
Zellen mit neuronalen Merkmalen in den Verdauungskammern
Schwämme nutzen ihre Verdauungskammern, um Nahrung aus dem Wasser zu filtern und auf Mikroben aus der Umgebung zu reagieren. Die Forscher beobachteten, dass sich die Zellen mit der synaptischen Genaktivität durch die Verdauungskammern bewegen und bakterielle Eindringlinge beseitigen. Darüber hinaus stellten sie fest, dass diese Zellen lange Fortsätze ausbilden, durch die sie sich mit Verdauungszellen verbinden. Diese Fortsätze ähneln den Dendriten von Nervenzellen, die für die Signalübertragung wichtig sind.
Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass die Zellen in den Verdauungskammern des Schwamms eine Art zelluläre Kommunikation ermöglichen und somit eine mögliche evolutionäre Vorform des Nervensystems darstellen könnten.
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Evolutionäre Bedeutung der Schwammzellen
Die Ergebnisse der Studie lassen vermuten, dass die Zellen, die die Nahrungsaufnahme regulieren und die mikrobielle Umgebung kontrollieren, die evolutionären Vorläufer der ersten tierischen Nervensysteme bildeten. Dies unterstützt die Hypothese, dass Schwämme eine Schlüsselrolle bei der Entstehung des Nervensystems gespielt haben.
Die Frage, welcher Tierstamm der älteste ist, ist unter Biologen umstritten. Einige Studien deuten darauf hin, dass Schwämme die ersten Tiere waren, die sich entwickelten, während andere Rippenquallen als ältesten Tierstamm ansehen. Die Klärung dieser Frage hat wichtige Auswirkungen auf unser Verständnis der Evolution der Tiere und ihrer grundlegenden Merkmale.
Die Bewegung der Schwämme und ihre möglichen Gründe
Obwohl Schwämme traditionell als sessile Tiere galten, die sich nicht fortbewegen, haben neuere Forschungen gezeigt, dass sie tatsächlich in der Lage sind, sich langsam fortzubewegen. Unterwasseraufnahmen aus der Arktis haben Kriechspuren entdeckt, die wahrscheinlich von Schwämmen stammen und sogar bergauf führen.
Wie Schwämme ohne Muskeln oder Nerven von einem Ort zum anderen gelangen, ist noch nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass sie sich durch Ausdehnen und Zusammenziehen fortbewegen oder indem sie Spicula (nadelförmige Skelettteile) in den Boden versenken und sich an ihnen nach vorne ziehen.
Die Gründe für die Bewegung der Schwämme sind ebenfalls noch unklar. Es könnte sein, dass sie sich auf der Suche nach Nahrung oder besseren Lebensbedingungen fortbewegen oder um ungünstigen Umweltbedingungen zu entkommen.
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Schwämme als Überlebenskünstler und Alleskönner
Schwämme sind bemerkenswerte Lebewesen mit einer Reihe von faszinierenden Eigenschaften. Sie sind nicht nur in der Lage, sich fortzubewegen, sondern auch, sich nach einer Verletzung selbst wieder zusammenzufügen. Wenn ein Schwamm durch ein Sieb gedrückt wird, kann er sich innerhalb weniger Stunden wieder zu einem vollständigen Organismus zusammensetzen.
Darüber hinaus sind Schwämme in der Lage, große Mengen Wasser zu filtern und tragen so zur Reinigung von Gewässern bei. Ein fußballgroßer Schwamm kann jeden Tag eine Tonne Wasser durch sich hindurchpumpen.
Einige Schwammarten produzieren chemische Verbindungen, die für die Medizin interessant sind, da sie antiviral, antibakteriell oder entzündungshemmend wirken. Forschungen deuten darauf hin, dass diese Verbindungen möglicherweise zur Behandlung von Krebs, HIV oder antibiotikaresistenten Keimen eingesetzt werden könnten.
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