Die Frage, ob Handystrahlung negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat, insbesondere auf das Gehirn, ist seit der breiten Nutzung von Mobiltelefonen ein viel diskutiertes Thema. Zahlreiche Studien wurden durchgeführt, um mögliche Zusammenhänge zu untersuchen. Dieser Artikel fasst die aktuellen Erkenntnisse und Forschungsergebnisse zusammen und beleuchtet verschiedene Aspekte der Handystrahlung und ihre potenziellen Auswirkungen auf das Gehirn.
Einführung
Die ständige Verfügbarkeit und Nutzung von Smartphones ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Besonders bei Kindern und Jugendlichen wirft die intensive Nutzung dieser Geräte Fragen nach möglichen Auswirkungen auf die Gesundheit auf, insbesondere im Hinblick auf die Strahlung, die von Handys ausgeht. Es ist wichtig, die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem Thema zu verstehen, um eine fundierte Entscheidung über den Umgang mit Mobiltelefonen treffen zu können.
Studien zu Handystrahlung und Gedächtnisleistung bei Jugendlichen
Eine Studie mit fast 700 Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren in der Schweiz untersuchte den Zusammenhang zwischen Handystrahlung und der Entwicklung der Gedächtnisleistung. Die Ergebnisse dieser Studie, veröffentlicht in Environ Health Perspect 2018, deuten darauf hin, dass die kumulative Exposition des Gehirns gegenüber hochfrequenten elektromagnetischen Feldern (HF-EMF) durch Mobiltelefone über ein Jahr hinweg einen negativen Einfluss auf die Entwicklung der figuralen Gedächtnisleistung bei Jugendlichen haben kann. Es wurde jedoch festgestellt, dass andere Aspekte der drahtlosen Kommunikation, wie das Senden von Textnachrichten oder das Surfen im Internet, nur eine geringe Strahlenbelastung des Gehirns verursachen und keinen Zusammenhang mit der Entwicklung der Gedächtnisleistung aufweisen.
Handystrahlung und Hirntumorrisiko
Lange wurde die Möglichkeit diskutiert, dass die von Mobiltelefonen ausgehende elektromagnetische Strahlung das Risiko erhöhen könnte, an einem Hirntumor zu erkranken. Eine kürzlich veröffentlichte Analyse der seit mehr als 20 Jahren andauernden „UK Million Women Study“ aus Großbritannien widerlegt jedoch diese Annahme. Die Befragung von etwa 800.000 Frauen ergab keine Anzeichen für einen Zusammenhang zwischen Handynutzung und dem Risiko für einen Hirntumor.
Fortschritte in der Tumorerkennung
Die Krebsforschung hat in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht, insbesondere bei den bildgebenden Verfahren. Die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) nutzt eine schwach radioaktiv markierte Substanz, Tracer genannt, die Patient:innen gespritzt wird. Tumoren haben im Vergleich zu gesundem Gewebe einen veränderten Stoffwechsel und nehmen daher mehr Tracer auf, wodurch sie im PET-Bild besser sichtbar werden. In Kombination mit der Computertomografie (CT) ermöglicht diese Methode eine präzise Abgrenzung des Krebses von gesundem Gewebe. Diese verbesserte Diagnostik ist besonders wichtig im Kampf gegen schwer behandelbare Krebsarten wie das Glioblastom, einem Hirntumor, der schnell tief in das Hirngewebe hineinwachsen und es zerstören kann.
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Neue Ansätze zur Behandlung von Hirntumoren
Obwohl Glioblastome bisher nicht heilbar sind, können moderne Therapien die Prognose der Patient:innen verbessern. Eine etablierte Behandlungsmethode sind Tumortherapiefelder (TTFields), die auf der Beobachtung basieren, dass elektrische Wechselfelder die schnelle Teilung von Tumorzellen stören können. Die Tumorzellen sterben ab, während gesunde Zellen nicht beschädigt werden. Dieses physikalische Wirkprinzip lässt sich prinzipiell auch auf andere Krebsarten anwenden, wie beispielsweise bei der Behandlung des Pleuramesothelioms, einem Tumor des Lungenfells.
Handystrahlung und die spezifische Absorptionsrate (SAR)
Handys senden nicht-ionisierende elektromagnetische Strahlung aus, die Zellen oder DNA nicht direkt schädigt. Diese Strahlung unterscheidet sich von ionisierender Strahlung, wie sie beispielsweise von Röntgenstrahlen oder nuklearen Materialien ausgeht, die hohe Energielevel abgeben, die die atomare Struktur stören und die DNA verändern können, was potenziell zu krebsartigem Wachstum führen kann. Die Strahlungsemissionen von Handys werden mit der „spezifischen Absorptionsrate“ (SAR) gemessen, einem internationalen Standard, der von Regulierungsbehörden festgelegt wurde.
Die Meinungen über die Strahlenbelastung durch Handys variieren. Einige sind überzeugt, dass sie erhebliche Gesundheitsrisiken birgt, während andere dies nicht glauben. Französische Regulierungsbehörden haben Apple kürzlich angewiesen, den Verkauf des iPhone 12 einzustellen, da die Emissionen die Expositionsstandards der Europäischen Union überschreiten. Apple hat diese Feststellungen zurückgewiesen und darauf bestanden, dass ihr Gerät den Vorschriften entspricht.
Die Komplexität der Forschung zu Handystrahlung
Die Daten zur Handystrahlung und den damit verbundenen Gesundheitsrisiken sind nach wie vor nicht eindeutig. Von den Hunderten von Studien, die in den letzten Jahrzehnten durchgeführt wurden, deuten einige auf einen möglichen Zusammenhang zwischen langfristiger Handynutzung und Gesundheitsproblemen wie Gehirntumoren oder Unfruchtbarkeit hin. Doch viele andere Studien widersprechen diesen Ergebnissen. Das Problem ist, dass dieses Thema äußerst komplex ist und es sehr schwierig ist, den Einfluss der Handystrahlung auf die menschliche Gesundheit isoliert zu betrachten.
Empfehlungen zur Reduzierung der Strahlenexposition
Obwohl die Risiken, die mit der Strahlung von Handys verbunden sind, nach wie vor schlecht verstanden und als minimal angesehen werden, kann die Begrenzung unnötiger Exposition dazu beitragen, die Gesundheit zu schützen und unnötige Belastungen zu reduzieren. Hier sind einige Empfehlungen:
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- Beschränken Sie Telefonate mit dem Handy oder verwenden Sie eine Freisprecheinrichtung oder den Lautsprecher.
- Bewahren Sie das Handy nicht am Körper auf.
- Schreiben Sie, wenn möglich, lieber eine SMS statt anzurufen.
- Halten Sie Kinder von der Nutzung von Handys fern.
- Schalten Sie das Smartphone nachts aus oder lassen Sie es außerhalb des Schlafzimmers liegen.
Handystrahlung und Essverhalten: Eine Studie aus Lübeck
Wissenschaftlerinnen der Universität zu Lübeck haben den Einfluss von Handystrahlung auf den Gehirnstoffwechsel und die Nahrungsaufnahme untersucht. Frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass elektromagnetische Strahlung bei Ratten zu einer erhöhten Nahrungsaufnahme führt. Die Lübecker Forscherinnen wollten herausfinden, ob ein solcher Zusammenhang auch beim Menschen besteht.
In einer Studie wurden 15 junge Männer mit einem Abstand von zwei Wochen insgesamt dreimal einbestellt. Im Experiment wurden die Probanden mit zwei verschiedenen Handys als Strahlungsquelle bestrahlt bzw. einer Scheinbestrahlung als Kontrolle ausgesetzt. Im Anschluss durften sich die Probanden für eine definierte Zeit an einem Buffet bedienen. Gemessen wurden die spontane Nahrungsaufnahme, der Energiestoffwechsel des Gehirns anhand von Phosphor-Magnetresonanz-Spektroskopie (MRS) sowie verschiedene Blutwerte vor und nach Bestrahlung.
Die Ergebnisse zeigten, dass die Strahlung bei fast allen Probanden zu einer Erhöhung der Gesamtkalorienzufuhr um 22 % bzw. 27 % führte. Die Blutanalysen zeigten, dass dies vor allem durch eine vermehrte Kohlenhydrataufnahme verursacht wurde. Die MRS-Messungen ergaben eine Steigerung des Energieumsatzes im Gehirn unter Einfluss der Handystrahlung.
Das Forschungsteam schließt aus diesen Ergebnissen, dass Handystrahlen nicht nur einen potenziellen Faktor für übermäßiges Essen beim Menschen darstellen, sondern dass sie auch die Energiehomöostase des Gehirns beeinflussen. Diese Erkenntnisse könnten neue Wege für die Adipositas- und andere neurobiologische Forschung eröffnen. Insbesondere in Bezug auf Kinder und Jugendliche wird der hier nachgewiesene Einfluss von Handystrahlung auf das Gehirn und das Essverhalten die Forschung auf diesem Gebiet zukünftig mehr in den Fokus rücken.
Die Auswirkungen der Handynutzung auf das Gehirn
Die Nutzung von Handys kann auf mehreren Ebenen problematisch sein. Die von Handys ausgesandte Strahlung wird zu großen Teilen vom Kopf absorbiert und kann dadurch u. a. Auswirkungen auf Stoffwechsel und Verarbeitungsprozesse im Gehirn haben. Hirnforscher Martin Korte von der Technischen Universität Braunschweig betont, dass sich das Gehirn in seinen Verschaltungswegen verändert, wenn man etwas Neues tut - auch wenn man die Bedienung eines Handys lernt. "Synapsen werden stärker, Verarbeitungswege werden verändert, weil man besser in der Nutzung wird."
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Viele Menschen nutzen das Handy in einem Multitasking-Modus, was die Aufmerksamkeit beeinflussen kann. Forscherinnen und Forscher der Universität Paderborn berichteten 2023 nach Konzentrationstests im Fachblatt "Scientific Reports", dass schon die Anwesenheit eines Smartphones die Aufmerksamkeitsleistung verringert. Zudem habe das Handy negativen Einfluss auf die Arbeitsgeschwindigkeit und die kognitive Leistungsfähigkeit.
Übermäßige Handynutzung kann auch zu einem Verlust von Zeiten des Tagträumens und Nichtstuns führen, was sich negativ auf die Kreativität auswirken kann. Besonders bei Kindern könne zu viel Zeit vor dem Smartphone oder Tablet negative Auswirkungen haben - und das umso gravierender, je früher sie solche Geräte übermäßig nutzen.
Handystrahlung und 5G: Was sagt die Forschung?
Seit 2002 hat Deutschland viele Millionen Euro investiert, um Handystrahlung zu erforschen. Ein Überblick zu Studien und was sie herausgefunden haben. Die elektromagnetischen Felder (EMF) des Mobilfunks sind gut erforscht. Das EMF-Portal der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen listet rund 40.000 Publikationen aus aller Welt auf - und es werden immer mehr. Im Fokus vieler Arbeiten stehen Langzeitwirkungen von EMF.
Für den Mobilfunkstandard 5G nutzen die Netzbetreiber Funkfrequenzen, die seit Jahren im Einsatz sind oder sehr nah dran an bisher schon genutzten Frequenzen. Der 5G-Mobilfunk ist zwar als Technologie neu, die physikalischen Prozesse dahinter sind es aber nicht. Ergebnisse aus der bisherigen Mobilfunkforschung lassen sich deshalb übertragen. Und daher lässt sich sagen: Auch 5G ist gut erforscht. Die Grenzwerte schützen uns im Zeitalter der 5G-Netze ebenso.
Wichtige Studien zum Mobilfunk
- Deutsches Mobilfunk-Forschungsprogramm (DMF): Im Rahmen dieses Programms wurden zwischen 2002 und 2008 Studien durchgeführt, die die gesundheitlichen Wirkungen elektromagnetischer Felder auf den menschlichen Körper untersuchten.
- Bewertung des Wissenschaftlichen Ausschusses für Gesundheit, Umwelt und neu auftretende Risiken (SCHEER) der Europäischen Kommission: Der Ausschuss kommt zu dem Schluss, dass unterhalb der Grenzwerte weder bei dauerhafter noch bei akuter Exposition gegenüber EMF Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen zu finden sind.
- MOBI-KIDS-Studie: Diese große epidemiologische Studie untersuchte von 2010 bis 2021 die Wirkungen von Handystrahlung auf Kinder und Jugendliche und legte nahe, dass Kinder und Jugendliche kein erhöhtes Risiko für Hirntumore durch die Handynutzung haben.
- COSMOS-Studie (Cohort Study of Mobile Phone Use and Health): Diese Studie befasst sich mit Langzeitwirkungen von EMF auf Erwachsene und läuft noch bis 2037. Die bisherigen Ergebnisse stützen mehrheitlich die Ergebnisse früherer Beobachtungsstudien und konnten keinen Zusammenhang zwischen der Nutzung von Mobiltelefonen und Krebs finden.
Was bedeuten höhere Frequenzen bei 5G für die Gesundheit?
Auch von den höheren Frequenzbändern, in denen der neue Mobilfunkstandard 5G gesendet werden kann, gehen nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft keine Risiken aus, solange die festgelegten Grenzwerte eingehalten werden.
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