Magnetfelder, ob natürlich oder künstlich erzeugt, sind allgegenwärtig und beeinflussen unsere Umwelt. Auch der menschliche Körper ist von Magnetfeldern betroffen, sowohl von inneren, schwachen Feldern, die durch Gehirn- und Herzaktivität entstehen, als auch von äußeren Feldern, denen wir im Alltag ausgesetzt sind. Die Auswirkungen dieser Felder auf das Gehirn sind Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Forschung. Dieser Artikel fasst die aktuellen Erkenntnisse zusammen und beleuchtet verschiedene Aspekte der Wechselwirkung zwischen Magnetfeldern und Gehirnfunktionen.
Magnetische Felder im und am Körper
Im menschlichen Körper existieren schwache Magnetfelder, die beispielsweise aufgrund von Gehirn- und Herzaktivität entstehen. Die Detektion dieser Magnetfelder erlaubt die Diagnose von Körperfunktionen und Krankheiten in den jeweiligen Organen. Magnetfeldsensoren, die diese schwachen Felder erfassen können, weisen jedoch typischerweise eine hohe technische Komplexität auf (magnetische Abschirmung, Kühlung, Heizung). Daher ist der Zugang zu diesen diagnostischen Einrichtungen in der medizinischen Praxis stark limitiert. Eines der Ziele des Sonderforschungsbereiches 1261 ist es, alternative Sensorkonzepte zu entwickeln, die im medizinischen Sinne praxistauglich sind. Hierbei liegt der Fokus inbesondere auf magnetoelektrischen Kompositen.
Viele aussichtsreiche Sensoransätze des Sonderforschungsbereiches 1261 sind derzeit aufgrund des magnetischen Rauschens in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Ein detailliertes Verständnis des magnetischen Rauschens in magnetoelektrischen Kompositen ist daher von grundlegendem Interesse. Magnetisches Rauschen setzt sich aus verschiedenen Beiträgen zusammen, welche überwiegend noch nicht vollständig verstanden sind. Die Prozesse, die zum magnetischen Rauschen beitragen, sind vielschichtig und komplex. In vielen Fällen trägt die magnetische Mikrostruktur und die damit verbundenen Umorientierungsprozesse zum magnetischen Rauschen bei. Hinzu kommt, dass in den zur Anwendung kommenden magnetostriktiven Materialien neben den magnetischen auch die mechanischen Materialeigenschaften eine bedeutende Rolle spielen.
Transkranielle Magnetstimulation (TMS)
Die transkranielle Magnetstimulation (TMS) ist eine nicht-invasive Technik, bei der Magnetfelder genutzt werden, um die Hirnaktivität zu beeinflussen. Dabei wird eine Drahtspule über den Kopf gehalten, die ein starkes, gepulstes Magnetfeld aussendet. Dieses Feld erzeugt winzige elektrische Ströme im darunterliegenden Hirngewebe, wodurch die Aktivität der Nervenzellen verändert werden kann.
Anwendung der TMS
Die TMS wird in der Forschung und zur Behandlung verschiedener Hirnerkrankungen eingesetzt. In der Medizin findet sie diagnostische Anwendung bei Störungen motorischer Funktionen, beispielsweise bei Multipler Sklerose oder nach einem Schlaganfall. Therapeutisch wird TMS unter anderem bei Tinnitus, Depressionen, Schmerzen und neuerdings auch bei Suchtpatienten eingesetzt.
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Wirkungsweise der TMS
Obwohl die TMS seit etwa 30 Jahren erforscht wird, sind die genauen Mechanismen, die ihrer Wirkung zugrunde liegen, noch nicht vollständig verstanden. Tübinger Neurowissenschaftler haben eine Methode entwickelt, mit der sich die Gehirnaktivität während einer TMS-Behandlung messen lässt. Sie stimulierten mit TMS die Region im Motorkortex von Ratten, die die Vordergliedmaßen steuert, und maßen gleichzeitig die Aktivität der Neuronen. Dabei konnten sie beobachten, wie die für die Vordergliedmaßen verantwortlichen Kortexneuronen auf TMS reagierten. Sie stellten fest, dass die neuronale Aktivität auch nach Ende des TMS-Pulses anhielt und sich abhängig von der Richtung des Stromflusses veränderte.
Professor John Rothwell und seine Kollegen vom University College London haben die TMS-Methode modifiziert, um auch längere Auswirkungen erzielen zu können. Sie testeten unterschiedliche Muster von sich wiederholenden magnetischen Pulsen, die über eine Dauer von 90 bis 120 Sekunden auf die Köpfe von Freiwilligen einwirkten. Die Pulse zielten auf den motorischen Kortex, den Bereich der Hirnrinde, der die Muskelreaktionen steuert. Dabei zeigte sich, dass der anregende Effekt des TMS sich sehr schnell, innerhalb von nur einer Sekunde aufbaut und messbar ist, während ein hemmender Effekt erst nach mehreren Sekunden der Stimulation auftrat. Gleichzeitig hielten die Auswirkungen der Stimulation mehr als doppelt so lange an wie bei der konventionellen TMS. Nahezu eine Stunde nach Reizung durch die Magnetfelder war bei den meisten Probanden noch eine veränderte Reaktion messbar. Professor Rothwell: “Nachdem wir jetzt die Technik verbessert haben, können wir sie nutzen, um zu erkunden, ob die Stimulation von geschädigten Hirnbereichen Schlaganfallpatienten bei ihrer Genesung helfen kann."
Diese Forschungsergebnisse tragen dazu bei, die Wirkungsweise der TMS besser zu verstehen und die Methode als nicht-invasive und schmerzfreie Diagnose- und Behandlungsmethode weiterzuentwickeln.
Magnetfelder in der Magnetresonanztomographie (MRT)
Die Magnetresonanztomographie (MRT), auch Kernspintomographie genannt, ist ein bildgebendes Verfahren, das in der medizinischen Diagnostik und Forschung weit verbreitet ist. Ein MRT-Gerät erzeugt ein starkes Magnetfeld, dessen Stärke in Tesla (T) angegeben wird. In der Regel werden Tomografen von 1,5 bis 7 Tesla verwendet. Zum Vergleich: Das magnetische Feld eines 7-Tesla-Geräts ist etwa 140 000-mal stärker als das Erdmagnetfeld.
Auswirkungen des MRT-Magnetfelds auf die Wahrnehmung
Trotz der Stärke des Magnetfelds gilt eine MRT-Untersuchung als unbedenklich und für den Körper nicht schädlich. Allerdings wird manchen Menschen etwas schwindelig, wenn sie in der Röhre liegen oder zu schnell aus dieser herausgefahren werden. Neuere Forschungsergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass das MRT-Magnetfeld auch grundlegenden Einfluss auf die Wahrnehmung haben kann.
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Tübinger Hirnforscher haben herausgefunden, dass das bei der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) erzeugte Magnetfeld selbst unsere Gehirnleistungen beeinflusst und die räumliche Aufmerksamkeit verzerrt. Aus vorherigen Studien war bereits bekannt, dass das MRT-Feld Auswirkungen auf das Gleichgewichtsorgan im Innenohr hat. Die Wirkung ähnelt jener, die bei einer natürlichen Bewegung des Kopfes nach links oder rechts auftritt. In dem Fall kommt es zum vestibulookulären Reflex: Das Auge versucht, das Bild auf der Netzhaut durch gegenläufige Blickbewegungen zu stabilisieren, so dass ein Objekt weiterhin fixiert werden kann. Marianne Dietrich von der Ludwig-Maximilians-Universität München zeigte bereits 2016, dass sich der Effekt auch auf das fMRT-Signal in Bereichen der Hinrinde auswirken kann.
Das Forscherteam um den Neurologen Hans-Otto Karnath vom Hertie-Institut für Klinische Hirnforschung in Tübingen untersuchte, ob sich bei MRT-Scans auch die räumliche Wahrnehmung der Probanden verändert. Die Wissenschaftler untersuchten hierzu 17 gesunde Freiwillige in einem 3-Tesla-MRT-Scanner im Vergleich zu Bedingungen ohne den Einfluss eines Magnetfelds. In beiden Fällen lagen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in völliger Dunkelheit auf einer Liege und sahen über einen Spiegel auf einen Bildschirm. Ihre Aufgabe war es, auf dem dunklen Screen nach schwachen Lichtreizen Ausschau zu halten. Währenddessen erfassten die Forscher ihr Blickverhalten mittels Eyetracking.
Ergebnisse der Studie
Es stellte sich heraus, dass sich die Augenbewegungen aller Probanden im Magnetfeld deutlich veränderten. Es trat bei ihnen der vestibulookuläre Reflex mit ruckartigen, linksläufigen Blickbewegungen auf. Aber auch ihre räumliche Aufmerksamkeit veränderte sich im Einfluss des Magneten: Befanden sich die Probanden außerhalb der Röhre, so war ihre Aufmerksamkeit vor allem auf die Mitte des Bildschirms gerichtet. In der Röhre hingegen driftete ihr Blick zur rechten Seite ab, so dass sie die linke Hälfte bei der Suche nach Lichtreizen ignorierten. Dasselbe Verhalten trat auch dann auf, wenn die Probanden ausdrücklich gebeten wurden, einfach geradeaus auf das Zentrum des Bildschirms zu schauen.
»Diese Beobachtungen erinnerten uns stark an Wahrnehmungsstörungen, wie sie nach Schlaganfällen auftreten können«, erklärt Neurologe Karnath. »Patientinnen und Patienten mit so genanntem räumlichem Neglect vernachlässigen Reize in einer Seite des Raums. Sie lesen zum Beispiel nur die rechte Hälfte einer Zeitung oder laufen gegen die linke Seite des Türrahmens, weil sie ihn dort übersehen.«
Laut den Forschern sendet das Gleichgewichtsorgan Informationen an verschiedene Regionen im Gehirn, darunter den Schläfen- und den Scheitellappen. Diese Bereiche nutzen diese Informationen, um eine egozentrische Raumrepräsentation zu erzeugen. Es sind im Übrigen dieselben Hirnregionen, die auch bei einem Neglect betroffen sind.
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Implikationen für die Forschung und Therapie
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass das MRT-Magnetfeld die räumliche Wahrnehmung gesunder Personen stören kann. Auf jeden Fall sollte die verfälschte räumliche Aufmerksamkeit in zukünftigen Studien berücksichtigt werden. Möglicherweise kann das beobachtete Phänomen auch dazu genutzt werden, um Schlaganfallpatientinnen und -patienten mit Neglect zu therapieren und eine dauerhafte Veränderung ihrer Raumwahrnehmung zu bewirken, schreiben die Autoren.
Magnetfelder und neurodegenerative Erkrankungen
Neurodegenerative Erkrankungen, wie Alzheimer-Demenz und Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), sind durch einen fortschreitenden Verlust von Nervenzellen im Gehirn gekennzeichnet. Seit vielen Jahren wird in der Wissenschaft untersucht, ob ein Zusammenhang zwischen elektromagnetischen Feldern und dem Auftreten dieser Erkrankungen besteht.
Epidemiologische Studien
Frühere epidemiologische Studien lieferten Hinweise darauf, dass einige neurodegenerative Erkrankungen vermehrt bei beruflicher Exposition gegenüber niederfrequenten Magnetfeldern auftreten können. Dies betrifft ALS und Alzheimer-Demenz. Eine Meta-Analyse von 42 Kohorten- und Fall-Kontroll-Studien aus dem Jahr 2013 deutete auf einen Zusammenhang zwischen der beruflichen Exposition mit niederfrequenten Magnetfeldern und neurodegenerativen Erkrankungen hin. Diese Hinweise wurden in einer Metaanalyse aus dem Jahr 2019 teilweise bestätigt. Es wurde ein um ca. zehn Prozent erhöhtes Risiko ermittelt, an ALS oder Alzheimer-Demenz zu erkranken.
Ein erhöhtes Risiko, an ALS zu erkranken, zeigte sich bei Arbeitern, die beruflich niederfrequenten Magnetfeldern ausgesetzt waren. Das ergab eine Auswertung von zwanzig epidemiologischen Studien im Rahmen einer Meta-Analyse aus dem Jahr 2018. Neben der gemittelten Magnetfeldexposition gibt es Hinweise, dass auch Stromschläge, die bei beruflich Exponierten häufiger auftreten können, das Risiko für ALS erhöhen. Eine gepoolte Fall-Kontroll-Studie aus dem Jahr 2019 kam zu dem Schluss, dass Magnetfelder und Stromschläge möglicherweise unabhängig voneinander das Risiko für ALS erhöhen können. In dem aktuellsten systematischen Review aus dem Jahr 2021 zeigte sich ebenfalls ein schwacher, aber konsistenter Zusammenhang zwischen der beruflichen Exposition gegenüber niederfrequenten Magnetfeldern und dem Auftreten von ALS. Diese 27 Studien einschließende Meta-Analyse zeigten jedoch keinen Zusammenhang zwischen Stromschlägen und dem Auftreten von ALS.
Ein Zusammenhang zwischen ALS und einem Wohnort in der Nähe von Hochspannungsleitungen wurde 2018 in einer Meta-Analyse von fünf Originalarbeiten nicht gefunden.
Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2018 von zwanzig epidemiologischen Studien zeigte bei beruflicher Magnetfeldexposition ein erhöhtes Risiko, an Alzheimer-Demenz zu erkranken. Eine Schweizer Studie aus dem Jahr 2009 an der allgemeinen Bevölkerung lieferte Hinweise auf ein möglicherweise erhöhtes Risiko an Alzheimer-Demenz zu sterben bei Personen mit einem Wohnort von weniger als 50 Metern Entfernung zu einer Hochspannungsleitung (220 - 380 Kilovolt). Das Risiko stieg mit der Wohndauer. Eine methodisch ähnlich aufgebaute Studie aus dem Jahr 2013 konnte die Ergebnisse nicht in vollem Umfang bestätigen. Ein narratives Review aus dem Jahr 2020 fand eine widersprüchliche Studienlage zum Zusammenhang von niederfrequenten Magnetfeldern und Alzheimer-Demenz. Die Ergebnisse der einbezogenen Studien reichten von krankheitsmildernden über nichtvorhandene bis hin zu verstärkenden Effekten.
Experimentelle Studien
Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) förderte im Zeitraum von 2008 bis 2013 das Forschungsvorhaben „Auswirkungen niederfrequenter Magnetfelder auf die Entstehung und den Verlauf von neurodegenerativen Erkrankungen im experimentellen Modell“. Darin wurde untersucht, ob Hinweise aus epidemiologischen Studien in kontrollierten Laborversuchen an Mäusen bestätigt werden können. Als Hauptergebnis der molekularbiologischen, biochemischen und histologischen Analysen sowie der Verhaltensstudien konnte festgehalten werden, dass niederfrequente Magnetfelder keinen negativen Einfluss auf den Verlauf der ALS und Alzheimer-Demenz im entsprechenden Mausmodell hatten. Dies stand im Einklang mit den Ergebnissen einer im Jahr 2009 noch während der Projektlaufzeit publizierten Studie aus Frankreich, die im Mausmodell ebenfalls keinen Einfluss eines Magnetfeldes auf ALS fand.
Bewertung der Studienlage
Zusammengefasst sind die Ergebnisse der einzelnen Studien für ALS und die Alzheimer-Demenz nicht konsistent. In der Gesamtschau zeigte die Mehrheit der Studien für Berufsgruppen, die im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung wesentlich höheren Magnetfeldexposition ausgesetzt sind, in dieselbe Richtung: Es scheint einen schwachen, aber konsistenten Zusammenhang zwischen der Exposition von niederfrequenten Magnetfeldern und dem Erkrankungsrisiko von ALS sowie Alzheimer-Demenz zu geben. Dieser Zusammenhang ist für ALS insgesamt stärker ausgeprägt als für Alzheimer-Demenz. Für Parkinson und multiple Sklerose wurde kein Zusammenhang mit Magnetfeldern gefunden.
Es bleibt unklar, ob es sich bei den beobachteten Zusammenhängen von niederfrequenten Magnetfeldern und neurodegenerativen Erkrankungen tatsächlich um Ursache-Wirkungsbeziehungen handelt. Ebenso unklar ist, welche Mechanismen zugrunde liegen könnten. Bei ALS und Alzheimer-Demenz spielen Entzündungen, oxidativer Stress und das Immunsystem wichtige Rollen. Aktuelle wissenschaftliche Arbeiten verfolgen die Hypothese, dass Magnetfelder diese Prozesse begünstigen könnten.
Aktuelle Forschung
Im Zusammenhang mit dem Ausbau der Stromtrassen in Deutschland wird ein mögliches erhöhtes Risiko für neurodegenerative Erkrankungen unter Magnetfeldexposition erneut wichtig. Ein möglicher ursächlicher Zusammenhang soll durch weitere Forschung geklärt werden. Forschung zu neurodegenerativen Erkrankungen ist daher ein Themenschwerpunkt des BfS-Forschungsprogramms „Strahlenschutz beim Stromnetzausbau“.
Weitere Forschungsergebnisse und Perspektiven
Schädigung der Erbsubstanz
Amerikanische Forscher fanden heraus, dass elektromagnetische Felder mit niedriger Frequenz in Gehirnzellen von Ratten Schäden an der Erbsubstanz verursachen können. Diese Schäden summieren sich bei längerer Einwirkung der Felder. An dieser Zerstörung der DNA sind wahrscheinlich Eisenteilchen und freie Radikale beteiligt. Je länger das Feld eingewirkt hatte, desto mehr DNA-Schäden stellten die Forscher fest.
Die Forscher vermuten, dass die Magnetfelder auf die Eisenteilchen in den Zellen wirken. Wenn sich diese geladenen Teilchen verändern, steigt die Menge des freien Eisens in der Zelle. Durch Reaktionen mit verschiedenen Substanzen kann dieses Eisen die Bildung hochreaktiver freier Radikale erhöhen, die ihrerseits dann mit anderen Biomolekülen reagieren und sie dabei zerstören. Gehirnzellen haben im Vergleich zu anderen Körperzellen einen recht hohen Eisengehalt. Daher seien sie möglicherweise besonders anfällig für Schäden durch die niederfrequenten Magnetfelder.
Cryptochrom als Schlüsselprotein
Eine andere Studie identifizierte das Protein Cryptochrom als essenziell für die mechanistischen Grundlagen des Magnetfeldeffekts. Cryptochrom wird dem aktuellen Kenntnisstand nach auch als zentraler Baustein eines magnetischen Kompass-Sinns in einigen Tieren angesehen, wie zum Beispiel Zugvögeln. Unter der Annahme, dass hier ähnliche physikalische Prinzipien zur Anwendung kommen, lässt uns das vermuten, dass die präsentierten Resultate weitaus breitere Gültigkeit haben. Es ist also durchweg plausibel, dass auch bei weitaus geringeren Feldstärken und anderen Frequenzen markante Magnetfeldeffekte der beschriebenen Art möglich sind. Insbesondere lässt der zugrunde liegende Mechanismus - der sogenannte Radikal-Paar-Mechanismus - Effekte für einen weiten Frequenzbereich erwarten. Statische Magnetfelder sollten zum Beispiel ähnliche Effekte zeigen. Hierbei sind Frequenzen bis in den Kilohertz-Bereich als quasi-statisch zu betrachten. Darüber hinaus sind spezifische Resonanzeffekte im Radiofrequenzbereich von einigen bis 100 MHz denkbar. Das schließt Magnetfeldeffekte bei der Netzfrequenz (50 Hz) als ‚quasi-statisch’ mit ein.
Bedeutung für Expositionsrichtlinien
Die genannten Forschungsergebnisse haben große Bedeutung in der Beurteilung der Effekte elektromagnetischer Felder auf lebende Organismen und, im Speziellen, daraus abgeleiteten Expositionsrichtlinien. Was Letztere betrifft, so ist festzustellen, dass diese momentan die hier relevanten Quanteneffekte auf Radikalpaare unberücksichtigt lassen und stattessen zum Beispiel auf den induzierten thermischen Effekten der einwirkenden elektromagnetischen Strahlung aufbauen. Dies ist nicht die Konsequenz von Ignoranz, sondern eine Folge der unklaren Wirkmechanismen von schwachen Magnetfeldern und der daraus folgenden Schwierigkeiten der Beurteilung. Hier bietet diese Studie - nochmals: falls wahr - wichtige neue Ansätze im Sinne der Identifikation der zentralen Rolle von Cryptochromen und von biologischen Modellsystemen, die in zukünftigen Expositionsstudien (bei durchwegs abweichenden Feldstärken und Frequenzen) als Referenz dienen können.
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