Um den Cannabis-Wirkstoff Cannabidiol (CBD) ist ein regelrechter Hype ausgebrochen. Cannabidiol ist eine biologisch wirksame Substanz, die aus der Hanfpflanze gewonnen wird, ohne rauschhafte Effekte herbeizuführen. Seit 2018 hat die Zulassung eines auf CBD basierenden Medikaments insbesondere bei Menschen mit Epilepsie und deren Angehörigen große Hoffnungen geweckt. In diesem Artikel werden wir die aktuelle Studienlage zu Hanföl bzw. CBD bei Epilepsie untersuchen, wobei wir uns auf die Wirksamkeit, Anwendungsgebiete, Risiken und Kosten konzentrieren.
Epilepsie und Cannabis: Ein Überblick
Epilepsie ist keine klare und einheitliche Erkrankung, sondern eine Mischung vielfältigster Störungen der Funktion des Gehirns unterschiedlichster Ursache mit der Gemeinsamkeit, epileptische Anfälle auszulösen. Genetische Defekte, Aufbaustörungen des Gehirns, Folgen von Unfällen, Hirntumoren, Schlaganfällen, Blutungen, Entzündungen und vieles mehr kommen ursächlich in Betracht. Die Anfälle können nur Teile der Hirnrinde (fokale Anfälle) oder die ganze Hirnrinde (generalisierte Anfälle) betreffen. Die Häufigkeit und die Ausprägung variieren von Patient zu Patient stark.
Die Behandlung der Epilepsien mit Medikamenten ist eine Behandlung der Anfälle. Die medikamentöse Epilepsietherapie ist sehr erfolgreich. Zirka 70 Prozent aller Patienten werden durch die heute zur Verfügung stehenden Medikamente ohne größere Nebenwirkungen anfallsfrei. Die verbleibenden Patienten gelten als „pharmakoresistent“. Das heißt, die Wirksamkeit der Medikamente gegen Epilepsie ist bei ihnen nicht ausreichend, um eine stabile Anfallsfreiheit zu gewährleisten. Diese Patienten bilden zunächst die Zielgruppe für neue Medikamente. Nun zurück zu den Epilepsiemedikamenten, die aus der Cannabispflanze (Haschisch, Marihuana, „Gras“) gewonnen werden. Sie gehört zur Gruppe der Hanfpflanzen und wird medizinisch in vielen Kulturen seit Jahrhunderten, wahrscheinlich seit Jahrtausenden, als Heilmittel eingesetzt.
Cannabidiol (CBD) und seine Wirkung bei Epilepsie
Cannabidiol (CBD) zeigte in verschiedenen Studien in speziellen Patientengruppen eine gute Wirksamkeit. Knapp die Hälfte der Patienten mit Dravet-Syndrom, eine seltene Epilepsieform im Kindesalter, und mit Lennox-Gastaut-Syndrom, eine Epilepsieform, die durch ihre Sturzanfälle besonders belastend für die Patienten ist, zeigt eine Verminderung der Anfälle um 50 Prozent. Zu berücksichtigen ist, dass in der Kontrollgruppe ohne wirksames Medikament etwa 20 Prozent der Betroffenen diese Verbesserung zeigten. Eine Studie ohne Kontrollgruppe an einer größeren Zahl von Patienten mit Pharmakoresistenz zeigte vergleichbare Ergebnisse.
Die amerikanische Zulassungsbehörde (Food and Drug Administration (FDA)) hat im Juni 2018 einem Medikament der Firma GW (Epidiolex) eine Zulassung für die oben beschrieben Epilepsieformen erteilt. Dieses Präparat kann über die Auslandsapotheke bezogen werden. Die Dosis sollte bei mindestens 10mg/kg Körpergewicht liegen. Im Prinzip kann auch durch einen Apotheker in Deutschland eine entsprechende Cannabidiollösung mit hohem Reinheitsgrad hergestellt werden. Zusammenfassend soll festgehalten werden, dass ein spezieller Extrakt aus der Cannabispflanze, das Cannabidiol (CBD), antiepileptische Eigenschaften hat, die am Menschen in Studien untersucht wurden. Psychische Effekte wie das THC hat es nicht. Es stellt eine Ergänzung der bisherigen Medikamente dar und wird als medizinische Lösung vom Apotheker hergestellt oder kann mit hohem finanziellen Aufwand über eine internationale Apotheke aus den USA bezogen werden. Ihre Wirksamkeit ist für bestimmte Epilepsieformen als hochwertig nachgewiesen.
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Spezifische Epilepsieformen und CBD
Cannabidiol-Präparate sind in Europa prinzipiell erst einmal zur Behandlung des Lennox-Gastaut und des Dravet-Syndroms zugelassen. Das sind zwei sehr seltene Epilepsieerkrankungen, die meist seit der Kindheit bestehen, durch die die Patient*innen schwer beeinträchtigt sind und Behinderungen haben. Für alle anderen Epilepsien ist das Medikament nicht zugelassen - daher muss für diese erst einmal ein Bewilligungsprozess durchlaufen werden.
Ergebnisse klinischer Studien
In den Zulassungsstudien konnte belegt werden, dass bei schwerstbehandelbaren Epilepsien, wie z. B. dem Dravet-Syndrom die krampfartigen Anfälle um 40 bis 50 Prozent reduziert werden, für Sturzanfälle beim Lennox-Gastaut Syndrom zeigte sich die Reduktion von ca. 40 Prozent. Der Erfolg ist dosisabhängig, ebenso wie die Nebenwirkungen. Was unisono in den Studien erfasst wird, ist die Zufriedenheit mit der Entwicklung, sowohl aus Sicht der Patientinnen, als auch aus Sicht ihrer Betreuerinnen. Es hat den Anschein, dass das Medikament doch eine positive Wirkung hinsichtlich der Aufmerksamkeit der Patient*innen hat, so als würde das Medikament einen positiven Effekt auf die Frontalhirnfunktion ausüben. Dies wurde bei Tieren schon bestätigt, ist aber am Menschen nicht ausreichend erfasst und untersucht worden.
Eine Phase 3-Studie zeigte, dass Cannabidiol (CBD) die Anfallfrequenz bei Kindern mit Dravet-Syndrom senken kann. Während der 14-wöchigen Behandlung mit Epidiolex (Dosis: 20mg/kg/die) ging die Frequenz um 39 Prozent zurück, was ein signifikanter Vorteil gegenüber dem Placebo-Arm der Studie war, wo es zu einem Rückgang um 13 Prozent kam. Der Unterschied zwischen Epidiolex und Placebo soll sich bereits im ersten Monat der Behandlung gezeigt haben und dann über den gesamten Behandlungszeitraum weiter bestanden haben.
Wirkungsweise von CBD
Die Funktion der Cannabinoidrezeptoren im Gehirn ist gut untersucht. Der präsynaptische CB1-Rezeptor bremst über eine Rückkopplungsschleife überaktive Synapsen: Wird zu viel Transmitter ausgeschüttet, setzt die Postsynapse Endocannabinoide frei, die am CB1-Rezeptor andocken. Das geschieht jedoch sowohl bei exzitatorischen als auch inhibitorischen Verbindungen. Cannabinoide könnten Anfälle schneller beenden. Therapeutisch bedeutsamer als das berauschende THC sei jedoch Cannabidiol (CBD). Diese Substanz verursacht kein Hochgefühl und wirkt nicht nur über den CB1-Rezeptor. In Tiermodellen konnten Forscher einen gewissen antikonvulsiven Effekt nachweisen.
Add-on-Therapie mit CBD
Vier klinische Studien und erste Erfahrungen aus der Praxis belegen, dass Cannabidiol (CBD) zusammen mit Clobazam zur adjuvanten Behandlung die Häufigkeit von Sturz- bzw. vor etwa einem Jahr erhielt eine flüssige Formulierung von CBD, einem nicht psychoaktiven Cannabinoid, als erstes und bisher einziges aus Cannabispflanzen gewonnenes Fertigarzneimittel (Epidyolex®) die Zulassung für den europäischen Markt. Seither kann CBD, zusammen mit Clobazam, bei Patienten ab zwei Jahren für die adjuvante Behandlung von Krampfanfällen im Zusammenhang mit LGS oder DS angewendet werden.
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Studien belegen Reduktion der Anfallshäufigkeit. Die Wirksamkeit und Verträglichkeit von CBD als Zusatztherapie bei Krampfanfällen im Zusammenhang mit LGS wurde in den zwei zulassungsrelevanten, randomisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Parallelgruppenstudien GWPCARE3 und -4 untersucht. Der Wirksamkeitsnachweis gelang in den Subgruppen der Patienten, die gleichzeitig Clobazam einnahmen (ca. 50 % der Studienpopulation). Auch bei DS-Patienten führte CBD als antiepileptische Zusatztherapie zu Clobazam zu einer Placebo überlegenen Wirksamkeit.
Dosierung und Kosten
Die Dosis von Cannabidiol sollte bei mindestens 10mg/kg Körpergewicht liegen. Im Falle von Cannabidiol würde man bei einem Erwachsenen durchschnittlichen Gewichts monatlich 3.000 bis 3.500 Euro ansetzen müssen. Das ist mehr als das zehnfache der sonst üblichen Kosten und hätte vielleicht den Effekt, dass sich bei Patient*innen mit vielen Anfällen pro Monat die Zahl der Stürze halbiert. Die Höhe der Kosten wird sich wohl mit der Zeit ein Stück weit verändern - so ist in Deutschland der Preis mittlerweile ca. zehn Prozent niedriger als zur Einführung.
Risiken und Nebenwirkungen
Wie bei jedem Medikament gibt es auch bei CBD Risiken und Nebenwirkungen. Häufige unerwünschte Ereignisse (die bei mehr als zehn Prozent der Patienten auftraten) waren: Schläfrigkeit, Durchfall, verminderter Appetit, Müdigkeit, Fieber, Erbrechen, Lethargie, Infektionen der oberen Atemwege sowie Krämpfe. Die meisten Nebenwirkungen waren mild oder moderat. Zu schwerwiegenden Komplikationen sei es bei zehn Patienten in der Epidiolex-Gruppe und bei drei Patienten in der Placebo-Gruppe gekommen. Acht Patienten im Wirkstoff-Arm brachen die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen ab im Vergleich zu einem Patienten im Placebo-Arm.
Als Nebenwirkungen werden u.a. Durchfall und Schläfrigkeit berichtet. Der Durchfall beruht wahrscheinlich auch auf der Darreichungsform als Öl. Bei einigen Patienten, die gleichzeitig mit Valproinsäure behandelt wurden, kam es zu einem Anstieg der hepatischen Aminotransferase. Darüber hinaus weisen Daten darauf hin, dass es Wechselwirkungen zwischen CBD und den Medikamenten Rufinamid, Zonisamid, Topiramat und Eslicarbazepin gibt.
Freiverkäufliche CBD-Produkte vs. verschreibungspflichtige Medikamente
Ein wesentlicher Unterschied zwischen frei verfügbaren und rezeptpflichtigen CBD-Produkten ist der, dass bei Letzteren auch nur das drin ist, was draufsteht. Bei den nichtrezeptpflichtigen Mitteln wurden immer wieder auch Begleitsubstanzen, beispielsweise THC (Tetrahydrocannabinol), festgestellt. Außerdem raten wir von den rezeptfreien CBD-Ölen ab, da diese auch bei geringer Dosierung schon Stoffwechselveränderungen erzeugen können.
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Die Anwendung von drei Tropfen fünfprozentigem CBD-Öl, die zur Einnahme bei den freiverkäuflichen Mitteln empfohlen wird, liegt unterhalb der in Studien belegten wirksamen Substanzdosen.
THC und Epilepsie
Während dem nicht berauschenden Cannabidiol (CBD) eine krampflösende Wirkung zugeschrieben wird, ist die Datenlage bei THC widersprüchlich. Es klingt paradox: Eine Substanz, die Krämpfe lindern soll, kann sie unter Umständen selbst begünstigen. Tatsächlich zeigen einzelne Studien, dass der psychoaktive Cannabis-Wirkstoff THC in seltenen Fällen Anfälle auslösen kann - oder bestehende Epilepsien verstärkt. So gebe es Berichte von Epilepsiekranken, die nach Joints immer wieder Anfälle erlitten.