Hanföl bei Parkinson-Krankheit: Eine Übersicht über Studien und Behandlungsmöglichkeiten

In Deutschland ist es seit einigen Jahren möglich, dass Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen Cannabisblüten, -extrakte oder synthetische Cannabinoide auf Kosten der Krankenkasse verschrieben bekommen. Dies gilt, wenn keine geeigneten Standardtherapien zur Verfügung stehen oder diese aufgrund von Kontraindikationen oder schwerwiegenden Nebenwirkungen nicht angewendet werden können. Laut Gesetzgeber reicht es für eine Verordnung bereits aus, wenn „eine nicht ganz entfernte Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf schwerwiegende Symptome“ besteht. Die Einschätzung der Wirksamkeit von medizinischem Cannabis bei verschiedenen Indikationen und Grunderkrankungen obliegt dem behandelnden Arzt. Dieser Artikel gibt einen Überblick über mögliche Behandlungsindikationen im Bereich der Neurologie, insbesondere im Hinblick auf Bewegungsstörungen wie die Parkinson-Krankheit.

Einführung

Die Parkinson-Krankheit ist eine fortschreitende neurologische Erkrankung, die vor allem motorische Fähigkeiten beeinträchtigt. Die Symptome sind vielfältig und umfassen unter anderem Tremor, Muskelsteifigkeit, verlangsamte Bewegungen (Bradykinese) und posturale Instabilität. Neben den motorischen Symptomen leiden viele Patienten auch unter nicht-motorischen Beschwerden wie Schlafstörungen, Schmerzen, Depressionen und psychischen Problemen.

Die Behandlung der Parkinson-Krankheit konzentriert sich in erster Linie auf die Linderung der Symptome, da es derzeit keine Heilung gibt. Die Standardtherapie besteht in der Regel aus Medikamenten, insbesondere Levodopa, die den Dopaminmangel im Gehirn ausgleichen. Allerdings können diese Medikamente im Laufe der Zeit ihre Wirksamkeit verlieren und unerwünschte Nebenwirkungen verursachen, wie z. B. unwillkürliche Bewegungen (Dyskinesien).

Aufgrund der begrenzten therapeutischen Möglichkeiten und der potenziellen Nebenwirkungen der Standardmedikation suchen viele Patienten nach alternativen Behandlungsmethoden, darunter auch Cannabis und Cannabinoide. Die Frage, ob Cannabis bei Parkinson-Krankheit eine sinnvolle Therapieoption darstellt, ist Gegenstand aktueller Forschung und Diskussion.

Rechtliche Grundlagen in Deutschland

In Deutschland können schwerkranke Patienten Cannabisblüten und -extrakte bzw. synthetische Cannabinoide zulasten der Krankenkassen verordnet bekommen, sofern keine geeigneten Therapien zur Verfügung stehen oder diese aufgrund von Kontraindikationen oder schweren Nebenwirkungen nicht zur Anwendung kommen können. Der Gesetzgeber hat sich dabei auf keine spezifischen Indikationen festgelegt. Entscheidend ist, dass „eine nicht ganz entfernte Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf schwerwiegende Symptome“ besteht.

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Diese Regelung ermöglicht es Ärzten, Cannabis auf Rezept zu verschreiben, wenn sie der Ansicht sind, dass dies den Patienten helfen könnte, ihre Symptome zu lindern. Die Entscheidung liegt jedoch im Ermessen des Arztes, der die Wirksamkeit und Sicherheit von Cannabis im Einzelfall beurteilen muss.

Cannabinoide und das Endocannabinoid-System

Cannabinoide sind chemische Verbindungen, die in der Cannabispflanze vorkommen. Die bekanntesten Cannabinoide sind Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). THC ist für die psychoaktiven Wirkungen von Cannabis verantwortlich, während CBD keine berauschende Wirkung hat.

Cannabinoide wirken im Körper, indem sie an das Endocannabinoid-System (ECS) binden, ein komplexes Netzwerk von Rezeptoren, Enzymen und Endocannabinoiden (körpereigene Cannabinoide). Das ECS spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung verschiedener physiologischer Prozesse, darunter Schmerzempfindung, Stimmung, Schlaf, Appetit und Immunfunktion.

Die wichtigsten Rezeptoren des ECS sind der CB1- und der CB2-Rezeptor. CB1-Rezeptoren kommen hauptsächlich im Gehirn und im Nervensystem vor, während CB2-Rezeptoren vor allem in Immunzellen lokalisiert sind. Cannabinoide können an diese Rezeptoren binden und unterschiedliche Wirkungen auslösen.

Studienlage zu Cannabis bei Parkinson-Krankheit

Die Forschung zur Wirksamkeit von Cannabis bei Parkinson-Krankheit ist noch begrenzt und die Ergebnisse sind widersprüchlich. Es gibt einige Studien, die auf eine positive Wirkung von Cannabis auf bestimmte Symptome hindeuten, während andere Studien keine signifikanten Effekte zeigen.

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Umfragen und retrospektive Studien

Einige Umfragen unter Parkinson-Patienten haben gezeigt, dass ein erheblicher Teil der Befragten bereits Cannabis zur Selbstbehandlung ihrer Symptome einsetzt. Viele Patienten berichten von einer Verbesserung von Tremor, Muskelsteifigkeit, verlangsamten Bewegungen, Schlafstörungen und Schmerzen. Allerdings sind diese Umfragen nichtPlacebo-kontrolliert und können daher keine eindeutigen Schlussfolgerungen zulassen.

Eine retrospektive Auswertung von 47 Patienten, die im Mittel 19,1 Monate mit Cannabinoiden behandelt wurden, ergab eine deutliche Verbesserung von motorischen und nichtmotorischen Symptomen wie Reduktion von Stürzen, Tremor und Muskelrigidität sowie eine Verbesserung des Schlafs, der Stimmung und von Schmerzen. Als Nebenwirkungen der zumeist durch Rauchen (81 %) zugeführten Medikation wurden Verwirrung (17 %) und Halluzinationen (17 %) berichtet.

Fallserien

In zwei Fallserien wurde der Effekt von Cannabinoiden auf motorische Symptome untersucht. Bei fünf Parkinson-Patienten, die nach der nächtlichen Medikationspause eine Zigarette mit 1 g Marihuana (2,9 % THC) rauchten, konnte keine Reduktion des Tremors festgestellt werden. Hingegen wurde in einer Untersuchung von 22 Patienten nach Rauchen von 0,5 g Cannabis (unbekannter THC/CBD-Gehalt) eine signifikante Verbesserung des Scores im motorischen Teil der MDS-UPDRS (33,1 ± 13,8 vs. 23,2 ± 10,5) mit ebenfalls signifikanter Reduktion der Subscores für Tremor, Rigidität und Bradykinese festgestellt. Zusätzlich wurden eine signifikante Reduktion von Schmerzen und eine verbesserte Schlafqualität beschrieben.

Nichtmotorische Parkinson-Symptome wurden in zwei weiteren unkontrollierten Studien untersucht. Bei sechs Patienten mit Parkinson-assoziierter Psychose wirkten sich 400 mg CBD/Tag positiv auf psychiatrische Positiv- und Negativsymptome gemäß Brief Psychiatric Rating Scale aus. Mit REM-Schlafverhaltensstörungen assoziierte Symptome wie Agitation, Schlagen, Treten und Albträume verschwanden bei vier Patienten, die 75 oder 300 mg CBD pro Tag einnahmen.

Placebo-kontrollierte Studien

Es existieren drei höherwertige, Placebo-kontrollierte Studien, in denen die Wirkung von Cannabinoiden auf motorische und nichtmotorische Symptome untersucht wird. Sieradzan und Kollegen setzten Nabilon ein, um dessen Effekt auf Levodopa-induzierte Dyskinesien (LID) bei einem Levodopa-Test bei sieben Patienten zu untersuchen. Zwar fand sich eine signifikante Reduktion der Schwere, nicht jedoch der Dauer der LID. Caroll und Kollegen untersuchten den Effekt einer THC/CBD-(2 : 1)-Mischung auf LID bei 17 Patienten über vier Wochen. Weder konnte eine Verbesserung von LID noch von sekundären Outcome-Kriterien wie dem motorischen Teil der MDS-UPDRS, der Lebensqualität, Schmerzen oder Schlafqualität nachgewiesen werden. Chagas und Kollegen untersuchten den motorischen Teil der MDS-UPDRS und die Lebensqualität sechs Wochen nach Behandlung mit 75 oder 300 mg CBD (oder Placebo) bei sieben Patienten pro Behandlungsarm. Zwar konnte eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität in der 300-mg-CBD-Gruppe gefunden werden, der MDS-UPDRS-Score unterschied sich jedoch nicht zwischen den Gruppen. Kürzlich wurde das Studienprotokoll für die österreichische, qualitativ hochwertige „The NMS-Nab Study“ veröffentlicht, welche die Wirkung von Nabilon auf nichtmotorische Symptome bei M. Parkinson (gemessen an der MDS-UPDRS Teil 1) über vier Wochen untersuchen wird.

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Eine randomisierte Studie aus dem Jahr 2024 untersuchte die Wirkung einer Mischung aus CBD und THC bei Parkinson-Patienten. Die Teilnehmer erhielten über zwei Wochen entweder CBD/THC oder ein Placebo. Die Ergebnisse zeigten einen starken Placeboeffekt, aber auch Hinweise auf Behandlungseffekte bei Schlaf, Denkleistung und Alltagsaktivität, wobei die Placebogruppe tendenziell bessere Ergebnisse erzielte. Die Autoren wiesen darauf hin, dass die kurze Studiendauer und der starke Placeboeffekt die Interpretation der Ergebnisse einschränken.

CB1-Antagonisten

Interessanterweise wurde neben den genannten CB1- und CB2-Agonisten auch der Effekt eines selektiven CB1-Antagonisten, Rimonabant, auf motorische Parkinson-Symptome inklusive LID untersucht. Hier zeigte sich bei vier Patienten nach einem Levodopa-Test keine zusätzliche Wirkung des Rimonabants auf den motorischen Teil der MDS-UPDRS oder auf LID.

Mögliche Wirkmechanismen

Die genauen Mechanismen, über die Cannabis und Cannabinoide bei Parkinson-Krankheit wirken könnten, sind noch nicht vollständig geklärt. Es gibt jedoch verschiedene Hypothesen:

  • Einfluss auf das Dopaminsystem: Cannabinoide könnten die Dopaminfreisetzung im Gehirn modulieren und so den Dopaminmangel bei Parkinson-Krankheit ausgleichen.
  • Neuroprotektive Wirkung: Einige Studien deuten darauf hin, dass Cannabinoide neuroprotektive Eigenschaften haben könnten und so die Nervenzellen im Gehirn vor Schäden schützen könnten.
  • Entzündungshemmende Wirkung: Entzündungsprozesse spielen eine Rolle bei der Entstehung und dem Fortschreiten der Parkinson-Krankheit. Cannabinoide könnten entzündungshemmend wirken und so die Symptome lindern.
  • Schmerzlinderung: Cannabinoide sind bekannt für ihre schmerzlindernden Eigenschaften. Sie könnten bei Parkinson-Patienten helfen, Schmerzen zu reduzieren, die durch Muskelsteifigkeit, Dystonien oder andere Ursachen verursacht werden.
  • Verbesserung des Schlafs: Schlafstörungen sind ein häufiges Problem bei Parkinson-Patienten. Cannabinoide könnten den Schlaf verbessern, indem sie beruhigend wirken und die Schlafarchitektur beeinflussen.

Anwendung bei atypischen Parkinson-Syndromen

Die Behandlung von motorischen und nichtmotorischen Symptomen bei atypischen Parkinson-Syndromen ist angesichts der zumeist schlechten Wirksamkeit der dopaminergen Medikation eine große Herausforderung. Zur Behandlung motorischer Symptome mit Cannabinoiden konnten keine Fallberichte oder Studien identifizieren. Hinsichtlich nichtmotorischer Symptome ist erwähnenswert, dass ein Großteil der Patienten mit atypischen Parkinson-Syndromen unter Schmerzen leidet (z. B. Multisystematrophie 71 %, Lewy-Body-Demenz 50 %, progressive supranukleäre Blickparese 40 % [7]), wobei dies häufiger bei Patienten mit Synucleinopathien als bei Tauopathien der Fall zu sein scheint [58]. Als am analgetisch wirksamsten (etwa je 80 % Therapieresponder) wurden nichtsteroidale Antiphlogistika und Cannabis beschrieben, wobei hier keine Aussage zur Substanz und Art der Einnahme getroffen wurde [58]. In einem Fallbericht konnte keine Wirkung von Dronabinol auf therapierefraktäre Agitation und Aggression bei einem Patienten mit Lewy-Body-Demenz nachgewiesen werden [57].

Phytocannabinoide stehen aufgrund ihrer antioxidativen und antiinflammatorischen Wirkung immer wieder als mögliche neuroprotektive Substanzen im Fokus, jedoch konnte der klinische Nutzen bislang noch nicht belegt werden [24]. Aufgrund der generell meist unzureichenden medikamentösen Behandlungsmöglichkeit der motorischen und nichtmotorischen Symptome bei atypischen Parkinson-Syndromen sollte den Patienten nach Einsatz der „konventionellen“ Medikation ein Therapieversuch mit Cannabinoiden unserer Meinung nach nicht verwehrt werden. Auch hier empfiehlt sich die Festlegung von Zielsymptomen, die während der Therapie mit validierten Scores dokumentiert werden sollten, um einen Therapieerfolg verifizieren zu können.

Risiken und Nebenwirkungen

Wie alle Medikamente können auch Cannabis und Cannabinoide Nebenwirkungen verursachen. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören:

  • Müdigkeit
  • Schwindel
  • Mundtrockenheit
  • Übelkeit
  • Verwirrung
  • Halluzinationen

Es ist wichtig zu beachten, dass die Nebenwirkungen von Cannabis und Cannabinoiden von der Dosis, der Art des Produkts und der individuellen Empfindlichkeit des Patienten abhängen. Bei Patienten mit Parkinson-Krankheit können bestimmte Nebenwirkungen, wie z. B. Verwirrung oder Halluzinationen, besonders problematisch sein.

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