Im Sommer 2024 stand die politische Landschaft der USA und die transatlantischen Beziehungen vor einer Zerreißprobe. Nach einem desaströsen Auftritt im TV-Duell mit Donald Trump verzichtete der amtierende Präsident Joe Biden auf eine erneute Kandidatur für das Präsidentenamt. Dieser Schritt löste eine Welle von Spekulationen und Debatten über Bidens geistige und körperliche Verfassung aus, insbesondere im Hinblick auf mögliche Anzeichen von Parkinson.
Die Anfänge der Spekulationen
Die Zweifel an Joe Bidens geistiger und körperlicher Fitness wurden in den vergangenen Monaten verstärkt, insbesondere durch teils verwirrte Auftritte des US-Präsidenten. Diese Auftritte nährten den Verdacht einer Parkinson-Erkrankung. Kritisch wurden diese Alterserscheinungen allerdings, da es sich beim Betroffenen um den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika Joe Biden handelt. Die öffentlichen Auftritte des Demokraten hatten in jüngerer Vergangenheit Zweifel an seiner geistigen und körperlichen Fitness aufgeworfen. Erst Ende Juni hatte Biden im Gespräch häufiger den Faden verloren und Sätze nicht beendet.
Auch in seiner Abschlussrede beim Nato-Gipfel patzte der US-Präsident sprachlich. Als er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj adressierte, stellte er ihn versehentlich als „Präsident Putin“ vor. Wenige Stunden später, bei einer Pressekonferenz, bezeichnete er Vizepräsidentin Kamala Harris als „Vizepräsidentin Trump“. Hinzu kamen Stolperer und Stürze bei Terminen, häufig wirkte der US-Präsident etwas wacklig auf den Beinen. Außerdem soll Neurologe Kevin Cannard Biden in den vergangenen Monaten häufiger besucht haben, was als Indiz für eine mögliche Parkinson-Erkrankung gedeutet wurde.
Medizinische Einschätzungen und Dementis
Zwei US-Neurologen haben nun seinen Gesundheitszustand eingeschätzt. Neurologe Thomas Pitts formulierte es im Gespräch mit „NBC News“ drastischer. „Er hat Parkinsonismus. Das ist ein Fakt“, sagte er. Parkinsonismus bezeichnet das Auftreten von parkinson-ähnlichen Symptomen, die durch eine andere Gehirnerkrankung hervorgerufen werden. „So jemanden wie ihn sehe ich in der Klinik 20-mal am Tag.“ Der Präsident weise „klassische Merkmale von Neurodegeneration“ auf, darunter die von Winter genannten sowie Wortfindungsstörungen, Bewegungsverlangsamungen (Bradykinese) und das fehlende Mitschwingen der Arme beim Gehen. Die Symptome seien nach Pitts Ansicht mehr als augenscheinlich. „Ich hätte ihm vom anderen Ende des Einkaufszentrums eine Diagnose stellen können“, sagt der Neurologe, der Biden nicht persönlich untersucht hat.
Auf die Frage, ob eine Parkinson-Erkrankung so leicht ohne Tests erkannt werden könne, entgegnete Pitts, dass die Diagnose im Frühstadium insbesondere bei kognitiven Problemen manchmal „schwierig“ sei. Schließlich könnten auch andere neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer in Frage kommen. Sobald sich jedoch die typischen motorischen Beschwerden einstellen, spreche vieles für Parkinson - wie bei Biden. „Dieser Mann ist kein schwerer Fall“, so Pitts.
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Das Weiße Haus reagierte auf die Spekulationen mit deutlichen Dementis. Bidens Sprecherin Karine Jean-Pierre betonte mehrfach, dass der Präsident nicht wegen Parkinson behandelt werde und auch keine entsprechenden Medikamente einnehme. „Ist der Präsident wegen Parkinson behandelt worden? Nein. Wird er wegen Parkinson behandelt? Nein, wird er nicht. Nimmt er Medikamente gegen die Parkinson-Krankheit ein?“, bekräftigte sie.
Um die Gerüchte weiter zu entkräften, veröffentlichte Bidens Leibarzt Kevin O’Connor einen Brief, in dem er erklärte, dass Präsident Biden keinen Neurologen außerhalb seiner jährlichen Untersuchung gesehen habe. Er wies darauf hin, dass der Neurologe Kevin Cannard, der Biden regelmäßig untersucht, seit 2012 neurologischer Berater der Medizineinheit im Weißen Haus sei und nicht speziell wegen einer Parkinson-Erkrankung hinzugezogen werde. Ende Februar hieß es in dem veröffentlichtem Gesundheitsbericht, dass es bei Biden keine Anzeichen für mögliche Schlaganfälle oder Parkinson gebe und der Präsident „keinen Tremor“ aufweise.
Die Rolle der Medien
Während in den USA eine intensive Debatte über Bidens geistige Fitness entbrannte, fiel die Reaktion vieler deutscher Leitmedien anders aus. Statt kritisch zu hinterfragen, übernahmen ARD, ZDF, SPIEGEL, Süddeutsche Zeitung und weitere meist unkommentiert die entlastenden Stellungnahmen aus dem Weißen Haus. Die wiederholte Formulierung, Biden habe „nur eine Erkältung“ gehabt oder „einen schlechten Abend erwischt“, verharmloste die politischen und medizinischen Dimensionen des Vorgangs in unverantwortlicher Weise.
Die ARD-Analyse ordnete hier Videoausschnitte ein, die Biden als verwirrt zeigen sollten. Implizit wird damit ausgesagt, dass diese Zweifel gezielt geschürt und überzeichnet wurden. Dieser ZDF-Faktencheck betonte die Einschätzung von Bidens Ärzten, wonach es keine medizinischen Einwände gegen seine Amtsfähigkeit gebe. Dieser ZDF-Bericht untermauerte die Dementis der US-Regierung mit zusätzlichen Stimmen. Die FAZ greift hier die Worte der Präsidentenarztes auf. Durch die detaillierte Schilderung („extrem detaillierte Untersuchung“, „exzellentes Geschick, kein Tremor“) wird Bidens Gesundheitszustand beschwichtigend als einwandfrei charakterisiert.
Einige Medien, wie die Süddeutsche Zeitung, beschrieben mit sarkastischem Unterton, wie Bidens Umfeld den verpatzten TV-Duell-Auftritt zunächst verharmloste. Indem die Autoren die Perspektive der Bidens einnehmen - “nichts passiert, weitergehen” - wird deutlich, dass Joe und Jill Biden die Debatten-Panne zunächst als nicht der Rede wert darstellen wollten.
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Parkinson: Eine Übersicht
Die Parkinson-Erkrankung, umgangssprachlich auch Schüttel-Lähmung genannt, ist eine der häufigsten Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Allein in Deutschland leiden aktuell circa 400.000 Menschen daran. Parkinson ist auch deshalb so tückisch, weil es sich schleichend entwickelt. Erste Anzeichen werden oftmals noch nicht mit Parkinson in Verbindung gebracht. Dazu zählen laut Deutscher Gesellschaft für Parkinson REM-Schlaf-Verhaltensstörungen, Riechstörungen, Sehstörungen, Schmerzen in Muskeln und Gelenken, vermindertes Mitschwingen der Arme beim Gehen, Störungen der Feinmotorik wie eine veränderte Handschrift, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Unsicherheit und Zittrigkeit.
Zu den typischen Symptomen gehören im späteren Verlauf dann:
- Zittern (Tremor)
- Steifheit der Muskeln (Rigor)
- verlangsamte Bewegungen (Bradykinese)
- Gleichgewichtsstörungen
Zusätzliche Symptome können das „Einfrieren“ von Bewegungen (Freezing), Schwierigkeiten beim Sprechen und Schlucken, Störungen der vegetativen Funktionen (zum Beispiel Blutdruck und Verdauung), Schlafstörungen, Depressionen und geistige Beeinträchtigungen bis hin zur Demenz sein.
Therapieansätze bei Parkinson
In erster Linie wird Parkinson mit Medikamenten behandelt. Weil sich die Parkinson-Symptome durch einen Ausgleich des Dopaminmangels lindern lassen, wird entsprechend Dopamin als Medikament zugeführt (zum Beispiel L-Dopa) oder der Abbau des vorhandenen Dopamins unterbunden (MAO-B-Hemmer, COMT-Hemmer). Die Therapie erfolgt immer individuell bei einem Spezialisten. Manchmal kann auch ein hirnchirurgischer Eingriff sinnvoll sein, die sogenannte Tiefe Hirnstimulation (THS). Daneben können Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie und gegebenfalls Psychotherapie ergänzend helfen.
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