Frontotemporale Demenz: Ursachen, Diagnose und Behandlungsansätze

Die Diagnose einer Demenzerkrankung ist für Betroffene und Angehörige gleichermaßen erschütternd. Der Fall des US-amerikanischen Schauspielers Bruce Willis, der an frontotemporaler Demenz (FTD) erkrankt ist, hat das öffentliche Interesse an dieser seltenen Form der Demenz verstärkt. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten der FTD und gibt Einblicke in den Umgang mit dieser herausfordernden Erkrankung.

Was ist frontotemporale Demenz?

Die frontotemporale Demenz (FTD) ist eine vergleichsweise seltene Form der Demenz, die durch den Abbau von Nervenzellen im Stirn- (Frontal-) und Schläfenlappen (Temporal-) des Gehirns gekennzeichnet ist. Im Gegensatz zur Alzheimer-Krankheit, bei der vor allem Gedächtnisstörungen im Vordergrund stehen, manifestiert sich die FTD häufig durch Veränderungen der Persönlichkeit, des Sozialverhaltens und der Sprache. Die FTD betrifft oft Menschen in einem jüngeren Alter als Alzheimer-Patienten, meist zwischen 45 und 60 Jahren. In Deutschland sind schätzungsweise 30.000 Menschen von FTD betroffen.

Bruce Willis und die frontotemporale Demenz

Die Bekanntgabe der FTD-Diagnose von Bruce Willis hat die Öffentlichkeit für diese spezielle Form der Demenz sensibilisiert. Nachdem Willis zunächst mit Aphasie diagnostiziert wurde und seine Filmkarriere beendete, stellte sich heraus, dass die Aphasie ein Symptom der FTD war. Die Familie von Bruce Willis teilte mit, dass es sich um eine "grausame Krankheit" handle, die viele nicht kennen würden, die aber jeden treffen könne.

Ursachen der frontotemporalen Demenz

Die genauen Ursachen für das Nervenzellsterben bei der FTD sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass verschiedene Faktoren eine Rolle spielen.

Genetische Faktoren

Ein Teil der FTD-Fälle ist erblich bedingt. Studien haben gezeigt, dass Mutationen in bestimmten Genen, wie C9orf72, GRN und MAPT, mit der Entstehung der FTD in Verbindung stehen. Bei etwa 10 bis 15 Prozent aller Menschen mit FTD lässt sich eine solche genetische Veränderung nachweisen. Wenn ein Elternteil eine solche genetische Veränderung vererbt, hat das Kind eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, ebenfalls an FTD zu erkranken. In etwa 40 Prozent der Fälle zeigt sich eine familiäre Häufung von FTD oder ähnlichen Erkrankungen wie anderen Demenzformen, ALS oder psychischen Erkrankungen.

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Nicht-genetische Faktoren

In rund 60 Prozent der Fälle tritt die FTD ohne erkennbare Vorbelastung auf (sporadische FTD). Welche Lebensstil- und Umweltfaktoren die Erkrankung begünstigen, ist noch nicht abschließend geklärt. Allerdings spielen Herz-Kreislauf-Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht, Blutzucker- und Fettstoffwechselstörungen wahrscheinlich eine Rolle.

Pathologische Veränderungen im Gehirn

Bei der FTD kommt es zu Ablagerungen von krankhaften Proteinen in den Nervenzellen des Stirn- und Schläfenlappens. Diese Ablagerungen, die erstmals vom Prager Neurologen Arnold Pick beschrieben wurden und als "Pick'sche Körper" bezeichnet werden, stören die Zellfunktion und führen zum Zelltod.

Symptome der frontotemporalen Demenz

Die Symptome der FTD können je nach betroffenem Hirnbereich variieren. Grundsätzlich lassen sich zwei Hauptformen unterscheiden: die Verhaltensvariante und die sprachliche Variante.

Verhaltensvariante (bvFTD)

Die Verhaltensvariante der FTD (bvFTD) ist durch tiefgreifende Veränderungen im Verhalten und in der Persönlichkeit gekennzeichnet. Betroffene wirken oft "anders", obwohl das Gedächtnis oft noch gut funktioniert. Zu den häufigsten Anzeichen gehören:

  • Enthemmung: Unpassende Bemerkungen, unangemessenes sexuelles Verhalten, Ladendiebstahl oder Berührungen von Fremden.
  • Apathie: Rückzug aus sozialen und beruflichen Aktivitäten, Verlust von Interesse an Beziehungen oder Hobbys.
  • Emotionale Abstumpfung / Empathieverlust: Gleichgültigkeit gegenüber den Gefühlen nahestehender Personen, fehlende Anteilnahme oder Einfühlungsvermögen.
  • Zwanghaftes oder ritualisiertes Verhalten: Wiederholte Handlungen, Horten von Gegenständen oder das tägliche Aufsuchen bestimmter Orte.
  • Verändertes Essverhalten: Zwanghaftes Essen bestimmter Lebensmittel oder übermäßiger Konsum von Wasser oder Alkohol.
  • Fehlende Einsicht: Betroffene sehen häufig nicht ein, dass ihr Verhalten ungewöhnlich ist.

Sprachliche Variante (PPA)

Die sprachliche Variante der FTD, auch Primär Progressive Aphasie (PPA) genannt, äußert sich in verschiedenen Formen, je nachdem, welche sprachlichen Fähigkeiten am stärksten eingeschränkt sind:

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  • Semantischer Typ: Verlust des Verständnisses für Wörter. Betroffene können Dinge oft nicht mehr benennen oder genau beschreiben.
  • Unflüssiger/agrammatischer Typ: Schwierigkeiten beim Sprechen. Die Wörter kommen langsamer über die Lippen, und das Sprechen klingt angestrengt.
  • Logopenischer Typ: Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden. Das Sprechen wird langsam und zögerlich. (im Gegensatz zu den anderen Formen gehört der logopenische Typ nicht zur Frontotemporalen Demenz, sondern zur Alzheimer-Krankheit)

Weitere Symptome

Im späteren Verlauf der Erkrankung können weitere Symptome hinzukommen, wie Gedächtnisprobleme, Bewegungsstörungen, Muskelsteifheit oder Schwierigkeiten beim Schlucken.

Diagnose der frontotemporalen Demenz

Die Diagnose der FTD kann eine Herausforderung darstellen, da die Symptome oft unspezifisch sind und anderen Erkrankungen ähneln können. Es gibt kein einzelnes Verfahren, das FTD eindeutig nachweisen kann. Die Diagnose erfolgt daher in mehreren Schritten:

  1. Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und Prüfung grundlegender kognitiver Fähigkeiten.
  2. Befragung der Angehörigen: Einschätzungen aus dem Umfeld sind besonders bei der Verhaltensvariante entscheidend, da Erkrankte oft keine Einsicht in ihre Verhaltensänderungen zeigen.
  3. Bildgebende Verfahren: MRT, CT oder FDG-PET können Veränderungen in den Stirn- und Schläfenlappen sichtbar machen.
  4. Neuropsychologische Tests: Erfassung spezifischer Beeinträchtigungen in Planung, Urteilsvermögen, Sprache oder sozialem Verhalten.
  5. Genetische Untersuchungen: Bei familiärer Häufung von FTD kann ein Gentest helfen, eine vererbbare Form festzustellen.

Behandlung der frontotemporalen Demenz

Bislang ist die FTD nicht heilbar. Es gibt auch keine Medikamente, die den Krankheitsverlauf aufhalten oder verlangsamen können. Die Behandlung zielt daher darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Angehörigen zu verbessern.

Medikamentöse Behandlung

Bestimmte Medikamente können helfen, Verhaltensauffälligkeiten wie Unruhe, Aggression oder zwanghaftes Verhalten zu mildern. Serotonerge Antidepressiva haben sich bei einigen Betroffenen als wirksam erwiesen, da sie antriebssteigernd wirken und zu einer besseren Ausgeglichenheit beitragen können. Antidementiva, die bei Alzheimer eingesetzt werden, sind zur Behandlung der frontotemporalen Demenz nicht empfohlen, da bei einer frontotemporalen Demenz vermutlich ein Serotonin- und Dopamin-Defizit und kein Acetylcholin-Defizit wie bei Alzheimer vorliegt.

Nicht-medikamentöse Therapieformen

Neben der medikamentösen Behandlung spielen nicht-medikamentöse Therapieformen eine wichtige Rolle. Dazu gehören:

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  • Logopädie: Insbesondere bei Patienten mit primärer Sprachstörung.
  • Ergotherapie: Unterstützung bei der Bewältigung alltäglicher Aufgaben.
  • Physiotherapie: Erhaltung der körperlichen Beweglichkeit.
  • Kreative Therapien: Förderung des Selbstausdrucks und der emotionalen Stabilität.
  • Kognitives Training: Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten.
  • Sport und Bewegung: Positive Effekte auf die Leistungsfähigkeit, Fitness und Stimmung.

Weitere Maßnahmen

  • Strukturierter Tagesablauf: Kann dazu beitragen, eine Versorgung zu Hause möglichst lange aufrechtzuerhalten.
  • Soziale Kontakte: Geben Halt und tun dem Gehirn gut.
  • Unterstützung für Angehörige: Angehörigengruppen, Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen können helfen, mit der Belastung umzugehen.

Leben mit frontotemporaler Demenz

Das Leben mit FTD stellt Betroffene und ihre Angehörigen vor große Herausforderungen. Es ist wichtig, sich frühzeitig Unterstützung zu suchen und sich über die Erkrankung zu informieren.

Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten

Der Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten wie Enthemmung, Apathie oder Aggression kann sehr belastend sein. Es ist wichtig zu wissen, dass diese Verhaltensweisen krankheitsbedingt sind und nicht persönlich gemeint sind. Geduld, Verständnis und eine klare Kommunikation können helfen, Konflikte zu vermeiden.

Kommunikation

Die Kommunikation mit Menschen mit FTD kann schwierig sein, insbesondere bei Sprachstörungen. Es ist wichtig, langsam und deutlich zu sprechen, kurze Sätze zu verwenden und nonverbale Kommunikation zu nutzen.

Anpassung des Wohnraums

Eine Anpassung des Wohnraums kann dazu beitragen, die Sicherheit und Selbstständigkeit der Betroffenen zu erhalten. Dazu gehören beispielsweise das Entfernen von Stolperfallen, das Anbringen von Haltegriffen und eine gute Beleuchtung.

Rechtliche und finanzielle Aspekte

Es ist wichtig, sich frühzeitig mit rechtlichen und finanziellen Aspekten auseinanderzusetzen, wie beispielsweise Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Pflegeversicherung.

Forschung zur frontotemporalen Demenz

Die Forschung zur FTD ist intensiv und zielt darauf ab, die Ursachen der Erkrankung besser zu verstehen, neue Diagnoseverfahren zu entwickeln und wirksame Therapien zu finden.

Genetische Forschung

Die Identifizierung von Genen, die mit der FTD in Verbindung stehen, hat wichtige Erkenntnisse über die Krankheitsentstehung geliefert. Die Entwicklung von Gentherapien, die auf die spezifischen Genfehler abzielen, ist ein vielversprechender Ansatz.

Medikamentenentwicklung

Es werden verschiedene Wirkstoffe in klinischen Studien getestet, die darauf abzielen, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen oder die Symptome zu lindern. Dazu gehören beispielsweise Antisense-Oligonukleotide, die an den Genfehler binden und so verhindern sollen, dass dieser seine schädliche Wirkung entfaltet.

Früherkennung

Ein besseres Verständnis der frühen Krankheitsphase, bevor die ersten Demenzsymptome auftreten, ist entscheidend für die Entwicklung von Therapien, die das Ausbrechen der Erkrankung verhindern oder zumindest hinauszögern können. Die Genetische FTD-Initiative (GENFI) hat sich zum Ziel gesetzt, die Veränderungen im Gehirn von Menschen mit bekannten FTD-Genfehlern zu messen, noch bevor Symptome auftreten.

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